Steuerrecht

Änderung eines Steuerbescheids nach § 129 AO

Aktenzeichen  7 K 1569/17

Datum:
26.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14282
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist, ob der Bescheid vom 13. Januar 2010 über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12. 2010 wegen offenbarer Unrichtigkeit zu ändern ist.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in München. Der Gegenstand ihres Unternehmens ist die Programmierung, Entwicklung und der Vertrieb von Software und Hardware, Computerschulungen sowie Systemadministration.
Am 7. September 2011 reichte der damalige steuerliche Vertreter der Klägerin die Steuererklärungen für das Jahr 2010 beim Finanzamt ein. Dabei wurde in der Körperschaftsteuererklärung in der Anlage A (nicht abziehbare Aufwendungen) in der Zeile 7a (Gewerbesteuer ab Erhebungszeitraum 2008) ein Aufwand von 2.531 € erklärt. In den Erläuterungen zum Jahressabschluss war auf der Aktivseite unter sonstigen Vermögensgegenständen ein Gewerbesteuerguthaben 2010 über 2.531 € ausgewiesen. Auf Seite 7 des Bilanzberichts war bei der Berechnung des steuerlichen Ergebnisses dem Steuerbilanzverlust von 13.265 € der Posten „Gewerbesteuer 2010“ über 2.531 € hinzugerechnet worden, so dass sich ein steuerliches Ergebnis von Negativ 15.978 € ergab.
Bei der Bearbeitung der eingereichten Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung 2010 nahm der Sachbearbeiter handschriftliche Eintragungen in der Zeile 7a vor: Er strich den Eintrag von 2.531 € in der Zeile 7a durch, unterstrich den Eintrag von 2.531 € mit einer unterbrochenen Strichlinie und nahm den handschriftlichen Vermerk „-s.S.7 Bilanz“ vor. Im Übrigen wurde eine erklärungsgemäße Veranlagung der Klägerin ohne Vorbehaltsvermerk i.S.d. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorgenommen und im Körperschaftsteuerbescheid vom 8. November 2011 ein Jahresfehlbetrag von 15.978 € sowie Aufwendungen für Gewerbesteuer in Höhe von 2.531 € angesetzt, so dass sich ein zu versteuerndes Einkommen von negativ 13.265 € ergab. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2010 wurde der steuerliche Verlust 2010 mit 13.265 € angesetzt (vgl. Steuerbescheide 2010 vom 8. November 2011). Einsprüche gegen diese Bescheide wurden nicht eingelegt.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2013 beantragte der steuerliche Vertreter der Klägerin, den Verlustfeststellungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2010 nach § 129 AO zu ändern. Das zu versteuernde Einkommen sei im Jahr 2010 zu hoch und damit der Verlustvortrag um den Betrag von 2.531 € zu niedrig angesetzt worden. Dabei handle es sich um die im Jahr 2010 für das Jahr 2010 vorausbezahlte Gewerbesteuer. Auf Grund eines Eingabefehlers in den EDV-Programmen sei die Gewerbesteuer bei der Steuerberechnung wieder hinzugerechnet worden, obwohl sie im Jahresabschluss nicht als Ausgabe erfasst worden sei. Das Finanzamt lehnte die beantragte Änderung jedoch mit Bescheid vom 13. März 2013 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Entscheidung vom 22. Mai 2017 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen eingelegten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Bei der Erstellung der Steuererklärungen für das Jahr 2010 habe der frühere Steuerberater versehentlich die Zurechnung der Gewerbesteuer doppelt erfasst, obwohl die Steuererklärung kontrolliert worden sei. Der Fehler des Steuerpflichtigen sei vom Finanzamt übernommen worden, so dass eine Änderung nach § 129 AO grundsätzlich zulässig sei. Der Fehler sei durch eine unrichtige Eintragung in das EDV-Programm entstanden. Offensichtlich sei es durch eine falsche Programmsteuerung zu einer doppelten Berücksichtigung der Hinzurechnung der Gewerbesteuer gekommen. Dabei handle es sich um eine offenbare Unrichtigkeit.
Zu Unrecht vertrete das Finanzamt die Auffassung, dass die doppelte Hinzurechnung der Gewerbesteuer auch ein Rechtsirrtum des Sachbearbeiters gewesen sein könnte, der einer Änderung nach § 129 AO entgegenstehe. Es sei jedoch nicht vorstellbar, dass ein qualifizierter Sachbearbeiter meinen könne, dass die Gewerbesteuer als Betriebsausgabe doppelt hinzugerechnet werden könne. Hinzu komme, dass das Finanzamt bis zur Einspruchsentscheidung entscheidende Punkte zurückgehalten und den Antrag der Klägerin auf Erörterung nach § 364a AO ohne jede Angabe von Gründen ignoriert habe.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 13. März 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2017 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, die Bescheide vom 8. November 2011 über Körperschaftsteuer und die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2010 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 2.531 € vermindert und der vortragsfähige Verlust 2010 um 2.531 € erhöht wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt es aus, dass dem steuerlichen Berater der Klägerin telefonisch mitgeteilt worden sei, dass die Bilanz von Seiten der Amtsprüfstelle überprüft worden sei. Im Schreiben des Finanzamts vom 16. Oktober 2014 sei erneut ausgeführt worden, dass die Erklärung überprüft worden sei und das Finanzamt deshalb die Auffassung vertrete, dass ein Rechtsfehler nicht auszuschließen und deshalb eine Berichtigung nach § 129 AO nicht möglich sei.
