Staats- und Verfassungsrecht

Verwertbarkeit der Messung mit PoliScan Speed außerhalb des Messbereichs

Aktenzeichen  3 OWi 609 Js 120731/16

Datum:
7.11.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152559
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Landsberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 3 Abs. 3, § 24, § 25 Abs. 1, Abs. 2a, § 49 Abs. 1 Nr. 3
BKatV § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4
OWiG § 71 Abs. 1
StPO § 267 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Der Verwertbarkeit eines im standardisierten Messverfahren PoliScan Speed festgestellten Geschwindigkeitverstoßes steht nicht entgegen, dass die Positionen der Geschwindigkeitsmessungen leicht außerhalb des Messbereichs gem. Zulassungsunterlagen liegen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Es wird eine Geldbuße von 240 EURO verhängt.
D. Betroffenen wird auf die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge aller Art im Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
D. Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Gründe

I.
Der 42 Jahre alte, deutsche Betroffene ist als Elektriker tätig und lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse. Weitere Einzelheiten über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses des vom persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen sind nicht bekannt geworden.
Im Fahreignungsregister vom 14.09.2017 weist er eine Eintragung auf. Am 01.05.2015 überschritt er in Garching bei München als Führer eines Pkws die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h. Daher wurde gegen ihn am 09.07.2015 eine Geldbuße von 80 € verhängt, der Bußgeldbescheid wurde am 28.07.2015 rechtskräftig.
II.
Der Betroffene fuhr am 17.02.2016 um 9.53 Uhr mit dem Pkw der Marke DaimlerChrysler, amtliches Kennzeichen M – CM 6045, auf der Bundesstraße 17 im Gemeindebereich Denklingen in Fahrtrichtung Schongau. Auf Höhe des Abschnittes 380, bei km 1.650, beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort – außerhalb geschlossener Ortschaften – 100 km/h. Der Betroffene fuhr jedoch an dieser Stelle nach Abzug einer Messtoleranz von 5 km/h mit einer Geschwindigkeit von 144 km/h. Unter Anwendung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichem Maße überschritten hatte. Dieses Fehlverhalten war für ihn auch vermeidbar.
III.
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
Der Betroffene hat im Hauptverhandlungstermin über seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft eingeräumt. Eine weitere Einlassung zur Sache ist nicht erfolgt. Der Verteidiger hat die Richtigkeit der Messung angezweifelt.
Aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme bestehen für das Gericht jedoch keinerlei Zweifel daran, dass der Betroffene den oben beschriebenen Geschwindigkeitsverstoß fahrlässig begangen hat.
Wie bereits ausgeführt, steht der Betroffene als Fahrer aufgrund geständiger Einlassung fest.
Der Geschwindigkeitssverstoß erfolgte im vorliegenden Fall im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens mit dem geeichten Laser – Messgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH. Dabei wurde – wie oben bereits ausgeführt – nach Abzug einer Messtoleranz im Umfang von 3% ( was aufgerundet einem Wert von 5 km/h entspricht) eine Geschwindigkeit des Betroffenen von 144 km/h festgestellt. Hieraus ergibt sich, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/ h überschritten wurde.
Tatsächliche und konkrete Anhaltspunkte für etwaige Messfehler sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Aufgrund der glaubhaften und widerspruchsfreien Angaben der Verkehrsdienstangestellten Fleder, welche bei Gericht aus anderen Verfahren als erfahrene, geschulte und zuverlässige Messkontrolleurin bekannt ist, steht für das Gericht zweifelsfrei fest, dass bei der fraglichen Messung ein geeichtes Gerät zum Einsatz gekommen ist, dass die entsprechenden Tests vor und auch nach der Messung durchgeführt wurden, das Gerät entsprechend der Herstelleranweisung verwendet wurde und auch keine Fehlmessungen aufgetreten sind.
Unter diesen Umständen hat das Gericht keine Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall eine korrekte Geschwindigkeitsmessung mit dem oben genannten Ergebnis vorgenommen wurde. Dies gilt umso mehr, als auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Messung unter widrigen Verhältnissen erfolgt ist.
Das Messprotokoll vom 17.02.2016 und der Eichschein vom 11.06.2015 kamen zur Verlesung. Diese bestätigen die Angaben der Zeugin F. zur Messung am Tattag und zur Eichung des Messgerätes. Das Gerät ist laut dem Eichschein bis 31.12.2016 gültig geeicht gewesen.
Von den Angaben zur Messung konnte sich das Gericht auch selbst durch Inaugenscheinnahme der auf Blatt 12 der Akte befindlichen Lichtbilder, auf welche gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG ausdrücklich Bezug genommen wird, überzeugen.
