Steuerrecht

3 K 3397/14

Aktenzeichen  3 K 3397/14

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 3 K 3397/14
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichworte:
1. Die Dauer der Grundstücksnutzung stellt ein Hauptelement eines Grundstücksmietvertrages dar. Bei nur kurzfristiger und gegenständlich beschränkter Nutzung fehlt ein Hauptelement eines solchen Mietvertrages.
2. Wenn eine Gebrauchsüberlassung von anderen wesentlichen Leistungen überlagert wird, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nicht in Betracht.
In der Streitsache

Klägerin
prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen
Finanzamt
Beklagter
wegen Umsatzsteuer 2005 – 2009
hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 8. Juni 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Steuerfreiheit der Vermietung von Wohnungen an Prostituierte.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in A. Geschäftsführerin ist S.
Die Klägerin hatte in den Streitjahren zwei Geschäftsfelder. Zum einen betrieb sie einen allgemeinen Erotikführer (Rotlicht-Guide ) in A, zum anderen mietete sie Privatwohnungen in A und B an und vermietete diese in der Regel wochenweise zu einer Tagesmiete, die je nach Objekt und Mietdauer variierte, von 60 bis 100 € an Prostituierte weiter. Schriftliche Mietverträge wurden dabei mit den Prostituierten nicht abgeschlossen. Der Mietzins dafür wurde regelmäßig von einem Mitarbeiter der Klägerin bar kassiert, darüber erstellte die Klägerin Quittungen. Bei den insgesamt 20 angemieteten Wohnungen handelte es sich durchweg um Zweizimmerwohnungen mit Küche und Bad. Diese befanden sich in A und B. Diese Wohnungen wurden von der Klägerin eingerichtet und mit einer Grundausstattung an Geschirr, Handtüchern und Bettwäsche versehen. Die Vermietung der Wohnungen erfolgte üblicherweise von Sonntag auf Sonntag. Nach ihrer Anreise ließen die Frauen die Angaben zu ihrer Person in der Regel (zu 95%) auf der Internetseite des Rotlicht-Guide online stellen; dafür wurden von Rotlicht-Guide separate Rechnungen über 40 € je Woche erstellt, die von den Frauen auch getrennt vom Mietzins bezahlt wurden. Keine der Wohnungen verfügte über eine Gegensprechanlage oder einen Alarmknopf; Bettwäsche und Handtücher wurden nicht gewechselt.
In den Streitjahren behandelte die Klägerin die Vermietungen an die verschiedenen wechselnden Prostituierten in ihren Umsatzsteuererklärungen als steuerfreie Vermietung von Grundstücken. Sie erklärte insoweit steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug:
– in 2005 in Höhe von … €,
– in 2006 in Höhe von … €,
– in 2007 in Höhe von … €,
– in 2008 in Höhe von … € und
– in 2009 in Höhe von … €.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer:
– von … € für 2005,
– von … € für 2006,
– von … € für 2007,
– von … € für 2008 und
– von … € für 2009.
– Nach der Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2008 (Bericht vom 3. März 2011) setzte der Beklagte (das FA) die Umsatzsteuer unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für die Jahre 2005 bis 2009 jeweils mit Bescheiden vom 1. Juli 2011
– auf … € für 2005,
– auf … € für 2006,
– auf … € für 2007,
– auf … € für 2008 und
– auf … € für 2009 fest.
Mit Änderungsbescheiden vom 13. Juni 2013 setze das FA die Umsatzsteuer für 2008 auf € und für 2009 auf € fest.
