Steuerrecht

Kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers trotz Treuhandvereinbarung

Aktenzeichen  L 9 AL 185/12

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 119281
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III § 25 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 1, § 123 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH ist bei dieser abhängig beschäftigt, sofern er auf die Gesellschaft keinen beherrschenden Einfluss hat. Der am Stammkapital der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer ist weder wegen seiner Organstellung noch deswegen von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Schluss von der Höhe der Kapitalbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers auf das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft kann dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer an der Ausübung der ihm zustehenden Rechtsmacht aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen gehindert ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 34 AL 328/10 2012-03-29 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen des Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör des Klägers ist gewahrt.
A.
Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Ablehnung der Gewährung von ALG durch die Beklagte erweist sich als rechtens.
Anspruch auf ALG haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III (in der Fassung vom 23.12.2003) Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung vom 15.07.2009) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III (in der Fassung vom 27.12.2003) beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf ALG. Die Rahmenfrist erstreckte sich hier vom 26.11.2007 bis zum 25.11.2009, da der Kläger sich am 26.11.2009 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosigkeit im Sinn des SGB III seit dem 24.11.2009 vorgelegen hatte.
Der Kläger stand im Zeitraum vom 26.11.2007 bis zum 25.11.2009 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis, sondern lediglich 335 Tage. Das Versicherungspflichtverhältnis aus der Beschäftigung bei der Fa. W. dauerte nur bis zum 31.10.2008. Die sich daran anschließende Tätigkeit als Geschäftsführer der D GmbH war nicht geeignet, weitere Pflichtversicherungszeiten zur Erfüllung der Anwartschaft zu vermitteln, weil der Kläger hier als Beschäftigter tätig war. Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung vom 31.7.2008) Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, nicht dagegen Selbständige. Gemäß § 7 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).
Ob ein Versicherungspflichtverhältnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorliegt, beurteilt sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung entwickelt haben (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2007 – B 7a AL 8/06 R). Beschäftigter ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (vgl. BSG a.a.O.). Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 8); dabei muss vom Gesamtbild der Arbeitsleistung ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25).
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung beziehungsweise der selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25).
Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft wird nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer verkörpert der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Der Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH ist bei dieser abhängig beschäftigt, sofern er auf die Gesellschaft keinen beherrschenden Einfluss hat (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.1989 – 11 RAr 39/89 = SozR 4100 § 104 Nr. 19). Anders gewendet: Wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber zu vermeiden vermag, kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 17). Der am Stammkapital der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer ist aber weder wegen seiner Organstellung noch deswegen von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Maßgebend ist vielmehr vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).
Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 17). Maßgeblich ist primär die aus der Kapitalbeteiligung an der GmbH folgende Rechtsmacht, Weisungen, wie die Geschäfte zu führen sind, zu verhindern (vgl. Legde, SGb 2017, S. 25 (26)).
Diese Konstellation liegt auch hier vor. Der Kläger war im fraglichen Zeitraum bis zum Eintritt seiner Arbeitslosigkeit sogar alleiniger Gesellschafter der D GmbH. Das ergibt sich aus der notariellen Urkunde vom 10.10.2008 zur Errichtung der D GmbH. Darin steht, der Kläger habe eine GmbH errichtet und den Gesellschaftsvertrag festgestellt. § 3 der in Bezug genommenen GmbH-Satzung weist aus, dass der Kläger die Stammeinlage in voller Höhe übernommen hatte. Damit war er Alleingesellschafter. Zwar hat der Kläger beharrlich dagegen vorgebracht, die D GmbH sei nicht „seine Gesellschaft“ gewesen. Diese Einschätzung verkennt allerdings die zivilrechtlichen Verhältnisse. Zwar hat dem Treuhandvertrag zufolge zwischen dem Kläger und NS ein Rechtsverhältnis mittelbarer Stellvertretung bestanden, was in diesem das Gefühl hervorgerufen haben mag, er sei nicht in seiner eigenen Gesellschaft tätig gewesen. Mittelbare Stellvertretung bewirkt aber nicht, dass der mittelbare Stellvertreter, hier der Kläger, die Rechtsinhaberschaft nach außen verliert. Insoweit muss zwischen dem Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zwischen ihm und NS differenziert werden.
Dieser Schluss von der Höhe der Kapitalbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers auf das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft, der auch im vorliegenden Fall nahe liegt, kann aber dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer an der Ausübung der ihm zustehenden Rechtsmacht aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen gehindert ist. Erstmals mit Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 (SozR 3-4100 § 168 Nr. 18) hat das BSG entschieden, dass das lediglich treuhänderische Halten eines Gesellschaftsanteils einen derartigen Hinderungsgrund darstellen kann (bestätigt in BSG, Urteil vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 17). Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, als Treuhänder für den hinter der Gesellschaftsgründung stehenden und wirtschaftlich für die Gesellschaft aufkommenden Treugeber habe der seinerzeitige Kläger die Stellung als alleiniger Gesellschafter lediglich formalrechtlich innegehabt, habe aber infolge der detailliert geregelten Weisungsbefugnisse des Treugebers in dem vor der Gesellschaftsgründung geschlossenen Treuhandvertrag seine gesellschaftsrechtliche Position als Alleingesellschafter nicht wirklich auszuüben vermocht. Schließe demnach die Stellung des Klägers als Alleingesellschafter, so das BSG weiter, wegen der besonderen Gestaltung des Treuhandverhältnisses die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht von vornherein aus, so bleibe entscheidend, ob der Geschäftsführer nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrags hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei gewesen sei oder nicht. Maßgebend sei also die persönliche Abhängigkeit von der GmbH beziehungsweise dem mittelbaren Gesellschafter.
