Aktenzeichen VII B 144/10
§ 53 Abs 1 Nr 3 MinöStV
§ 696 Abs 3 ZPO
Leitsatz
1. NV: Der Frage, inwieweit die gerichtliche Verfolgung eines Kaufpreisanspruchs nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von einem Widerspruch gegen einen gegen den Warenempfänger erwirkten Mahnbescheid von der Einhaltung einer besonderen Frist abhängt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu .
2. NV: Eine starre Frist für die gerichtliche Geltendmachung der Kaufpreisforderung lässt sich weder den gesetzlichen Bestimmungen noch der Rechtsprechung des BFH entnehmen. Vielmehr hängt es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wann eine gerichtliche Verfolgung noch als rechtzeitig gelten kann .
Verfahrensgang
vorgehend FG Hamburg, 24. Juni 2010, Az: 4 K 275/09, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte im Rahmen eines Tankstellen-Lieferabkommens eine Tankstelle mit Kraftstoffen. In dem Abkommen firmierte der Warenempfänger unter dem Namen “P… A…”, wobei der Vorname A… handschriftlich ergänzt und der ursprünglich angegebene Vorname C… gestrichen worden ist. Die Forderungen aus insgesamt vier Lieferungen im Zeitraum von August bis Oktober 2003 beglich der Warenempfänger nicht, so dass die Klägerin am 23. Oktober 2003 den Erlass eines Mahnbescheids beantragte. Am 18. November 2003 erhob der Warenempfänger Widerspruch, der der Klägerin am 8. Dezember 2003 zuging. Am 9. Februar 2004 erhob die Klägerin Klage vor dem Landgericht (LG). Antragsgemäß verurteilte das LG A… und C… P… als Gesamtschuldner zur Zahlung der geltend gemachten Kaufpreisforderung nebst Zinsen. Die danach von der Klägerin unternommenen Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Den Antrag, ihr die in den ausgefallenen Forderungen enthaltene Mineralölsteuer zu vergüten, lehnte das seinerzeit noch zuständige Hauptzollamt ab. Den Einspruch wies der mittlerweile zuständige Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt –HZA–) u.a. mit der Begründung zurück, dass die Klägerin das streitige Verfahren erst über zwei Monate nach Kenntnis des Widerspruchs und damit nicht rechtzeitig eingeleitet habe.
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Das Finanzgericht (FG) bestätigte diese Rechtsauffassung. Es führte aus, dass sich an die rechtzeitige Beantragung eines Mahnbescheids keine rechtzeitigen, hinreichend nachdrücklichen Bemühungen angeschlossen hätten. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgestellte Frist von zwei Monaten beziehe sich zwar ausdrücklich nur auf den Zeitraum zwischen der letzten Belieferung und der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens, dies könne jedoch nicht bedeuten, dass die weitere Vorgehensweise auch in zeitlicher Hinsicht in das Belieben des Mineralöllieferanten gestellt wäre. Die Notwendigkeit eines streitigen Verfahrens zur Erwirkung eines Urteils als Vollstreckungstitel hätte die Klägerin bereits in dem Monat erkennen müssen, in dem sie Kenntnis von der Erhebung des Widerspruchs erlangt habe, zumal sie den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nicht bereits im Mahnbescheidsantrag gestellt habe. Eine sachliche Rechtfertigung für die Verzögerung sei im Streitfall nicht erkennbar, denn ein solcher Antrag könne zunächst ohne jegliche Begründung gestellt werden.
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Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, wann die gerichtliche Verfolgung eines Kaufpreisanspruchs durch einen Mineralölhändler nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von einem Widerspruch gegen einen beantragten Mahnbescheid als “rechtzeitig” i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) angesehen werden könne. Zu welchem Zeitpunkt ein Mahnverfahren in ein streitiges Verfahren übergeleitet werden müsse, sei höchstrichterlich noch ungeklärt. Im Streitfall sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin rechtzeitig einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt habe. Nach der Fiktion des § 696 Abs. 3 der Zivilprozessordnung sei die Streitsache rechtshängig geworden. Eine Überleitung in das streitige Verfahren mehr als zwei Monate nach Erlass des Mahnbescheids sei völlig unschädlich, zumal eine prozessuale Verzögerung damit nicht verbunden sei. Zudem habe im Streitfall die Vorbereitung der Klage einer längeren Vorbereitungszeit bedurft.
