Steuerrecht

Aufhebungder Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger

Aktenzeichen  W 8 S 20.703

Datum:
3.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12099
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2, § 13, § 14 Abs. 2 S. 1
GewO § 12 S. 1, § 35
GG Art. 12 Abs. 1
InsO § 21
VwGO § 80 Abs. 5, § 117 Abs. 5
GKG § 52 Abs. 1 u. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begeht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Aufhebung seiner Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers für den Kehrbezirk A.-Land 13.
1. Der Antragsteller wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Januar 2015 für weitere sieben Jahre als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für seinen Kehrbezirk bestellt.
Nach Mitteilung des Finanzamtes A. vom 3. März 2020 über seit 2016 aufgelaufene Steuerrückstände einschließlich Säumniszuschläge von 34.194,54 EUR und fehlender Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen seit 2016 leitete die Regierung von … ein Aufhebungsverfahren ein. Das Finanzamt A. teilte auf Nachfrage mit Schreiben vom 15. April 2020 ergänzend mit, dass am 6. Februar 2019 Vollstreckungsaufschub gegen eine Zahlung von monatlich 1.000,00 EUR gewährt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Steuerrückstand auf 33.148,13 EUR belaufen. Der aktuelle Steuerrückstand sei auf 36.592,04 EUR angestiegen. Seit März sei keine Rate mehr gezahlt worden.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg – Abteilung für Insolvenzsachen – wurde am 8. April 2020 die vorläufige Insolvenzverwaltung verbunden mit Maßnahmen nach § 21 InsO angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Bescheid vom 20. April 2020 hob die Regierung von … die Bestellung des Antragstellers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk A.-Land 13 mit Ablauf des 31. Mai 2020 auf (Nr. 1). Weiter verpflichtete es den Antragsteller, die Kosten des Verfahrens zu tragen (Nr. 2). Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 150,00 EUR festgesetzt. Hinzu kommen Auslagen (Nr. 3). In den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG sei die Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger aufzuheben, wenn Tatsachen nachweislich belegten, dass dieser die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes nicht besitze. Die Steuerschulden seien trotz Vereinbarung mit dem Finanzamt weiter angestiegen. Zuletzt sei eine vereinbarte Rate nicht mehr bezahlt worden. Insbesondere seien keine Steuererklärungen abgegeben worden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen fehlten seit dem Veranlagungszeitraum 2016. Dies verdeutliche, dass der Antragsteller nicht willens oder in der Lage sei, seine Steuerrückstände abzubauen und entsprechend an diesem Ziel mitzuwirken. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Unerheblich sei, dass die Steuerschulden teilweise auf Schätzungen beruhten. Steuerschulden ließen regelmäßig auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen. Von einem Gewerbetreibenden, der mit derart unlauteren Mitteln und unter Missachtung der Belange der Allgemeinheit und anderer bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nur seine eigenen geschäftlichen Interessen verfolge, könne nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe in Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führe. Aufgrund der dargestellten Verfehlungen besitze der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für das Amt des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Angesichts der Art der Verstöße – insbesondere des weiter ansteigenden Steuerrückstands und der fehlenden Mitwirkung – sei eine negative Prognose für die Zukunft zu stellen. Die steuerrechtlichen Verstöße könnten nicht getrennt von der Tätigkeit eines beliehenen Schornsteinfegers versehen werden. Dort seien ebenfalls in erheblichem Umfang Geldverwaltung, Termintreue und Genauigkeit gefragt. Bei vorliegenden Voraussetzungen sei die Bestellung aufzuheben und stehe nicht im Ermessen der Behörde. Die Aufhebung sei zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kehrbezirksverwaltung und letztlich zur Aufrechterhaltung der Betriebs- und Brandsicherheit im Kehrbezirk geboten.
2. Am 22. Mai 2020 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 20.702 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 22. Mai 2020 gegen den Bescheid der „Antragsgegnerin“ vom 20. April 2020 anzuordnen.
Zur Antragsbegründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei geboten, da Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden. Auf den gleichzeitig eingereichten Klageschriftsatz werde verwiesen.
