Steuerrecht

Duldungsanordnung, Entsorgung von Abfällen, u.a. Altfahrzeug, Anhänger, Autoreifen, Altholz, wilde Ablagerung, Abfalleigenschaft, Entledigungswille, Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  W 10 K 19.1529

Datum:
23.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40117
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 3 Abs. 1
KrWG § 3 Abs. 3
KrWG § 3 Abs. 4
KrWG § 15
KrWG § 28
KrWG § 62
BayAbfG a.F. Art. 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg, da die angegriffenen Verwaltungsakte rechtmäßig sind und die Klägerin damit nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020 und sieht insoweit von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 4 VwGO).
Lediglich ergänzend hierzu ist noch Folgendes auszuführen:
1. Die in der mündlichen Verhandlung erhobene Rüge, das Gericht habe den Tatbestand nicht vor der mündlichen Verhandlung an die ehrenamtlichen Richter versenden dürfen, geht fehl. Die Vorabübersendung der im Tatbestand zusammengefassten Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen der Beteiligten entspricht der gängigen verwaltungsgerichtlichen Praxis (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff, Beck´scher Onlinekommentar, VwGO, Stand 1.4.2020, § 19 Rn. 2). Es ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich, dass diese Praxis gegen die Prozessordnung oder gegen höherrangiges Recht verstößt. Die ehrenamtlichen Richter sind den Berufsrichtern gemäß § 19 VwGO in der mündlichen Verhandlung und bei der Urteilsfindung gleichgestell. Sie sind deshalb in der Vorberatung, die einer mündlichen Verhandlung vorangeht, umfassend über den Sachverhalt zu informieren, was im Übrigen auch das Recht zur Akteneinsicht einschließt (Schübel-Pfister in Eyermann a.a.O., Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff a.a.O., Rn. 2). Daraus folgt zwar kein Anspruch der ehrenamtlichen Richter auf Vorabübersendung der Akten oder einer Zusammenfassung des wesentlichen Akteninhaltes, des sogenannten Sachberichts. Denn eine umfassende Kenntnis der ehrenamtlichen Richter von den Verwaltungsvorgängen ist nicht notwendig, um ihre Aufgabe zu erfüllen, welche nicht in der rechtlichen Beurteilung, sondern in der Kontrolle derselben anhand ihrer individuellen Lebens- und Berufserfahrung besteht (vgl. zum Ganzen Schübel-Pfister a.a.O., Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff a.a.O., Rn. 2). Daraus folgt aber nicht, dass es unzulässig wäre, den ehrenamtlichen Richtern im Interesse der umfassenden Information sowie der Prozessökonomie den im Tatbestand zusammengefassten entscheidungserheblichen Sachverhalt vor der mündlichen Verhandlung bekannt zu geben. Vielmehr dient diese Verfahrensweise dem von der Rechtsordnung gedeckten Anliegen der zeitlichen Straffung des Sitzungstages der Kammer im Interesse aller Rechtsschutzsuchenden sowie der Schonung verwaltungsrichterlicher Ressourcen. Eine unzulässige Beeinflussung der ehrenamtlichen Richter kann darin nicht gesehen werden. Im Vergleich zum Strafprozess, in dem die Überzeugungsgewinnung von der Schuld des Angeklagten den Inbegriff der mündlichen Verhandlung darstellt (vgl. Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, Einleitung Rn. 188), findet im Verwaltungsprozess in der Regel bereits vor der mündlichen Verhandlung ein umfassender Austausch der Beteiligten statt. Zwar entscheidet auch im Verwaltungsprozess das Gericht gemäß § 108 VwGO aufgrund seiner vollen, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und mithin auch in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 10). In der Praxis werden allerdings die bereits in den Schriftsätzen ausgetauschten Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen konzentriert erörtert sowie gegebenenfalls ergänzt und präzisiert. Sowohl der Ablauf als auch der Zweck des jeweiligen Verfahrens sind deshalb im Strafprozess bzw. Verwaltungsprozess grundsätzlich verschieden. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass auch im Strafprozess entgegen der klägerischen Ansicht nicht jegliche Befassung der Schöffen mit Inhalten des Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen ist (vgl. Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, Einleitung Rn. 191).
