Steuerrecht

Bewilligung von Aufbauhilfen zur Behebung von Hochwasserschäden

Aktenzeichen  RN 5 K 15.1999

Datum:
7.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3088
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 41, Art. 48, Art. 49

 

Leitsatz

Bayerisches Zuschussprogramm zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2013 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 29.07.2013 Nr. IIC1 – 4770-004/13)
1. Zwar reicht das reine Behaupten eines unterbliebenen oder verspäteten Zugangs eines Verwaltungsakts nicht aus, um die Zugangsfiktion des § 41 Abs. 2 BayVwVfG zu widerlegen, da der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs erforderlich ist. Legt der Adressat aber plausibel dar, dass ihm die Sendung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, so liegt ein Zweifelsfall vor, in welchem die Behörde die Beweislast trifft. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Subvention kann dann unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende Ungewissheit hierfür einen sachlichen Grund gibt (vgl. BVerwG BeckRS 2010, 45411). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der Art. 48, 49 BayVwVfG gebunden zu sein. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Gewährung einer Aufbauhilfe bei Hochwasserschäden kann es nicht darauf ankommen, wo der zerstörte Hausrat aufbewahrt wurde, sofern es sich um finanzhilfefähigen Hausrat iSd Bayerischen Zuschussprogramms handelt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Die als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Klage nicht verfristet und somit zulässig.
Die Zugangsfiktion des Art. 41 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG greift im vorliegenden Fall nicht, da der Verwaltungsakt tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Zwar reicht das reine Behaupten eines unterbliebenen oder verspäteten Zugangs nicht aus; erforderlich ist vielmehr der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs. Legt der Adressat aber plausibel dar, dass ihm die Sendung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, so liegt ein Zweifelsfall vor, in welchem die Behörde die Beweislast trifft (vgl. Kopp/Ramsauer, § 41 Rn. 43). So liegt der Fall hier.
Wenn der Kläger vorträgt, dass er seit März 2014 in 3 … in 4 … wohnt, der streitgegenständliche Bescheid vom 15.10.2015 aber an die Adresse 1 … in 2 … gerichtet war und er den Bescheid nur deshalb und mit Verspätung erhalten habe, da er bei der Deutschen Post einen Nachsendeantrag gestellt habe, so stellt dies einen atypischen Geschehensablauf dar, der nach Ansicht des Gerichts ausreichend substantiiert vorgetragen wurde. Der Kläger kann daher plausibel darlegen, dass ihm der Bescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Die vom Kläger vorgelegte Meldebestätigung der Stadt 4 … belegt, dass der Kläger seit dem 14.03.2014 und damit bereits zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids vom 15.10.2015 in 3 … in 4 … wohnhaft war. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen der Deutschen Post belegen darüber hinaus, dass der Nachsendeantrag bis zum 08.03.2016 verlängert wurde. Damit war der Nachsendeservice zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids vom 15.10.2015 aktiv. Zudem ist es allgemein bekannt, dass die Nachsendung Verzögerungen bei der Zustellung hervorruft. Unschädlich ist dabei, dass der Kläger keine näheren Angaben mehr zum Datum des tatsächlichen Erhalts des Bescheides machen kann, da die Beweislast insoweit bei der Behörde liegt (vgl. Art. 41 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BayVwVfG).
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger seine neue Adresse dem Landratsamt … nicht mitgeteilt hat und auf den Kostenvoranschlägen noch die alte Adresse vermerkt war. Der Kläger hat seinen Wohnsitz ordnungsgemäß umgemeldet und die Nachsendung bei der Deutschen Post in Auftrag gegeben. Damit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass seitens des Klägers versucht wurde, den Zugang des Bescheids durch eine Obliegenheitsverletzung zu vereiteln. Der auch im öffentlichen Recht geltende Rechtsgedanke der unzulässigen Rechtsausübung greift hier somit nicht. Daher kann die vom Beklagten zitierte Aussage des BayVGH, wonach derjenige, der in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, an einem bestimmten Ort eine Wohnung inne zu haben, eine diesem Anschein entsprechende Zustellung eines Bescheides gegen sich gelten lassen muss, auch wenn er unter der Zustellungsanschrift tatsächlich nicht (mehr) wohnt, im vorliegenden Fall keine (entsprechende) Anwendung finden.