Im Klageschriftsatz vom 22. Mai 2020 ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsgegner stütze seine Einschätzung hinsichtlich der Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit ausschließlich auf die gegenüber dem Fiskus bestehenden Verbindlichkeiten des Antragstellers, mithin auf ungeordnete Vermögensverhältnisse. Gemäß § 12 GewO fänden Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder einen Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen sei, ermöglichen, während der Zeit in der – wie vorliegend – Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet seien, keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, dass zurzeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt worden sei. Aufgrund der Sperrwirkung des § 12 GewO sei das anhängige Gewerbeuntersagungsverfahren beim Landratsamt A. ausgesetzt worden. Nach der Gesetzesbegründung sei der Anwendungsbereich des § 12 GewO nicht auf die Gewerbeordnung selbst beschränkt. Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Verweisung könne die GewO ergänzend Anwendung finden, z.B. im Falle der Handwerksordnung. § 12 GewO normiere den Vorrang des insolvenzrechtlichen Regelungsregimes. Mit der Anordnung des Insolvenzeröffnungsverfahrens sei der vorläufige Insolvenzverwalter regelmäßig zur Sicherung und zum Erhalt des Vermögens des Insolvenzschuldners berufen und habe eine ordnungsgemäße Fortführung oder Abwicklung des Geschäftsbetriebs zu bewirken, was ipso facto eine Rückkehr des Gewerbetreibenden zu geordneten Verhältnissen im Insolvenzverfahren bewirke. Demnach müsse prognostisch davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller künftig in der Lage sein werde, seine Zahlungsverpflichtungen in der gebotenen Weise nachzukommen. Der Antragsgegner habe bei seiner Ermessensentscheidung vollständig außer Acht gelassen, dass der Antragsteller zwischenzeitlich über 26 Jahre seine Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ohne fachliche Beanstandungen ausübe. Die Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Einholung von Steuererklärungs- und Zahlungspflichten gehöre nicht zu den Anforderungen für die Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger. Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze insbesondere den Antragsteller in seinen Rechten aus § 12 Abs. 1 GG.
Die Regierung von … beantragte für den Antragsgegner mit Schriftsatz 2. Juni 2020, den Antrag abzulehnen.
Zur Antragserwiderung brachte sie im Wesentlichen vor: Mit Bescheid vom 22. Mai 2020, der vom Antragsteller nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sei, sei Herr T. zum neuen bevollmächtigten Schornsteinfegermeister für den ausgeschriebenen Kehrbezirk bestellt worden. Dieser habe mit E-Mail vom 1. Juni 2020 mitgeteilt, dass er aufgrund des derzeitigen Zusammenwirkens von aufschiebender Wirkung der Bestellungsaufhebung und Vollzug seiner Bestellung an der Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit gehindert sei. Mit E-Mail vom 18. Mai 2020 habe das Finanzamt mitgeteilt, dass der Antragsteller Steuerrückstände in Höhe von 38.276,38 EUR habe. Die Einkommens- und Umsatzsteuerjahreserklärungen fehlten seit 2016. Die Umsatzsteuervoranmeldungen seit Februar 2020. Der Antrag sei schon unzulässig, weil sich die Hauptsache erledigt habe, da der Kehrbezirk A. neu vergeben worden sei. Aufgrund des Verbots der Mehrfachbestellung sei hier Erledigung eingetreten. Der Antragsteller habe versäumt, gegen die Neubestellung vorzugehen und sich stattdessen auf die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bezüglich der Aufhebung beschränkt. Insbesondere fehle das Rechtschutzbedürfnis. Er könne allenfalls erreichen, dass die Aufhebung seiner Bestellung nicht vollzogen werde. Gleichzeitig bleibe aber die Neubestellung weiterhin vollziehbar. Die Neubestellung sei sofort vollziehbar. Ein abgelehnter Bewerber für den Kehrbezirk müsse gleichermaßen gegen die Nichtberücksichtigung als auch gegen die Bestellung des Konkurrenten vorgehen, also eine Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erheben. Ansonsten fehle ihm das Rechtschutzbedürfnis. § 12 GewO sei nicht anzuwenden. Bei dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger sei deutlich zwischen den sogenannten freien Tätigkeiten, die ein Gewerbe darstellten, und hoheitlichen Tätigkeiten, bei denen kein Gewerbe ausgeübt werde (vielmehr das Gewerbe Voraussetzung sei), sondern der Bevollmächtigte im Wege der Beleihung hoheitliche Befugnisse und Pflichten übertragen bekomme, mithin bei seiner Tätigkeit als Behörde auftrete, zu unterscheiden. Es handle sich vorliegend nicht um nebengewerbliche Vorschriften, sondern Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf den Bevollmächtigten. § 12 GewO sei bei nichtgewerbliche Tätigkeiten nicht anwendbar. Wie in § 8 SchfHwG zum Ausdruck komme, sei zwischen der Bestellung, Beleihung, und den übrigen Tätigkeiten zu unterscheiden. Der Bezirksschornsteinfeger erfülle im Bereich des Brandschutzes und der Feuersicherheit wichtige öffentliche Aufgaben im Status eines mit staatlicher Gewalt beliehenen Unternehmers und unterliege dabei der staatlichen Aufsicht. Bei Ausübung der hoheitlichen Tätigkeit sei er auch an Grundrechte gebunden. Dass es hier nicht um eine Art gewerberechtsähnliche Tätigkeit gehe, zeige sich auch darin, dass der Bevollmächtigte im Bereich der Beleihung einen Konkurrenzschutz genieße. Die Pflichten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers seien zwingend zu erfüllen. Zur Ausübung werde er vor Konkurrenz geschützt und es bestehe ein Mehrfachbestellungsverbot. Die Gläubigerversammlung habe nicht darüber zu entscheiden, ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die ihm übertragenen hoheitlichen Aufgaben, insbesondere die damit zusammenhängenden Pflichten, wahrnehme oder nicht. Brandsicherheit und Umweltschutz stünden nicht zur Disposition der Gläubigerversammlung. Auch der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger habe kein Recht zu entscheiden, ob er die ihm übertragenen hoheitliche Aufgaben erledige. Gleiches gelte für den Insolvenzverwalter. Die umfangreichen Pflichten eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers könnten im Falle eines Insolvenzverfahrens zwangsläufig nicht mehr in unabhängiger Weise erfüllt werden, da nicht nur die eingeschränkte finanzielle Situation für sich bereits ein Problem darstelle, sondern der Bezirksschornsteinfeger auch nicht mehr vollständig „Herr der Lage“ sei. Neben der finanziellen Leistungsfähigkeit lägen weitere Gründe für die Annahme der persönlichen Unzuverlässigkeit vor. Der Bescheid sei nicht nur auf finanzielle Leistungsfähigkeit oder Steuerrückstände beschränkt. Vielmehr stütze er sich maßgeblich auf den schweren Verstoß gegen abgaberechtliche Pflichten als solche. Der Antragsteller habe seit dem Veranlagungszeitraum 2016 keine Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen mehr abgegeben. Er habe auch Vereinbarungen mit dem Finanzamt nicht eingehalten. Der Antragsteller biete nicht hinreichend Gewähr, seine Amtspflichten künftig uneingeschränkt pflichtgemäß und verlässlich zu erfüllen und zwar unabhängig davon, ob er wirtschaftlich dazu in der Lage sei. Zudem dürfte es nicht zu dem Aufgabenkreis eines Insolvenzverwalters gehören, neben Wahrnehmung der Gläubigerinteressen allgemein auch im Bereich der Gefahrenabwehr tätig zu werden. Die Aufhebung der Bestellung wegen Unzuverlässigkeit sei zwingend geboten. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dagegen entschieden, auch die hoheitlichen Aufgaben dem freien Wettbewerb zu unterstellen, weil es hier um Brandsicherheit und Umweltschutz gehe. Auch bei der Neuausschreibung werde die persönliche Zuverlässigkeit ausdrücklich geprüft. Angesichts der Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes seien an die Zuverlässigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers hohe Anforderungen zu stellen. Das Wiedererlangen der persönlichen Zuverlässigkeit ergebe sich nicht bereits aus der Durchführung des Insolvenzverfahrens, weil die persönliche Zuverlässigkeit voraussetze, dass die Berufsausübung vom Antragsteller willentlich und aus eigenem Antrieb erbracht werde. Vorliegend zeige sich zudem, dass das Insolvenzverfahren auch gar keine Verbesserung der steuerlichen Situation gebracht habe. Die Steuerrückstände seien weiter gestiegen. Zu der Berufspflicht des Bezirksschornsteinfegers gehörten auch nicht nur die Befolgung der schornsteinfegerrechtlichen Vorschriften, sondern auch die Beachtung der steuerlichen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen. Ermessen stehe ihm nicht zu. Es handle sich um eine gebundene Entscheidung. Es liege auch kein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG vor, weil die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger der Gewährleistung des präventiven Brand- und Immissionsschutzes im Kehrbezirk und damit einem Gemeinschaftsgut diene und der Antragsteller auch weiterhin die Tätigkeit als freier Schornsteinfeger nach § 1 Abs. 1 SchfHwG ausführen könne. Im Hinblick auf das Verbot der Mehrfachbestellung und die besondere Gefahren für die Betriebs- und Brandsicherheit sowie dem Umweltschutz sei es für die Rechtsordnung nicht hinnehmbar, einen Bezirksschornsteinfeger mit ungeordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, mit hohen Steuerschulden und mit nachgewiesenen abgaberechtlichen Pflichtverstößen über weitere Wochen im Amt zu belassen. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers dürfe es gerade aus Gründen des Brand- und Immissionsschutzes keine Mehrfachbestellung geben. Dies sei auch in der Abwägung zu berücksichtigen. Es seien mehrere Bezirksschornsteinfeger auf einen Kehrbezirk bestellt. Es lägen gravierende Zuständigkeitskonflikte vor. Durch brandgefährliche Zustände in den Anwesen des Kehrbezirks würden Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte einer Vielzahl von Personen potenziell gefährdet. Diese Rechtsgüter genössen einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG. Dies sei in der Abwägung zu berücksichtigen.
Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 ordnete die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von … vom 20. April 2020 an, bis das Gericht im vorliegenden Sofortverfahren über den Antrag des Antragstellers vom 22. Mai 2020 entschieden hat und untersagte dem Antragsgegner weiter, bis zu dem vorgenannten Zeitpunkt vollendende Tatsachen zu schaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 20.702) und die beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingereichten Anfechtungsklage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Der Antragsgegner hat die Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG gestützt, so dass die Klage des Antragstellers gemäß § 12 Abs. 3 SchfHwG keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass mittlerweile ein Nachfolger für den streitgegenständlichen Kehrbezirk als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger benannt ist. Denn die Bestellung im Berufsrecht der Schornsteinfeger stellt keine von einem Dritten nicht anfechtbare verwaltungsbehördliche Entscheidung dar. Vielmehr könnte der Antragsteller die -nicht bestandskräftige – Bestellung seines Nachfolgers noch anfechten und so im Falle des Obsiegens rückgängig machen (vgl. VG Magdeburg, U.16.11.2017 – 3 A 143/16 – juris; VG Weimar, B.v. 23.11.2016 – 8 E 1190/16 We – LKV 2017, 144; VGH BW, B.v. 4.3.2016 – 6 S 2239/15 – juris; VG Stade, U.v. 15.7.2015 – 6 A 975/14 – juris; BayVGH, B.v. 2.8.2010 – 22 CS 10.1572 – GewArch 2010, 412). Dass der Antragsteller die – offenbar nach Einleitung der vorliegenden gerichtlichen Verfahren erfolgte – Bestellung seines Nachfolgers zu bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger durch Bescheid der Regierung von … vom 22. Mai 2020 bislang noch nicht angefochten hat, führt weder zur Erledigung des vorliegenden Verfahrens noch zum Verlust des Rechtsschutzinteresses.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und im Interesse des Antragstellers der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung. Bei der Interessenabwägung ist auch die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bedeutsam, grundsätzlich den Vorrang des Vollzugsinteresses anzuordnen, so dass es des Vorliegens besondere Umstände bedarf, um hiervon abweichend eine Aussetzung der Vollziehung zu rechtfertigen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80, Rn. 114 u. 152a).
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die mit Bescheid vom 20. April 2020 erfolgte Aufhebung der Bestellung des Antragstellers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Bescheidserlasses als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Antragsteller war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides unzuverlässig im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die es sich insoweit zu eigen macht, und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere steht die Regelung des § 12 GewO der Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nicht entgegen.
Nach § 12 Satz 1 GewO finden Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Insolvenzordnung angeordnet sind und während der Überwachung des Insolvenzplans keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, dass zurzeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. § 12 Satz 1 GewO entfaltet eine Sperrwirkung. Es ist eine gewerberechtliche Vorschrift, die im Interesse der Insolvenzgläubiger eine Gewerbeuntersagung für einen bestimmten Zeitraum aussetzt. Erfasst wird auch die Rücknahme oder der Widerruf gewerblicher Erlaubnisse. Auch bei fehlender ausdrücklicher Verweisung kann die Gewerbeanordnung ergänzend Anwendung finden, z.B. im Fall der Handwerksordnung. Für seinen Anwendungsbereich weist § 12 GewO dem Insolvenzverfahren absolute Priorität zu. Der Vorrang der Insolvenzordnung gilt auch für gewerberechtliche Nebengesetze. § 12 GewO ist aber etwa nicht anwendbar auf freie Berufe, sofern diese nicht ausdrücklich auf § 12 GewO verweisen (vgl. Hoffmann in BeckOK, GewO, hrsg.v. Pielow, 49. Ed., Stand: 1.3.2020, § 12, Rn. 2 ff. u. 62 ff.; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 77. EL, Okt. 2017, § 12, Rn. 2a, 4 u. 15; Werk in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 12, Rn. 1 ff.).