Aus diesen Vorgaben lässt sich für den vorliegenden Fall Folgendes ableiten: Die Stellung des Klägers als alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der D GmbH schafft eine Regelvermutung (dieser Begriff wird verwandt in BSG, Urteil vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 17), dass insoweit eine selbständige Tätigkeit vorlag. Damit darf es aber nicht sein Bewenden haben. Denn prinzipiell ist die hier gegebene Treuhandkonstellation geeignet, die Selbständigeneigenschaft des Klägers in Frage zu stellen. Eine Gesamtbetrachtung aller konkreten maßgebenden Umstände führt indes zum Ergebnis, dass der Kläger gleichwohl nicht Beschäftigter der D GmbH war. Zwar wurde durch Vertrag vom 10.10.2008 rechtswirksam ein Treuhandverhältnis generiert (dazu unten 1.). Jedoch büßte der Kläger dadurch seinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft nicht wesentlich ein (dazu unten 2.).
1. Anders als das Sozialgericht hegt der Senat keine durchgreifenden Bedenken in Bezug auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Treuhandvertrags vom 10.10.2008. Dieser wurde formgerecht geschlossen (vgl. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 30/04 R). Die schriftliche Genehmigung, die von MH unterschrieben wurde, entfaltet „heilende“ Wirkung sowohl bezüglich des Umstands, dass der Kläger den Treuhandvertrag womöglich zunächst als Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen hatte, als auch als Gestattung im Sinn von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Für die Genehmigung durch NS genügte die Schriftform, weil diese gemäß § 182 Abs. 2 BGB nicht der für das genehmigte Rechtsgeschäft bestimmten Form bedurfte.
Auch der Umstand, dass MH und nicht NS die Genehmigung des Treuhandvertrags unterschrieb, nimmt dieser nicht ihre rechtliche Wirkung. Nach dem objektiven Empfängerhorizont nahm MH kein eigenes, sondern ein Geschäft ihrer Tochter NS vor. Auch wenn sie keinen expliziten Vertretungszusatz angebracht hatte, so ergibt sich dies doch aus den gesamten Umständen. MH war Drahtzieherin des Geschäfts mit der D GmbH, wollte aber im Hinblick auf die damals bevorstehende Scheidung von ihrem ebenfalls in der Möbelbranche tätigen Ehemann nicht als solche in Erscheinung treten. So schob sie ihre Tochter NS als „Strohfrau“ vor. Man muss davon ausgehen, dass MH das von ihr gewählte rechtliche Beziehungsgefüge konsequent um- und fortsetzen wollte. Das impliziert aber gerade, dass sie bei der Genehmigung im Namen ihrer Tochter aufgetreten ist. Derartiges schlüssiges Handeln für einen anderen ist nicht nur im Rahmen von Verträgen, sondern auch bei einseitigen Rechtsgeschäften wie der hier vorliegenden Genehmigung zu akzeptieren. Vom Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht der NS für MH kann ausgegangen werden, so dass eine Unwirksamkeit der Genehmigung gemäß § 180 Satz 1 BGB nicht zur Debatte steht. Die Genehmigung entfaltete rückwirkende Kraft (vgl. § 184 Abs. 1 BGB); Zweifel, dass sie erst nach Abschluss des Treuhandvertrags erteilt wurde, hegt der Senat trotz der fehlenden Datierung nicht.
2. Allerdings gestaltete das Treuhandverhältnis die Stellung des Klägers in der D GmbH nicht in einer Weise um, dass damit der Verlust seiner beherrschenden Stellung einherging. Vielmehr war der Kläger gleichwohl nicht – im Sinn eines Arbeitsverhältnisses – weisungsunterworfen; er hatte trotzdem die rechtliche Möglichkeit, als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden.
Zunächst steht dazu nicht in Widerspruch, dass die D GmbH in der Tat in vielfältiger Weise von den chinesischen Akteuren abhängig war. Da der Kläger offenbar keine finanziellen Mittel in die D GmbH investieren wollte – und dies letztlich auch nicht getan hat -, war es notwendig, das erforderliche Firmenkapital auf anderem Weg zu beschaffen. Dies übernahm hier keine Bank, sondern MH mittels zinsloser Darlehen; sie nämlich hatte ein überragendes Interesse, rasch, konkret innerhalb eines Jahres, ein funktionierendes Vertriebssystem zu errichten. Es bestand also zweifellos eine unmittelbare finanzielle Abhängigkeit von MH. Zweitens war die D GmbH als Vertriebsfirma für Y oder G von deren Produktpalette abhängig; nur wenn die chinesischen Möbelhersteller und -zulieferer diesbezüglich erfolgreich waren, konnte auch die D GmbH prosperieren. Und drittens musste die D GmbH von den chinesischen Zulieferern erst „das Laufen lernen“. Der Kläger hatte keinerlei Knowhow in der Möbelbranche; auch der angestellte Sales Manager war insoweit Neuling. Daher war die D GmbH dringend auf fachliche Hilfestellung aus China angewiesen. Offenbar nicht einmal im Marketing besaß die D GmbH Kompetenzen. Nur so lässt sich erklären, dass die chinesischen Partner sich nicht darauf beschränkten, die hochwertigen und teuren Möbelstücke zu liefern. Vielmehr wurde aus China auch das notwendige Ausstellungsmobiliar importiert sowie vor Ort von chinesischen Spezialisten aufgestellt; das ergibt sich unzweideutig aus dem Entwurf einer zivilrechtlichen Klageschrift vom 05.03.2010, deren Aussagen der Senat insoweit voll und ganz glaubt. Die Gestaltung des Showrooms in O-Stadt übernahmen die chinesischen Lieferanten, einerseits weil der D GmbH die finanziellen Mittel fehlten, andererseits weil diese allem Anschein nach nicht wusste, wie man hochwertige Spezialmöbel verkaufswirksam präsentierte.
