Steuerrecht

Fehlendes Rechtsschutzinteresse nach Absetzen des Asylbewerbers ins Ausland

Aktenzeichen  B 7 K 18.30936

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43492
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 82 Abs. 1
ZPO § 130 Abs. 1, § 227

 

Leitsatz

Das Absetzen eines Asylklägers ins Ausland stellt schon im Ansatz keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung iSd § 173 S. 1 VwGO iVm § 227 ZPO dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen. 
2.    Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung am 12.11.2020 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO). Ein Terminverlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten vom 11.11.2020 wurde mit gerichtlichem Schreiben vom selben Tag abgelehnt, da das Absetzen des Klägers ins Ausland schon im Ansatz keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 ZPO darstellt. Aufgrund der vom Gericht getätigten Recherchen (vgl. hierzu auch Bl. 41 der Gerichtsakte) hat der Kläger Ende September 2020 -womöglich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung – Deutschland verlassen und sich illegal nach Großbritannien begeben, ohne hiervon den Hausverwalter der Unterkunft, seine „Freundin“, seinen Rechtsanwalt oder irgendwelche Behörden, geschweige denn das Gericht, in Kenntnis zu setzen.
II.
Die Klage ist unzulässig, da die ladungsfähige Anschrift des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht bekannt ist (hierzu 1.). Im Übrigen ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis durch das Absetzen des Klägers nach Großbritannien entfallen ist (hierzu 2.).
1. Die Klage ist unzulässig geworden, da dieser trotz Aufforderung mit Fristsetzung eine aktuelle ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage als Sachentscheidungsvoraussetzung den Kläger bezeichnen, wozu nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Abs. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes gehört. Gemeint ist damit der tatsächliche Wohnort des Klägers, also die ladungsfähige Anschrift, unter der er auch tatsächlich zu erreichen ist. Dass dies auch dann gilt, wenn zwar in der Klageschrift zunächst eine ladungsfähige Anschrift genannt wurde, die Anschrift des Klägers jedoch im Laufe des Verfahrens unbekannt geworden ist, ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und im Hinblick auf die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung notwendigerweise im Urteil enthaltenen Angaben zur Wohnanschrift des jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift ist auch nicht aufgrund der anwaltlichen Vertretung des Klägers entbehrlich (BayVGH, B.v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris; VG Augsburg, U.v. 25.11.2016 – Au 4 K 15.1656 – juris, jeweils m.w.N.).
Dieser Verpflichtung zur Angabe seiner gegenwärtigen Anschrift ist der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht nicht nachgekommen. Der Klägerbevollmächtigte teilte dem Gericht zwar mit Schriftsatz vom 11.11.2020 mit, dass nach seiner Kenntnis die ladungsfähige Anschrift die … in … sei. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall, da sich der Kläger seit Ende September 2020 nicht mehr in … aufhält und stattdessen illegal nach Großbritannien gereist ist, wo er am 29.09.2020 einen Asylantrag gestellt hat. Auch aufgrund der Ermittlungen des Gerichts hält sich der Kläger nicht mehr bzw. nicht wieder in der Gemeinschaftsunterkunft in … auf. Der Platz in der Unterkunft wurde freigegeben. Der Kläger wird bei der Regierung von Oberfranken als Unterkunftsverwaltungsbehörde als untergetaucht bzw. als nach unbekannt verzogen geführt. Aufgrund des Überstellungsgesuchs der britischen Behörden an die Beklagte hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass der tatsächliche Wohn- und Aufenthaltsort des Klägers nicht mehr die vom Klägerbevollmächtigte Adresse in … ist. Im Übrigen räumt der Klägerbevollmächtigte im besagten Schriftsatz mehr oder weniger selbst ein, dass er nicht glaubhaft belegen könne, dass sich der Kläger noch unter der von ihm genannten Anschrift aufhalte. Eine ladungsfähige Anschrift in Großbritannien, wo sich der Kläger derzeit vermutlich aufhalten dürfte, vermochte der Klägerbevollmächtigte dem Gericht nicht mitzuteilen, obwohl seitens des Gerichts gem. § 82 Abs. 2 VwGO eine Frist zur Benennung der aktuellen ladungsfähigen Anschrift des Klägers gesetzt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris; BayVGH, B.v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris). Diese Frist war in Anbetracht der Mitwirkungspflichten des Klägers im Asylverfahren (vgl. insbesondere § 10 Abs. 1 AsylG) ausreichend lang bemessen, zumal der Einzelrichter schon einige Tage vor der förmlichen Fristsetzung den Bevollmächtigten über das Absetzen des Klägers telefonisch informiert hat und der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als sechs Wochen abgetaucht war, ohne seinen Bevollmächtigten bzw. Behörden oder das Gericht über seinen jetzigen Wohn- bzw. Aufenthaltsort in Kenntnis zu setzen. Anhaltspunkte dafür, dass die Pflicht zur Angabe der Anschrift ausnahmsweise entfallen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79.11 – juris) sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Insbesondere geht der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11.11.2020 selbst davon aus, dass sich der Kläger im Vereinigten Königreich Großbritannien in Haft befinde, um eine Rücküberstellung in das Bundesgebiet sicherzustellen. Im Übrigen wurde lediglich vorgetragen, dass seitens des Klägervertreters eine Anschrift in Großbritannien nicht zu ermitteln gewesen sei.
2. Der Klage fehlt zudem seit dem Zeitpunkt des unbekannten Aufenthalts des Klägers das in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis. Die nicht nur vorübergehende Aufgabe der Unterkunft durch den Kläger und die Absetzung ins Ausland ohne Mitteilung seines aktuellen Aufenthalts an die Beklagte und das Gericht (§ 10 Abs. 1 AsylG) oder zumindest an seinen Prozessbevollmächtigten lässt den Schluss zu, dass der Kläger sein Rechtsschutzbegehren gegen die Beklagte nicht mehr weiter verfolgen will oder er untergetaucht ist, was die Schutzwürdigkeit seines Rechtsschutzinteresses ebenfalls entfallen lässt (vgl. BayVGH, U.v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris; BayVGH, B.v. 16.7.2010 – 20 B 10.30183 – juris; SächsOVG, B.v. 10.5.2017 – 4 A 453/16.A – juris). Allein die weiterbestehende anwaltliche Vertretung des Klägers gibt keinen Anlass, auf das Erfordernis der Adressenangabe zur Feststellung eines weiterbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses zu verzichten, wenn dem Kläger ein berechtigter Grund für die Verweigerung der Adressenangabe fehlt (BayVGH, B.v. 9.2.2001 – 21 B 99.32019 – juris; BayVGH, U.v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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