Steuerrecht

Aufhebung der Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister

Aktenzeichen  RN 5 K 17.834

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10594
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 3
BGB § 119 Abs. 1 Alt. 1, § 123

 

Leitsatz

1 Der Verzicht auf die Bestellung zum Schornsteinfeger ist eine Willenserklärung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, auf die die Anfechtungsregeln des BGB entsprechend anzuwenden sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 In dem Aufzeigen der rechtlichen Konsequenzen von Rechtsverstößen liegt keine widerrechtliche Drohung iSd § 123 Abs. 1 BGB. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wer eine Urkunde unterzeichnet, ohne sich zuvor Kenntnis von deren Inhalt verschafft zu haben, kann sich nicht auf einen Inhaltsirrtum berufen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Ziffern 1 und 2 des Bescheids stützen sich auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 SchfHwG und § 19 Abs. 3 SchfHwG. Klärungsbedürftige Fragen stellten sich nur dahingehend, ob der Antrag des Klägers vom 12.04.2017 auf Aufhebung der Bestellung wirksam war. Gegen die daran geknüpften Folgen (Aufhebung, Regelung des Übergangs nach § 19 Abs. 3 SchfHwG) bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Der Antrag des Klägers vom 12.04.2017 wurde mittels anwaltlicher Erklärung vom 15.05.2017 angefochten. Dieses Vorgehen ist zwar grundsätzlich möglich, aber nicht erfolgreich, da kein Anfechtungsgrund vorliegt.
1. Bei der Verzichtserklärung des Klägers handelt es sich um eine Willenserklärung eines Privaten gegenüber einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Auch auf diese Konstellation finden die Anfechtungsregeln des BGB für Willenserklärungen als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens Anwendung (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 119 Rn. 5, MüKoBGB/Armbrüster BGB § 119 Rn. 42, Staudinger/Singer (2017) BGB § 119, Rn. 110).
2. Ein Anfechtungsgrund in Form einer widerrechtlichen Drohung, § 123 Abs. 1 BGB, liegt jedoch nicht vor. Wenn überhaupt, kommen als mögliche in Aussicht gestellte künftige Übel schon nach dem klägerischen Vortrag nur ein Warnungsgeld oder eine Aufhebung der Bestellung aufgrund von Unzuverlässigkeit nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG in Betracht. Eine solche Drohung wäre aber keinesfalls widerrechtlich. Zweck der Kehrbezirksüberprüfung war gerade, aufgelaufene Beschwerdefälle zu klären. Bereits früher war infolge von Beschwerden ein Warnungsgeld verhängt worden. Derartige Vorkommnisse fließen aber gerade in eine Gesamtschau ein, die zur Beantwortung der Frage nach der Unzuverlässigkeit anzustellen ist. Die rechtlichen Konsequenzen dieser Vorkommnisse aufzuzeigen, ist jedoch nicht widerrechtlich. Zu dieser Vorschrift ist auf dem Anwendungsgebiet des Zivilrechts anerkannt, dass die Drohung mit einer klageweisen Durchsetzung auch einer nicht bestehenden Forderung nicht widerrechtlich ist, wenn damit die Begleichung dieser Forderung bewirkt werden soll (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 123 Rn. 31). Gleiches gilt hier, wenn die tatsächlichen Grundlagen aufgezeigt werden, die bestimmte Arten von Verwaltungsakten nach sich ziehen können, auch dann, wenn die Entscheidung über ihren Erlass noch nicht gefallen ist. Soweit vorgetragen wurde, Beanstandungen aus 2013 und 2014 seien (vorrangig) Gegenstand der Gespräche am 3. Tag gewesen, obwohl hierfür bereits ein Warnungsgeld verhängt worden war, ergibt sich hieraus auch keine Widerrechtlichkeit, da die Tatsache, dass Beanstandungen wieder auftraten, obwohl bereits ein Warnungsgeld verhängt worden war, für die Frage der Zuverlässigkeit eine Rolle spielen kann. Auch ob die damaligen zu den jetzigen Beanstandungen vergleichbar sind, mag dafür relevant sein. Die Erörterung von Beanstandungen aus 2013 und 2014 stellt also keine sachfremde Erwägung dar und kann so nicht die Widerrechtlichkeit begründen.
3. Auch liegt kein Anfechtungsgrund in Form eines relevanten Irrtums vor.
a. Der Ablauf, dass der Kläger zunächst selbst äußerte, er wolle den Kehrbezirk nicht mehr haben und nach der Mittagspause die Erklärung unterzeichnete, in der er zunächst auf den Kehrbezirk verzichtete, zeigt folgendes: Für einen Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Var. 2 BGB fehlen jegliche Anhaltspunkte. Dass der Kläger, nachdem er den Kehrbezirk laut seiner mündlichen Äußerung abgeben wollte, nicht mit Rechtsbindungswillen handeln wollte, wenn er zu einer Unterschrift unter ein daraufhin angefertigtes Dokument aufgefordert wird, liegt fern und wurde auch nicht vorgetragen.
b. Auch für einen Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB gibt es nach den Ausführungen des Klägers keinen Anhaltspunkt. Das subjektiv Gewollte und das objektiv Erklärte stimmen überein, da der Kläger den Willen gebildet hatte, den Kehrbezirk abgeben zu wollen und in der streitigen Erklärung ebendiesen Verzicht erklärte. Im Kern der Erklärung liegt also kein Irrtum vor, da für einen Inhaltsirrtum kein Raum bleibt, wenn subjektiv Gewolltes und objektiv Erklärtes übereinstimmen (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 119 Rn. 30, 37).