Der steuerliche Berater der Klägerin habe zwar am 7. Oktober 2014 vorsorglich eine Erörterung beantragt, er habe jedoch zuerst eine schriftliche Stellungnahme erbeten. Nach dem Schreiben des Finanzamts vom 16. Oktober 2014 sei keine Erörterung mehr beantragt worden. Diese wäre angesichts der bekannten Rechtsauffassungen der Beteiligten auch nicht zielführend gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass nach § 42 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch dessen Anfechtung, nicht aber mehr durch einen Rechtsbehelf gegen den Folgebescheid angegriffen werden können. Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) -i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG)- sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Diese Regelung gilt nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) erstmals für einen Verlust, für den nach dem 13. Dezember 2010 eine Feststellungserklärung abgegeben wird, und damit auch im Streitfall.
Das Gericht legt sowohl den Einspruch als auch die Klage dahingehend rechtschutzgewährend aus, dass sie sich auch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom 8. November 2011 gerichtet haben. Dabei sind alle dem Finanzgericht bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BStBl II 1989, 846). Im Interesse effektiven Rechtsschutzes ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Rechtsbehelfsführer den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. August 2005 IX R 35/04, HFR 2006, 575). Im Streitfall kann die Klägerin nur mit der Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheids 2010 als Grundlagenbescheid ihr Ziel erreichen, das zu versteuernde Einkommen im Jahr 2010 zu mindern und den Verlustvortrag damit entsprechend zu erhöhen.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO im Streitfall nicht erfüllt.
Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Feststellungsfrist berichtigen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO). Die einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten können nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur die in dem Verwaltungsakt bekundete Willensäußerung des Finanzamts, sondern auch die dem Erlass des Verwaltungsakts vorausgehende Willensbildung betreffen. Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ferner geklärt, dass eine solche Unrichtigkeit auch dann „beim Erlass eines Verwaltungsakts“ unterlaufen kann, wenn die Veranlagungsstelle des Finanzamts eine offenbare Unrichtigkeit der Steuer- oder Feststellungserklärung des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 3. März 2011 IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649 m.w.N.). Allerdings dürfen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Veranlagungsbeamte rechtliche Überlegungen angestellt hat, insoweit ist der Anwendungsbereich des § 129 AO ausgeschlossen (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 150. Lieferung 10.2017, § 129 Rz. 14). In allen genannten Fällen setzt der Tatbestand des § 129 AO voraus, dass es sich um die einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche Unrichtigkeit und damit um einen nur „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso „mechanisch“, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711; vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1).
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 129 AO im Streitfall nicht erfüllt, insbesondere liegt kein „Übernahmefehler“ des Finanzamts vor.
Wie sich aus dem Inhalt der Steuerakten ergibt, hat der Sachbearbeiter bei der Bearbeitung der eingereichten Steuererklärungen handschriftliche Eintragungen in der Zeile 7a der Anlage A zur Körperschaftsteuererklärung 2010 vorgenommen, da er den Eintrag von 2.531 € in der Zeile 7a zunächst durchgestrichen hatte, diesen Vorgang anschließend jedoch mit der Unterstreichung des zuvor gestrichenen Eintrags korrigiert hat. Durch die Anmerkung des handschriftlichen Vermerks „-s.S.7 Bilanz“ neben dem Eintrag von 2.531 € kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Sachbearbeiter nach einem Abgleich mit Seite 7 der Bilanz, auf der bei der Berechnung des steuerlichen Ergebnisses dem fälschlicherweise angegebenen Steuerbilanzverlust von 13.265 € der Posten „Gewerbesteuer 2010“ über 2.531 € hinzugerechnet worden war, von der Richtigkeit des Eintrags von 2.531 € ausgegangen ist, da er sodann eine erklärungsgemäße Veranlagung vorgenommen hat. Aufgrund dieser Vorgehensweise steht fest, dass der Sachbearbeiter eigene – wenn auch falsche – rechtliche Überlegungen angestellt hat, so dass die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsfehlers gegeben ist.
