Steuerrecht

Beitragsbescheid zur Industrie- und Handelskammer

Aktenzeichen  AN 4 K 17.00562

Datum:
27.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34341
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 227 Abs. 1
GmbHG § 5a, § 13 Abs. 1
IHKG § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 3 S. 3, § 4
AO § 10, § 12 S. 1, S. 2 Nr. 1
VwGO § 102 Abs. 2, § 173 S. 1
BayVwVfG Art. 48, Art. 49

 

Leitsatz

1. Wird ein Terminsverlegungsantrag erst kurz vor dem Termin gestellt und mit einer Erkrankung begründet, muss der Hinderungsgrund wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr so dargelegt sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungsunfähigkeit besteht (BayVGH BeckRS 2018, 7797). (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Begriff der Betriebsstätte nach dem IHKG ist auf den steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriff abzustellen. Demnach ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, also insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der im Handelsregister eingetragene Sitz einer Gesellschaft stellt ein gewichtiges Indiz für die Feststellung der Stätte der Geschäftsleitung dar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin verhandelt und entschieden werden, da sie auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Ladung vom 26. November 2019 hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO. Da das erkennende Gericht von dem Terminsverlegungsantrag des Klägervertreters erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangte, konnte über diesen nicht mehr vor der Verhandlung entschieden werden. Unabhängig davon, ob der Verlegungsantrag bereits verspätet eingegangen war, ergibt sich daraus keine Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO), weil ein Anspruch der Klägerin auf Terminsverlegung nicht bestand. Denn der Verlegungsantrag wäre jedenfalls abzulehnen gewesen, weil der Klägervertreter einen erheblichen Grund i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO nicht schlüssig und substantiiert dargelegt hat.
Zu berücksichtigen sind bei der Entscheidung über einen Terminverlegungsantrag einerseits das Gebot der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung, andererseits der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8/13 – juris Rn. 13). Zwar kann die krankheitsbedingte Verhinderung eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten eine Terminsverlegung regelmäßig rechtfertigen (vgl. Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 227 Rn. 4). Dem verhinderten Beteiligten obliegt es indes, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, schlüssig und substantiiert darzulegen, sodass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und ggf. eine (weitere) Glaubhaftmachung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO) zu verlangen (BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 11 ZB 17.1696 – juris Rn. 16 m.w.N.). Wird ein Terminsverlegungsantrag – wie vorliegend – erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer Erkrankung begründet, muss der Hinderungsgrund wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht (BayVGH, B.v. 25.4.2018 – 12 ZB 17.1072 – juris Rn. 3).
Gemessen daran wäre das gerichtliche Ermessen vorliegend zugunsten der Prozessökonomie auszuüben und der Terminsverlegungsantrag abzulehnen gewesen. Der schlichte Hinweis des Klägervertreters auf einen gegenwärtigen Krankenhausaufenthalt lässt weder die Art und Schwere seiner Erkrankung noch das Maß etwaiger Beeinträchtigungen seiner Verhandlungs- und/oder Reisefähigkeit erkennen. Hinzu kommt, dass der Klägervertreter ausweislich des Datums des Verlegungsantrags mindestens bereits seit dem 9. Dezember 2019 wusste, dass er den anberaumten Termin nicht wahrnehmen wird. Inwiefern es ihm – entsprechend seiner Prozessförderungspflicht und dem Hinweis in der Ladung vom 26. November 2019 – unmöglich oder unzumutbar war, den Verlegungsantrag unverzüglich, etwa telefonisch oder per Telefax zu stellen, ist nicht ersichtlich. Wegen der Kurzfristigkeit der Antragstellung bestand jedenfalls Anlass, von sich aus telefonischen Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und sich durch eine Rückfrage über die Entscheidung seines Antrags zu informieren. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass dem Antrag stillschweigend stattgegeben werden würde (vgl. BGH, B.v. 23.9.2016 – AnwZ (Brfg) 34/16 – juris Rn. 15; BFH, B.v. 20.9.2010 – V B 105/09 – juris Rn. 7).
