Steuerrecht

Abzug von Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten

Aktenzeichen  4 K 936/18

Datum:
12.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2020, 280
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 91 Abs. 2, § 100 Abs. 1 Satz 1
EStG  § 10 Abs. 1 Nr. 5 S. 1, § 32 Abs. 1
BGB § 126, § 670

 

Leitsatz

1. Wird bei einer ansonsten unentgeltlich erbrachten Betreuung – wie hier im Streitfall bei der Betreuung der Kinder im Haus der Eltern durch die Großeltern – ein Fahrtkostenersatz geleistet, so ist dieser zu berücksichtigen, wenn diesbezüglich klare und eindeutige Vereinbarungen zu Grunde liegen und der Fahrtkostenersatz durch Rechnungen belegt werden kann.
2. Zum Rechnungsnachweis im Einzelnen.
3. EAufwendungen für Fahrten des Kindes zur Betreuungsperson sind nicht zu berücksichtigen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

I.
Das Gericht konnte, worauf in der Ladung hingewiesen wurde (§ 91 Abs. 2 FGO), ohne den Beklagten verhandeln und entscheiden.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 07.10.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn das Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen für die Kinderbetreuung in Höhe von 3.149 € (Fahrtkostenersatz) zurecht nicht als Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zum Abzug zugelassen, denn es fehlt neben den formalen Voraussetzungen für einen Abzug zum Teil auch an einer wirtschaftlichen Belastung der Kläger.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, als Sonderausgaben abzugsfähig. Voraussetzung für den Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist, vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG.
Zu berücksichtigen sind Ausgaben in Geld oder Geldeswert für Dienstleistungen zur Betreuung eines Kinders einschließlich der Erstattungen an die Betreuungsperson (z.B. Fahrtkosten), wenn die Leistungen im Einzelnen in der Rechnung oder im Vertrag aufgeführt werden (vgl. Schmidt/Heinick, EStG, § 10, Rz. 93). Wird bei einer ansonsten unentgeltlich erbrachten Betreuung – wie im Streitfall – ein Fahrtkostenersatz geleistet, so ist dieser zu berücksichtigen, wenn hierüber eine Rechnung erstellt wird. Aufwendungen für die Fahrten des Kindes zur Betreuungsperson sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.1986 III R 209/82, BStBl II 1987, 167).
2. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall ein steuermindernder Abzug der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 3.149 € als Kinderbetreuungskosten nicht in Betracht.
a) Hinsichtlich des Betrages von 1.866,24 €, den der Kläger am 31.12.2014 dem Vater der Klägerin, Herrn Y Z, von seinem Konto überwiesen hat, fehlt es bereits an einer wirtschaftlichen Belastung und damit an „Aufwendungen“ (= gezahlte Ausgaben in Geld oder Geldeswert) der Kläger, da dieser Betrag am 09.01.2015 auf den Cent genau mit dem Betreff „Bekannt“ dem Kläger zurücküberweisen wurde. Wie das Finanzamt bereits in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, der betragsmäßigen Übereinstimmung und des Fehlens anderer Gründe für die Zurücküberweisung nicht von einer von der Überweisung am 02.01.2015 unabhängigen Schenkung auszugehen. Jedenfalls haben die Kläger keine Gründe für die nur wenige Tage später erfolgte Rücküberweisung mit Gutschrift vom 09.01.2015 vorgetragen oder gar nachgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte hat auf Nachfrage des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass ihm die Kläger keinen Grund für die Rücküberweisung des Betrages von 1.866,24 € genannt hätten und er diesen auch nicht kenne. Vielmehr sprechen der vom Vater der Klägerin in der Überweisung genannte Betreff „Bekannt“, der zeitliche Zusammenhang (Rücküberweisung innerhalb einer Woche) und die betragsmäßige Übereinstimmung auf zwei Nachkommastellen nach allgemeiner Lebenserfahrung dafür, dass die Betreuungsleistungen durch die Eltern der Klägerin auf familienrechtlicher Grundlage bzw. familiärer Verbundenheit unentgeltlich erbracht wurden und dass dies auch den Aufwendungsersatz für Fahrtkosten umfasst, der im Übrigen von den Eltern der Klägerin auch nicht „in Rechnung gestellt“ wurde. Denn auf weitere Nachfrage des erkennenden Richters konnte der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nicht angeben, wer die „Zusammenstellung Betreuungsfahrten Eltern für X“ gefertigt hat. Den Klägern gelingt somit der Nachweis zur Überzeugung des erkennenden Richters nicht, dass die Rücküberweisung vom 09.01.2015 auf einem anderen Grund als der wirtschaftlichen Rückgängigmachung der zuvor erfolgten „Erstattung von Fahrtkosten“ beruht. Einen solchen Nachweis haben die Kläger gar nicht angetreten. Allein der Verweis darauf, die Kläger hätten keinen Einfluss auf die Schenkung nehmen können, vermag keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen. Immerhin haben die Kläger die Schenkung angenommen. Die durch die Rücküberweisung des identischen Betrages begründeten erheblichen Zweifel, dass die Kläger Fahrtkostenersatz zu leisten hatten, gehen zu Lasten der Kläger, die die Feststellungslast für den steuermindernden Abzug von Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG haben.
b) Soweit die Kläger einen Betrag in Höhe von 1.283,04 € am 31.12.2014 an den Vater des Klägers, Herrn W X, überwiesen haben, fehlt es an den formalen Voraussetzungen, dass die Betreuungsperson diesen Aufwand den Klägern „in Rechnung gestellt“ hat. Zwar ist ein schriftlicher Betreuungsvertrag, den die Kläger im Streitfall nicht geschlossen haben – nicht zwingend erforderlich, wenn Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht werden. Allerdings reichen die von den Klägern vorgelegten Unterlagen und die Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Erfüllung der Nachweisvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG aus.
