Steuerrecht

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit- Schadensersatzleistung

Aktenzeichen  11 K 763/15

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 94309
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 19 Abs. 1 Nr.1
§ 613a

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1.

Gründe

I.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wird beim Beklagten, dem Finanzamt Freising, zur Einkommensteuer veranlagt. Die Veranlagung zur Einkommensteuer 2010 erfolgte zunächst im Bescheid vom 15.07.2011 erklärungsgemäß.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamts ., wonach der Kläger aufgrund einer Vergleichsvereinbarung im Jahr 2010 25.000 Euro erhalten habe, erklärte der Kläger auf Befragen, es habe sich um nichtsteuerbaren Schadensersatz gehandelt. Der Beklagte erließ am 30.07.2014 einen Einkommensteueränderungsbescheid und erhöhte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 25.000 Euro. Dabei ging er vom Vorliegen einer Entlassungsentschädigung aus und wandte hinsichtlich des Steuersatzes § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch und verwies auf sein Schreiben vom 23.04.2014. Darin hatte er aufgeführt, dass die Zahlung zwar auf die vergleichsweise Erledigung eines Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht . unter dem Az. . zurückzuführen sei, aber keine Zahlung einer vergleichsweisen Entlassungsentschädigung darstelle. Denn das genannte Verfahren sei vom Kläger gegen die . (GmbH) betrieben worden, wogegen die Zahlung von einer dritten Firma, der . (abc) vorgenommen worden sei. Es handele sich nicht um eine Abfindung sondern um eine Abstandszahlung. Diese habe die abc geleistet, weil im Vergleich auch festgehalten worden sei, dass es zu keinem Betriebsübergang von der GmbH auf die abc gekommen sei und der Kläger niemals Arbeitnehmer der GmbH gewesen sei und auch nicht Arbeitnehmer der abc sei. Deshalb stelle die Zahlung nicht Arbeitslohn, sondern eine Schadensersatzleistung dar, die nicht steuerbar sei.
Den Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 16.02.2015 als unbegründet zurück. Wie sich aus den beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts München ergebe, sei unter dem Aktenzeichen . zunächst eine Klage des Klägers gegen den Insolvenzverwalter der Firma … GmbH i.L.(K…) und die GmbH erhoben worden. Diese habe sich auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses mit K… sowie auf Weiterbeschäftigung durch die GmbH nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit K… gerichtet. Die am Vergleich beteiligte abc gehöre ebenso wie die GmbH zum Firmenimperium von … und …B… Die Zahlung der abc sei aufgrund des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit K… geleistet worden; ohne dieses Beschäftigungsverhältnis wäre die Zahlung nicht geleistet worden. Die geleistete Zahlung sei auch nach der Dauer der Zugehörigkeit zu K. bemessen worden. Dass die Zahlungen durch einen Dritten und nicht durch K… erfolgt seien, stehe dem Vorliegen einer Entlassungsentschädigung nicht entgegen, da die aabc ein Teil der Unternehmensgruppe B mit identischen Geschäftsführern sei. Dass eine Versteuerung nicht ausgeschlossen worden sei, ergebe sich aus § 2 (2) des Vergleichs, der die Tragung eventueller Steuern dem Kläger auferlegt.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, dass es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um Schadensersatz handle. Die Einspruchsentscheidung sei dahingehend zu korrigieren, dass der Kläger vor dem Arbeitsgericht sowohl den Insolvenzverwalter der K… als auch die GmbH verklagt habe, nicht aber einen weiteren Betrieb der GmbH. Eine erstinstanzliche Entscheidung gebe es hierzu nicht, aber als sich in Verfahren anderer Mitarbeiter der K… verdichtet habe, dass doch ein Betriebsübergang stattgefunden habe, sei von der Beklagtenseite ein Angebot über Abstandszahlungen unterbreitet worden. Daraufhin habe der Kläger Kontakt mit der Beklagtenseite aufgenommen und die streitgegenständliche Vergleichsvereinbarung erwirkt. Diese habe der Kammervorsitzende beim LAG protokolliert, der es im Hinblick auf die bereits dort anhängigen Verfahren übernommen habe, auch andere Verfahren vergleichsweise zu beenden. Darin sei vereinbart worden, dass gerade kein Betriebsübergang stattgefunden habe und der Kläger niemals Arbeitnehmer von K… oder der GmbH der von abc gewesen sei. Es liege eine Schadensersatzleistung wegen der Verletzung des Benachteiligungsverbots in Form der Diskriminierung des 63jährigen Klägers wegen Alters vor. Durch die Zahlung sollte Beruhigung eintreten und S.E.P. sich, andere Tochter- und Schwesterfirmen der B. -Gruppe freikaufen von weiteren drohenden Prozessen, die über drei Instanzen weit mehr an Kosten verursacht hätten. Hätte es sich um eine Entlassungsentschädigung gehandelt, wäre aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit von 29 Jahren ein weit höherer Betrag, nämlich 53.865,18 Euro zu bezahlen gewesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die Akten verwiesen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Klage ist unbegründet.