Gegen die Bescheide vom 1. Juli 2011 war der am 25. Juli 2011 (Frühleerung) eingegangene Einspruch gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
Gegen die Nichtanerkennung der Vermietung der Wohnungen als steuerfreie Vermietungsleistungen ist die Klage vom 18. Dezember 2014 gerichtet.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2015 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2009 im Betrag unverändert unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auf € fest.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Vermietung der Wohnungen ihre Hauptleistung sei. Eine Prostituierte sei nur in der Lage, ihre sexuellen Dienstleistungen zu erbringen, wenn sie über eine entsprechende abgeschlossene Wohnung verfüge. Für die Prostituierte stelle die Gebrauchsüberlassung dieser Wohnung insoweit einen eigenen Zweck dar; von einem Zurücktreten dieser Gebrauchsüberlassung der Wohnung gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen könne hier nicht gesprochen werden. Damit liege hier auch kein Vertrag besonderer Art i. S. v. Abschnitt 4.12.6 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vor. Der Sachverhalt des Streitfalls unterscheide sich auch von den bisher von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entschiedenen Fällen. Wesentliches Merkmal der steuerfreien Vermietung sei es, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Die Wohnungen würden zur Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit überlassen, die Dauer der Nutzungsüberlassung stehe deshalb einer steuerfreien Vermietungstätigkeit nicht entgegen. Nach gefestigter Rechtsprechung komme es nur noch bei der Abgrenzung zur Überlassung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung auf die Nutzungsdauer an. Die Zusatzleistungen der Klägerin seien auch bei einer Wohnraumvermietung denkbar und nicht unüblich. Soweit die Mieterinnen werbliche Leistungen mit separater Rechnung beziehen würden, gäben diese der Gesamtleistung kein anderes Gepräge.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 18. Dezember 2014, vom 12. Februar 2015, vom 10. April 2014, vom 27. August 2015, vom 4. Dezember 2015, vom 18. April 2016 und vom 2. Juni 2016 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 1. Juli 2011 und des Umsatzsteuerbescheides für 2008 vom 13. Juni 2013 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 und des Umsatzsteuerbescheides für 2009 vom 20. Juli 2015 die Umsatzsteuer für 2005 auf €, für 2006 auf €, für 2007 auf €, für 2008 auf € und für 2009 auf € festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass die Klägerin nach den Feststellungen der Betriebsprüfung die Zimmerbelegung organisiere, die Reinigung der Wohnungen und der Wäsche übernehme und die Meldung bei der Polizei erledige. Zudem betreibe sie gegen ein besonderes Entgelt eine Webseite zur Bewerbung der Prostituierten mit Text und Bildern. Insoweit sei davon auszugehen, dass nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit der Ausübung der Prostitution aus Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund stehe. Prägend für die Vertragsverhältnisse der Klägerin mit den Prostituierten sei die Ermöglichung derer gewerblicher Tätigkeitsausübung. Damit lägen keine steuerfreien Vermietungsleistungen vor und auch der ermäßigte Steuersatz für die Vermietung von Wohn-und Schlafräumen käme nicht in Betracht.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens des FA wird auf die Stellungnahmen vom 19. Mai 2015 und vom 11. Januar 2016 verwiesen.
Mit richterlicher Anordnung vom 29. Oktober 2015 mit Ausschlussfrist zum 7. Dezember 2015 wurde der Klägerin aufgegeben, durch Mietverträge oder sonstige Beweismittel nachzuweisen, dass es sich bei den streitigen „Mietverhältnissen“ um steuerfreie Mietverhältnisse handelt. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 übersandte die Klägerin Kopien von sechs Barzahlungsquittungen und teilte mit, dass mit den Damen keine schriftlichen Mietverträge abgeschlossen werden. Dies sei auch absolut unüblich.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 08. Juni 2016 Beweis erhoben über den Ablauf der Vermietungen der Wohnungen an die jeweiligen Mieterinnen durch Vernehmung des Zeugen C und der Zeugin D.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Leistungen der Klägerin stellen keine steuerfreien Grundstücksvermietungen dar.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer, sofern keine Steuerbefreiung nach § 4 UStG besteht.
Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist „die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen“ steuerfrei. Wesentliches Merkmal der steuerfreien Vermietung i. S. von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (BFH-Urteile vom 24. September 2015 V R 30/14, UR 2015, 950 Rz. 14 und vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BFH/NV 2014, 1159, Rz. 19). Nicht befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG dagegen (unter anderem) die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält.
Der Begriff der Grundstücksvermietung ist dabei auf der Grundlage der in den Streitjahren 2005 und 2006 geltenden 6. EG-Richtlinie (Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1977, ABl.EG 1977, Nr. L 145 S. 1) sowie der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (vom 28. November 2006, Abl.EU 2006 Nr. L 347 S. 1 ber. 2007 Nr. L 335 S. 60 = MwStSystRL; hier Art. 135 Abs. 1 Buchst. l) unionsrechtskonform auszulegen; es handelt sich um einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts (EuGH – Gerichtshofs der Europäischen Union-Urteil vom 4. Oktober 2001, Rs. C-326/99, Goed Wonen, Slg 2001, I-6831, ECLI:ECLI:EU:C:2001:506, Rz. 47). Insoweit kann nicht streng auf die zivilrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückgegriffen werden, also auch nicht auf die nationalen deutschen Regelungen in §§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 41/09, BStBl II 2014, 73, Rz. 19; FG-Nürnberg-Urteil vom 30. März 2010 2 K 1093/2008, DStRE 2011, 692, Rz. 26 und Schüler-Täsch, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 12 Rz. 14).
