Steuerrecht

Erlass von Nebenforderungen – Gewerbesteuer

Aktenzeichen  M 10 K 18.5235

Datum:
24.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7927
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84, § 88
AO § 227
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 6
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren der Klägerin (§ 88 VwGO) ist der gestellte Antrag zu verstehen als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Die Klage ist unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 30. April 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 20. September 2018 gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten, die steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 1.087 EUR zu erlassen.
3. Die so verstandene Klage ist zulässig; insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erlass der steuerlichen Nebenleistungen nach § 227, § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a, Art. 10 Nr. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) noch einen Anspruch auf eine diesbezügliche ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 227 AO sind bereits nicht erfüllt.
Nach § 227 AO können Ansprüche aus dem (Gewerbe-)Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Dies gilt auch für Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 Nr. 5 AO und für Mahn- und Vollstreckungsgebühren, auch wenn diese Kosten im Bereich des bayerischen Kommunalabgabenrechts nicht unter den Begriff der steuerlichen Nebenleistungen im Sinne des § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO fallen, da § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO wegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 6 KAG nicht gilt (s. zur Anwendbarkeit des § 227 AO auf Mahn- und Vollstreckungsgebühren: BayObLG, U.v. 25.11.2003 – 1 Z RR 6/02 – NVwZ-RR 2004, 318).
Die Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO kann sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben.
a) Eine sachliche Unbilligkeit liegt im konkreten Fall nicht vor.
Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. hierzu: Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 227 Rn. 13 m.w.N.). Mit dem Instrument des Erlasses soll Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung getragen werden, welche der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 21.9.2009 – 4 BV 07.498 -BeckRS 2010, 55165 Rn. 29).
Im vorliegenden Fall käme eine sachliche Unbilligkeit möglicherweise in Betracht, wenn die Säumniszuschläge, Mahn- und Vollstreckungsgebühren verlangt würden, obwohl eine Säumnis der Klägerin im Hinblick auf die Zahlung der Gewerbesteuerforderungen nicht vorgelegen hat. Dies ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin jedoch nicht der Fall.
Durch die Nichtzahlung der Forderungen zum jeweiligen Fälligkeitstermin ist die Klägerin in Zahlungsverzug geraten. Die Einzugsermächtigung, die die Klägerin der Beklagten für die frühere Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … erteilt hat, gilt nicht für die neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer fort. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auf der erteilten Einzugsermächtigung explizit die frühere Gewerbesteuer-Kassenkontonummer aufgedruckt war. Die Einzugsermächtigung ist insoweit hinsichtlich ihres Verwendungszwecks eingeschränkt worden; sie gilt immer nur für die konkrete Kassenkontonummer.
Dem steht nicht entgegen, dass – wie der Bevollmächtigte der Klägerin zutreffend ausführt – Schuldnerin der Gewerbesteuerforderungen im Außenverhältnis immer die Klägerin als GmbH war und ist, da die rechtliche Umgestaltung in eine GmbH (atypisch still) lediglich Wirkungen im Innenverhältnis hat. Allerdings ist eine GmbH steuerrechtlich anders zu bewerten als eine GmbH (atypisch still), so dass das Finanzamt München eine andere Steuernummer vergab und infolgedessen die Änderung der Kassenkontonummer der Beklagten gerechtfertigt war. Insoweit greift auch der Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin nicht, die Beklagte hätte es durch interne Verwaltungsumorganisation in der Hand, den Schuldner in Verzug zu bringen, da es im vorliegenden Fall gerade nicht lediglich um eine bloße Neuzuweisung einer Kassenkontonummer ging, sondern die Änderung der Kassenkontonummer ihre Ursache in einer rechtlichen Umgestaltung der Klägerin und einer damit einhergehenden anderen steuerrechtlichen Bewertung der Klägerin hatte.