Hinsichtlich der vorgebrachten Beanstandung des Tatbestandes wird auf die Klageschrift vom 19. November 2019 verwiesen, in der von der Klägerin selbst als Beklagter das Landratsamt Hofheim bezeichnet wird.
2. Die zulässige Klage erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 17. Oktober 2019, mit dem die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgelds verpflichtet wurde, die angeordnete Entsorgung der Abfälle auf dem vorgenannten Grundstück zu dulden, erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung als formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar wurde der Klägerin vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides mit Schreiben vom 15. April 2019 und 29. Juli 2019 die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben, dies betraf jedoch nur die bis dahin auf dem Grundstück festgestellten Gegenstände, nicht jedoch den erst nachträglich aufgefundenen PKW-Anhänger. Eine Anhörung der Klägerin zur Duldungsanordnung war jedoch nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG entbehrlich (vgl. OVG LSA, B.v. 10.5.2017 – 3 M 51/17 – juris Rn. 4), ihr Fehlen ist jedenfalls nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich.
Der Begriff „Vollstreckungsmaßnahme“ in Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG ist weit auszulegen, er erfasst auch auf das Erzwingen von Duldungen gerichtete Verwaltungsakte nach Maßgabe der Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder und findet auch bei bereichsspezifischen Vollstreckungsmaßnahmen, etwa im Gefahrenabwehrrecht, Anwendung (vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 28 VwVfG Rn. 47; Engel/Pfau in Mann/Sennenkamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 28 Rn. 82 f.). Eine Verfügung, die zur Duldung der von der Behörde angeordneten Maßnahme verpflichtet, hat den Zweck, ein der zwangsweisen Durchsetzung der Anordnung entgegenstehendes Recht eines Dritten an der betreffenden Sache zu überwinden. Insoweit hat eine Duldungsanordnung eine Doppelnatur. Sie ist zum einen Gestaltungsakt, der zivilrechtliche Ansprüche des Duldungspflichtigen, die dem Vollzug entgegenstehen, ausschließt. Sie ist zugleich eine vollstreckungsfähige Anordnung, durch die dem Duldungspflichtigen untersagt wird, den Vollzug zu behindern (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2011 – 1 ZB 01.1255 – juris Ls. 2; VG Augsburg, U.v. 21.12.2004 – Au 7 K 04.1308 – juris Rn. 45). Die Duldungsanordnung findet ihre wesentliche Zweckbestimmung im Verwaltungsvollstreckungsrecht. Sie soll vorliegend gerade die Effektivität der Verwaltungsvollstreckung sicherstellen, wie es die Regelung des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG bezweckt, indem die Klägerin den Vollzug der gegen den Kläger im Verfahren W 10 K 19.1528 gerichteten Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids nicht verhindern können soll (vgl. Huck in Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 28 Rn. 28).
Jedenfalls kann eine Aufhebung des Verwaltungsakts allein aus dem Grund der fehlenden Anhörung dann nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst wurde, Art. 46 BayVwVfG. Dies ist dann der Fall, wenn feststeht, dass auch eine rechtzeitige Anhörung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte (vgl. VG Ansbach, U.v. 27.6.2012 – AN 11 K 11.01864 – juris Rn. 40).