Die streitgegenständliche Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG wird nicht von der Sperrwirkung des § 12 Satz 1 GewO erfasst, weil der Antragsteller eine Doppelstellung hat und der hoheitliche Bereich der Tätigkeit als Beliehener von dem handwerklichen Teil zu unterscheiden ist. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat eine Doppelstellung inne. So gehört er gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG als Gewerbetreibender dem Schornsteinfegerhandwerk an und übt zugleich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG hoheitliche Tätigkeiten aus, insbesondere bei der Führung der Kehrbücher nach § 13 SchfHwG, bei der Feuerstättenschau nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG, bei Erlass des Feuerstättenbescheides nach § 14a SchfHwG und bei der Bauabnahme nach § 16 Abs. 1 SchfHwG i.V.m. Art. 28 Abs. 3 BayBO (vgl. Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfegerhandwerksrecht, 2. Aufl. 2019, § 8 SchfHwG, Rn. 14). Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat somit im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne, bei der die öffentlich-rechtlichen Elemente überwiegen. Für ihn gelten nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts. Zusätzlich muss er auch die Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen. Insoweit sind in Anbetracht der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes an dessen Zuverlässigkeit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. VG München, U.v. 28.5.2019 – M 16 K 17.4056 – juris; B.v. 6.2.2018 – M 16 S 17.4055 – juris; SächsOVG, U.v. 15.6.2017 – 3 A 358/16 – GewArch. 2017, 438; SaarlOVG, B.v. 11.10.2013 – 1 B 395/13 – GewArch 2014, 89; BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwGE 145, 67). Der Bezirksschornsteinfeger nimmt seine öffentlichen Aufgaben unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse wahr; er ist insofern Beliehener. Er tritt insbesondere den Eigentümern und Besitzern von Grundstücken und Räumen hoheitlich gegenüber. Er ist wie jede andere Behörde an Gesetz und Recht gebunden, namentlich an die Grundrechte. Ein Bezirksschornsteinfeger, der nicht die Gewähr bietet, die geltende Rechtsordnung in seinem Kehrbezirk jederzeit verlässlich zu beachten, ist persönlich unzuverlässig (BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwGE 145, 67; vgl. Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfegerhandwerksrecht, 2. Aufl. 2019, § 8 SchfHwG, Rn. 4 u. 8 ff., 15 ff; § 12 SchfHwG, Rn. 22 ff.).
Gerade auch bei der Aufhebung der Bestellung wegen persönlicher und fachlicher Unzuverlässigkeit ist die in § 8 SchfHwG geregelte Doppelfunktion des bevollmächtigten Bezirkschornsteinfegers zu beachten. Er ist einerseits beliehener Unternehmer mit genau definierten hoheitlichen Aufgaben und andererseits als gewerbetreibender Angehöriger des Schornsteinfegerhandwerks. Im Fall von schwerwiegenden Zuverlässigkeitsmängeln kann es somit nicht nur zur Aufhebung der Bestellung durch die dafür zuständige Behörde kommen, sondern darüber hinaus auch zu einer Gewerbeuntersagung auf der Grundlage von § 35 GewO mit Zuständigkeit der Gewerbebehörden (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2017 – 22 C 17.700 – GewArch 2017, 437). Beide Rechtsregime sind streng zu unterscheiden und folgen unterschiedlichen rechtlichen Regelungen. Wegen der erheblichen grundlegenden Unterschiede der beiden Funktionen des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers kann die auf die gewerberechtliche bzw. handwerksrechtliche Seite zielende Regelung des § 12 GewO nicht auf die Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger übertragen werden (vgl. Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfegerhandwerksrecht, 2. Aufl. 2019, § 12 SchfHwG, Rn. 29).
Andernfalls könnte der Antragsteller bei Anwendung des § 12 GewO seine hoheitliche Tätigkeit mit Außenwirkung weiter ausführen, obwohl Tatsachen nachweislich belegen, dass ihm die erforderliche persönliche und fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes fehlt. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung kann diese weitreichende Anwendung des § 12 GewO bzw. dessen analoge Anwendung nicht angenommen werden.
Der vorliegende hoheitliche Tätigkeitsbereich des Antragstellers ist zudem nicht als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 12 GewO zu qualifizieren. § 12 GewO findet aber keine Anwendung auf nichtgewerbliche Tätigkeiten. Gerade die umfangreichen hoheitlichen Pflichten des Antragstellers in seiner Funktion als Beliehener sprechen durchgreifend gegen eine erweiternde Anwendung des § 12 GewO, zumal es um wichtige Schutzgüter des Brand- und Immissionsschutzes sowie der öffentlichen Sicherheit geht und somit gewichtige öffentliche Interessen einer Anwendbarkeit dieser Vorschrift oder ihres Rechtsgedankens auf den hoheitlichen Tätigkeitsbereich des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers entgegenstehen (vgl. OVG NRW, B.v. 8.3.2019 – 13 B 275/19 – ZinsO 2019, 803, zum Rettungsdienst; vgl. auch VG Düsseldorf, B.v. 22.2.2019 – 29 L 334/19 – juris).