Überdies fällt die Ermittlung der richtigen Anschrift des Bescheidsadressaten grundsätzlich in die Risikosphäre der Behörde (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn.70). Die Zugangsfiktion des Art. 41 Abs. 2 Satz 1 VwfG kann auch nur dann greifen, wenn die Behörde eine sichere und geeignete Bekanntgabeform gewählt hat. Dies ist aber nicht der Fall, wenn die Behörde den Bescheid, wie hier, falsch adressiert (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 12.08.2014 – 3 B 498/13 und OLG Köln, Beschluss vom 9 Juni 2009 – 83 Ss40/09).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung einer Hochwasserhilfe in Höhe von weiteren 13.422,50 Euro hat. Der Bewilligungsbescheid des Landratsamtes … war insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
a) Bei dem Bescheid vom 11.09.2013 handelte es sich richtigerweise um einen Verwaltungsakt, der nur eine vorläufige Regelung trifft. Im Bescheid vom 11.09.2013 wurde lediglich die Höhe der Vorauszahlung festgelegt, es erfolgte jedoch noch keine endgültige Festsetzung oder Bewilligung. Dies geht bereits eindeutig aus dem Bescheid selbst hervor, da von Seiten des Landratsamtes … unter Punkt 3 des Bescheids nur der Absatz über die Vorauszahlung ausgefüllt wurde, wohingegen – im Gegensatz zum Bewilligungsbescheid vom 15.10.2015 – der Absatz davor, der sich direkt auf die Bewilligung bezieht, leer gelassen wurde.
Nach dem BVwerG kann eine Subvention dann unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende Ungewissheit hierfür einen sachlichen Grund gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2009, Az: 3 C 7/79). Dieser sachliche Grund liegt vorliegend darin, dass aufgrund der allgemeinen Dringlichkeit nach dem Hochwasserereignis im Mai/Juni 2013 schnelle finanzielle Hilfen notwendig waren, die endgültigen Schäden zu großen Teilen hingegen noch nicht beziffert werden konnten. Genaue Festsetzungen der endgültig zu bewilligenden Aufbauhilfen waren zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht möglich.
Dieser Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der Art. 48, 49 BayVwVfG gebunden zu sein. Entgegen der Ansicht des Klägers war es damit nicht erforderlich einen Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG auszusprechen.
b) Unstreitig wurde beim Hochwasserereignis im Jahr 2013 nicht der gesamte Hausrat zerstört. Da das Wasser nicht in den Wohnbereich des Klägers im ersten und zweiten Obergeschoss des Hauses vordrang, sondern nur der Keller bzw. das Nebengebäude in Form eines Schuppens betroffen waren, war lediglich ein so genannter Teilschaden gegeben. Damit scheidet eine Förderung nach den in Nr. 7 Satz 1 des Bayerischen Zuschussprogramms genannten Pauschalen von vornherein aus, da diese nur bewilligt werden können, wenn der komplette Hausrat vernichtet wurde.
Bei einem Teilschaden ist gemäß Nr. 7 Satz 2 des Bayerischen Zuschussprogramms jedoch ein entsprechender Abschlag vorzunehmen. Im Sinne einer einheitlichen Handhabung hat das Landratsamt … beschlossen, bei im Keller eingelagerten Hausrat eine Pauschale von 1500 Euro zu gewähren. Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Nach Nr. 7 Satz 3 des Bayerischen Zuschussprogramms können die Kreisverwaltungsbehörden im Interesse einer einheitlichen Handhabung für einzelne vernichtete Hausratgegenstände entsprechende Pauschalbeträge festlegen. Zudem basieren auch die Finanzhilfen für die Erneuerung eines vollständigen Hausstands auf Pauschalförderbeträgen (vgl. Nr. 7 Satz 1 des Bayerischen Zuschussprogramms).
c) Wie aus der Akte hervorgeht, hat der Kläger den Keller vorliegend aber gar nicht genutzt. Beschädigt wurden vielmehr Gegenstände, die im Nebengebäude (Schuppen) eingelagert waren.
Grundsätzlich ist dem Kläger dabei insoweit Recht zu geben, als es nicht darauf ankommen kann, wo der zerstörte Hausrat aufbewahrt wurde, sofern es sich um finanzhilfefähigen Hausrat im Sinne des Bayerischen Zuschussprogramms handelt. Es kann dann tatsächlich keinen Unterschied machen, ob die zu ersetzenden Gegenstände nun im Keller oder in einem Nebengebäude gelagert werden oder ob man zum Erreichen der Abstellfläche die Haustür verlassen muss oder nicht, wenn sowohl der Keller als auch das Nebengebäude nur als Abstellfläche dienen und nicht als Wohnung im engeren Sinne genutzt werden.
Wie der Beklagte richtigerweise ausführt, kann dies aber allenfalls dazu führen, dass der Schaden des Klägers an den im Schuppen gelagerten Gegenständen mit einem Schaden an Hausrat im Keller gleichgesetzt wird, so dass dafür maximal eine Pauschale in Höhe von 1500 Euro zu gewähren wäre.
d) Ob im vorliegenden Fall eine solche Vergleichbarkeit gegeben ist, muss jedoch nicht entschieden werden, da die dem Kläger vom Landratsamt … gewährte Soforthilfe in Höhe von 5000 Euro für Hausrat gemäß Nr. 11 Satz 3 des Bayerischen Zuschussprogramms auf die Kellerpauschale in Höhe von 1500 Euro anzurechnen wäre. Insoweit handelte es sich nämlich um eine im Sinne dieser Norm für „denselben Schaden“, nämlich dem Schaden am Hausrat, gewährte Soforthilfe. Da sich nach der Anrechnung kein positiver Saldo zugunsten des Klägers ergibt, war auch die Kellerpauschale in Höhe von 1500 Euro nicht mehr zu bewilligen.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil, § 84 Abs. 3 VwGO.


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