Steuerrecht

Ablehnung der Stundung von Gewerbesteuer

Aktenzeichen  W 8 K 17.887

Datum:
16.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9429
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewStG § 1
AO § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2, § 222

 

Leitsatz

1 Die Einziehung der Steuerschuld bei Fälligkeit ist erst dann eine erhebliche Härte iSd § 222 AO, wenn der Schuldner sich auf die Erfüllung nicht rechtzeitig vorbereiten konnte oder sich augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet. Dabei ist zwischen sachlichen und persönlichen Stundungsgründen zu unterscheiden. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein sachlicher Stundungsgrund kann bei unerwarteten Nachforderungen oder nach Änderungsbescheiden gegeben sein. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3 Persönliche Stundungsgründe erfassen neben der Stundungsbedürftigkeit (vorübergehende Zahlungsunfähigkeit bei Fälligkeit) auch die Stundungswürdigkeit des Steuerschuldners. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bereits bei einer Stundung über vier Jahre hinweg ist eine Sicherheitsleistung erforderlich. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Stundung der Gewerbesteuer und der Nebenforderungen. Der Anspruch wäre durch eine Stundung gefährdet, da die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat und die Klägerin deshalb in Zukunft keine Einkünfte und Überschüsse mehr erzielen kann, mit denen die Steuerschulden getilgt werden könnten.
1. Trotz Nichterscheinens der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung konnte nach § 102 Abs. 2 VwGO ohne diese verhandelt und entschieden werden. Die Klägerin wurde ordnungsgemäß geladen nach § 56 VwGO. Sie hat die Ladung zum Termin der mündlichen Verhandlung über ihren (ehemaligen) Klägerbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 27. Februar 2018 und damit rechtzeitig und ordnungsgemäß erhalten. Dass der (ehemalige) Klägerbevollmächtigte auf dem Empfangsbekenntnis zur Ladung vom 27. Februar 2018 erst die Kündigung des Mandatsverhältnisses dem Gericht mitteilte, steht der ordnungsgemäßen Ladung nicht entgegen. Denn die Ladung wird durch die erst nach ihrer Absendung dem Gericht angezeigte Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten nicht gegenstandslos (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 102 Rn. 10 m.w.N.). Zusätzlich hat der (ehemalige) Klägerbevollmächtigte auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass er der Klägerin die Ladung mitgeteilt hat.
2. Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist, da die Klägerin die Stattgabe des Stundungsantrags nach dessen Ablehnung begehrt (§ 88 VwGO), die Verpflichtungsklage (Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 222 AO, Rn. 67). Die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist auch klagebefugt und parteifähig, da gegen sie noch Steueransprüche bestehen und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts trotz der Einstellung ihrer regulären Tätigkeit daher noch nicht vollbeendet ist.
3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat im, bei einer Verpflichtungsklage maßgeblichen, Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Stundung ihrer Gewerbesteuerschulden und Nebenforderungen nach § 222 AO, § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 GewStG.
Das Gericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Ablehnungsbescheides vom 13. Februar 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017 und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist auszuführen:
Gegenstand des Stundungsbegehrens war nach Kenntnisstand in der letzten mündlichen Verhandlung eine noch offene Gesamtforderung in Höhe von 86.513,02 EUR. In der Klageschrift begehrte die Klägerin zunächst die Stundung einer auf 74.311,00 EUR bezifferten Gesamtforderung. Nach Klageerhebung kam es noch zu Veränderungen der Höhe der noch ausstehenden Gesamtforderung der Beklagten. Aus dem Schreiben der Stadt Aschaffenburg vom 11. Januar 2018 ergibt sich, dass noch Zahlungen geleistet, teilweise Beträge umgebucht wurden und weitere Säumniszuschläge entstanden sind. Gründe, dass die Klägerin diese Veränderungen im Rahmen ihres Stundungsbegehrens nicht berücksichtigen wollen würde, sind nicht ersichtlich. Daher legt das Gericht ihr Begehren dahingehend aus, dass der zuletzt in der mündlichen Verhandlung bekannte noch offene Gesamtbetrag in Höhe von 86.513,02 EUR Gegenstand des Stundungsantrags ist.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Stundung eines Gesamtbetrags in Höhe von 86.513,02 EUR gemäß § 222 Satz 1 und Satz 2 AO.
Nach § 222 Satz 1 und Satz 2 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Die Einziehung der Steuerschuld bei Fälligkeit ist erst dann eine erhebliche Härte, wenn der Schuldner sich auf die Erfüllung nicht rechtzeitig vorbereiten konnte oder sich augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet. Bei der Prüfung des Vorliegens einer erheblichen Härte ist zwischen sachlichen Stundungsgründen und persönlichen Stundungsgründen zu unterscheiden (Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 222 AO, Rn. 21).
Eine erhebliche Härte für die Klägerin ist jedoch weder in Form von sachlichen noch in Form von persönlichen Stundungsgründen gegeben.
Zwar kann grundsätzlich ein sachlicher Stundungsgrund gegeben sein bei unerwarteten Nachforderungen oder nach Änderungsbescheiden (Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 222 AO Rn. 26), jedoch wurde bereits zutreffend im Bescheid und Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass für die Klägerin die Gewerbesteuernachforderungen nicht unerwartet kamen, sondern sie vielmehr mit solchen Gewerbesteuernachforderungen rechnen musste, da sie erst nachträglich gegründet wurde und die vorangehenden Gewerbesteuerbescheide für das Einzelunternehmen der S… S…, die auch Gesellschafterin der Klägerin ist, aufgehoben wurden. Eine Gewerbesteuernachforderung gegenüber der Klägerin musste sich dieser geradezu aufdrängen. Ebenfalls war der Betrag der Gewerbesteuernachforderungen nicht unerwartet hoch. Denn die Klägerin hatte Kenntnis von der Steuerfahndung und es fand anschließend auch eine einvernehmliche Veranlagung statt (Aktenvermerk, Blatt 67 der Behördenakte des Widerspruchsverfahrens), so dass sie bereits frühzeitig den Rahmen der auf sie zukommenden Gewerbesteuernachforderungen schätzen und sich darauf vorbereiten konnte.
Auch sind keine persönlichen Stundungsgründe der Klägerin gegeben. Persönliche Stundungsgründe ergeben sich aus den persönlichen Verhältnissen des Schuldners, die ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten nach sich ziehen. Die Einziehung bei Fälligkeit des Anspruchs kann für den Schuldner eine erhebliche Härte bedeuten, z.B. weil er krank gewesen ist, gerade erhebliche geschäftliche Verluste hat hinnehmen müssen. Persönliche Stundungsgründe erfassen neben der Stundungsbedürftigkeit (vorübergehende Zahlungsunfähigkeit bei Fälligkeit) auch die Stundungswürdigkeit des Steuerschuldners (Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 222 AO Rn. 34 ff.).
Das Gericht ist bereits nicht von der Stundungsbedürftigkeit der Klägerin überzeugt. Zwar haben alle drei Gesellschafter vorgetragen und durch schriftliche Belege untermauert, dass die Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau für keinen der drei Gesellschafter die Finanzierung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt übernehmen wird – und dies daher wohl auch nicht bezüglich der Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten tun würde – jedoch gibt es auch noch andere Kreditinstitute, die auch wenn für einen ungünstigeren aber zumutbaren Zinssatz Kredite vergeben. Die Anfrage bei nur einem Kreditinstitut ist nicht ausreichend, um eine Stundungsbedürftigkeit wegen fehlender Kreditvergabe durch Banken zu belegen (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 222 AO Rn. 37).