Dabei ist die Steuerbefreiung für Umsätze durch Grundstücksvermietungen nach der Rechtsprechung des BFH und des EuGH eng auszulegen, da sie eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz darstellt, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (BFH-Beschluss vom 26. April 2002 V B 168/01, BFH/NV 2002, 1345, Rz. 13 und Urteil vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BStBl II 2015, 427, Rz. 24 sowie EuGH-Urteile vom 18. Januar 2001, Rs. C-150/99, Stockholm Lindöpark, Slg 2001 I-493, ECLI:ECLI:EU:C:2001:34, vom 12. September 2000, Rs. C-358/97, Kommission/Irland, Slg 2000, I-6301, ECLI:ECLI:EU:C:2000:42 und vom 12. Februar 1998, Rs. C-346/95, Blasi, Slg 1998, I-481, ECLI:ECLI:EU:C:1998:51, Rz. 18).
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass die Dauer der Grundstücksnutzung ein Hauptelement eines Grundstücksmietvertrages ist (EuGH-Urteil vom 18. Januar 2001 Rs. C-150/99, Stockholm Lindöpark, Slg 2001 I-493, ECLI:ECLI:EU:C:2001:34, Rz. 27 m. w. N.). Bei nur kurzfristiger und gegenständlich beschränkter Nutzung ist ein Hauptelement eines Mietvertrages i. S. von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nicht erfüllt (BFH-Beschluss vom 13. September 2002 V B 51/02, BFH/NV 2003, 212, Rz. 12). Der BFH hält es ferner unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 10. August 1961 V 95/60 U, BStBl III 1961, 525 und V 111/60, HFR 1962, 145) für geklärt, dass bei der Überlassung von Räumen zur Ausübung der Prostitution dann eine einheitliche steuerpflichtige Leistung vorliegt, wenn nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Betätigung auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398, Rz. 25 und Beschlüsse vom 26. April 2002 V B 168/01, BFH/NV 2002, 1345, Rz. 15 sowie vom 13. September 2002 V B 51/02, BFH/NV 2003, 212, Rz. 12).
Insbesondere dann, wenn eine Gebrauchsüberlassung von anderen wesentlichen Leistungen überlagert wird – welche damit sozusagen der Gesamtleistung das Gepräge geben -und sich dieses Vertragsverhältnis als ein einheitliches unteilbares Ganzes und damit als ein Vertrag besonderer Art darstellt, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nicht in Betracht, auch wenn sich die Vereinbarungen nicht einem anderen zivilrechtlichen Vertragstyp zuordnen lassen (vgl. Schüler-Täsch, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 12 Rz. 32). Eine solche einheitliche steuerpflichtige Leistung kann in Fällen der Überlassung von Wohnräumen an Prostituierte dann angenommen werden, wenn „zusätzliche Leistungen“ der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben als einer Vermietung (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BStBl II 2015, 427, Rz. 26 und 29).
2. Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall hat die Klage keinen Erfolg. Das FA hat die Steuerbefreiung zu Recht versagt.
a) Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG scheitert zunächst nicht daran, dass hier kurzfristige Beherbergungen i. S. des Satzes 2 der Regelung vorliegen könnten. Es ist rechtlich geklärt, dass die Vermietung von Räumen an Prostituierte zum Zweck der Ausübung der Prostitution keine kurzfristige Beherbergung von bereitgehaltenen Wohn-und Schlafräumen an Fremde darstellt (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 23. Juli 2014 3 K 2023/12, EFG 2014, 1999 zur gleichlautenden Bestimmung beim ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864).
b) Im Streitfall stellen die Leistungen der Klägerin bei der entgeltlichen Überlassung der Wohnungen an Prostituierte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls und der hier gebotenen engen Auslegung der Steuerbefreiung für Grundstücksvermietungen keine reinen Grundstücksvermietungen dar. Es handelt sich vielmehr um vertragliche Vereinbarungen eigener Art, die sich wesentlich von der steuerbefreiten Leistung einer Grundstücksvermietung unterscheiden, so dass eine Steuerbefreiung dieser Leistungen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nicht in Betracht kommt.
