Steuerrecht

Abgewiesene Klage, Luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit, Antrag auf erneute Feststellung, Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 TS, Kein atypischer Fall

Aktenzeichen  M 24 K 21.3834

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10524
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LuftSiG § 7
LuftSiZÜV § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) und zulässig, insbesondere fristgerecht zum zuständigen Verwaltungsgericht München erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 52 Nr. 3 Sätze 2 und 5 VwGO).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Luftamts vom 6. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2.1. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere hat die zuständige Behörde gehandelt und ist der Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids unter Beachtung der Vorgaben von § 7 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden.
2.2. Der Bescheid vom 6. Juli 2021 ist auch materiell rechtmäßig.
2.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist § 7 LuftSiG.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit von Personen, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zum Sicherheitsbereich des Geländes eines Flugplatzes im Sinne des § 8 LuftSiG oder zu einem überlassenen Bereich des Luftfahrtunternehmens im Sinne des § 9 LuftSiG gewährt werden soll, zu überprüfen. Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift werden in § 7 Abs. 1a LuftSiG und § 5 Abs. 1 Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) konkretisiert. Gemäß § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zulässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG nennt Fallkonstellationen, in denen es bereits in der Regel an der erforderlichen Zuverlässigkeit fehlt. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
In § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG hat der Gesetzgeber Regeltatbestände geschaffen, um eine Orientierung für die Konkretisierung des Begriffs der Unzuverlässigkeit zu schaffen. Dabei handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung um typisierte Fallgruppen, die keinesfalls abschließenden oder ausschließenden Charakter besitzen. Der Katalog orientiert sich dabei inhaltlich an § 18 Abs. 2 der Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV) sowie an § 5 Waffengesetz (WaffG) und trägt der besonderen Gefährdung des Luftverkehrs durch mögliche Innentäter Rechnung (BT-Drs. 18/9752 S. 53).
Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu (Meyer in Grabherr/Reidt/Whysk, Luftverkehrsgesetz Kommentar, Stand Januar 2019, LuftSiG § 7 Rn. 81; BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – juris Rn. 16).
2.2.2. Dies zu Grunde gelegt kann vorliegend die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Die vom Luftamt getroffene Gesamtwürdigung im Hinblick auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2.2.2.1. Im vorliegenden Fall ist der Regeltatbestand des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG erfüllt, weil der Kläger mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 7. Januar 2020 rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft am 24. Januar 2020 fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Es kommt ausweislich der eindeutigen gesetzlichen Regelung in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass die zu Grunde liegende Straftat und damit die strafrechtliche Verurteilung keinen speziellen luftverkehrsrechtlichen Bezug hat (BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 8 ZB 13.1666 – juris Rn 9).
Das Gericht macht die in dem vorgenannten Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zur Grundlage für die Entscheidung darüber, ob der Beklagte die Zuverlässigkeit des Klägers zu Recht in Zweifel gezogen hat. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte dürfen den Sachverhalt, der in einem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil festgestellt wurde, ihren Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen, soweit nicht gewichtige Anhaltspunkte für dessen Unrichtigkeit sprechen, etwa weil die Verurteilung ersichtlich auf einem Rechtsirrtum beruht oder weil gewichtige Anhaltspunkte für eine in wesentlicher Hinsicht fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung durch die Strafgerichte im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 28.9.1981 – 7 B 188.81 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 60 m.w.N.; B.v. 13.9.1988 – 1 B 22.88 – Buchholz 402.24 § 24 AuslG Nr. 12; B.v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 – NVwZ 2009, 398/399 m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt auch im Luftsicherheitsrecht (BayVGH, B.v. 24.9.2015 – 22 ZB 15.1722 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 21 f.; B.v. 9.6.2016 – 8 ZB 16.1841 – juris m.w.N). Solche gewichtigen Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Strafbefehls des Amtsgerichts … aufgrund Rechtsirrtums oder Fehlerhaftigkeit des Sachverhalts in Bezug auf die abgeurteilte Straftat sind nicht ersichtlich. Der Strafbefehl steht einer rechtskräftigen Verurteilung gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Es geht im Übrigen zu Lasten des Klägers, wenn er – wie in der mündlichen Verhandlung angemerkt – keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegte, weil er die vom LuftSiG vorgesehene Grenze von 60 Tagessätzen nicht im Blick gehabt habe. Dass die Strafe im Falle eines Einspruchs letztlich auf weniger als 60 Tagessätze reduziert worden wäre, ist lediglich Spekulation und aus Sicht des Gerichts überdies angesichts der zu Grunde liegenden Straftat wenig wahrscheinlich. Die Verurteilung des Klägers wird im Übrigen auch nicht dadurch geschmälert, dass das Strafverfahren gegen seine Ehefrau gegen eine Geldauflage eingestellt wurde. Ein „Strafensplitting“ im Sinne einer hälftigen Verteilung der auf beide gemeinsam entfallenden Tagessätze verbietet sich schon deshalb, weil die strafrechtlichen Entscheidungen jeweils die individuelle strafrechtliche Schuld berücksichtigen und sich diese nicht auf dritte Personen übertragen lässt.
2.2.2.2. Für das Gericht ist die vom Kläger verwirklichte Steuerhinterziehung in vier tatmehrheitlichen Fällen geeignet, Zweifel an seiner Zuverlässigkeit zu begründen. Ein atypischer Fall, der die gesetzliche Wertung des hier erfüllten Regeltatbestands des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG entfallen ließe, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Die durch den Strafbefehl gemäß § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG indizierte luftsicherheitsrechtliche Unzuverlässigkeit kann nur durch Tatsachen widerlegt werden, die die Straftat bei einer Gesamtwürdigung von Verhalten und Persönlichkeit des Betroffenen derart in den Hintergrund treten lassen, dass im Hinblick auf diese allein keine Zweifel an der Zuverlässigkeit aufkommen können (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2005 – 20 CS 05.1674 – juris Rn. 12; B.v. 12.4.1999 – 20 B 98.2979 – NVwZ-RR 1999, 501 – juris Rn. 18; van Schyndel in Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand Oktober 2018, § 7 LuftSiG Rn. 50). Die luftsicherheitsrechtliche Regelwirkung der strafrechtlichen Verurteilung entfällt allein dann, wenn sich der in der strafrechtlichen Verurteilung abgeurteilte Sachverhalt im Hinblick auf die durch die Zuverlässigkeitsanforderung nach § 7 Abs. 1, Abs. 1a Satz 1 LuftSiG i.V.m. § 5 LuftSiZÜV geschützten Belange als atypisch darstellt; wenn also die strafrechtliche Verurteilung und das darin geahndete Verhalten gerade nicht auf eine persönliche Schwäche bzw. einen Charaktermangel des Betroffenen hinweist, der von luftsicherheitsrechtlicher Relevanz ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 17, 19).
Ein so beschriebener atypischer Sachverhalt, der ausnahmsweise die luftsicherheitsrechtliche Regelwirkung der strafrechtlichen Verurteilung entfallen lassen würde, liegt hier nicht vor. Den durch den zur Verurteilung führenden Sachverhalt begründeten Zweifeln konnte der Kläger keine gewichtigen Gründe entgegensetzen, die dazu führen würden, die der Verurteilung zugrundeliegende Straftat derart in den Hintergrund treten zu lassen, dass sämtliche Zweifel an dessen Zuverlässigkeit ausgeräumt worden wären. Das abgeurteilte Fehlverhalten ist vielmehr geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass der Kläger stets für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften eintritt und die innerliche Stärke aufweist, in allen Lebensphasen stets deren Einhaltung zu garantieren. Das als Straftat mit dem Strafbefehl vom 7. Januar 2020 abgeurteilte Verhalten des Klägers erschöpft sich insbesondere nicht in einer fehlerhaften Bearbeitung der Mitarbeiter der ihn vertretenden Steuerberatungskanzlei. Es wäre vielmehr Sache des Klägers wie jedes steuerpflichtigen Bürgers in Deutschland gewesen, die korrekte steuerliche Behandlung seiner Mieteinnahmen im Blick zu haben. Insoweit sind für das Gericht auch folgende Gesichtspunkte bei der Bewertung maßgeblich: Zum einen handelt es sich gerade nicht um ein Versehen nur der Steuerkanzlei …, denn die private Steuererklärung des Klägers und seiner Ehefrau betreute im Hinblick auf den VZ 2012 noch ein anderer Steuerberater. Die Steuerkanzlei … war insoweit erst ab dem VZ 2013 für den Kläger tätig. Weiter handelt es sich nicht um einen einmaligen „Ausrutscher“, sondern um über vier Jahre hinweg erfolgte zu geringe Angaben von Einkünften in den jeweiligen Einkommensteuererklärungen der VZ 2012 bis 2015. Die Gesamtsteuerverkürzung von 20.644 EUR betrifft auch eine Größenordnung, die nicht unerheblich ist. Schließlich ist anzumerken, dass der Kläger und seine Ehefrau nicht etwa eine große Zahl von Wohnungen vermieteten, bei denen es möglicherweise nachvollziehbar sein könnte, dass der Überblick über die Einnahmen vorübergehend verloren geht. Es handelte sich tatsächlich lediglich um zwei vermietete Wohnungen. Es wäre mithin für den Kläger ein Leichtes gewesen, die Einnahmen und deren korrekte steuerliche Berücksichtigung in den Steuererklärungen im Blick zu behalten. Hieran ändert auch der Vortrag des Klägers, für die andere Wohnung seien sogar Einnahmen versteuert worden, die überhaupt nicht angefallen seien, nichts. Der abgeurteilte Sachverhalt stellt sich insgesamt im Hinblick auf die durch die Zuverlässigkeitsanforderung nach § 7 Abs. 1, Abs. 1a Satz 1 LuftSiG i.V.m. § 5 LuftSiZÜV geschützten Belange nicht als atypisch dar. Der Sachverhalt weist vielmehr darauf hin, dass es der Kläger mit den ihn persönlich treffenden rechtlichen Pflichten bei seinen steuerlichen Angelegenheiten und den hierfür geltenden Regeln schlicht nicht so genau nahm. Das mit der strafrechtlichen Verurteilung geahndete Verhalten des Klägers führt nach der gesetzlichen Regelung dazu, dass ihm die für die Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit erforderliche charakterliche Stärke nicht attestiert werden kann. Dieser Umstand hat bei der oben umrissenen luftsicherheitsrechtlichen Gefahrenabwehr Relevanz.
Unter Gesamtwürdigung aller Umstände ist das Luftamt daher im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, dass jedenfalls Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers verbleiben.
2.2.3. Die verbleibenden Zweifel an der Zuverlässigkeit führen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV dazu, dass die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit im Fall des Klägers zu verneinen ist.
2.2.4. Das Gericht folgt im Übrigen der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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