b) Auch eine persönliche Unbilligkeit ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.
aa) Nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 227 AO ist die Erhebung einer Steuer aus persönlichen Gründen unbillig, wenn der Steuerpflichtige erlasswürdig und -bedürftig ist. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung der Steuer die Fortführung der persönlichen wirtschaftlichen Existenz gefährden, d.h. wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde (BVerwG, U.v. 23.8.1990 – 8 C 42/88 – juris).
Eine solche Erlassbedürftigkeit ist für die Klägerin weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
bb) Im besonderen Fall des Erlasses von Säumniszuschlägen (vgl. hierzu ausführlich: Oosterkamp in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, 11. Ed. 1.1.2020, § 240 Rn. 45 f. m.w.N.) ist die Entschuldbarkeit der verspäteten Zahlung grundsätzlich kein Grund, die Säumniszuschläge zu erlassen, weil diese kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen entstehen. Ausnahmsweise kann ein Erlass jedoch in Betracht kommen, wenn die Behörde die Zahlungsverzögerung durch ihr Verhalten verursacht hat, der Steuerpflichtige aber alles ihm nach den Umständen Zumutbare getan hat oder zumindest eine ihm nicht vorwerfbare, unvorhergesehene Zahlungsverzögerung eingetreten ist. Ein persönlicher Billigkeitsgrund kann auch darin liegen, dass einem bisher pünktlichen Steuerzahler ein offenbares Versehen unterlaufen ist.
Diese Voraussetzungen liegen im konkreten Fall jedoch nicht vor. Die Klägerin hat weder alles ihr Zumutbare getan, um die Zahlungsverzögerung zu verhindern; es handelt sich auch nicht um eine unvorhergesehene Zahlungsverzögerung. Die Klägerin ist zudem nicht als grundsätzlich zuverlässige Steuerzahlerin anzusehen, der ein einmaliges Versehen unterlaufen ist.
Bei sorgfältiger Buchführung hätte dem Buchhalter der Klägerin auffallen müssen, dass sich sowohl die Steuernummer des Finanzamts München als auch die Gewerbesteuer-Kassenkontonummer der Beklagten geändert haben. Auch wenn der Buchhalter der Klägerin die Kassenkontonummern nicht abgeglichen haben sollte, hätte er bei sorgsamem Durchlesen der Bescheide vom 18. Dezember 2017 und 30. Januar 2018 erkennen können und müssen, dass sich die Zahlungssituation verändert hatte. Denn zum einen wies die Beklagte in ihrer Zahlungsaufforderung jeweils unter IV. der Bescheide darauf hin, dass die festgesetzten Beträge zu den Fälligkeitsterminen abgebucht würden, sollte sich die Klägerin für die Möglichkeit eines Lastschrifteinzugs entscheiden. Hieraus hätte der Buchhalter entnehmen können und müssen, dass die Beklagte davon ausging, dass kein gültiges SEPA-Mandat für die Klägerin (mehr) vorlag, zumal dieser Hinweis in den Gewerbesteuerbescheiden der vergangenen Jahre zur früheren Gewerbesteuer-Kassenkontonummer der Beklagten nicht vorhanden war. In den früheren Bescheiden war vielmehr vermerkt, dass die Forderung aufgrund des Lastschriftmandats von der Beklagten eingezogen würde. Zum anderen fügte die Beklagte den Bescheiden vom 18. Dezember 2017 und 30. Januar 2018 jeweils einen Vordruck für ein SEPA-Basislastschriftmandat bei, auf dem die neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … bereits aufgedruckt war. Solche Vordrucke waren den Gewerbesteuerbescheiden der vergangenen Jahre (zur früheren Gewerbesteuer-Kassenkontonummer) gerade nicht beigefügt, so dass auch insoweit ein Unterschied hätte auffallen müssen.
Jedenfalls hätte der Buchhalter der Klägerin spätestens bei Erhalt der ersten Mahnung vom 19. Februar 2018 merken müssen, dass die für die alte Kassenkontonummer erteilte Einzugsermächtigung nicht mehr fortgilt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin aktiv werden und bei der Beklagten nachforschen müssen. Dies hat sie jedoch (vorwerfbar) unterlassen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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