Zum einen konnte der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht angeben, wer die „Zusammenstellung Betreuungsfahrten Eltern für X“ gefertigt hat. Die Zusammenstellung enthält weder den Namen des Urhebers, noch ein Datum noch eine Unterschrift. Auch haben weder die Eltern des Klägers noch der Klägerin diese Zusammenstellung gegengezeichnet, sollte die Aufstellung von den Klägern erstellt worden sein, was naheliegt. Zum anderen enthält die Überweisung des Betrags von 1.283,04 € keinen Betreff, was darüber hinaus gegen das Begleichen eines von der Betreuungsperson „in Rechnung gestellten“ Aufwands spricht.
Zwar ist nach den Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 14.03.2012 zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten ab dem Veranlagungszeitraum 2012, IV C 4-S 2221/07/0012:012, unter Randnummer 21 eine Quittung z.B. über Nebenkosten zur Betreuung ausreichend, allerdings erfüllen die von den Klägern eingereichten Unterlagen nach Ansicht des erkennenden Richters selbst die Anforderung an eine Quittung nicht. Nach der Legaldefinition des § 368 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt es sich bei der Quittung um eine schriftliche Bestätigung des Gläubigers, vom Schuldner die geschuldete Leistung erhalten zu haben. Die Quittung erfordert Schriftform im Sinne des § 126 BGB, muss also vom Aussteller eigenhändig unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet worden sein (vgl. Staudinger/Olzen (2016,) BGB, § 368 Rz. 10).
Im Streitfall fehlt es jedenfalls an einem schriftlichen Dokument, das die Eltern des Klägers unterschrieben haben und dem sich entnehmen ließe, dass die Kläger den Eltern einen Betrag in Höhe von 1.283,04 € als Ersatz für getätigte Fahrten zur Betreuung tatsächlich geschuldet haben und dass dieser Betrag beglichen wurde. Zwar wurde der Betrag auf das Konto des Vaters des Klägers überwiesen, allerdings ist auch nach dem BMF-Schreiben vom 14.03.2012 neben dem Vorliegen einer Quittung eine Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erforderlich (vgl. Rn. 22). Allein in der „Zusammenstellung von Betreuungsfahrten“, ohne dass bekannt ist, von wem die Zusammenstellung kommt, und einer vom Kläger getätigten Überweisung am letzten Tag des Jahres ohne Betreff an die Eltern kann nach Ansicht des erkennenden Richters kein Nachweis erbracht werden, dass die während des Jahres erbrachten Betreuungsleistungen der Eltern des Klägers – wie auch der Klägerin – hinsichtlich der entstandenen Fahrkosten entgeltlich waren. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG ist u.a. Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat. Dies setzt begrifflich voraus, dass der Erbringer von Betreuungsleistungen diese Aufwendungen dem Steuerpflichtigen „in Rechnung gestellt“ haben muss, d.h. Ersatz verlangt haben muss, was die Kläger im Streitfall weder darlegen noch nachweisen können. Soweit der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Anspruch der Eltern der Kläger ergebe sich ohne weiteres aus § 670 BGB, denn nach dieser Vorschrift sei der Auftraggeber zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, greift diese Argumentation nach Ansicht des erkennenden Richters zu kurz. Der Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten nach § 670 beruht auf dem Gedanken, dass der Beauftragte durch seine fremdnützige Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers keinen Vermögensverlust erleiden soll. Der Beauftragte, der schon seine Arbeitskraft und seine Zeit uneigennützig für den Auftraggeber einsetzt, soll bei der Auftragsausführung wenigstens sein Vermögen schonen können (vgl. Staudinger/Martinek/Omlor (2017), BGB, § 670, Rz. 1). Vorliegend wurden die Betreuungsleistungen durch die Eltern der Kläger erbracht. Nach allgemeiner Lebenserfahrung geht der erkennende Richter davon aus, dass es sich bei den im Rahmen einer (intakten) familiären Verbundenheit erbrachten Betreuungsleistungen gegenüber den Enkelkindern durch die Großeltern nicht um eine rein fremdnützige Tätigkeit allein im Interesse der Auftraggeber (= Kinder und Kläger) handelt, sondern dass sowohl die Kläger als Eltern der Betreuten als auch die Eltern der Kläger (Großeltern) ein Interesse an einer familiären Bindung gegenüber den Enkelkindern haben und sich daher nicht völlig uneigennützig für den Auftraggeber einsetzen.
Wie bereits ausgeführt, tragen die Kläger die Feststellungslast dafür, dass hinsichtlich der Erstattung von Fahrkosten keine Leistung auf familienrechtlicher Grundlage unentgeltlich erbracht wurde. Die Kläger haben weder ausreichend dargelegt noch nachgewiesen, dass hinsichtlich der entstandenen Fahrtkosten ein Aufwendungsersatz von ihnen gegenüber den Eltern geschuldet war. Es wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, dass es insoweit mündliche Vereinbarungen zwischen den Eltern und ihren Klägern gegeben hat. Auch nach den Ausführungen im BMF-Schreiben vom 14.03.2012 können Aufwendungen für die Kinderbetreuung nur berücksichtigt werden, wenn den Leistungen klare und eindeutige Vereinbarungen zu Grunde liegen (vgl. Rz. 4). Daran mangelt es im Streitfall jedoch gerade.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen; es liegt keiner der Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 – 3 FGO vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO


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