Steuerrecht

Berichtigung bzw. Änderung einer Klage hinsichtlich der Beteiligten

Aktenzeichen  B 5 K 17.296

Datum:
23.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1, § 88, § 91 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Verpflichtung mehrerer Beklagter zur Aufhebung eines Verwaltungsakts als “Gesamtschuldner” kommt nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen nicht in Betracht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine durch Auslegung im Rahmen des § 88 VwGO vorgenommene Berichtigung der Bezeichnung eines Beteiligten darf nicht dazu benutzt werden, um einen neuen Beteiligten in den Prozess einzuführen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine subjektive Klageänderung durch Wechsel der Beteiligten ist nicht sachdienlich (§ 92 Abs. 1 VwGO), wenn die neue Klage im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbar unzulässig ist, weil etwa die Klagefrist abgelaufen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist bereits unzulässig, weil sie sich ausweislich des von der Bevollmächtigten des Klägers gestellten Antrages ausschließlich auf die Aufhebung des Bescheides vom 25. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 richtet. Eine solche isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist aber in der vorliegenden Konstellation nicht statthaft. Der Kläger begehrt mit der von ihm beantragten Umbettung der Urne seines Vaters den Erlass eines Verwaltungsaktes, der ihm mit dem streitgegenständlichen Bescheid versagt wurde. Statthaft wäre hier also nur eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO (Versagungsgegenklage), gerichtet auf Verpflichtung der evangelisch-lutherischen Kirchenstiftung E …, die begehrte Umbettung zuzulassen. Eine Umdeutung des Klageantrages scheidet angesichts der anwaltlichen Vertretung des Klägers und der insoweit eindeutigen Formulierung aus.
Eine solche, im Rahmen des § 88 VwGO als sachdienlich anzusehende Auslegung des Klageantrages mag zwar hinsichtlich des mit dem Schriftsatz vom 20. Juni 2017 hilfsweise gestellten Antrages auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides noch dahingehend in Betracht kommen, dass damit – wie es der kassatorischen Wirkung eines stattgebenden Urteils auf eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hin entspricht, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO – die Aufhebung des Bescheides unmittelbar durch das Gericht begehrt wird. Dies ändert aber nichts an dem auch aus diesem Klageantrag eindeutig ersichtlichen Klageziel der isolierten Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung mehrerer Beklagter zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes als „Gesamtschuldner“ nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ohnehin nicht in Betracht käme.
2. Die Klage ist zudem jedenfalls unbegründet, da sie sich gegen die falsche Beklagte richtet.
a) Die Passivlegitimation ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Demnach ist die Klage gegen den Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen bzw. den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, zu richten (sog. Rechtsträgerprinzip). Der Kläger hat in der Klageschrift nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Beklagten zu bezeichnen.
Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 25. Januar 2017 wurde vom evangelisch-lutherischen Pfarramt … – E …, handelnd für den Träger des Friedhofes in E …, die evangelisch-lutherische Kirchenstiftung E …, erlassen. Letztere wäre demnach nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die richtige Beklagte. Dies war für den anwaltlich vertretenen Kläger jedenfalls aus der Begründung des Widerspruchsbescheides bzw. dessen Rechtsbehelfsbelehrung:auch eindeutig und zweifelsfrei erkennbar. Vertiefter kirchenrechtlicher Kenntnisse zu den Vertretungsverhältnissen in der innerkirchlichen Organisationsstruktur bedurfte es hierzu nicht.
Als Beklagte hat die Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 13. April 2017 aber ausdrücklich die evangelisch-lutherische Landeskirchenstelle … benannt. Diese wäre nach § 61 VwGO schon nicht beteiligtenfähig. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VwGO kann allerdings auf deren Rechtsträger, die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern als nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO i.V.m. Art. 140 des Grundgesetzes (GG), Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) beteiligtenfähiger Körperschaft des öffentlichen Rechts abgestellt werden. Allerdings richtet sich die Klage auch dann nicht gegen die richtige Beklagte.