Vorliegend wird das Gepräge der Leistungen der Klägerin aus Sicht ihrer Leistungsempfängerinnen – der Mieterinnen und zugleich Prostituierten – in erster Linie durch die Möglichkeit zur Ausübung der gewerblichen Prostitution in den überlassenen Wohnungen bestimmt, die Nutzung der Wohnungen für diesen Hauptzweck stellt außerdem lediglich ein Merkmal der Gesamtleistung dar. In diesem Zusammenhang führt die Klägerin selber aus, dass die Wohnungen nur an solche Frauen, die der Prostitution nachgehen, vermietet werden, eine „normale“ Vermietung zur reinen Raumnutzung wird also von ihr nicht angeboten. Bereits insoweit steht hier nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Betätigung auszuüben, aus der Sicht der Leistungsempfänger im Vordergrund.
Leistungsbestimmend ist dabei außerdem, dass die Klägerin den Prostituierten die Möglichkeit einräumte, die Angaben zu ihrer Person – wie zum Beispiel Körpermaße, Alter und Haarfarbe – sowie die jeweils angebotenen Dienstleistungen der Prostitution und einschlägige Bilder auf einer von ihr betriebenen Internetseite mit der Bezeichnung „Rotlicht-Guide“ einzustellen (Werbeeintrag in Google: „As Erotikführer Nummer 1, für geilen Sex mit den schönsten Girls“). So kontaktierten die Prostituierten bei Beginn ihrer Tätigkeit in den Wohnungen den Prokuristen der Klägerin C, damit dieser ihre „Seite“ bei der Internetseite „Rotlicht-Guide“ einstellte. Nach – mit der Aktenlage übereinstimmender Aussage des Zeugen C kostete die Mieterinnen ein Inserat ca. 30 bis 40 € die Woche. Nach dem Vorbringen der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und der Aussage des Zeugen C machte davon die überwiegende Anzahl der Prostituierten in den Wohnungen in A und B Gebrauch.
Diese Internetseite verfolgte damit – neben der Eigenwerbung der einzelnen Prostituierten -auch den Zweck, über das jeweils aktuelle Angebot der gewerblichen Prostitution in den Wohnungen der Klägerin zu informieren. Auf den einschlägigen Internetseiten fanden sich nicht nur ein Vorname, Angaben zur Person, die Adresse (der angemieteten Wohnung) und die Telefonnummer der Prostituierten, sondern auch Bilder in erotischen Positionen sowie die Beschreibung der sexuellen Dienstleistungen, welche bei der jeweiligen Prostituierten in Anspruch genommen werden konnten. Für einen potentiellen Freier stellt das aber – in einer diskreteren Variante – nichts Anderes dar, als das Betreten eines Kontaktraumes in einem Bordell, in dem er Kontakt zu einer Prostituierten seiner Wahl aufnehmen kann, um von dieser sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Über die Internetseite der Klägerin konnten sich die Freier somit bereits im Vorfeld einer Kontaktaufnahme über das Angebot in den Wohnungen der Klägerin und der jeweiligen Prostituierten informieren und über die dort vermerkten Telefonnummern unmittelbar Kontakt aufnehmen. Die Klägerin stellte damit mit den Wohnungen und der Internetseite in Form einer einheitlichen Leistung für ihre „Mieterinnen“ umsatzsteuerrechtlich wesentliche Grundlagen zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung. Daran ändert sich in Bezug auf die Internetseite nichts dadurch, dass die Bezahlung dieser Dienstleistung separat erfolgte, denn damit wurde lediglich die Zahlung aufgespalten. Auch der Umstand, dass die Internetseite gleichfalls von anderen Prostituierten genutzt werden konnte, ändert an dieser Bewertung nichts, denn vorliegend geht es nur um die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit der entgeltlichen Überlassung der Wohnungen.
Die Klägerin kann sich mangels Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhalte auch nicht auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 17. September 2015 (2 K 253/14, EFG 2016, 243) berufen. Während im dort entschiedenen Fall nur Leistungen im Zusammenhang mit der Überlassung der Zimmer (Möblierung, Videoüberwachung) zu beurteilen waren, sind im Streitfall weitere Leistungen (hier insbesondere Werbung) für die Mieterinnen erbracht worden, welche den Leistungen der Klägerin insgesamt ein anderes Gepräge gegeben haben.