All diese Abhängigkeiten begründeten aber keine arbeitnehmerspezifische Weisungsunterworfenheit des Klägers. Im Wirtschaftsleben bestehen mannigfaltige Dependenzen zwischen den Akteuren. Unternehmen, die überwiegend durch Fremdkapital finanziert sind, stehen immer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Kreditgebern, zumeist Banken. Trotzdem wachsen die Kreditgeber damit nicht in eine für eine Beschäftigung typische Arbeitgeber- oder Vorgesetztenrolle. Vertragshändler zum Beispiel in der Automobilbranche sind auf Gedeih und Verderb auf die Produkte ihrer Zulieferer angewiesen; und der Modus der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr wird mitunter minutiös vorgegeben. Trotzdem wird der Vertragshändler nicht Beschäftigter des Automobilherstellers. Auch beim Franchising besteht beispielsweise eine sehr starke Abhängigkeit des Franchisenehmers vom Franchisegeber, ohne dass die Selbständigeneigenschaft des Franchisenehmers dadurch leidet. Als gesetzlicher Beleg dafür, dass derartige wirtschaftliche Abhängigkeiten nicht geeignet sind, aus einem Selbständigen einen abhängig Beschäftigten zu machen, mag § 2 Nr. 9 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch dienen. Danach sind arbeitnehmerähnliche Selbständige zwar in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, das Gesetz behandelt sie aber gleichwohl als Selbständige und nicht als Beschäftigte.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die festzustellenden Abhängigkeiten der D GmbH von MH oder anderen chinesischen Akteuren sich auf dieser Ebene des allgemeinen Interagierens im wirtschaftlichen Verkehr bewegten. Sie waren dagegen nicht von der Art, dass sich der Kläger als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der D GmbH in einer spezifischen, für Arbeitsverhältnisse typischen Weisungsunterworfenheit befunden hatte. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat, indem er die einschlägige Rechtsprechung der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG als Richtschnur heranzieht (dazu unten a). Ein Abgleich mit der aktuellen Rechtsprechung des 12. Senats beim BSG bestätigt das auf diese Weise gefundene Ergebnis (dazu unten b).
a) Die tradierte und auch gegenwärtig noch aktuelle Rechtsprechung der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate beim BSG befindet sich auf dem Stand, dass rechtliche Vereinbarungen durch Faktizitäten in erheblichem Ausmaß überlagert werden können; die so genannte Kopf-und-Seele-Rechtsprechung sowie die besondere Behandlung von Familiengesellschaften sind noch etabliert.
Diese Rechtsprechung weist zwei Judikate auf, bei denen gerade die Beschäftigteneigenschaft der Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen von Treuhandverhältnissen jeweils zentrales Problem war, und die deswegen unmittelbar einschlägig sind.) Bei der grundlegenden Entscheidung vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 (SozR 3-4100 § 168 Nr. 18) fungierte der Kläger als Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter einer GmbH, die wiederum alleinige Komplementärin einer Kommanditgesellschaft war; die Anteile an der GmbH hielt der Kläger für einen Treuhänder. Der Treuhandvertrag sah vor, dass der damalige Kläger nur nach Maßgabe schriftlicher Weisungen über seine Anteile verfügen konnte. Seine Rechte als Gesellschafter durfte er nur nach Einholung von Weisungen ausüben. Hinsichtlich sämtlicher Geschäftsführungsmaßnahmen war er den Weisungen des Treugebers unterworfen. Dieser besaß eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht. Neben einer Informations- und Berichterstattungspflicht hatte der Kläger als Treuhänder alle Zahlungen und sonstigen Leistungen, welche ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter zuflossen, unverzüglich an den Treugeber abzuführen. Der Treugeber kam wirtschaftlich für die Gesellschaftsgründung auf. Der Treuhänder übertrug bereits im Treuhandvertrag den Geschäftsanteil an der GmbH und den Kommandit-anteil an der KG dem Treugeber mit Wirkung auf den Zeitpunkt, zu dem der Treuhandvertrag durch die dem Treugeber jederzeit mögliche Kündigung endete. Aus der Sicht des BSG geriet die Selbständigeneigenschaft des damaligen Klägers in erster Linie deswegen ins Wanken, weil eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht für den Treugeber vorlag. Im Einzelnen führte das BSG aus, der Treuhandvertrag erschöpfe sich hier nicht in einer schuldrechtlichen Weisungsgebundenheit des Klägers und der Möglichkeit des Treugebers, durch Kündigung des Treuhandverhältnisses das Treugut wieder an sich zu ziehen. Vielmehr weise hier das Treuhandverhältnis eine besondere Gestaltung auf. Der Kläger sei nach dem Inhalt des Treuhandvertrags nicht nur gehalten gewesen, die ihm formal zustehenden Gesellschafterrechte nur im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers auszuüben, sondern aufgrund der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht sei ihm ein wesentlicher Teil des Mitgliedschaftsrechts – nämlich das Stimmrecht – genommen gewesen. Er habe zwar als Gesellschafter-Geschäftsführer im Außenverhältnis die Gesellschaft wirksam vertreten, aber auf die Gesellschaft keinen entscheidenden Einfluss nehmen können. Der Treugeber sei somit der wirtschaftlich maßgebende Hintermann und der die Gesellschaft in jeder Beziehung beherrschende mittelbare Gesellschafter gewesen. Zusammenfassend meinte das BSG, jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Streitfall, in dem sich der Treugeber nicht mit einem schuldrechtlichen Weisungsrecht zufrieden gegeben, sondern sich die Ausübung des Stimmrechts persönlich vorbehalten habe, erscheine es gerechtfertigt, die Gesellschafterstellung des Klägers nicht nach rein formalrechtlichen Kriterien zu bestimmen.) In der zweiten Entscheidung vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95 (SozR 3-4100 § 141b Nr. 17) bekundete das BSG im Wesentlichen, die Entscheidung vom 08.12.1994 fortführen zu wollen. Damals hatte sich das vorentscheidende LSG allein darauf gestützt, der damalige Kläger habe keine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht ausgestellt, sondern sei lediglich schuldrechtlich verpflichtet gewesen. Diese Vorgehensweise missbilligte das BSG. Vielmehr hätte das LSG nach seiner Ansicht alle Aspekte des Einzelfalls gegeneinander abwägen müssen.
Gemessen daran vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass den für eine Beschäftigteneigenschaft sprechenden Umständen quantitativ oder qualitativ ein Übergewicht zugekommt.
Die Position des Klägers als Treuhänder sah grundlegend anders aus als im Fall des BSG-Urteils vom 08.12.1994. Hier reichten die im Treuhandvertrag vorgesehenen Einflussmöglichkeiten der NS – und damit der MH – nicht aus, um die Dominanz des Klägers signifikant zu schwächen. Vor allem hatte NS – was für das BSG im Urteil vom 08.12.1994 besonders wichtig war – vom Kläger keine Vollmacht erhalten, geschweige denn eine unwiderrufliche, das Stimmrecht wahrzunehmen.
Im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen – also das operative Geschäft der D GmbH – räumte der Treuhandvertrag der Treugeberin zudem keinerlei Weisungsbefugnis ein. Ein Weisungsrecht besaß NS nur in Bezug auf den Anteil als solchen. So gab Nr. 1 Abs. 1 des Treuhandvertrags dem Kläger die Beachtung der Weisungen der Treugeberin nur in Bezug auf Verfügungen auf, welche die Beteiligung als solche oder die Rechte hieraus betrafen. Und Nr. 1 Abs. 2 des Treuhandvertrags ergänzte, das gelte vor allem auch für die Ausübung des Stimmrechts bezüglich der Beteiligung. Trotz eingehender Erwägung auch abweichender Auslegungsmöglichkeiten vermag der Senat nicht zum Ergebnis zu gelangen, der Kläger sei vertraglich im Bereich des operativen Geschäfts irgendwelchen Beschränkungen in seinen Gesellschafterrechten durch Weisungsrechte der NS unterworfen gewesen. Mit anderen Worten: Es gab keine rechtliche Grundlage dafür, dass NS in das operative Geschäft hätte eingreifen können; Angelegenheiten nach § 46 Nr. 6 GmbHG – dabei handelt es sich um den Transmissionsriemen für Einflussnahmen der Gesellschafter auf die Geschäftsführung – waren von ihrem Weisungsrecht nicht erfasst. NS hatte sich im Treuhandvertrag letztendlich nur eine Art Ertragsrecht gesichert. Diesbezüglich stand sie in etwa einem atypischen stillen Gesellschafter gleich, dem übrigens in der BSG-Entscheidung vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R (SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) keine Unternehmereigenschaft zugebilligt wurde.
Des Weiteren mussten laut Treuhandvertrag nur tatsächlich vorhandene Anweisungen der Treugeberin beachtet werden. Dagegen legte der Vertrag nicht fest, dass der Treuhänder von sich aus auf die Treugeberin zugehen und sie um Anweisungen ersuchen musste; er statuierte keinen Zustimmungsvorbehalt. Wenn also die Treugeberin nichts von einer Angelegenheit erfuhr und sich daher zwangsläufig nicht positionieren konnte, unterlag der Treuhänder auch keiner Bindung. Zwar geht allgemein ein Weisungsrecht des Treugebers bezüglich der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung vermutlich mit einer Auskunftspflicht des Treuhänders auf der Grundlage von § 666 BGB einher. Dabei dürfte es sich um eine Benachrichtigungspflicht auch ohne Verlangen seitens des Treugebers handeln. Der Auftraggeber, also der Treugeber, soll unaufgefordert so weit über den Stand der Geschäftsbesorgung unterrichtet werden, dass er seine Rechte und Pflichten aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis wahrnehmen und sachgerechte Entscheidungen treffen kann. Im Kontext dazu erscheint aber von erheblicher Bedeutung, dass nach Nr. 5 des Treuhandvertrags die Benachrichtigungs- und Informationspflichten des Klägers als Treuhänder sehr eingeschränkt waren: Danach oblag dem Treuhänder lediglich die Pflicht, „sämtliche Mitteilungen, die die Gesellschaft oder deren Gesellschafter betrafen und die ihm bekannt wurden“, der Treugeberin unverzüglich mitzuteilen. Mit dieser Passage wurde die Benachrichtigungspflicht des Klägers speziell geregelt; sie bestand im Wesentlichen nur in Bezug auf die Weitergabe fremder Gedankenerklärungen.
Die in Nr. 1 Abs. 1 des Treuhandvertrags enthaltene Verpflichtung, jede selbständige Verfügung über die Geschäftsbeteiligung zu unterlassen, war vergleichsweise schwach ausgestaltet. Anders als die an gleicher Stelle geregelte Weisungsunterworfenheit betraf sie nur Verfügungen über die Beteiligung, nicht aber solche über „die Rechte hieraus“.
Die in Nr. 2 Abs. 1 des Treuhandvertrags festgelegte Verpflichtung, Gewinne etc. an NS herauszugeben, darf als Einschränkung der Gesellschafterrechte des Klägers nicht überschätzt werden. Denn es war keineswegs automatisch jedes Bilanzplus an die Gesellschafter und damit an NS herauszugeben. Das verdeutlicht § 46 Nr. 1 GmbHG: Danach unterliegt der Bestimmung der Gesellschafter die Feststellung des Jahresergebnisses sowie die Verwendung des Ergebnisses. Erst wenn also die Gesellschafterversammlung die Ausschüttung beschlossen hätte, hätte es überhaupt zu einem an NS abzuführenden Gewinn kommen können. Somit lag es in der Hand des Klägers als Alleingesellschafter zu steuern, was NS letztlich als Gewinnausschüttung erhalten würde. Und bevor überhaupt ein an NS weiterzureichender Gewinn des Unternehmens hätte festgestellt werden können, wäre der Kläger auf jeden Fall in den Genuss eines Salärs gekommen, das angesichts seiner enormen Höhe als Unternehmervergütung, nicht aber als Beschäftigtengehalt einzustufen ist. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Sozialgerichts vollständig an. Es mag durchaus sein, dass, wie der Kläger vorgetragen hat, auch beschäftigte Geschäftsführer von GmbHs derart hohe oder noch höhere Vergütungen erzielen. Dabei lässt er aber unberücksichtigt, dass es sich erstens bei der D GmbH um alles andere als ein etabliertes, effizientes und rentables Unternehmen handelte – der Kläger selbst spricht von einem Start-Up-Unternehmen -, dass zweitens der Kläger für das Geschäft augenscheinlich nur unzureichende Kompetenzen mitbrachte und dass es sich drittens insbesondere für MH um ein hoch riskantes, weil mangelhaft konzipiertes und eher amateurhaft aufgezogenes Unterfangen handelte. Unter diesen Umständen einem beschäftigten Geschäftsführer 17.000 EUR monatlich allein als Grundgehalt zuzusagen, erscheint wirtschaftlich schlichtweg nicht nachvollziehbar. Die Erklärung dafür: Der Kläger beanspruchte kein Angestellten-, sondern ein Unternehmerhonorar. Diese faktische Unternehmervergütung sollte jedoch im Gewand einer Betriebsausgabe erscheinen mit der Folge, dass der bilanzielle Gewinn stets um die Vergütung des Klägers vermindert war. Im Ergebnis büßte der Kläger durch Nr. 2 Abs. 1 des Treuhandvertrags seine „Unternehmervergütung“ also keineswegs zu Gunsten von NS ein.