Bei der unrichtigen Erfassung der Gewerbesteueraufwendungen handelt es sich somit nicht um einen mechanischen Fehler. Insbesondere sind weder Schreib- noch Rechenfehler erfolgt, wie sie beispielsweise bei „Zahlendrehern“ oder einer Verwechslung der Zeilen bei Eintragungen gegeben wären. Vielmehr wurde eine unzutreffende Sachverhaltsannahme bzw. unrichtige Tatsachenwürdigung vorgenommen, da das im Jahr 2010 bestehende Gewerbesteuerguthaben versehentlich in der Anlage A unter Aufwendungen ausgewiesen worden ist. Auch wenn dieser Fehler bereits dem steuerlichen Vertreter der Klägerin unterlaufen ist, wurde er vom Sachbearbeiter nicht „mechanisch“, sondern aufgrund eigener Überlegungen übernommen, so dass der Anwendungsbereich des § 129 AO nicht eröffnet ist (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 150. Lieferung 10.2017, § 129 Rz. 14).
Die Klägerin kann sich daher auch nicht zu ihren Gunsten auf das BFH-Urteil vom 11. Juli 2007 (XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810) berufen, in dem ausgeführt wird, dass eine oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls durch die Finanzbehörde eine Berichtigung nach § 129 AO grundsätzlich nicht hindert. Denn auch in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, in dem der Bearbeiterin des Finanzamts ein mechanischer Fehler bei der Eingabe eines negativen Vorzeichens unterlaufen ist, der nach § 129 AO berichtigt werden konnte, führt der BFH aus, dass ein Denkfehler bei der von der Sachbearbeiterin vorgenommenen Sachverhaltswürdigung in der zugrundeliegenden Fallkonstellation ausgeschlossen erschien, da andernfalls die Korrekturvorschrift des § 129 AO nicht anwendbar wäre. Im Streitfall beruht der Fehler jedoch gerade nicht auf einem mechanischen Versehen, sondern offensichtlich auf einer fehlerhaften rechtlichen Einschätzung durch das Finanzamt. Unabhängig von dem Maß an vorgenommener Sorgfalt bei der Bearbeitung kommt eine Anwendung des § 129 AO daher nicht in Betracht.
3. Der Bescheid vom 8. November 2011 über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12. 2010 ist auch nicht nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 172 ff. AO zu ändern. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden.
Dem Finanzamt sind im vorliegenden Fall zwar nachträglich, nämlich nach Erlass des Bescheids vom 8. November 2011 Tatsachen bekanntgeworden, die zu einer niedrigeren Steuer führen würden, da ihm erstmals durch das Schreiben der Klägerin vom 1. Februar 2013 bekannt geworden ist, dass in der Steuererklärung 2010 das zu versteuernde Einkommen zu hoch und damit der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2010 zu niedrig angesetzt worden ist. Die Klägerin bzw. ihrem steuerlichen Berater trifft jedoch ein grobes Verschulden hinsichtlich des nachträglichen Bekanntwerdens. Der mit der Ausarbeitung der Steuererklärung betraute steuerliche Berater muss sich um eine sachgemäße und gewissenhafte Erfüllung der Erklärungspflicht seines Mandanten bemühen. Dabei sind an ihn erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen. Insbesondere muss von ihm die Kenntnis und sachgemäße Anwendung der einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen erwartet werden. Ihn trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln, wenn er bei der Abgabe der Steuererklärungen die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.
Bei der Prüfung der Frage, ob den Steuerpflichtigen oder seinen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass dem Finanzamt neue Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erst nachträglich bekanntgeworden sind, ist auch der Zeitraum miteinzubeziehen, in dem ein Steuerbescheid oder ein den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebender Steuerbescheid noch anfechtbar, die Bestandskraft bzw. Rechtskraft des Bescheides also noch nicht eingetreten ist. Denn der Steuerpflichtige oder sein Berater verletzt die von ihm zu fordernde Sorgfaltspflicht, wenn er trotz Kenntnis der später eingetretenen Umstände es unterlässt, diese noch vor Bestandskraft des Steuerbescheides zu seinen Gunsten geltend zu machen. Dieses Versäumnis beinhaltet ein grobes Verschulden, das es nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen lässt, die Bestandskraft nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu durchbrechen (vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1983 VI R 8/82, BStBl II 1984, 256 und vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BStBl II 1995, 264).
Im Streitfall oblag dem steuerlichen Berater der Klägerin eine konkrete Pflicht zur Überprüfung sowohl des Bescheids vom 8. November 2011 über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12. 2010 als auch des Körperschaftsteuerbescheids 2010, in dem unter der Überschrift „Aufwendungen nach § 10 Nr. 2 KStG Gewerbesteuer für Erhebungszeiträume ab 2008“ der Betrag von 2.531 € aufgeführt worden ist. Dem Berater hätte sich damals die Unrichtigkeit dieser Angabe aufdrängen müssen. Beim Übersehen dieser fehlerhaften Angaben und dem offensichtlichen Unterlassen der Nachprüfung wurde die zumutbare Sorgfalt in einem ungewöhnlichen Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (vgl. Klein/Rüsken AO § 173 Rn. 132).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


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