Des Weiteren greift § 12 GewO auch nicht auf freie Berufe etwa eines Arztes, weil dies mit seinem gesetzlichen Auftrag nicht vereinbar wäre (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 30.11.2018 – 7 K 2276/16 – juris). Insofern fehlt es, genauso wie hier, auch im Arztrecht an einer entsprechenden Vorschrift in einer vergleichbaren Norm (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 4.12.2009 – 8 LA 197/09 – NdsVBl 2010, 106). Im vorliegenden hoheitlichen Bereich ist Art. 12 GewO erst recht weder direkt noch analog anwendbar. Denn § 12 GewO regelt nur, das Gewerberecht und dessen Nebenrecht, aber nicht anderer Rechtsgebiete (BVerwG, B.v. 17.3.2008 – 6 B 7/08 – Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1) und erst recht nicht den hoheitlichen Aufgabenbereich eines Beliehenen, der insoweit als Behörde auftritt. § 12 GewO erfasst ersichtlich auch nicht andere Rechtsgebiete, in denen beliehene Unternehmer hoheitlich tätig werden.
Ergänzend kann auf die zutreffenden Argumente in der Antragserwiderung der Regierung von … vom 2. Juni 2020 verwiesen werden.
Die Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger war zwingend gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG aufzuheben, weil vorliegend Tatsachen nachweislich belegen, dass der Antragsteller die erforderliche, persönliche und fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Amtes als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nicht besitzt.
Für den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger gelten nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts. Zusätzlich muss er auch durchweg Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen. Ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger unzuverlässig ist, beurteilt sich anhand von Tatsachen, die auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen. Von der Behörde wird demnach eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden könne und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwGE 145, 67 – juris, Rn. 19). In Anbetracht der dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes sind an dessen Zuverlässigkeit hohe Anforderungen zu stellen (VG München, U.v. 28.5.2019 – M 16 K 17.4056 – juris; B.v. 6.2.2018 – M 16 S 17.4055 – juris; VGH BW, B.v. 6.9.1990 – 14 S 1080/90 – GewArch 1991, 69).
Hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung Steuerrückstände in erheblicher Höhe auflaufen lassen und steuerliche Erklärungen nicht abgegeben, die von Antragstellerseite bislang nicht bestritten werden, fehlt ihm die persönliche Zuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufes. Denn bei dieser Sachlage kann ihm in Bezug auf sein künftiges, berufliches Verhalten keine positive Prognose dahingehend gestellt werden, dass er die Gewähr dafür bietet, seinen Beruf in Zukunft ordnungsgemäß auszuüben. Seine Unzuverlässigkeit resultiert dabei nicht nur aus der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit in Bezug auf den Abbau aufgelaufener Schulden, sondern auch wesentlich aus der Verletzung von Abgaben- und Erklärungspflichten und basiert damit auf Umständen, von denen angesichts der Missachtung seiner Pflichten und des Verstoßes gegen die Rechtsordnung in der Folge schwerwiegende Gefahren gerade auch erst recht für die Allgemeinheit ausgehen können (vgl. OVG LSA, U.v. 2.12.2015 – 1 L 17/14 – juris; SaarlOVG, B.v. 11.10.2013 – 1 B 395/13 – GewArch 2014, 89).
Der Bezirksschornsteinfeger nimmt seine öffentlichen Aufgaben gerade unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse wahr, er ist insofern Behörde. Er tritt den Eigentümern und Besitzern hoheitlich entgegen. Er ist wie jede Behörde an Recht und Gesetz gebunden und damit an die Grundrechte. Ein Bezirksschornsteinfeger, der nicht die Gewähr bietet, die geltende Rechtsordnung, insbesondere die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen in seinem Kehrbezirk jederzeit verlässlich zu beachten, ist persönlich unzuverlässig. Die Unzuverlässigkeit beurteilt sich anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen. Auch sein privates Verhalten ist mit zu berücksichtigen. Der nötige Berufsbezug wird dadurch hergestellt, dass sein privates Verhalten das Urteil der Unzuverlässigkeit (nur) dann zu tragen vermag, wenn es – wie hier – die Sorge begründet, der Bezirksschornsteinfeger werde künftig seinen beruflichen Pflichten nicht jederzeit zuverlässig nachkommen (BVerwG, U.v.7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwG 145, 67), unabhängig davon, ob in der Vergangenheit eventuell Aufsichtsmaßnahmen gegen ihn getroffen wurden (vgl. auch VG München, U.v. 30.9.2008 – M 16 K 08.685 – juris).
Denn bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit ist zu berücksichtigen, dass der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger öffentliche Aufgaben zur Gefahrenabwehr wahrnimmt. Daher sind erhöhte Anforderungen an seine persönliche und fachliche Qualifikation zu stellen. Er muss auch nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Berufspflicht bieten, wobei eine erhebliche Verschuldung oder eine Vernachlässigung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Pflicht die Unzuverlässigkeit begründet (Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, 45. EL Febr. 2004, § 11 SchfG, Erl.).