c. Hinsichtlich eines Teilaspekts der unterzeichneten Erklärung hatte sich während der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass ein Inhaltsirrtum vorliegen könnte. Dies hat sich letztlich jedoch nicht als zutreffend erwiesen: Soweit der Kläger mit seiner Unterschrift erklärt hat, künftige Arbeiten nur noch im nichthoheitlichen Bereich auszuführen (vorletzter Absatz der Erklärung), könnten dem unterschiedliche Erklärungsinhalte zugemessen werden. Dies könnte einerseits bedeuten, dass schlicht klargestellt wird, dass aufgrund des Verzichts die künftige hoheitliche Tätigkeit im aktuellen Kehrbezirk … entfällt, die nichthoheitliche Tätigkeit aber gar nicht von der Erklärung berührt ist und daher weiterhin ausgeübt werden kann. Andererseits hätte man diese Passage dahingehend verstehen können, dass er überhaupt künftig nun noch nichthoheitliche Arbeiten ausführt, sich also auch nicht mehr um Kehrbezirke bewirbt oder aufgrund dieser Erklärung darauf verzichtet, im Bewerbungsverfahren berücksichtigt zu werden. Ein Irrtum hätte also dahingehend bestehen können, dass der Kläger sich den ersteren Inhalt vorgestellt hatte, man aber objektiv der Erklärung den zweiten Inhalt zumessen müsste. Viel würde jedoch dafür sprechen, der Erklärung den ersten, rein klarstellenden Inhalt zuzumessen, insbesondere dass auch die sonstigen nach dem Verzicht enthaltenen Erklärungen dazu dienen, die Übergabe und den weiteren Verlauf zu ordnen und zu diesem Zweck auch schon gesetzlich bestehende Pflichten, wie die Übergabe von Unterlagen (§ 19 Abs. 3 SchfHwG), nochmals aufzulisten. Dass jedoch von Seiten der Regierung in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, dass der Kläger sich um jeden frei werdenden Kehrbezirk bewerben könne, wegen des Verzichts an sich keinen Malus erhalte und hoheitliche Tätigkeiten auch wieder ausüben könne, wenn er wieder bestellt wäre, zeigt, dass damit auch die Regierung der Erklärung nicht den zweiten, weitergehenden Inhalt zugemessen hat, sondern dass es allein um eine Klarstellung ging, dass der nichthoheitliche Bereich nicht von der Verzichtserklärung betroffen ist. Für ein Auseinanderfallen von subjektiv Gewolltem und objektiv Erklärtem gibt es also auch insofern kein Anzeichen.
d. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorbringt, er habe nicht alles umrissen, was in der Erklärung enthalten war, als er sie unterzeichnete, begründet dies auch keinen Inhaltsirrtum. Wer eine Urkunde bewusst ungelesen, dh „blind“ unterschreibt, um sich die in ihr enthaltene Erklärung zu eigen zu machen, ohne sich zuvor von ihr in Kenntnis zu setzen, kann sich nicht darauf berufen, über ihren Inhalt geirrt zu haben. In solchen Fällen scheidet eine Irrtumsanfechtung grds. aus (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 119 Rn. 24). Auch die Konstellation, dass die Formulierung der Urkunde jemand anders überlassen wurde und sie dann blind im Vertrauen auf diesen anderen unterschrieben wurde, führt hier nicht zu einem Inhaltsirrtum (vgl. (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 119 Rn. 25), da die Urkunde in ihrer Kernaussage mit der zuvor vom Kläger gemachten Erklärung übereinstimmt und die weiteren Abwicklungsmodalitäten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regeln wiedergibt. Hiermit war aber zu rechnen.
e. Nachvollzogen werden kann, dass der Umsatz im nichthoheitlichen Bereich nach Bestellung eines Bevollmächtigten als Nachfolger für den hoheitlichen Bereich ein- oder wegbrach. Selbst wenn man den Kläger aber so verstehen will, dass er die Hoffnung hatte, infolge seines Verzichts die Aufgaben aus dem hoheitlichen Bereich loszuwerden und seinen Lebensunterhalt nur aus dem nichthoheitlichen Bereich bestreiten zu können, was von der Zahl der Aufträge her nun eventuell nicht der Fall sein mag, so handelt es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Auch insofern stimmt nämlich das objektiv Erklärte mit dem subjektiv Gewolltem, dem Verzicht, überein, allein die Beweggründe und Motive mögen sich nicht verwirklicht haben. Ein derartiger Motivirrtum berechtigt jedoch gerade nicht zur Anfechtung (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 119 Rn. 37). Dass die Hoffnung bestand, wieder einen Kehrbezirk zu bekommen und diese sich bisher nicht verwirklicht haben mag, würde ebenso allenfalls einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellen.
Da also schon nach dem klägerischen Vortrag kein Anfechtungsgrund erkennbar wurde, konnte eine Befragung der geladenen Zeugen unterbleiben.
Die Kostenfestsetzung im Bescheid beruht auf Art. 1, 2 Abs. 1, 6 KG i.V.m. Tarif-Nr. 2.IV.8/2.
Da die Klage erfolglos war, war sie abzuweisen und es waren gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem unterlegenen Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.


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