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Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten; es ist der Auffassung, dass der von der Klägerin aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, inwieweit die gerichtliche Verfolgung des Kaufpreisanspruchs nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von einem Widerspruch gegen einen gegen den Warenempfänger erwirkten Mahnbescheid von der Einhaltung einer besonderen Frist abhängt, ist einer allgemeingültigen Klärung deshalb nicht fähig, weil sie sich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beantworten lässt.
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a) Eine starre Frist, innerhalb derer das streitige Verfahren einzuleiten ist, lässt sich weder aus § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV noch aus der Rechtsprechung des BFH ableiten. Wie der Senat entschieden hat, ist ein Mahnsystem nicht zu beanstanden, bei dem sichergestellt ist, dass im Falle der Nichtbegleichung einer Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet wird (Senatsbeschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217, 222). In dem entschiedenen Streitfall hatte der Mineralöllieferant ca. einen Monat nach Zustellung des Mahnbescheids einen Vollstreckungsbescheid erwirkt.
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In späteren Entscheidungen hat der Senat betont, dass es sich bei dem Zeitraum von etwa zwei Monaten nicht um eine starre Ausschlussfrist handelt. Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs –zu der nicht nur der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, sondern auch die Überleitung in das streitige Verfahren gehört– hat zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem ein im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und wie ein sorgfältiger Kaufmann handelnder Mineralöllieferant erkennen muss, dass eine Durchsetzung des Anspruchs die Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordert. Dabei kann der Mineralöllieferant nicht in jedem Fall nach der Belieferung eine Frist von zwei Monaten ausschöpfen, bevor er die nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten Schritte einleitet. Vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten (Senatsentscheidungen vom 7. Januar 2005 VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384; vom 17. Januar 2006 VII R 42/04, BFHE 212, 347, und 19. November 2007 VII R 1/05, BFH/NV 2008, 621). Wenn es danach von den Umständen des Einzelfalls abhängt, innerhalb welchen Zeitraums der Mineralöllieferant nach der Belieferung des mit der Zahlung säumigen Warenempfängers den Erlass eines Mahnbescheids beantragt oder ohne diesen Zwischenschritt sogleich Klage erhebt, muss dies erst recht für die Frage gelten, welche Schritte er unternehmen muss, um im Falle des Widerspruchs des Warenempfängers gegen einen Mahnbescheid seine Rechte durch die Überleitung in das streitige Verfahren zu wahren und geltend zu machen. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich der Mineralöllieferant nicht mit dem Widerspruch des Warenempfängers begnügen darf, sondern rechtzeitig auf einen Vollstreckungstitel hinwirken muss.
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b) Eine starre Frist für die Überleitung in das streitige Verfahren hat auch das FG nicht angenommen, sondern ausgeführt, dass die vom BFH aufgestellte 2-Monatsfrist nicht bedeutet, dass die weitere Vorgehensweise nach Erlass eines Mahnbescheids auch in zeitlicher Hinsicht in das Belieben des Mineralöllieferanten gestellt wäre. Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls ist das FG zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine sachliche Rechtfertigung für die späte Klageerhebung nicht erkennbar ist, so dass die Klägerin aus mineralölsteuerrechtlicher Sicht nicht rechtzeitig Klage erhoben und dadurch ihren Vergütungsanspruch verloren hat. Im Kern ihres Vorbringens wendet sich die Klägerin gegen diese Würdigung des FG und die vermeintliche Verkennung zivilprozessualer Grundsätze.