Steuerrecht

Doppelte Festsetzung eines Fremdenverkehrsbeitrages

Aktenzeichen  M 10 K 14.5560

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit b, Nr. 4 lit. b
VwGO VwGO § 43 Abs. 1 Alt. 2
AO AO § 119 Abs. 1, § 125

 

Leitsatz

Die mehrfache Festsetzung einer Abgabeschuld führt zur Nichtigkeit der der Erstfestsetzung nachfolgenden Bescheide, da es den Folgebescheiden an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt (vgl. BFH BeckRS 2000, 24000355). Eine Doppelveranlagung liegt dann nicht vor, wenn für denselben Lebenssachverhalt unterschiedliche Festsetzungen (hier Vorauszahlung und Beitrag) erfolgt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 302.750,00 festgesetzt(§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Ziffer 1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).

Gründe

Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 18. August 2014 ist zulässig, aber unbegründet.
a) Die Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, auf die der Kläger im Hauptantrag umgestellt hat, ist zulässig. Denn die nicht fristgebundene Klage konnte in der mündlichen Verhandlung erhoben werden, ohne dass der Kläger zuvor gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) KAG i. V. m. § 125 Abs. 5 AO bei der Beklagten erfolglos die Feststellung der Nichtigkeit beantragt hatte (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 43 Rn. 20).
b) Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 18. August 2014 ist inhaltlich hinreichend bestimmt und daher nicht nichtig. Er verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) KAG i. V. m. § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein offenkundig schwerwiegender Fehler liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) KAG i. V. m. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt ist (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Stand: Februar Oktober 2015, § 125 Rn. 7). Die Konkretisierung der Anforderungen des § 119 Abs. 1 AO ist in verständiger Würdigung von Sinn und Zweck der Vorschrift jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Jedenfalls muss der Wille der Behörde vollständig zum Ausdruck kommen und unzweideutig für die Beteiligten des Verfahrens erkennbar sein. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert. In sich widersprüchliche, unverständliche Angaben und Erklärungen sind unbestimmt (BayVGH, U.v. 13.01.1993 – 23 B 90.144 – BayVBl 1993, 345).
Ein schriftlicher Abgabenbescheid muss nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzte Abgabe nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Abgabe schuldet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. August 2014 bezeichnet den Kläger als Schuldner des festgesetzten Beitrags. Aus dem Bescheid ergibt sich auch, dass ein Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 287.000,00 Euro festgesetzt wurde, und zwar für das Jahr 2011 und für die Veräußerung der Hotelanlage des Klägers. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Festsetzung auf die Veräußerung des Objekts …-straße 9 – 11 in ihrem Gemeindegebiet bezieht. Für alle Beteiligten ist hiermit erkennbar die Hotelanlage des Klägers gemeint, die diese Anschrift hat. Zugleich wurde ein Verspätungszuschlag in Höhe von 15.750,00 festgesetzt. Somit ergibt sich ein Gesamtbetrag von 302.750,00 Euro. Indem die Beklagte wortwörtlich die „bisherige Festsetzung in Höhe von 0,00 Euro auf nunmehr 287.000,00 Euro geändert“ hat, handelt es sich möglicherweise um eine ungenaue Formulierung, falls ein vorheriger Bescheid über 0,00 Euro überhaupt nicht ergangen sein sollte. Dies ändert aber nichts daran, dass die Mindestangaben für einen Beitragsbescheid enthalten sind. Ein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne einer unerträglichen Rechtsverletzung (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 125 Rn. 4), der zur Nichtigkeit des Bescheids nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i. V. m. § 125 AO führen würde, lässt sich hierin nicht erkennen.
Es liegt auch keine zweifache Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags vor. Die mehrfache Festsetzung einer Abgabeschuld führt zur Nichtigkeit der der Erstfestsetzung nachfolgenden Bescheide, da es den Folgebescheiden an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt (BFH, U.v. 23.8.2000 – X R 27/98 – juris; VG München, B.v. 16.12.2010 – M 10 S 10.4585 – juris; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 125 Rn. 13). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber gerade nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten hat die Beklagte den Fremdenverkehrsbeitrag nicht wiederholt für denselben Zeitraum festgesetzt.
Mit inzwischen aufgehobenem Bescheid vom 18. Juni 2012 hatte die Beklagte eine Vorauszahlung auf den Fremdenverkehrsbeitrag für 2012 festgesetzt. Mit Bescheid vom 18. August 2014 hat sie hingegen einen Fremdenverkehrsbeitrag für 2011 festgesetzt. Es liegt schon begrifflich keine doppelte Festsetzung vor. Auch zeitlich überlappen sich die Festsetzungen nicht.
Die Hotelveräußerung wurde auch nicht doppelt veranlagt. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG erscheint in diesem Zusammenhang abwegig. Zwar betreffen die Bescheide vom 18. August 2014 und vom 18. Juni 2012 denselben Lebenssachverhalt, nämlich die Veräußerung einer Hotelanlage durch den Kläger. Es liegen aber unterschiedliche Festsetzungen vor, nämlich zum einen eine Vorauszahlung für 2012 und zum anderen ein Beitrag für 2011. Zudem hat die Beklagte den Vorauszahlungsbescheid inzwischen aufgehoben.
3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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