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Streitgegenständlich ist nach Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 Halbs. 1 VwGO) der in dem Klageantrag ausdrücklich bezeichnete und der Klageschrift beigefügte Beitragsbescheid der Beklagten vom 24. Februar 2017 (Belegnummer: …*). Sofern darin die „mit früheren Bescheiden festgesetzt[en]“ „offenen Beträge aus anderen Beitragsjahren“ aufgeführt sind, enthält der Bescheid diesbezüglich keine neue anfechtbare Regelung. Durch die lediglich nachrichtliche Erwähnung dieser Beträge, zumal ohne nähere Spezifizierung, wird der Rechtsweg nicht bzw. nicht erneut eröffnet (vgl. VG Ansbach, U.v. 8.11.2017 – AN 4 K 15.1648 – BeckRS 2017, 133084 Rn. 31; U.v. 13.12.2005 – AN 4 K 05.00465 – juris Rn. 15). Mangels anderweitiger Anhaltpunkte ist davon auszugehen, dass der Beitragsbescheid vom 26. Oktober 2016 (Belegnummer: …) bereits bestandskräftig geworden ist. Der Bescheid vom 24. Februar 2017 weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass frühere Beitragsbescheide durch ihn nicht aufgehoben werden. Da zur Klagebegründung diesbezüglich lediglich ausgeführt wurde, dass aus dem Bescheid vom 24. Februar 2017 nicht erkennbar sei, für welche anderen Beitragsjahre die weitere Summe gefordert wird, kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, den Beitragsbescheid vom 26. Oktober 2016 nach Art. 48, 49 BayVwVfG aufzuheben.
Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid vom 24. Februar 2017 ist nicht rechtswidrig und die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Beitragsbescheid ist § 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 IHKG i.V.m. § 1 der Beitragsordnung der Beklagten und der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2017. Demnach erhebt die Beklagte von ihren Kammerzugehörigen Beiträge (Grundbeiträge und Umlagen). Zur IHK gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, u.a. juristische Personen des privaten Rechts, welche im Bezirk der IHK eine Betriebsstätte unterhalten, § 2 Abs. 1 IHKG. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Klägerin ist als Unternehmergesellschaft, die eine Sonderform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bildet, eine juristische Person des Privatrechts, §§ 5a, 13 Abs. 1 GmbHG. Als solche unterliegt sie bereits kraft ihrer – frei gewählten – Rechtsform der Gewebesteuer, weil die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb i.S.d. Gewerbesteuerrechts gilt, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GewStG. Die Gewerbesteuerpflicht trat zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung (30. November 2015) ein, unabhängig davon, ob die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach gewerblich ist (vgl. Drüen in Blümich, 148. EL Juli 2019, GewStG § 2 Rn. 121, 241 m.w.N.). Einschlägige Befreiungstatbestände nach § 3 GewStG sind nicht ersichtlich. Eine tatsächliche Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht auf Antrag der Klägerin ist ausweislich der Mitteilung des Finanzamts … vom 25. April 2017 nicht erfolgt. Da die Steuerbehörden über die Veranlagung zur Gewerbesteuer befinden, entfalten ihre Entscheidungen insoweit Tatbestandswirkung und binden die IHK und demgemäß im Streitfall auch die Verwaltungsgerichte (BVerwG, U.v. 27.10.1998 – 1 C 19/97 – juris Rn. 13).
Unbeachtlich ist, ob die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen hat bzw. ob ihre bisherige Tätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Denn für die Begründung der Mitgliedschaft in der IHK kommt es allein auf die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht an (stRspr BVerwG, U.v. 7.12.2016 – 10 C 11/15 – GewArch 2017, 193 – juris Rn. 12; U.v. 19.1.2005 – 6 C 10/04 – BVerwGE 122, 344 – juris Rn. 20 m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensgegenstand der Klägerin überhaupt gewerblicher Natur ist. Denn § 2 Abs. 1 IHKG ist nach Wortlaut und Sinngehalt, der sich erst im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 IHKG erschließt, nicht auf gewerbliche Tätigkeiten beschränkt (BVerwG, U.v. 7.12.2016 – 10 C 11/15 – GewArch 2017, 193 – juris Rn. 24; U.v. 25.10.1977 – I C 35.73 – BVerwGE 55, 1 – juris Rn. 31; Jahn, GewArch 2005, 169/177 m.w.N.). Sofern die Klägerin ausweislich der Handelsregistereintragung einen Zweck verfolgt, die ihr die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit erlaubt („Handel mit Immobilien“), ist auch