Eine Klage gegen die hier handelnde Widerspruchsbehörde nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist nicht möglich, da der Freistaat Bayern von der in dieser Vorschrift geregelten Möglichkeit, Klagen gegen die Behörde selbst zuzulassen, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, keinen Gebrauch gemacht hat.
b) Eine Auslegung im Rahmen des § 88 VwGO bzw. eine „Rubrumsberichtigung“ dahingehend, dass sich die Klage statt der ausdrücklich benannten Landeskirchenstelle … bzw. deren Rechtsträgerin, der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, gegen die evangelisch-lutherische Kirchenstiftung E … richte, scheidet hier ebenfalls aus. Zwar ist auch eine Klageschrift als prozessuale Willenserklärung grundsätzlich in gleicher Weise wie sonstige Willenserklärungen entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen, so dass bloße Unklarheiten in der Bezeichnung der Beteiligten auch noch im weiteren Verlauf des Verfahrens berichtigt werden können. Zum einen sind einer solchen Auslegung des klägerischen Begehrens bei einem anwaltlich vertretenen Kläger ohnehin enge Grenzen gesetzt. Zum anderen darf die Berichtigung der Bezeichnung eines Beteiligten aber nicht dazu benutzt werden, um einen neuen Beteiligten in den Prozess einzuführen. Der damit einhergehende Wechsel auf Seiten des Beklagten würde eine subjektive Klageänderung darstellen, die über eine bloße Klarstellung einer nicht eindeutigen Beteiligtenbezeichnung eindeutig hinaus ginge (vgl. Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 91, Rn. 12 ff.; Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., § 91, Rn. 20 ff.; jeweils m.w.N.).
c) Eine Klageänderung dahingehend, dass sich die Klage nunmehr gegen die evangelisch-lutherische Kirchenstiftung E … richtet, ist nicht zulässig. Eine Änderung der Klage ist nach § 91 Abs. 1 VwGO nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Einwilligung der Beklagten liegt hier nicht vor, diese hat vielmehr im Schriftsatz vom 17. Mai 2017 einer Klageänderung ausdrücklich widersprochen.
Eine subjektive Klageänderung durch Wechsel der Beklagten wäre hier auch nicht sachdienlich. Die Sachdienlichkeit ist wesentlich geprägt durch den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit: Wenn die geänderte Klage der endgültigen Ausräumung des Streitstoffes zwischen den Parteien im laufenden Verfahren zu dienen geeignet ist und wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe ist, ist sie in der Regel sachdienlich. Ein völlig neuer Streitstoff, für den das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden könnte, scheidet mithin aus; auf die Erfolgsaussichten der neuen Klage kommt es nicht an. Allerdings ist die Eignung zur endgültigen Bereinigung des Streitstoffs bei – im Zeitpunkt dieser Entscheidung – erkennbarer Unzulässigkeit der neuen Klage nicht gegeben (Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 91, Rn. 61 m.w.N.). Die Auswechslung des Beklagten erfolgte durch Schriftsatz vom 20. Juni 2017, mithin deutlich nach Ablauf der Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides gemäß § 74 VwGO. Eine nachträgliche Klageänderung hinsichtlich des Beklagten nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 2 VwGO ist nicht möglich. Die Klageänderung kann nicht dazu führen, nach Ablauf der Klagefrist einen neuen Beteiligten in den laufenden Prozess einzuführen, obwohl eine neue Klage gegen diesen Beklagten wegen Verfristung als unzulässig abzuweisen wäre. Sinn und Zweck der Klagefrist ist gerade die Herstellung von Rechtsfrieden und verlässlicher Verhältnisse. Dem würde die Möglichkeit der Auswechslung des Beklagten nach Belieben widersprechen. Daher kann eine subjektive Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist vorgenommen werden (VG München, U.v. 13.2.2008 – M 22 K 08.297 – juris Rn. 18; Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 91, Rn. 64). Aus den gleichen Gründen ist auch die hilfsweise beantragte Klageerweiterung um die evangelisch-lutherische Kirchenstiftung E … als weiterer Beklagten abzulehnen.
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger bedurfte es angesichts seiner – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen nicht, zumal er auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen