Steuerrecht

Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal gewerblicher Tätigkeit

Aktenzeichen  2 V 2143/18

Datum:
9.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36296
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 15 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 3, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren der Antragstellerin (Ast), ob die Ast das Modegeschäft in W im Streitzeitraum ab 2013 (noch) mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.
Die Ast wohnt in R. Dort ist sie bis heute im Hauptberuf als Geschäftsführerin der Firma … GmbH tätig und wird vom Finanzamt R zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Ast verfügte seit 2003 in W über einen Zweitwohnsitz in der … Str. 21. Dort bewohnte sie im eigenen Zweifamilienhaus eine Wohnung, die sie als Feriendomizil nutzte. Die zweite Wohnung war seit 1989 an O vermietet.
Im Streitzeitraum vermietete die Ast laufend eine Ferienwohnung an Feriengäste und betrieb zugleich im Wintersportort W (ca. 2300 Einwohner) in der …str. 8, seit 2007 mit fremden Personal das Modegeschäft „…“, in dem sie zunächst hochwertige Damen- und Herrenmode und ab 2011 nur noch hochwertige Damenmode anbot und verkaufte. Geschäftsführerin des Modegeschäfts war von Beginn an O, die zuvor in einer Bäckerei in Festanstellung tätig war.
Der Textileinzelhandel der Ast wurde anfangs (Gewerbeanmeldung 02.02.2007) mit mehreren Angestellten betrieben, ab 2011 nur noch mit der festangestellten Verkäuferin/Geschäftsführerin, O, und einer Aushilfe. Die Geschäftsräume mietete die Ast von der …bank an. Der Mietvertrag wurde anfangs fest vom 01.07.2007 bis 31.08.2012, danach mit anschließender jährlicher Verlängerung abgeschlossen. Die Mieträume wurden auf Kosten der Ast betriebsindividuell hergerichtet. 2007 entstand Erhaltungsaufwand in Höhe von 33.000 €. An Betriebsausstattung, Ladeneinrichtung und GWG wurden im Jahr 2007 ca. 126.000 € und 2008 25.000 € investiert.
Zum 30.06.2018 kündigte die Ast das Mietverhältnis über ihre Geschäftsräume und stellte den Betrieb ein.
Seit Neugründung des Modegeschäfts im Januar 2007 erzielte die Ast bis 2017 ausschließlich Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 801.843,61 €. Ende 2011 betrugen die Verluste bereits ca. 500.000 €. Im Zeitraum 2009 bis 2015 betrugen die durchschnittlichen Verluste jährlich 63.585 €.
Die von der Ast erklärten Verluste betrugen in den Streitjahren
2013
58.152,19 €
2014
67.766,31 €
2015
55.241,79 €
2016
28.778,81 €
und wurden erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt (vgl. Feststellungsbescheide für 2013 vom 09.04.2015, für 2014 vom 28.04.2016, für 2015 vom 02.03.2017 und für 2016 vom 11.12.2017).
Im Zeitraum vom 22.06.2015 bis 06.10.2017 fand mit Unterbrechung eine Außenprüfung bei der Ast statt. Die Außenprüfung erstreckte sich u.a. auf die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2011 bis 2013.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass zwar von ihm eine Anlaufperiode von sechs Jahren anerkannt werde, jedoch die Verluste aus dem Modegeschäft ab 2013 mangels Einkunftserzielungsabsicht nicht mehr anzuerkennen seien. Die Betriebsaufgabe der Ast sei um mehrere Jahre zu spät erfolgt. Auf die Begründung des Prüfers in Anlage 1 des BP-Berichts vom 27.10.2017 und die Stellungnahme von 13.03.2018 wird verwiesen.
Dementsprechend änderte der Antragsgegner gemäß § 164 Abs. 2 AO mit Bescheiden vom 21.12.2017 die bisherigen Feststellungsbescheide für 2013 bis 2016 und stellte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung jeweils die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 € fest.
Dagegen richtet sich der Einspruch der Ast. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass sie das Modegeschäft mit Gewinnerzielungsabsicht und nicht aus persönlichen Gründen oder Neigungen betrieben habe. Eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht könne nicht einfach aufgrund anhaltender Verluste angenommen werden. Denn das Streben nach Gewinnen sei in diesem Gewerbezweig stets die Intention. Sie habe auf die anhaltenden Verluste reagiert, indem sie Personalkosten eingespart habe, die Mieten für die Räumlichkeiten reduziert und das Warensortiment entsprechend den Kundenwünschen angepasst habe. Im Jahr 2006/2007 habe sie sich aufgrund einer Analyse zur Neugründung des Modegeschäfts entschieden, insbesondere wegen der Abwanderung der einzig verbliebenen Mitbewerberin nach S. In den Jahren 2007 bis 2010 seien die Umsätze ständig gestiegen, ohne aber die Gewinnzone zu erreichen. Dementsprechend sei das Markensortiment ab 2009 reduziert worden. 2011 sei die Herrenmode eingestellt worden und zur weiteren Kosteneinsparung sei das Personal von zwei fest angestellten Mitarbeitern und zwei Aushilfen halbiert worden. Die Erfolgsaussichten im Handel mit Damenmoden sei nur schwer vorauszusehen. Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 05.05.1983 (IV R 53/80, juris) könne es erhebliche Zeit dauern, bis ein solcher Betrieb nach erforderlichen Investitionen in die Gewinnzone gelange. Nicht zu vergessen sei auch der „Geiz ist geil Effekt“, der durch aggressive Werbung in den letzten Jahren fast jedem Verbraucher suggeriert habe, dass der Kauf regulär gepreister Ware dumm sei. Zusätzlich werde dieser Effekt verstärkt durch die Erfahrungen vieler Urlauber, dass von Mai bis Oktober in fast jedem europäischen Ferienort sämtliche Schaufenster auf Schlussverkäufe hinwiesen. Dieser Sparzwang sei durch die Eröffnung des … Outlets B im Jahr 2009 noch verstärkt worden.
Die Ast beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 bis 2016 -jeweils vom 21.12.2017- in Höhe der nicht anerkannten Verluste aus Gewerbebetrieb für 2013 in Höhe von 58.152,19 €, für 2014 in Höhe von 67.766,31 €, für 2015 in Höhe von 55.241,79 € und für 2016 in Höhe von 28.778,81 € wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er weist ergänzend zum BP-Bericht und zu seinem Schreiben vom 20.07.2018 (vgl. Rb-Akte, Bl. 27 ff.) an die Ast darauf hin, dass der Auffassung der Ast, die Einstellung des Betriebs zum 30.06.2018 nach Überprüfung der Umsatzzahlen 2017 sei Beweis, stets mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt zu haben, zu widersprechen sei. Die Argumentation der Ast sei nicht schlüssig, weil bei Gegenüberstellung der Umsätze der Jahre 2007 bis 2017 erkennbar sei, dass im Gegenteil die Umsätze im Jahr 2017 eine Steigerung gegenüber den Vorjahren erfahren hätten und der Rohaufschlag auf den Wareneinsatz im Vergleich zu den Vorjahren um 200% habe gesteigert werden können. Die Umsatzzahlen allein hätten daher nicht entscheidend für die Betriebseinstellung sein können.
Die Umstrukturierungsmaßnahmen der Ast seien bei Verlusten in Höhe von 801.843 €, um das Modegeschäft für die Zukunft noch in die Gewinnzone zu führen, nicht ausreichend gewesen. Dies gelte auch dann, wenn die Anfangsinvestitionen nicht in die Betrachtung der Verlustperiode einbezogen würden. Die Verringerung der Personalkosten und des Warensortiments seien von Anfang an nicht zielführend gewesen. Die Markenreduzierung und die Einstellung der Herrenmode seien als Umstrukturierungsmaßnahmen nicht geeignet gewesen.
Der Senat hat den Rechtstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehen nach Aktenlage nicht.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegensprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (vgl. BFH-Urteil vom 07.06.1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15.01.1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994, vom 25.08.1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 23.07.1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).
Die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde, und präsenten Beweismitteln ergibt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 21.07.1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116; vom 16.06.2003 IX B 60/03, BStBl II 2003, 945).
Nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) geht die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbegründender Tatsachen zu Lasten der Finanzbehörde, diejenige steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 05.11.1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220, und vom 15.02.1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Der objektiven Beweislast (Feststellungslast) im Klageverfahren entspricht eine objektive Glaubhaftmachungslast im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 15.10.1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden.
Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.11.1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279; vom 06.09.1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 10.05.2001 I S 3/01, BFH/NV 2001, 957).
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung zu Recht die Verluste der Ast aus ihrem seit 2007 gegründeten und 2018 aufgegebenen Einzelunternehmen mangels Einkünfteerzielungsabsicht in den Streitjahren nicht mehr berücksichtigt.
aa) Gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt eine gewerbliche Tätigkeit u.a. voraus, dass die Tätigkeit in der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal gewerblicher Tätigkeit ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (vgl. den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 766, unter C.IV.3.c). Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung, und zwar aufgrund einer Betätigung, die, über eine größere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Ergebnisse hin angelegt ist. Das für den Tatbestand der Einkünfteerzielung notwendige Gewinnstreben ist anhand äußerer Merkmale zu beurteilen. Zu den äußeren Kriterien, an denen die Gewinnerzielungsabsicht zu messen ist, gehört nicht nur der Erfolg, sondern auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit. Dazu bedarf es einer in die Zukunft gerichteten, langfristigen Prognose, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten (vgl. BFH-Beschluss vom 13.04.2011 X B 186/10, BFH/NV 2011, 1137, m.w.N.).
In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Aus einer objektiv negativen Prognose kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte. Ein solcher -vom Steuerpflichtigen widerlegbarerSchluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115; vom 20. September 2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408).
Die so verstandene Liebhaberei ist grundsätzlich bei allen Arten von Gewinneinkünften möglich, wenn die betreffende Tätigkeit Ausdruck eines persönlichen, die Lebensgestaltung betreffenden Bedürfnisses sein kann (vgl. so schon BFH-Urteil vom 05.05.1983 IV R 53/80, juris, Modeboutique mit Anlaufverlusten).
Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/ -verlust zusammen. Kommt es nicht zu einer Veräußerung des Betriebs, ist der Schätzung des Totalgewinns ein (fiktiver) Aufgabegewinn/-verlust gemäß § 16 Abs. 3 EStG zugrunde zu legen (vgl. BFH-Beschluss vom 13.04.2011 X B 186/10, BFH/NV 2011, 1137).
Wird eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die -wie im Streitfallnicht typischerweise in der Nähe eines Hobbybereichs anzusiedeln ist, so können im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen. Das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, spricht für sich genommen schon dafür, dass langjährige, stetig ansteigende Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (vgl. BFH-Urteile vom 30.10.2014 IV R 34/11 BStBl II 2015, 380; vom 26.02.2004 IV R 43/02, BStBl II 2004, 455; vom 23.05.2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874). Auch wenn selbst in diesen Fällen die Gewinnerzielungsabsicht nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktionen auf bereits eingetretene Verluste verneint werden kann, so ist das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende, nicht marktgerechte Verhalten dennoch als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten; denn ein solches Verhalten lässt den Schluss darauf zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.03.2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115).
Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2004 X R 62/01, BStBl II 2005, 336).
Die Beschäftigung nahestehender Personen zur Erlangung des vollen Schutzes durch die gesetzliche Sozialversicherung kann ein persönliches Motiv für die Hinnahme von Verlusten darstellen (vgl. BFH-Beschluss vom 04.03.2016 X B 188/15, BFH/NV 2016, 1036).
Die Steuerersparnis kann dann tragend als persönliches Motiv für die Hinnahme der Verluste herangezogen worden, wenn die Tätigkeit die Möglichkeit eröffnet, Kosten der privaten Lebensführung (z.B. anteilige Fixkosten ohnehin vorhandener Gegenstände wie PKW, Wohnung, Kommunikationsmittel oder Computer) in den einkommensteuerlich relevanten Bereich zu verlagern (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2004 X R 33/03, BStBl II 2004, 1063).
Der Steuerpflichtige, der Verluste geltend macht, trägt die Beweis- und Feststellungslast dafür, dass er seine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat (vgl. zur Beweislastgrundregel z.B. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015).
bb) Die Totalgewinnprognose der Ast für ihr Modegeschäft ist negativ und nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die Ast die langjährigen und hohen Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen hat.
Die Ast hat zum 30.06.2018 ihren Betrieb eingestellt. Im Zeitraum 2007 bis 2017 sind erhebliche Verluste aus dem Modegeschäft in Höhe von 801.843,61 € aufgelaufen gewesen. Für 2018 liegen keine Erkenntnisse über die Einkünfte des Ast aus dem Modegeschäft vor. Die vorhandenen stillen Reserven im Hinblick auf den 2007 angeschafften PKW und die Ladeneinrichtung können jedenfalls derart hohe Verluste bei weitem nicht ausgleichen.
Von Anlaufverlusten ist im Streitfall nicht mehr auszugehen gewesen, da bis zu Beginn des Streitzeitraums (2013) eine betriebsspezifische Anlaufzeit bis zum Erforderlichwerden größerer Korrektur- und Umstrukturierungsmaßnahmen von fünf Jahren bereits Ende 2011 abgelaufen gewesen ist. Daher kann im Streitfall dahinstehen, ob der Geschäftsbetrieb, wie er von der Ast betrieben worden ist, aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs von vornherein nicht in der Lage gewesen ist, nachhaltige Gewinne zu erzielen (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874).
Die Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit über die Anlaufzeit hinaus spricht jedoch fortan nicht mehr für eine Absicht der Ast, Gewinn zu erzielen (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rz 37, m.w.N.). Die Ast hat trotz ihrer betriebswirtschaftlichen Kenntnisse als Geschäftsführerin eines Pharmaunternehmens zu keinem Zeitpunkt für ihr mit Angestellten betriebenes Modegeschäft ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt oder eine Totalgewinnprognose angestellt.