Die Gewähr für eine künftig ordnungsgemäße Erfüllung der beruflichen Pflichten fehlt auch dann, wenn der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Zahlungsverpflichtungen immer wieder in nicht unerheblichem Maße verletzt und aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit damit zu rechnen ist, dass er auch künftig seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt (OVG Bln-Bbg, B.v. 26.6.2008 – OVG 1 S 36.08 – GewArch 2008, 367; VGH BW, B.v. 6.9.1990 – 14 S 1080/90 – GewArch 1991, 69; HessVGH, U.v. 19.9.1989 – 11 UE 1395/87 – GewArch 1990, 132).
Zur ordnungsgemäßen Ausübung der Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger gehören auch die damit zusammenhängenden steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten sowie die Geordnetheit der Vermögensverhältnisse. Die Nichtabführung betreffender Steuern, insbesondere der vom Gewerbetreibenden treuhänderisch für den Staat vereinnahmter Steuern, z. B. Umsatz- oder Lohnsteuer, stellt ein gravierendes Fehlverhalten dar (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat GewO, 8. Aufl. 2011, § 35, Rn. 32 m.w.N.). Auch eine beharrliche Missachtung steuerlicher Erklärungspflichten kann die Unzuverlässigkeit begründen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – BVerwGE 65,1 – juris Rn. 13).
Ausgehend davon hat sich der Antragsteller aufgrund erheblicher und nachhaltiger Verletzungen steuerlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten als unzuverlässig erwiesen. Laut der Mitteilung des zuständigen Finanzamtes vom 3. März 2020 waren Steuerschulden in Höhe von 34.194,54 EUR aufgelaufen und für den Veranlagungszeitraum 2016 und 2017 weder Umsatzsteuererklärungen noch Gewerbesteuererklärungen abgegeben worden. Mit Schreiben vom 15. April 2020 teilte das Finanzamt weiter mit, dass dem Antragsteller Vollstreckungsaufschub vom 6. Februar 2019 gegen eine Zahlung von monatlich 1.000,00 EUR gewährt worden sei. Zum Zeitpunkt der Gewährung habe sich der Steuerrückstand auf 33.184,13 EUR belaufen. Der Aufschub sei unter der Auflage gewährt worden, dass keine neuen Schulden hinzukämen und den Erklärungspflichten entsprochen würde. Gleichwohl sei der Steuerrückstand weiter angestiegen und belaufe sich jetzt auf 36.592,04 EUR (nach Bescheidserlass am 18.5.2020 weiter auf 38.276,28 EUR). Seit März 2020 sei keine Rate mehr gezahlt worden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen fehlten seit dem Veranlagungszeitraum 2016. Die Ausführungen belegen, dass der Antragsteller Zahlungsvereinbarungen nicht zuverlässig bzw. gar nicht eingehalten hat, genauso wie seine Erklärungsverpflichtungen.
Der Antragsteller hat bisher auch kein tragfähiges Konzept geliefert, wie er seine Schulden künftig abtragen wolle. Die vorliegenden Tatsachen rechtfertigen vielmehr die Prognose, dass der Antragsteller künftig auch seine steuerlichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkommen werde. Die aufgrund der erheblichen Nichtabführung fälliger Steuern feststehende Unzuverlässigkeit hätte letztlich nur durch die Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts ausgeräumt werden können, das eine kontinuierliche und stetige Rückführung der aufgelaufenen Steuerrückstände und das nichtentstehen neuer Schulden hätte erwarten lassen (Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35, Rn. 58, m.w.N.). Aber zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses lag dies nicht vor.