Die geschilderten Regelungen im Treuhandvertrag können nicht als lediglich falsch oder unglücklich formuliert und womöglich mit einem Hinweis auf den Grundsatz „Falsa demonstratio non nocet“ abgetan werden. Immerhin handelt es sich um einen notariell beurkundeten Vertrag. Außerdem deutet sehr viel darauf hin, dass die Zurückhaltung im Treuhandvertrag bewusst gewählt war. Aus Sicht der chinesischen Initiatoren sollte der Vertrieb in Europa geoutsourct sein; das war von Anfang an Ziel. Nach Schilderung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wollte MH einen Vertrieb aufbauen; nach einem Jahr sollte sich die D GmbH aber selbst tragen. Damit harmoniert, dass die Treugeberrechte sich im Wesentlichen nur auf die „Beteiligung“ erstreckten. MH hatte das dominierende Interesse, dass ihre Investitionen nicht im Sande verliefen. Aus ihrer Sicht waren die Finanzspritzen Fremdkapital der D GmbH. Sie wollte das Geld wieder zurückhaben. In der Sache sollte der Kläger dagegen nicht gegängelt werden. Die Stellung der MH glich damit nicht der eines Betriebsinhabers, sondern der eines Kreditgebers. Dementsprechend sah der Treuhandvertrag auch nicht vor, dass sie über NS in das operationelle Geschäft der D GmbH eingreifen konnte. Sinn macht auch die im Treuhandvertrag vorzufindende Beschränkung des Weisungsrechts auf Verfügungen bezüglich der Beteiligung als solcher oder der Rechte hieraus. Wie nämlich § 46 Nr. 4 GmbHG zeigt, gibt es tatsächlich die Ausübung eines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung „bezüglich der Beteiligung“: Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen die Teilung, die Zusammenlegung und die Einziehung von Geschäftsanteilen.
Die übrigen einschlägigen Regelwerke und Vereinbarungen enthielten nichts, was das aus dem Treuhandvertrag abzuleitende Ergebnis hätte in Frage stellen können. Aus der Satzung der GmbH sind nur die §§ 3 und 6 von Bedeutung: § 3 regelte, dass das Stammkapital der D GmbH 25.000 EUR betrug und der Kläger die gesamte Stammeinlage übernahm. Im Außenverhältnis war er Alleingesellschafter und zugleich einziger Geschäftsführer. Die Satzung enthielt keine Passagen, die geeignet gewesen wären, die damit verankerte Machtstellung des Klägers zu relativieren. Zwar offenbart § 6 der Satzung, dass der Geschäftsführer nicht von vornherein von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war; dazu hätte es vielmehr erst eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedurft. Das vermag die Machtposition des Klägers aber nicht wesentlich zu schmälern. Denn er war einziger Gesellschafter und hätte sich vor diesem Hintergrund die Befreiung selbst erteilen können, ohne aufgrund des Treuhandvertrags vorher jemand um Erlaubnis fragen zu müssen.
Aus dem erst am 04.02.2009 geschlossenen Geschäftsführervertrag ergibt sich nichts anderes. Dessen Nr. II regelte in erster Linie die Vergütung des Klägers: Zum einen war ein monatliches Fixum in Höhe von 17.000 EUR ausgewiesen. Zum anderen sollte der Kläger auch einen variablen Vergütungsanteil erhalten. Auch war geregelt, dass die D GmbH einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zu übernehmen hatte, der sich an die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen anlehnte. Weiter enthielt Nr. II einen Passus (5.), wonach der Kläger ab dem zweiten Jahr 50% der Anteile übernehmen konnte (Call Option auf 50% der Geschäftsteile). Nummern III und V des Geschäftsführervertrags trafen Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit und zum Urlaub, wie sie bei Arbeitnehmern üblich sind. Der Senat lässt an dieser Stelle offen, ob der Geschäftsführervertrag überhaupt wirksam geschlossen wurde; denn sollte tatsächlich, wie es der Kläger behauptet, MH für die D GmbH unterschrieben haben, wäre deren Vertretungsmacht durchaus fraglich. Die zivilrechtliche Wirksamkeit unterstellt, scheinen die im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelungen zum Teil auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hinzuweisen. Trotzdem vermögen sie das Gesamtbild nicht entscheidend zu beeinflussen:) Die Aussagekraft des Geschäftsführervertrags ist dadurch geschwächt, dass dieser erst nachträglich im Februar 2009 geschlossen wurde. Die Verzögerung um mehrere Monate war vermutlich kein Zufall. Zunächst hatte der Kläger anscheinend gedacht, ein schriftlicher Anstellungsvertrag sei entbehrlich. Da aber bis Februar 2009 die erhoffte Vergütung aus Sicht des Klägers nur unzureichend geflossen war – über die einschlägigen Monate aus 2008 liegen keinerlei Gehaltsabrechnungen vor, im Januar, Februar und März 2009 sollen laut Vergütungsabrechnungen und den Angaben der vorläufigen Insolvenzverwalterin nur jeweils 4.667 EUR brutto geflossen sein -, dürfte er auf den Abschluss des Geschäftsführervertrags gedrängt haben, um seinen Anspruch auf monatlich mindestens 17.000 EUR zu zementieren. Im Februar 2009 hatte der Kläger bereits erkannt, dass in seiner neuen Tätigkeit vieles nicht in seinem Interesse lief. Vor diesem Hintergrund steht zu vermuten, dass er mit dem Geschäftsführervertrag darüber hinaus eine Absicherung gegen die sich mehr und mehr abzeichnenden Risiken schaffen wollte. Dieser Eindruck wird dadurch erheblich verstärkt, dass man den Kläger erst im März 2009 rückwirkend ab Januar 2009 bei der Einzugsstelle als sozialversicherungspflichtig meldete. Dabei handelte es sich sicherlich nicht nur um ein verwaltungstechnisches Versehen der D GmbH. Vielmehr liegt nahe, dass sich der Kläger erst im Nachhinein entschlossen hatte, sozialversicherungspflichtig „sein zu wollen“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist somit davon ausgehen, dass der Geschäftsführervertrag nicht „authentisch“ ist, sondern in dem Bemühen gefertigt wurde, den Kläger nach allen Seiten hin abzusichern. Derartige Regelungen aber, die gerade den Zweck verfolgen, einen bestimmten sozialversicherungsrechtlichen Status zu erreichen, sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft mit Zurückhaltung zu beurteilen (vgl. in diesem Sinn BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 26).) Die Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit und zum Urlaub erscheinen vor dem Hinter-grund der dominierenden Position des Klägers in der D GmbH als Makulatur. Denn es gab aus seiner Sicht keine Vorgesetzten, denen eine Arbeitsunfähigkeit hätte mitgeteilt werden können oder die hätten Urlaub genehmigen müssen. Der Treuhandvertrag sah nicht vor, dass NS insoweit irgendwelche Einflussmöglichkeiten oder Vorgesetztenfunktionen zustanden. Das wird dadurch unterstrichen, dass der Kläger im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gegenüber der Beklagten selbst geäußert hatte, Urlaub habe er nicht genehmigen lassen müssen.) Eine wöchentliche Arbeitszeit war nicht geregelt. Dass der Kläger im Feststellungs-bogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung angab, es habe eine regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 40 Stunden bestanden, entbehrt jeder Grundlage. Zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit existierten keinerlei Abmachungen.) Die Übernahmeoption von 50% des Gesellschaftsanteils vermag keine Wirkung zu Gunsten des Klägers zu entfalten. Vor allem darf nicht gefolgert werden, erst dann, wenn der Kläger von dieser Option Gebrauch machen würde, würde er zum Selbständigen. Denn die einjährige Karenzzeit bis zur Aktivierung der Kaufoption war nicht einer Wesensänderung in der Tätigkeit des Klägers geschuldet – vorher abhängig, eingegliedert in einen Betrieb, nachher sein eigener Herr -, sondern dem Umstand, dass MH sehr viel Geld und Energie investierte und sie sich deshalb über die sich aus dem Treuhandvertrag ergebenden Rechte anfangs noch eine hinreichende Möglichkeit zum Eingreifen vorbehalten wollte.
Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die vertraglichen Regelungen und rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die den Status des Klägers in der D GmbH determinierten, es nicht zulassen, diesen als abhängig Beschäftigten einzustufen. Nach der Rechtsprechung der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG ist es jedoch erforderlich, in einem weiteren Schritt umfassend auch tatsächliche Aspekte in die Gesamtbetrachtung einzustellen. Denn nach dieser Judikatur sind Faktizitäten unter Umständen geeignet, die durch Regelungen erzeugten Verhältnisse zu korrigieren.
Der Kläger wähnt sich im Recht, weil er solche signifikanten abweichenden tatsächlichen Verhältnisse annimmt. Seine Prozessführungsstrategie baut auf dem Vorbringen auf, MH habe de facto in einer Weise Einfluss auf die D GmbH genommen, dass er als Gesellschafter-Geschäftsführer in eine Position der persönlichen Abhängigkeit gerückt sei. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Zunächst gilt es zu betonen, dass die rechtliche Macht von NS oder MH nicht durch die möglicherweise abweichende praktische Handhabung ausgeweitet wurde. Denn nach Nr. IV des am 10.10.2008 errichteten Regelungswerks waren Änderungen des Treuhandvertrags nur schriftlich möglich und damit eine konkludente Vertragsänderung durch abweichendes tatsächliches Verhalten ausgeschlossen. Überdies ist in der BSG-Rechtsprechung einhellig anerkannt, dass der Verzicht auf rechtlich zustehende Macht – hier des Klägers zu Gunsten der MH – nicht geeignet ist, aus einer selbständigen Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung zu machen. Dazu braucht man nicht erst die neue Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zu bemühen. Auch nach der tradierten Rechtsprechung des BSG – auch der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.1989 – 11 RAr 39/89 = SozR 4100 § 104 Nr. 19, Rn. 20) – können die Verhältnisse nicht allein dadurch verschoben werden, dass jemand von einer ihm zustehenden Rechtsmacht keinen Gebrauch macht. Denn die zustehende Rechtsmacht gehört gerade zu den tatsächlichen Verhältnissen, die in letzter Konsequenz den Ausschlag für die Qualifizierung geben. Wenn MH also tatsächlich den Raum erhalten haben sollte, in einer vorgesetztenähnlichen Weise auf die Geschicke der D GmbH einzuwirken, dann wäre dies nur bei gleichzeitigem „Machtverzicht“ des Klägers möglich gewesen. Der allein auf diese Weise entstandene Einfluss der MH wäre von vornherein nicht geeignet, den Kläger als abhängig Beschäftigten erscheinen zu lassen.
Ungeachtet dessen ist der Senat davon überzeugt, dass die Einflussnahme der MH nicht dergestalt war, dass sie als in der Arbeitshierarchie vorgesetzte Person des Klägers erschien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die objektive Beweislast beim Kläger liegt. Denn es handelt sich dabei um eine „Einwendung“, die das sich aus dem rechtlich Vereinbarten ergebende Bild zu Gunsten des Klägers korrigieren soll. Diese Beweislastverteilung gilt auch für alle anderen Faktizitäten, die im Folgenden erörtert werden. Weitere Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht war nicht möglich. Der Senat hat versucht, über deren Anwälte mit MH in Kontakt zu treten; das hat sich aber laut einem Schreiben der Anwaltskanzlei als unmöglich erwiesen.