Nach diesen Grundsätzen wurde die Klägerin zwar vor Erlass der Duldungsanordnung in Bezug auf die Entsorgung des PKW-Anhängers nicht angehört. Auf einen etwaigen Verfahrensfehler kann sich die Klägerin aber nicht mit Erfolg berufen, da jedenfalls feststeht, dass keine andere Entscheidung als der Erlass einer Duldungsanordnung ihr gegenüber hätte getroffen werden können. Wie nämlich nicht zuletzt aus den Schriftsätzen im gerichtlichen Verfahren ersichtlich ist, war und ist sie mit der verfügten Entsorgungsanordnung nicht einverstanden und hält die Entsorgungsanordnung und damit die ihr gegenüber ergangene Duldungsanordnung für rechtswidrig. Dann ist aber aus Rechtsgründen, nämlich zum Ausschluss entgegenstehender zivilrechtlicher Ansprüche, der Erlass einer Duldungsanordnung gegenüber der Klägerin als betreffende Grundstückseigentümerin auch aus objektiver Sicht zwingend erforderlich, und die fehlende Kausalität des Verfahrensfehlers daher klar erkennbar (vgl. VG Ansbach, U.v. 27.6.2012 – AN 11 K 11.01864 – juris Rn. 41).
b) Die Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Entsorgung der abgelagerten Abfälle durch den Kläger im Verfahren W 10 K 19.1528 in Ziffer 3 ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da sie auch unter Beachtung des nunmehr erfolgten Vortrags der Klägerin als Minus zur gegenüber dem Ehemann angeordneten Entsorgung ermessenfehlerfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 1996 (GVBl 1996, 396) – im Folgenden: BayAbfG a.F. – gestützt werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2007 – 20 CS 07.275 – juris Rn. 15). Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist nach dem anwendbaren materiellen Recht (BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 7 C 34.15 – juris Rn. 19) aufgrund des Vorliegens einer Anfechtungsklage gegen eine abfallrechtliche Duldungsanordnung grundsätzlich derjenige der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, U.v. 8.7.2020 – 7 C 19.18 – juris Rn. 16; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2020, § 113 Rn. 152), so dass Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung findet. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, wenn der rechtswidrige Zustand i.S.d. Art. 31 Abs. 1 BayAbfG a.F. im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wegen einer Sachlagen- oder Rechtsänderung nicht mehr besteht.
Die an den Kläger im Verfahren W 10 K 19.1528 gerichtete Entsorgungsanordnung ist rechtmäßig (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2007 – CS 07.275 – juris Rn. 17), diesbezüglich verweist das Gericht zunächst auf das Urteil im Verfahren W 10 K 19.1528 vom heutigen Tage sowie ergänzend auf die Begründungen der Gerichtsbescheide vom 7. Dezember 2020 im hiesigen Verfahren sowie im Verfahren W 10 K 19.1528.
Die Duldungsanordnung ist zudem erforderlich, um die Anordnung gegenüber dem Ehemann der Klägerin durchsetzen zu können. Dem Ehemann ist es aufgrund des vermuteten Miteigentums der Klägerin an den auf dem Grundstück lagernden Gegenständen (vgl. § 1006 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nicht möglich, die Abfälle zu entsorgen, ohne gleichzeitig in Eigentums- und Besitzrechte der Klägerin einzugreifen. Die Anordnung entspricht auch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, welche vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. § 114 VwGO), und erweist sich im Übrigen als verhältnismäßig. Wie die Klägerin mit ihrer Klage zum Ausdruck bringt, hält sie die Entsorgungsanordnung und damit die ihr gegenüber ergangene Duldungsanordnung für rechtswidrig. Auch wenn eine darüber hinausgehende (aktive) Handlung der Klägerin dahingehend, dass sie gestützt auf privatrechtliche Befugnisse dem Vollzug Hindernisse in den Weg legen wird, bislang fehlt, besteht die Möglichkeit der Berufung auf ein Vollzugshindernis erst im Vollstreckungsverfahren, zumal die Klägerin bzw. ihr Ehemann mehrere Möglichkeiten zur Stellungnahme nicht wahrgenommen haben und der Ehemann, wohl im Einverständnis mit der Klägerin, auf konstruktive Vorschläge des Landratsamts nicht eingegangen ist. Zur Begründung verweist das Gericht erneut auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020.
c) Die Klage bleibt auch ohne Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4.3 wendet. Zur Begründung verweist das Gericht wiederum auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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