Hinzu kommt, dass die von ihr angestellte Marktanalyse gerade nicht objektiv nachvollziehbar gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874). So hat die Ast bezogen auf die Geeignetheit des Standorts ihres Modegeschäfts in W die Abwanderung ihrer einzigen, noch dazu in der Modebranche auf dem Land erfahrenen und ihr Modegeschäft selbst betreibenden Mitbewerberin ins benachbarte S (4.400 Einwohner) in keiner Weise hinterfragt, obwohl ihr tatsächlich private Gründe der Mitbewerberin bezogen auf deren Abwanderung nicht bekannt gewesen sind.
Die Ast hat bei ihrer Marktanalyse ferner nicht bedacht, ob die in einem kleinen Ort wohnenden Kunden mit nur ca. 2.400 Einwohnern -wie W-, erwarten, von der Inhaberin selbst bedient zu werden, oder ob zahlungskräftige Touristen W in erster Linie zum Wintersport oder Bergwandern aufsuchen und nicht zum Shoppen besuchen.
Aufgrund der bis Ende 2012 aufgelaufenen hohen Verluste in Höhe von ca. 574.600 € hätte nach summarischer Prüfung die -noch dazu in ihrem Hauptberuf als Geschäftsführerin erfahreneAst ihr Modegeschäft aufgeben müssen. Spätestens jetzt hätte sie erkennen müssen, dass bereits der Standort für das -wie von ihr betriebeneModegeschäft am Wintersportort W für den Verkauf hochwertiger Mode mit einer begrenzten Käuferschicht ungeeignet gewesen ist. Hinzu kam noch, dass ab 2009 das angebotsstarke und niedrigpreisige Outlet für hochwertige Mode in B ihrem Modegeschäft als offensichtlich unbezwingbare Konkurrenz gegenübergestanden hat und die Käufermentalität „Geiz ist geil“. Auf beides hat die Ast selbst hingewiesen, ohne aber zeitnah entsprechende Schlüsse gezogen zu haben.
Das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen ist im Hinblick auf das darin liegende, nicht marktgerechte Verhalten als ein weiteres gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Ast zu werten; denn ein solches Verhalten lässt den Schluss darauf zu, dass die Betriebsführung der Ast nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115, m.w.N.). Die von der Ast getroffenen Umstrukturierungsmaßnahmen, z.B. Reduzierung der Labels in den Jahren 2009 bis 2011 oder die Personaleinsparung haben lediglich dazu geführt, die Verluste zu verringern, aber nicht eine Trendwende einzuleiten, geschweige denn die bereits hohen aufgelaufenen Verluste noch auszugleichen.
Persönliche Gründe oder Motive der Ast kommen im Streitfall auch deswegen in Betracht, weil die Beendigung der verlustbringenden Tätigkeit möglich gewesen wäre, aber unterblieben ist, und weil die Fortführung wegen der Möglichkeit der steuerlichen Verrechnung der Verluste für die Ast per saldo finanziell günstiger gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2007 IV R 6/05, BFH/NV 2007, 1492).
Die gewerbliche Tätigkeit der Ast ist auch nicht die alleinige Existenzgrundlage der Ast gewesen. Vielmehr hat die Ast in den Streitjahren über hohe andere Einkünfte verfügt, um ihren gesamten Lebensbedarf und zugleich die aus ihrem Einzelunternehmen jährlich anfallenden Verluste abzudecken (vgl. BFH-Urteile vom 14.12.2004 XI R 6/02, BStBl II 2005, 392 und vom 15.11.2006 XI R 58/04, BFH/NV 2007, 434).
Die Beschäftigung der ihr seit 2003 nahe stehenden (aufgrund ihrer persönlichen Lebensbeziehungen und noch dazu in der Modebranche unerfahrenen) Person als Geschäftsführerin des Modegeschäfts -Frau O-, die Möglichkeit der Nutzung des Betriebsfahrzeugs unter Berücksichtigung eines nur pauschalen Eigenverbrauchs oder die Aufnahme der Ast in das Gesellschaftsleben in W durch ihren Beitritt in die Wirtschaftsgemeinschaft „Die Kaufleute in W“ sind als weitere private Motive weder entkräftet, geschweige denn ist anderes von der Ast glaubhaft gemacht worden. Dies geht zu Lasten der Ast., da eine Erleichterung für die Feststellung denkbarer privater Gründe darin liegt, dass die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gewinn- bzw. Einkünfteerzielungsabsicht, insbesondere also für nicht private Motive, der Steuerpflichtige trägt (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 2017 X R 27/16, BFH/NV 2018, 36, m.w.N.).
2. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.
Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Nichtzulassung der Beschwerde auf § 128 Abs. 3 FGO. Gründe i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.


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