Die Zeugnisse aus der Anfangszeit der D GmbH weisen klar darauf hin, dass der Kläger und MH beziehungsweise andere chinesische Akteure sich „auf Augenhöhe“ befanden. Ihr Umgang miteinander weist auf selbständige und im Wesentlichen gleichberechtigte Protagonisten hin. So schrieb die vorläufige Insolvenzverwalterin in ihrem Gutachten, der Kläger habe ihr mitgeteilt, er und MH hätten einen gemeinsamen Plan entwickelt, um die GmbH zu gründen und in Deutschland zu etablieren. Man habe zusammen einen Finanz- und Businessplan aufgestellt. Das alles spricht sehr für eine gleichberechtigte Kooperation. Auch die ausführliche Schilderung des Meetings in China vom 16. bis 18.10.2008 im Entwurf einer zivilrechtlichen Klageschrift vom 05.03.2010, der der Senat insoweit vollen Glauben schenkt, drängt zu der Folgerung, dass der Kläger in China keineswegs als bloßer Mitarbeiter gesehen und behandelt wurde. Der darin erwähnte Umstand, dass man sich nicht auf eine Vergütung für die D GmbH einigen konnte, spricht für deren Autonomie. Evident wollte der Kläger finanziell nicht nur wie eine Außenstelle vom Budget der MH abhängig sein. Vielmehr legte er Wert darauf, für die D GmbH eine eigene Gewinnstruktur zu schaffen. Dieser Ehrgeiz wäre nicht nachzuvollziehen, wenn er in der D GmbH einen fremden Betrieb gesehen hätte.
Der Senat glaubt dem Kläger wie auch dem Zeugen C., dass MH in der Folgezeit tatsächlich stärker Einfluss nahm, was von diesen als Ausübung von Druck oder gar als Gängelung empfunden worden sein mag. Die einzige schriftlich dokumentierte Einflussnahme der MH verkörpert eine E-Mail an den Kläger vom 06.03.2009. Auf den Inhalt dieser Mail haben sich offenkundig die Einlassungen des Klägers und des Zeugen bezogen, so dass aus ihr in Zusammenschau den Aussagen vor dem Senat durchaus ein plausibles und konsistentes Gesamtbild entsteht. Zu den Beweggründen für diese Einflussnahme geben die Aussagen des Klägers sowie des Zeugen allerdings keine Aufschlüsse. Diese gehen vielmehr aus der besagten E-Mail vom 06.03.2009 sowie aus dem erwähnten Entwurf einer zivilrechtlichen Klageschrift – dem der Senat auch diesbezüglich vollumfänglich glaubt – hervor und lassen sich wie folgt feststellen:
Die E-Mail vom 06.03.2009 dokumentiert bei MH ein Stadium fortgeschrittener Unzufriedenheit, wenn nicht gar beginnender Verzweiflung und Panik. MH hatte bis dato bereits sehr viel in die D GmbH investiert. Allein schon die gelieferten Möbel waren von erheblichem Wert. Ihre Präsentation in O-Stadt, fernab von China, verursachte für sie einen enormen logistischen und finanziellen Aufwand und nicht zuletzt versorgte sie die keine oder kaum Betriebseinnahmen generierende D GmbH auf Darlehensbasis mit den notwendigen finanziellen Mitteln, damit diese ihre Betriebskosten bestreiten konnte; die einzelnen Zahlungen ergeben sich detailliert aus dem Entwurf einer zivilrechtlichen Klageschrift vom 05.03.2010. Mit der Arbeit des Klägers war MH in keiner Weise zufrieden. Sie stellte seine Kompetenzen in Frage. In China trafen keinerlei Aufträge ein, obwohl dies eigentlich Kernaufgabe der D GmbH hätte sein sollen. MH fühlte sich zudem nicht hinreichend informiert. Sie verfügte anfangs über keine Nachweise, was der Kläger in Deutschland mit den von ihr bereitgestellten Finanzmitteln anfing. Sie misstraute ihm augenscheinlich, nicht zuletzt deswegen, weil er noch im Jahr 2008 ein repräsentatives Firmenauto mit den von ihr zur Verfügung gestellten Mitteln angeschafft hatte. Angesichts dessen erscheint es plausibel, dass sie chinesische „Beobachter“ nach O-Stadt schickte – es handelte sich aber eben nur um Beobachter und nicht um „Taktgeber“. Zunehmend sah sie für das Projekt keine Perspektive mehr. MH fürchtete augenscheinlich um ihr Geld; die Kosten wuchsen ihr über den Kopf. So erklärt sich, dass der Kläger selbst behauptete, MH sei bereits im März 2009 das Geld ausgegangen. In der E-Mail vom 06.03.2009 forderte sie vom Kläger massiv mehr Teamgeist ein; er, so die Mail sinngemäß, solle jetzt endlich mit der Verkaufstätigkeit anfangen und nicht noch länger auf den perfekten Augenblick warten. Nach mittlerweile fünf Monaten werde er ja wohl einige Kunden an der Hand haben. Er müsse selbst schauen, wie er überleben könne. Sie gab Tipps, wie der Kläger am besten und schnellsten zu Geld kommen könnte. Weisungen im Sinn eines Beschäftigungsverhältnisses lagen darin nicht; lediglich traute sie allem Anschein nach dem in der Möbelbranche unerfahrenen Kläger nicht zu, die Misere selbst angemessen zu bewältigen. MH hatte offenkundig Angst davor, ihre Investitionen seien verloren. Ihre Initiative mutet als pures Krisenmanagement an. Sie wollte noch das Schlimmste verhindern und den Schaden begrenzen. Dass ein Vertragslieferant und gleichzeitiger Kreditgeber sowie Träger des Knowhow angesichts einer derart heiklen Situation versucht, (über E-Mails oder telefonisch) Einfluss zu nehmen, ist nachvollziehbar und beileibe kein Indiz für die Anmaßung einer Vorgesetztenrolle.