Hinzukommen weitere Merkmale, welche für ein besonderes Gepräge der Leistungen der Klägerin sprechen, weil sie untypisch für Grundstücksmietverträge sind. So übernimmt diese die Meldung von Prostituierten bei der Polizei. Zudem befinden sich in den Wohnungen teilweise von der Klägerin gestellte Festnetzanschlüsse, was für die Prostituierten die Möglichkeit der anonymen Kontaktaufnahme durch die Freier schafft, weil hier keine eigene Rufnummer (Mobilfunknummer) auf der Internetseite des „Rotlicht-Guide“ angegeben werden musste.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die „Belegung“ der Wohnungen jeweils mit nur einer Prostituierten erlaubte. Die Mieterinnen konnten die Wohnungen damit während der Mietdauer nicht so in Besitz nehmen, als wären sie Eigentümer.
c) Ferner spricht bereits die Kurzfristigkeit der Raumüberlassungen nur für einige Tage oder wenige Wochen mit der Vereinbarung einer Tagesmiete dafür, dass der Klägerin vor allem an einer Nutzung der Räume zur Ausübung der Prostitution gelegen war. Nach Überzeugung des Gerichts widerspricht bereits die Erhebung einer „Tagesmiete“ dem Leitbild einer Grundstücksmiete (vgl. oben in Tz. II. 1)
Eine steuerbefreite Vermietungsleistung kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn eine längerfristige Vertragsbindung gewollt ist (so auch das FG-Nürnberg im Urteil vom 30. März 2010, 2 K 1093/2008, DStRE 2011, 692, Rz. 30). Diese Bewertung folgt bereits aus der Regelung in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, wonach z. B. die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält oder die Vermietung von Parkplätzen, nicht steuerbefreit ist. Im Streitfall war von der Klägerin aber gerade eine kurzfristige Nutzungsdauer durch die Prostituierten gewollt gewesen und tatsächlich auch ausgeführt worden. Ihre mögliche Absicht, auch längerfristig zu vermieten, ist lediglich unsubstantiiert vorgetragen, deren Durchführung aber nicht nachgewiesen worden und auch sonst nicht ersichtlich.
3. Die Klägerin kann sich vorliegend auch nicht auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG für die Überlassung der Wohnungen an die Prostituierten berufen. Unabhängig davon, ob dieser Ermäßigungstatbestand hier überhaupt inhaltlich zur Anwendung kommen kann (vgl. in Tz. II.2.a), scheitert eine Anwendung im Streitfall schon daran, dass diese Vorschrift erst mit Wirkung zum 1. Januar 2010 durch Art. 5 des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22. November 2009 eingeführt worden ist (BGBl I 2009, 3950). Der Streitfall betrifft aber nur die Jahre bis 2009.
4. Auch die Zuschätzungen des FA in Höhe € in 2006 und 2007 sowie von € in 2008 wegen einer nicht ordnungsgemäßen Kassenführung durch die Klägerin sind rechtmäßig. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.
Im Streitfall hat die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Hinzuschätzungen wegen einer nicht ordnungsgemäßen Kassenführung bestritten würden, weil die Höhe der bar vereinnahmten „Mieten“ vom FA nicht beanstandet worden sei. Da diese Einnahmen aber nicht die einzigen von der Klägerin bar vereinnahmten Einnahmen darstellten, ist dieses isolierte Vorbringen schon in sich unschlüssig, denn die Klägerin hat auch die Einnahmen aus der Internetseite „Rotlicht-Guide“ bar vereinnahmt; zudem wurde auch die von ihr zu zahlenden Mieten für die Wohnungen jedenfalls zu einem Teil in bar entrichtet. Insoweit bestanden mehrere Ansatzpunkte für die Feststellung einer nicht ordnungsgemäßen Kassenführung. In den Feststellungen der Betriebsprüfung findet sich hierzu die Ergänzung, dass die Kassenaufzeichnungen der Klägerin nicht chronologisch waren und keine Tagesberichte erstellt wurden. Da diese Feststellungen tatsächlich die Annahme von Buchführungsmängeln rechtfertigen und diese von der Klägerin nicht substantiiert bestritten worden sind, ist das Gericht davon überzeugt, dass das FA hier dem Grunde nach zu einer Schätzung berechtigt war. Das Gericht musste insoweit nicht den Betriebsprüfer als Zeugen vernehmen, weil unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgegangen werden muss.
In Anbetracht der nur geringen Höhe der Hinzuschätzungen (weniger als 0,5% der Bareinnahmen laut Erlöskonten) hält das Gericht die Schätzung auch ihrer Höhe nach für rechtmäßig.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.


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