Insbesondere können auch nicht die Ausführungen zu außergewöhnlich hohen Pflichtverletzungen des vormaligen Steuerberaters einen persönlichen Stundungsgrund begründen. Die Klägerin hat zum einen keinen konkreten Bezug und Tatsachen dargelegt, inwiefern dieses Verhalten des vormaligen Steuerberaters dazu geführt haben könnte, dass die tatsächlichen Gewinne von den geschätzten Gewinnen abweichen und hat auch keine nachvollziehbaren abweichende Höhe benannt. Dem Vorbringen, dass das Fehlverhalten des vormaligen Steuerberaters dazu geführt habe, dass die Gewinne vom Finanzamt zu hoch geschätzt wurden, steht eindeutig die Aussage des Finanzamts Aschaffenburg entgegen. Denn laut Finanzamt Aschaffenburg basierte die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung auf eigenen Aufzeichnungen der Klägerin über die tatsächlichen Umsätze (Aktenvermerk, Blatt 67 der Behördenakte des Widerspruchsverfahrens) und wurde daher auf eine nachvollziehbare und zutreffende Tatsachengrundlage gestützt. Konkrete Anhaltspunkte, dass eine zu hohe Schätzung erfolgt ist, liegen dagegen nicht vor.
Ebenso fehlt es auch an einer Stundungswürdigkeit der Klägerin, da einer ihrer Gesellschafter S… B… mit Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 26. Oktober 2017 (Az.: 309 Ls 751 Js 1407/17) wegen Steuerhinterziehung in 24 tatmehrheitlichen Fällen im Zusammenhang mit dem von ihm und den zwei anderen Gesellschaftern in Aschaffenburg betriebenen Wasserpfeifencafé und dem Verkauf von Wasserpfeifenprodukten verurteilt wurde.
Überdies wäre auch der Anspruch durch die Gewährung einer Stundung gefährdet. Zum einen hat die Klägerin im Jahr 2017 keine Gewinne mehr erzielt mit denen sie die Stundungsraten auch in Zukunft zahlen könnte. Zum anderen ist auch nicht zu erwarten, dass die Klägerin in der Lage sein wird in den nächsten Jahren Gewinne zu erzielen, da sie jegliche gewinnbringende Geschäftstätigkeit eingestellt hat. Denn aus der Sachstandsmitteilung der Beklagten vom 11. Januar 2017 ergibt sich, dass inzwischen eine K… GmbH beim Handelsregister Aschaffenburg eingetragen wurde mit gleicher Adresse, gleichem Geschäftszweig und die Geschäftsführerin dieser neuen K… GmbH die Gesellschafterin S… S… der Klägerin ist. Da die K… GmbH eine eigenständige Rechtspersönlichkeit hat und mit der Klage auch eindeutig eine Stundung gegenüber der Klägerin begehrt wurde, kann bezüglich der Klägerin nicht auf eine geschäftliche Tätigkeit der K… GmbH abgestellt werden.
Im Widerspruchsbescheid wurde außerdem bereits zutreffend ausgeführt, dass aufgrund der angebotenen niedrigen Tilgungsrate von 1.000,00 EUR eine Tilgung mehr als sechs Jahre dauern würde und daher der Anspruch der Beklagten ohne Sicherheitsleistung über diesen langen Zeitraum gefährdet wäre. Eine Sicherheitsleistung ist bereits bei einer Stundung über vier Jahre hinweg erforderlich (Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 222 Rn. 45 m.w.N.). Die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung wurde seitens der Klägerin ausdrücklich verneint.
Die Gefährdung des Anspruchs ergibt sich insbesondere auch aus den Gesamtumständen, da die Gefährdung des Anspruchs auch kumulativ auf der fehlenden Sicherheitsleistung, dem eingestellten Geschäftsbetrieb der Klägerin und der zu berücksichtigenden Steuerhinterziehung eines der Gesellschafter beruht.
4. Da die Voraussetzungen einer Stundung nicht vorliegen, war die Klage mit der Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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