unerheblich, ob und in welchem Umfang diese gewerbliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2004 – 6 B 60/04 – GewArch 2005, 24 – juris Rn. 8 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, U.v. 11.1.1995 – 7 K 6723/93 – GewArch 1995, 481). Denn die Zweckverfolgung ist für Dritte nur aufgrund der auf den Angaben der Klägerin beruhenden und für den Geschäftsverkehr maßgeblichen Handelsregistereintragung verlässlich nachprüfbar bzw. zu entnehmen, zumal die Beklagte keine Möglichkeit hat, festzustellen, ob und in welchem Umfang ihre Mitglieder sich tatsächlich gewerblich betätigen (VG Magdeburg, U.v. 1.7.2004 – 3 A 109/04 MD – juris Rn. 27; BVerwG, U.v. 25.10.1977 – I C 35.73 – BVerwGE 55, 1 – juris Rn. 30; Jahn, GewArch 2005, 169/177 m.w.N.). Wer von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, muss die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen (BVerwG, U.v. 19.1.2005 – 6 C 10/04 – BVerwGE 122, 344 – juris Rn. 26). Für die Klägerin als sogenannte Vorratsgesellschaft gilt nichts anderes (vgl. zur Mantelgesellschaft: VG Ansbach, U.v. 13.12.2005 – AN 4 K 05.00465 – juris Rn. 21).
b) Die Klägerin unterhält auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten.
Nachdem das IHKG den Begriff der Betriebsstätte nicht eigens definiert, ist – im Hinblick auf die im Interesse einer möglichst einfachen Ausgestaltung und Handhabung des Kammerrechts erfolgte Anknüpfung der Kammerzugehörigkeit u.a. an die Veranlagung zur Gewerbesteuer und damit ermöglichte Nutzbarmachung der entsprechenden Feststellung der Steuerbehörden – insoweit auf den steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO abzustellen (BVerwG, U.v. 19.1.2005 – 6 C 10/04 – BVerwGE 122, 344 – juris Rn. 22 m.w.N.). Demnach ist Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, § 12 Satz 1 AO. Als Betriebsstätte ist insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung, d.h. der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, anzusehen, § 12 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 AO. Dieser ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Körperschaft ist das regelmäßig der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte). Eine feste eigene Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, ist hierfür nicht erforderlich (zum Ganzen: BFH, U.v. 16.12.1998 – I R 138/97 – BFHE 188, 251 – juris Rn. 13 m.w.N.). Bei einer an mehreren Orten tätigen Geschäftsführung ist die Geschäftsleitung dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet (BFH, B.v. 7.9.1993 – VII B 169/93 – juris Rn. 8). Vorliegend liegt die Stätte der Geschäftsleitung der Klägerin, somit auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten.
aa) Dies ergibt sich daraus, dass im Handelsregister als Sitz und Geschäftsanschrift „… …“ eingetragen ist. Zwar ist der bei der Anmeldung zum Handelsregister anzugebende Sitz und die inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB) nicht zwingend identisch mit der Stätte ihrer Geschäftsleitung. Auch das Steuerrecht unterscheidet zwischen Verwaltungssitz („Geschäftsleitung“, § 10 AO) und Satzungssitz („Sitz“, § 11 AO) einer Gesellschaft und knüpft für die Bestimmung der Betriebsstätte ausdrücklich nur an die Stätte der Geschäftsleitung an. Der eingetragene Sitz stellt aber ein gewichtiges Indiz für die Feststellung der Stätte der Geschäftsleitung dar, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft an anderen Orten Anlagen unterhält, die der Tätigkeit ihres Unternehmens dienen (OVG NW, B.v. 1.12.2010 – 17 A 2689/09 – juris Rn. 12; i.E. auch: OVG RhPf, U.v. 3.11.2010 – 6 A 10884/10 – juris Rn. 29; VG Stuttgart, U.v. 12.7.2007 – 4 K 3493/07 – juris Rn. 21; VG Magdeburg, U.v. 1.7.2004 – 3 A 109/04 MD – juris Rn. 26). Denn jedes Unternehmen muss einen Ort der Geschäftsleitung haben (BFH, U.v. 16.12.1998 – I R 138/97 – BFHE 188, 251 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Hierfür spricht zudem, dass hebeberechtigte Gemeinde i.S.d. § 4 GewStG ausweislich der Mitteilung des Finanzamts … vom 28. Juni 2019 die Stadt … ist. Das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ist von den Steuerbehörden für die Veranlagung zur Gewerbesteuer ebenfalls zu prüfen, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG. Mangels gesetzlicher Anordnung kommt den steuerrechtlichen Entscheidungen insoweit zwar weder Tatbestands- noch Feststellungswirkung zu, mag auch regelmäßig kein Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bestehen (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 1 C 19/97 – juris Rn. 13). Sie begründen jedoch eine widerlegbare Vermutung, dass auch eine Betriebsstätte i.S.d. § 2 Abs. 1 IHKG vorliegt (VGH BW, U.v. 20.4.1990 – 14 S 586/89 – juris Rn. 18; VG Aachen, U.v. 19.3.2004 – 7 K 480/04 – juris Rn. 30).
