Steuerrecht

Anordnung zur Sicherung eines baufälligen Baudenkmals

Aktenzeichen  Au 4 K 17.1839

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7107
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 6 Abs. 1
BayBO Art. 54
InsO § 80 Abs. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die baurechtliche Anordnung, provisorische Sicherungsmaßnahmen (insbesondere Absperrungen) bei einer Gefahr für Personen durch herabstürzende Bauteile vorzunehmen, bzw. die Anordnung von Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit kann auch bei bestandsgeschützten Gebäuden auf die allgemeine Befugnisnorm des Art. 54 Abs. 2 S. 2 BayBO gestützt werden. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Baurechtliche Anordnungen können auch bei Insolvenzverwaltung gegen die Grundstückseigentümerin gerichtet werden, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstüch kraft der ihm nach § 80 Abs. 1 InsO zustehenden Verfügungsmacht freigegeben hat. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
3. Innerhalb der durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot gezogenen Grenzen darf sich die Behörde bei der Störerauswahl sehr weitgehend von Zweckmäßigkeitsüberlegungen leiten lassen und die Anordnungen gegen denjenigen richten, bei dem sie voraussichtlich am wirkungsvollsten sein werden. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Frage einer wirtschaftlichen Erhaltungsfähigkeit eines Gebäudes ist erst zu prüfen, wenn ein Antrag auf Erteilung einer Beseitigungserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayDSchG gestellt wird; hierbei ist u.a. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts … vom 7. November 2017 rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Eine Anhörung der Klägerin gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG war gem. Abs. 2 Nr. 1 der Norm entbehrlich; eine sofortige Entscheidung erschien angesichts des Zustands des Gebäudes auf Fl.Nr., Gemarkung, wegen Gefahr in Verzug, jedenfalls aber im öffentlichen Interesse notwendig. Unstreitig waren bei Bescheiderlass bereits Teile des Wirtschaftsteils des landwirtschaftlichen Anwesens eingestürzt. Der Kläger … (sen.) hat das Landratsamt selbst mit Schreiben vom 13. April 2017 (Bl. 5 denkmalfachlicher Akt) darauf aufmerksam gemacht, dass das Gebäude nach Aussage eines Bausachverständigen akut einsturzgefährdet sei und nicht mehr betreten werden dürfe; diese Aussage bezieht sich offenbar – nachdem keine weitere Differenzierung erfolgte – auf das Gesamtgebäude, d.h. Wohn- und Wirtschaftsteil. Hinsichtlich des von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids erfassten Herabfallens von Putzteilen ergibt sich aus den vom Landratsamt bei einem Ortstermin am 20. Oktober 2017 gefertigten Fotos (Bl. 5 ff. Behördenakt) augenscheinlich, dass bereits großflächige Putzteile aus der Giebelwand herausgebrochen waren und dass es der Gesamtzustand des Gebäudes erwarten ließ, dass derartiges jederzeit wieder passieren kann. Auch aus einem Vergleich mit dem im Denkmalatlas vorhandenen Foto (Bl. 3 Behördenakt) ergibt sich eine klare Verschlechterung des Zustands der fraglichen Fassade. Mit einem weiteren Einsturz des Gebäudes oder einem weiteren Herabfallen von Bauteilen musste, zumal mit Blick auf mögliche Herbstbzw. Winterstürme und Schneelasten, bei Bescheiderlass weiterhin gerechnet werden. Hinzu tritt, dass das Gebäude im Ortskern von … sowie direkt an einer Kreisstraße gelegen ist, so dass sich regelmäßig Personen in der unmittelbaren Nähe des Gebäudes aufhalten. Da es sich bei den hier in Rede stehenden Rechtsgütern Leben und Gesundheit um hochwertige Rechtsgüter handelt, zu deren Schutz der Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 GG auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist, sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 9 CS 16.191 – juris Rn. 13).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits wenige Wochen vor Bescheiderlass (28.9.2017) auf Anfrage des Herrn … als „Verwalter“ an diesen ein Schreiben gerichtet hat, in dem sowohl der Zustand des Gebäudes als auch die Frage der Verfügungsbefugnis / Eigentümerstellung sowie die gesellschaftsrechtliche Situation der Klägerin thematisiert worden waren. Eine Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte nicht. Auch hatte Herr … selbst das Landratsamt, wie ausgeführt, bereits mit Schreiben vom 13. April 2017 auf die Einsturzgefährdung hingewiesen. Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Anordnungen für Sicherungsmaßnahmen konnten daher nicht überraschend sein; es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, was klägerseits bei einer Anhörung zusätzlich zu dem bereits erfolgten Schriftwechsel geltend gemacht worden wäre.