a) Einen dem Arbeitnehmer aus der schuldhaften Verletzung dieser Arbeitgeberpflichten entstandenen Schaden hat der Arbeitgeber auszugleichen. Der Schadensausgleich der vorbezeichneten Art durch den Arbeitgeber führt, sofern er sich innerhalb des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs (s. dazu nachfolgend 3.) des Arbeitnehmers hält, nicht zu einem Lohnzufluss. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr.1 EStG gehören zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden. Dem Tatbestandsmerkmal „für eine Beschäftigung“ ist zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss. Die Zuwendung des Arbeitgebers muss sich bei objektiver Betrachtung für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeitsleistung erweisen. Allein der Umstand, dass eine Leistung des Arbeitgebers tatsächlich oder rechtlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, reicht zur Bejahung des Tatbestandsmerkmals „für eine Beschäftigung“ allein nicht aus.
Bei wertender Betrachtung erweist sich der Ersatz des dem Arbeitnehmer aus einer auf schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers beruhenden fehlerhaften Besteuerung entstandenen Schadens nicht als Frucht seiner Arbeitsleistung. Vielmehr wird ein dem Arbeitnehmer in dessen Privatvermögen entstandener Schaden ausgeglichen. Der Arbeitnehmer erhält die Zuwendung nicht, weil er eine Arbeitsleistung erbracht hat, sondern weil ihm gegen den Arbeitgeber ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensausgleich zusteht. Dass dieser Anspruch ohne das Arbeitsverhältnis nicht entstanden wäre, ist (entgegen der vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung auf Seite 7, Ziffer 1.) unerheblich (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 20.09.1996 VI R 57/95, BStBl II 1997, 144).
b) Diese Rechtsprechung hat der IX. Senat des BFH jüngst bestätigt. Für die Einordnung als steuerbarer Arbeitslohn kommt es allein auf die Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis an. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Kein Arbeitslohn liegt allerdings vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Daher führen Schadensersatzleistungen des Arbeitgebers nicht zu steuerbarem Arbeitslohn. Bei wertender Betrachtung erweist sich etwa der Ersatz des dem Arbeitnehmer aus einer auf schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers beruhenden fehlerhaften Besteuerung entstandenen Schadens nicht als Frucht seiner Arbeitsleistung. Vielmehr wird ein dem Arbeitnehmer in dessen Privatvermögen entstandener Schaden ausgeglichen. Der Arbeitnehmer erhält die Zuwendung nicht, weil er eine Arbeitsleistung erbracht hat, sondern weil ihm gegen den Arbeitgeber ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensausgleich zusteht. Die Beantwortung der Frage, ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, ob liegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BFH-Urteil vom 14.06.2016 IX R 2/16, DStR 2016, 2159 zur Steuerbarkeit von Entschädigungszahlungen wegen rechtswidrig geleisteter Mehrarbeit).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen gefolgt wird, handelt es sich bei der Zahlung von 25.000 Euro um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Wie der Kläger in der Klageschrift, Seite 5, Ziffer 6., selbst vorträgt, wollte sich „die Drittfirma, andere Tochter- und Schwesterfirmen der B…-Gruppe“ mit der Abstandszahlung von weiteren drohenden Prozessen freikaufen. Dabei kann es sich nur um Prozesse früherer Arbeitnehmer der K… handeln, die einen Betriebsübergang nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die abc geltend machen und entweder Weiterbeschäftigung oder eine Entlassungsentschädigung fordern. Wird ein Betriebsübergang verneint und gibt sich der Arbeitnehmer damit zufrieden, dass sein Beschäftigungsverhältnis im Betrieb der K. geendet hat und nicht mehr über dessen Fortbestehen gestritten wird, so stellt sich eine vergleichsweise erhaltene Zahlung als Frucht seiner Arbeitskraft dar. Der Arbeitnehmer verzichtet darauf, seine Arbeitskraft weiterhin zur Verfügung zu stellen und dadurch laufende Lohneinkünfte zu erzielen, anstatt auf die Fortführung des -nach seinem Vortrag übergegangenen – Arbeitsverhältnisses zu beharren. Eine dafür erhaltene Ausgleichsleistung stellt sich damit ebenfalls als Frucht eines laufenden, vertragsgemäß durchgeführten Arbeitsverhältnisses dar, auf dessen weitere Beschäftigungs- und Lohnansprüche der Arbeitnehmer im Gegenzug gegen eine Geldleistung verzichtet. Diese Geldleistung stellt somit auch keinen Schadensersatz für einen privaten Vermögensverlust dar, sondern einen Ersatz für künftige, nach Arbeitsvertrag zu erwartende Einnahmen aus Arbeitsleistung, auf die verzichtet wird, obwohl das Arbeitsverhältnis möglicherweise noch fortbesteht.
Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszahlung hat das Gericht keine Bedenken, dass es sich um eine Entlassungsentschädigung handelt. Auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit war die Höhe der vereinbarten Zahlung auch durch die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage des Betriebsübergangs beeinflusst. Es liegt in der Rechtsnatur eines zivilrechtlichen Vergleichs, dass ein beiderseitiges Nachgeben erfolgt und sich die Höhe der vergleichsweisen Zahlung von der Höhe einer rein rechnerisch ermittelten Abfindungszahlung unterscheiden muss.
Gleiches gilt für den mitangefochtenen Solidaritätszuschlag 2010, dessen Höhe sich nach der festgesetzten Einkommensteuer bemisst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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