bb) Dem steht nicht entgegen, dass die erste Zustellung an die Geschäftsanschrift der Klägerin als Postrückläufer zurückgesandt wurde. Die Beklagte legte in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2019 nachvollziehbar dar, dass die einmalige Unzustellbarkeit kein verlässlicher Beleg für die fehlende postalische Erreichbarkeit der Klägerin unter ihrer Geschäftsanschrift ist. Die weiteren Zustellungen an die Privatanschrift des Klägervertreters sind in erster Linie aus Praktikabilitätsgründen erfolgt.
Auch die Klägerin selbst trug nicht vor, dass die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit an anderen Orten als ihrem Sitz angeordnet werden. Vielmehr sei die Klägerin eigenen Angaben zufolge eine Vorratsgesellschaft ohne aktiven Geschäftsbetrieb bzw. verwalte nur ihr eigenes Vermögen. Jedenfalls bei einer Kapitalgesellschaft ohne Geschäftstätigkeit ist der im Handelsregister eingetragene satzungsmäßige Sitz die nach außen erkennbare regionale Zuordnung der Gesellschaft, der für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. § 2 Abs. 1 IHKG genügt (vgl. VG Ansbach, U.v. 15.11.2017 – AN 4 K 17.00581 – juris Rn. 18). Sofern die Klägerin sich nur vermögensverwaltend betätigt, kann die Geschäftsleitung auch dort liegen, wo sie die laufende Kontrolle über ihr Vermögen ausübt, d.h. wo sie ihre Wertpapiere verwahrt oder ihre Steuererklärungen anfertigt bzw. unterschreibt, wenn sie nur an keinem anderen Ort gewichtigere Entscheidungen trifft (vgl. BFH, U.v. 7.12.1994 – I K 1/93 – BFHE 176, 253 – juris Rn. 30). Den tatsächlichen Feststellungen des Gerichts lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass die Privatwohnung des Klägervertreters zugleich als Stätte der Geschäftsleitung diente. Zwar ist die Klägerin einerseits persönlich haftende Gesellschafterin einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, deren Geschäftsanschrift identisch ist mit der Privatanschrift des Klägervertreters (…). Sie ist aber andererseits Mitgründerin zweier Aktiengesellschaften, deren Geschäftsanschrift identisch ist mit ihrer eigenen Geschäftsanschrift (…). Es ist daher zumindest nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die laufende Kontrolle über die Beteiligung der Klägerin an den Aktiengesellschaften, die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvoller ist (Mindest-Grundkapital: 50.000,00 EUR, § 7 AktG), in der Privatwohnung des Klägervertreters ausgeübt wird. Eine (gegenteilige) Stellungnahme der Klägerin auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 22. November 2019 ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingegangen.
Dass die Klägerin im gerichtlichen Verfahren die jeweilige Privatanschrift des Klägervertreters als ladungsfähige Anschrift angegeben hat, stellt vor diesem Hintergrund ebenfalls kein erhebliches Gegenindiz dar.
c) Die Höhe des vorläufig veranlagten Beitrags von 120,00 EUR ergibt sich aus Ziff. II.2.2 Buchst. a der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2017. Sie steht nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil, der durch den Beitrag abgegolten werden soll (Äquivalenzprinzip). Die Beitragspflicht besteht unabhängig von einer konkreten Gegenleistung der Beklagten. Der beitragsrechtliche Vorteil braucht nur abstrakt und mittelbar zu sein und besteht in der Erfüllung der der Beklagten zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben (vgl. VG München, U.v. 15.7.2003 – M 16 K 02.326 – juris Rn. 35 m.w.N.).
Die Möglichkeit der Freistellung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG besteht nur bei natürlichen Personen und Personengesellschaften sowie eingetragene Vereine. Die Vorschrift ist auf Unternehmergesellschaften nicht entsprechend anwendbar (NdsOVG, B.v. 24.7.2013 – 8 LA 16/13 – GewArch 2014, 175 – juris Rn. 17-23).
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Aus denselben Gründen hätte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2016 nach Art. 48, 49 BayVwVfG, sofern ihr Klagebegehren weiter auszulegen gewesen wäre.
2. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO.


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