Im Übrigen wäre ein Anhörungsmangel zwischenzeitlich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden. Die Klägerin hatte Gelegenheit, ihre Einwände gegen den streitgegenständlichen Bescheid vorzutragen; der Beklagte ist hierauf in der Klageerwiderung eingegangen.
Der Bescheid vom 7. November 2017 ist auch materiell rechtmäßig. Dabei kann offen bleiben, ob auf Art. 54 Abs. 4 BayBO (Anforderungen an bestandsgeschützte Gebäude) zurückgegriffen werden musste. Die mit dem Bescheid getroffenen Anordnungen provisorischer Sicherungsmaßnahmen (insbesondere Absperrungen) bei einer – wie hier gegebenen – Gefahr für Personen durch herabstürzende Bauteile bzw. die Anordnungen von Maßnahmen zur Gewährleistung der – hier gefährdeten – Verkehrssicherheit können auch auf die allgemeine Befugnisnorm des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gestützt werden (vgl. Beispiele bei Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 52 m.N. aus der Rechtsprechung). Ein etwa nötiger Austausch der Rechtsgrundlage ist möglich; die Begründung für die bescheidmäßig getroffenen Regelungen würde nicht in ihrem Wesen geändert (vgl. etwa BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 8 ZB 16.993 – juris Rn. 10 m.w.N.), denn Anlass (Baufälligkeit eines Gebäudes führt zu Gefahren für Leib und Leben von Personen sowie einer Gefahr für die Verkehrssicherheit) und Ziel der Maßnahmen (Beseitigung dieser Gefahren) wären identisch.
Im Übrigen lagen auch die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO vor. Eine konkrete, erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit folgt, wie ausgeführt, aus dem Zustand des Gebäudes und dem jederzeit möglichen Eintritt einer weiteren Verschlechterung, einschließlich des Herabfallens von Bauteilen.
Der angefochtene Bescheid ist auch im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ausreichend bestimmt. Selbst ohne den Lageplan, auf den Ziffer 2 des Bescheids verweist, kann die Klägerin als Betroffene der Formulierung „geeignete Absperrvorrichtung“ in Verbindung mit der Beschreibung des damit verfolgten Ziels („…so dass das Gebäude nicht mehr betreten werden kann und der einsturzgefährdete Bereich im Anwesen abgesperrt wird“) klar entnehmen, was von ihr verlangt wird, zumal es sich bei der Klägerin offenbar selbst um ein Bauunternehmen handelt bzw. gehandelt hat. Die Offenheit der Formulierung („geeignet“) kommt der Klägerin sogar zu Gute, da damit – so lange das Bescheidziel erreicht wird – eine gewisse Flexibilität einhergeht.
Der Bescheid richtet sich auch zu Recht gegen die Klägerin (… GmbH & Co. KG). Diese ist ausweislich des in den Behördenakten befindlichen Grundbuchauszugs und der Auskunft des zuständigen Grundbuchamts Eigentümerin des in Rede stehenden Grundstücks (vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LStVG, der als allgemeine Bestimmung über die sicherheitsrechtliche Verantwortlichkeit heranzuziehen ist; vgl. Decker, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 152; Dirnberger, a.a.O., Art. 54 Rn. 110). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen im Jahre 2002 (vgl. Handelsregisterauszug, Bl. 29 Behördenakt) änderte sich an der Eigentümerstellung der Klägerin nichts. Zwar wurde die Kläger hierdurch gem. § 161 Abs. 2 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB kraft Gesetzes aufgelöst. Die durch diese Vorschriften angeordnete Auflösung der KG bedeutet aber nicht deren Ende, sondern nur ihren Übergang aus der dem Gesellschaftszweck gewidmeten, werbenden Tätigkeit in die Abwicklung (Zweckänderung). Die Klägerin besteht also bis zu ihrer – hier noch nicht vorliegenden – Beendigung weiter (vgl. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 131 Rn. 2).