Des Weiteren belegt der Umstand der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, dass beim Antragsteller ungeordnete Vermögensverhältnisse vorliegen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 77. EL Okt. 2017, § 12, Rn. 3; vgl. auch OVG NRW, B.v. 8.3.2019 – 13 B 275/19 – ZinsO 2019, 803). Durch den Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburgs über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist die Vermögenslosigkeit des Antragsstellers förmlich festgestellt. Aus der Unterstellung unter die vorläufige Insolvenzverwaltung und der Durchführung eines Insolvenzverfahrens resultiert hingegen nicht die für die Wiedererlangung der persönlichen Zuverlässigkeit erforderliche grundlegende Verhaltensänderung. Auch aufgrund des Verfügungsverbots über das Vermögen und die Übertragung der entsprechenden Verfügungsgewalt auf den vorläufigen Insolvenzverwalter ist nicht gewährleistet, dass vom Finanzgebaren des Antragstellers künftig keine Gefährdung mehr für die Berufsausübung ausgeht und dessen persönliche Zuverlässigkeit durch den Insolvenzverwalter gestützt und in geordnete Bahnen gelenkt wird. Denn die persönliche Zuverlässigkeit für die Berufsausübung setzt voraus, dass sie der Antragsteller sowohl willentlich wie hinsichtlich der notwendigen Fähigkeiten aus eigenen Antrieb erbringt und nicht, weil äußere Gegebenheiten seine freie Entscheidungs- und Verfügungsbefugnis beschränken. Der Insolvenzverwalter ist keine rein fachliche Unterstützung, deren sich der Antragsteller aus einer ordnungsgemäßen Berufsausübung bedienen kann. Vielmehr bleibt es dabei, dass sich die für die Wiedererlangung der persönlichen Zuverlässigkeit erforderliche grundlegende Verhaltungsänderung nicht schon allein durch die Durchführung des Insolvenzverfahrens ergibt (OVG LSA, U.v. 2.12.2015 – 1 L 17/14 – juris). Dies gilt erst recht mit Blick auf den vorliegend relevanten hoheitlichen Tätigkeitsbereich des Antragstellers.
Sollte sich eventuell in Folge des Insolvenzverfahrens künftig eine Besserung der Verhältnisse ergeben, bliebe es dem Antragsteller unbenommen, sich unter der Prämisse der Wiedererlangung der persönlichen Zuverlässigkeit um eine erneute Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger zu bewerben (SaarlOVG, B.v. 11.10.2013 – 1 B 395/13 – GewArch. 2014, 89).
Schließlich ist, wie die Antragsgegnerseite schon zurecht bemerkt hat, kein Ermessen gegeben. Vielmehr hat nach gesetzlicher Vorgabe bei Feststellung der persönlichen Unzuverlässigkeit die Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger zwingend zu erfolgen (VG München, U.v. 28.5.2019 – M 16 K 17.4056 – juris).
Die Aufhebung der Bestellung ist auch nicht unverhältnismäßig oder grundrechtswidrig. Die Annahme eine Unverhältnismäßigkeit trotz durch Tatsachen belegter Unzuverlässigkeit käme allenfalls in ganz extremen Ausnahmefällen in Betracht, die vorliegend nicht gegeben sind, zumal dem Antragsteller die Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks nicht generell untersagt wird und er die Möglichkeit hat, seinen Beruf laut Art. 12 Abs. 1 GG als Schornsteinfegermeister z.B. im Angestelltenverhältnis oder als selbstständiger Handwerker ohne Hoheitsbefugnis auszuüben (OVG LSA, U.v. 2.12.2015 – 1 L 17.14 – juris). Im vorliegenden Fall dient die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger der Gewährleistung des präventiven Brand- und Immissionsschutzes im Kehrbezirk und damit einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut, das eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund überwiegt nach alledem das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung über das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (VG München, U.v. 28.5.2019 – M 16 K 17.4056 – juris; B.v. 6.2.2018 – M 16 S 17.4055 – juris; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 6.7.2017 – RN 5 S 17.833 – juris). Denn es steht nicht im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 GG, Personen nicht mit der Hoheitsbefugnis eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers zu beleihen, die Anlass bieten, an ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zu zweifeln, ihre Amtspflicht uneingeschränkt zu erfüllen und insbesondere ihre beruflichen Aufgaben gesetzestreu wahrzunehmen. Die Gewährleistung einer unparteiischen und rechtsstaatlichen Aufgabenwahrnehmung stellt ein überragendes wichtiges Gemeinschaftsgut dar, hinter das das Interesse des Bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers mit Hoheitsbefugnissen beliehen zu werden, zurückzustehen hat (BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwGE 145, 67). Nicht zuletzt zeigt die gesetzliche Wertung in § 12 Abs. 3 SchfHwG mit dem Sofortvollzug kraft Gesetzes, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug regelmäßig erhebliches Gewicht hat und es besonderer Umstände bedarf, um hiervon eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. VGH BW, B.v. 4.3.2016 – 6 S 2239/15 – juris; BayVGH, B.v. 2.8.2010 – 22 CS 10.1572 – GewArch 2010, 412).
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 54.2.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs, wonach der Streitwert von 15.000,00 EUR zu halbieren war, so dass letztlich 7.500,00 EUR festzusetzen waren (vgl. VG Regensburg, B.v. 6.7.2017 – RN 5 S 17.833 – juris mit Bezug auf SächsOVG, B.v. 26.1.2016 – 4 B 348/15 – juris).
Mit diesem Beschluss ist der Hänge- bzw. Schiebebeschluss vom 29. Mai 2020, der ohnehin nur bis zum Erlass des vorliegenden Beschlusses gegolten hat, hinfällig.


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