Demzufolge kann auch ausgeschlossen werden, dass der festgestellte Messwert von 144 km/h (nach Toleranzabzug) einem anderen Fahrzeug als demjenigen der Betroffenen zuzuordnen ist.
Der Sachverständige Dipl. Ing. Smykowski erstattete sein Gutachten zur Frage der Ordnungsgemäßheit der Messung und den von der Verteidigung vorgebrachten Einwänden. Er ist dem Gericht als erfahren und zuverlässige bekannt. Nachvollziehbar schilderte er, dass das Messgerät geeicht war und ordnungsgemäß funktionierte. Auch der Messvorgang sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Auswerterahmen kongruiere mit der Fotoposition des gemessenen Fahrzeuges und werde korrekt auf die Front des gemessenen Fahrzeugs des Betroffenen eingeblendet. Zwar werde in den Zulassungsunterlagen ein Messbereich von 20 – 50 Metern vorgegeben. Dies sei aber ausdrücklich nicht auf 20,00 und 50,00 beschränkt, so dass auch die Position der ersten Geschwindigkeitsmessung von 50,27 Meter und die Position der letzten Messung mit 20,23 Meter erfasst sind. Im Übrigen müsse bei den Werten von 50 und 20 Metern auch die Tiefenauflösung von 0.3125 Meter des Messgerätes berücksichtigt werden. Diese ergebe sich aus dem Datenblatt des Messsystems. Dieses Datenblatt wurde in Augenschein genommen und bestätigte die Angaben des Sachverständigen zur Tiefenauflösung. Weiter führte der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass die Messung tatsächlich an einem virtuellen Messobjekt vorgenommen wird, das aus den rückgemeldeten Messwerten gebildet wird. Daher wäre selbst eine Messung dann gültig, wenn der von der PTB vorgegebenen Messbereich leicht überschritten wäre. Dies würde die Messung nicht beeinträchtigen. Der Sachverständige schilderte auch nachvollziehbar, dass die zugebilligte Toleranz tatsächlich erheblich über der tatsächlich möglichen Fehlermöglichkeit liegt und dass aus technischer Sicht keine Zweifel an der Richtigkeit der vorgenommenen Messung und der erfolgten Messwertbildung sowie der Messwertzuordnung bestehen. Das Gericht schließt sich auch aufgrund eigener Überlegungen den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen an.
Die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes kommt nicht in Betracht, da das Gericht nach umfassender Beweisaufnahme keine Zweifel an der Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen um mindestens 44 km/h hat.
IV.
Der Betroffene hat sich somit einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h gemäß § 3 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, §§ 24, 25 Abs, 1, 2 a StVG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV schuldig gemacht.
V.
Ausweislich § 1 Abs. 1 Satz 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung bemisst sich die gegen den Betroffenen zu verhängende Geldbuße im vorliegenden Fall nach den im Bußgeldkatalog bestimmten Beträgen. Konkret sieht der Bußgeldkatalog zur Ahndung der vorliegenden Tat im Anhang zu Nr. 11 ein Bußgeld von 160 Euro vor (Ziffer 11.3.7 BKat). Die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge sind Regelsätze, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen (§ 1 Abs. 2 Bußgeldkatalog-Verordnung).
Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Betroffene bereits eine einschlägige Vorahndung aufweist. Schon am 01.05.2015 kam es zu einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung. Vor diesem Hintergrund ist die Regelgeldbuße zu erhöhen. Das Gericht hält daher eine Geldbuße von 240,- € für schuld- und tatangemessen.
Darüber hinaus war gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von 1 Monat zu verhängen.
Ein solches Fahrverbot entspricht der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV vorgesehenen Regelfolge; von dieser Abstand zu nehmen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Die Erfüllung eines der Tatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV indiziert das Vorliegen eines groben Verkehrsverstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG. Ein solcher offenbart ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr; es bedarf daher regelmäßig der Denkzettel -und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes. Zu beachten ist auch in diesem Zusammenhang, dass die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen. Vorliegend handelt es sich um einen Regelfall in diesem Sinne, weil er allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder subjektiv noch objektiv Besonderheiten aufweist. Eine außergewöhnliche Härte, die im Einzelfall zu einem Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes führen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Darüber hinaus liegen nach Prüfung des Gerichts auch nicht die Voraussetzungen vor, um ausnahmsweise von der Anordnung eines Fahrverbotes gegen angemessene Erhöhung des für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes abzusehen (§ 4 Abs. 4 BKatV).
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG, §§ 464, 465 StPO.


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