Die Anordnungen mussten sich auch nicht wegen § 80 Abs. 1 InsO gegen den Insolvenzverwalter richten. Der Insolvenzverwalter kann Gegenstände, die zur Insolvenzmasse gehören, kraft der ihm nach § 80 Abs. 1 InsO zustehenden Verfügungsmacht freigeben (Uhlenbruck/Mock, InsO, § 80 Rn. 30). Dies ist hier hinsichtlich des fraglichen Grundstücks mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom 23. November 2009 (vgl. Anlage zur Klageerwiderung) geschehen. Unerheblich ist insoweit, ob die Freigabe an die Klägerin (so Schriftsatz der Klägerseite vom 6.4.2018) oder Herrn … (so Adressierung des Schreibens des Insolvenzverwalters vom 23.11.2009) erfolgte. Entscheidend für eine Verantwortlichkeit der Klägerin ist, dass sie – wie klägerseits selbst vorgetragen wird – weiterhin Eigentümerin des Grundstücks bzw. Anwesens ist und auf Grund der Freigabe keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters besteht.
Unschädlich für eine Verantwortlichkeit der Klägerin ist schließlich, dass nach den Gründen des angefochtenen Bescheids (Nr. 7; vgl. auch Nr. 4) die Verpflichtungen zur Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen an Herrn … als Zustandsstörer zu richten waren. Diese Formulierung betrifft die Inanspruchnahme von Herrn … als Zustandsverantwortlichen gem. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG (Inhaber der tatsächlichen Gewalt, vgl. Urteil im Verfahren Au 4 K 17.1874). An der Verantwortlichkeit der Klägerin als Eigentümerin gem. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LStVG ändert sich hierdurch nichts.
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch hinsichtlich der Inanspruchnahme der Klägerin als Verantwortliche und auch sonst ermessensgerecht. Innerhalb der durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot gezogenen Grenzen darf sich die Behörde bei der Störerauswahl sehr weitgehend von Zweckmäßigkeitsüberlegungen leiten lassen und die Anordnungen gegen denjenigen richten, bei dem sie voraussichtlich am wirkungsvollsten sein werden (vgl. Schwarzer/König, BayBO, Art. 54 Rn. 27). Vor dem Hintergrund, dass Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LStVG ausdrücklich eine Verantwortlichkeit des Eigentümers normiert und die Klägerin unstreitig nach wie vor Eigentümerin des betroffenen Grundstücks ist, ist ihre Inanspruchnahme nicht zu beanstanden. Zwar befindet sich die Klägerin schon seit 2002 im Insolvenzverfahren; jedoch konnte der Beklagte davon ausgehen, dass mit Herrn … (sen.) in Bezug auf das streitgegenständliche Grundstück noch ein Vertreter bzw. Beauftragter vorhanden war, hat dieser sich doch wiederholt gegenüber dem Beklagten als „Verwalter“ bezeichnet (Schreiben vom 4.4.2017, vom 13.4.2017 und vom 29.8.2017; Bl. 2, Bl. 5, Bl. 34 denkmalfachlicher Akt); ferner hat Herr … (sen.) ein an die Klägerin, „z. Hd. Herrn …“ adressiertes Schreiben der … Lebensversicherung AG vorgelegt (Bl. 4 denkmalfachlicher Akt). Nicht zuletzt wurde die vorliegende Klage von der Klägerin „vertreten durch Herrn … (sen.)“ erhoben (Klageschriftsatz vom 6.12.2017) und hat sich herausgestellt, dass klägerseits selbst davon ausgegangen wurde, bis zur Niederlegung am 6. April 2018 ein Geschäftsführer der Komplementärin der GmbH & Co. KG und damit gesetzlicher Vertreter der Klägerin (§§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB, § 35 Abs. 1 GmbHG) vorhanden war.
Angesichts des Zustands des Gebäudes und der – wie ausgeführt – darauf zurückzuführenden konkreten Gefahr, dass Leib und Leben von Menschen sowie die Verkehrssicherheit verletzt werden könnten, erweisen sich die geforderten Maßnahmen auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als ermessensgerecht. Dass mildere Mittel als die geforderten vorläufigen Sicherungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr in Betracht kämen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Frage einer wirtschaftlichen Erhaltungsfähigkeit des Gebäudes ist – erst – zu prüfen, sollte ein Antrag auf Erteilung einer Beseitigungserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 DSchG gestellt werden; hierbei ist u.a. eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen (vgl. näher BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris).
Rechtliche Bedenken hinsichtlich der u.a. auf Art. 36, 31 BayVwZVG gestützten Androhung von Zwangsgeldern (Ziff. 3 des Bescheids) bestehen ebenfalls nicht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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