Auch alle weiteren hier feststellbaren Umstände, die dem Bereich des Faktischen zuzurechnen sind, führen nicht zu einer Korrektur im Sinn des Klägers:) Verschiedene Aspekte am Verhalten des Klägers zeigen, dass er sich niemand gegenüber verpflichtet fühlte. So führte er nach eigener Angabe keinerlei Gesellschafterversammlung durch. Sogar von der gemäß § 49a Abs. 3 GmbHG zwingend einzuberufenden Gesellschafterversammlung sah er ab. Zwar hätte er zu Gesellschafterversammlungen nur sich selbst einladen müssen, so dass man diesen Umstand für nicht besonders wichtig halten mag. Wenn es aber stimmen würde, dass der Kläger, wie er selbst immer wieder beteuert hat, von Anfang an das Gefühl gehabt haben sollte, es sei die Firma der MH gewesen, dann wäre dieses Verhalten nicht nachvollziehbar. Gravierend erscheint in diesem Kontext, dass der Kläger sich nicht an die mit den chinesischen Geschäftspartnern getroffenen Vereinbarungen hielt, wie der Vertrieb der Möbel funktionieren sollte. Obwohl die D GmbH lediglich Möbelankäufe vermitteln sollte (die Bezeichnung Konsignation ist nach deutschem Rechtsverständnis falsch gewählt) und die Räume in O-Stadt nur als Ausstellungsforum gedacht waren, verkaufte der Kläger einzelne Möbelstücke im Namen der D GmbH. Er beschritt damit einen völlig eigenständigen Weg. Schließlich übereignete der Kläger den oben erwähnten Firmenwagen an sich selbst (zur Befriedigung seiner offenen Vergütungsforderungen), ohne von § 181 BGB befreit gewesen zu sein. Er besaß keinerlei Bewusstsein, irgendjemand fragen zu müssen.) Die vom Kläger vorgelegten E-Mails, die er im März/April 2009 an MH schickte, offenbaren, dass er ihr gegenüber mitunter einen rauen Ton an den Tag legte. Das deutet nicht auf ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit hin. Denn so spricht man eigentlich nicht mit seiner „Chefin“. Inhaltlich fällt an den E-Mails auf, dass sich der Kläger in einer davon bei MH beschwerte, er habe keinen Zugang zu den chinesischen Konten der MH. MH wollte also offenbar, dass die D GmbH autark blieb.) Die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten der MH waren nicht so beschaffen, dass ihr dadurch eine arbeitgeberähnliche Dominanz gegenüber dem Kläger zuwuchs. Dass wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten die Ergebnisfindung grundsätzlich determinieren können, ist auch nach der neuesten Rechtsprechung des 12. Senats beim BSG unbestritten. Denn im Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R (SozR 4-2400 § 7 Nr. 24) hat der 12. Senat daran keinen Zweifel gelassen. Diese Entscheidung betrifft jedoch ausschließlich den Fall, dass derjenige, der die GmbH wirtschaftlich unterstützt, der Geschäftsführer ist. Im Urteil vom 08.08.1990 – 11 RAr 77/89 (SozR 3-2400 § 7 Nr. 4) war die Konstellation die gleiche. Auch hier hatte das BSG verdeutlicht, dass tatsächliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten beachtlich seien, soweit diese dem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zustünden. Im Übrigen – also außerhalb der Geschäftsführerebene – hat es aber klar zwischen dem Unterworfensein unter die wirtschaftliche Macht des bloßen Kreditgebers und der Arbeitnehmereigenschaft unterschieden. Im vorliegenden Fall war MH bloße Kreditgeberin (dazu Lieferantin und Vermittlerin von Knowhow). Der Senat ist davon überzeugt, dass MH die im Entwurf der Klageschrift vom 05.03.2010 erwähnten 26 Zahlungen tatsächlich nur darlehensweise gewährte. Rechtlich stand ihr genauso wie einer kreditgebenden Bank keine Möglichkeit zu, das operationelle Geschäft zu bestimmen.) Der Kläger trug auch unternehmerisches Risiko, obwohl er versuchte, sich durch den Geschäftsführervertrag vom 04.02.2009 bestmöglich abzusichern. Zum Aspekt des unternehmerischen Risikos hat sich das BSG zuletzt im Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R (= SozR 4-2400 § 7 Nr. 25) in Fortführung einer nahezu ständigen Rechtsprechung geäußert (vorher BSG, Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil vom 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 27; Urteil vom 19.08.2015 – B 12 KR 9/14 R): Von einem unternehmerischen Risiko kann nur dann gesprochen werden, wenn mit dem Risiko größere Freiheiten bezüglich des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Beim Kläger traf beides zu: Hinsichtlich des Einsatzes seiner Arbeitskraft war er frei und nicht Weisungen anderer unterworfen; und die größeren Verdienstchancen manifestieren sich in einer – wie oben dargelegt – unverhältnismäßig hohen Vergütung, die faktisch ein Unternehmerhonorar verkörperte. Das unternehmerische Risiko kann sich auf in ein Geschäft eingebrachtes Kapital und/oder auf den Ertrag der eigenen Arbeitskraft beziehen. Ein unternehmerisches Risiko der letztgenannten Art trug der Kläger. Zwar hatte sich MH allgemein bereiterklärt, im ersten Jahr der Geschäftstätigkeit der D GmbH für deren finanzielle Ausstattung zu sorgen, konkrete rechtliche Ansprüche gegen sie hatte die D GmbH aber nicht. Es bestanden keine verbindlichen Garantien der MH, welche Mittel sie der D GmbH wann zur Verfügung stellen würde. So schrieb MH in der besagten E-Mail vom 06.03.2009 sinngemäß, der Kläger solle nun selbst überleben. Die Vereinbarung eines festen Grundgehalts im Geschäftsführervertrag vermochte an dem Unternehmerrisiko nichts zu ändern. Damit entstand nämlich lediglich ein Rechtsanspruch gegen die D GmbH, nicht aber gegen MH, der Gesellschaft auch die entsprechenden Mittel dafür zur Verfügung zu stellen; das entwertet den formellen Anspruch gegen die D GmbH ganz erheblich. Der Kläger war gewissermaßen Gläubiger und Schuldner zugleich. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich das unternehmerische Risiko für den Kläger auch realisierte. Denn er konnte von der D GmbH letztlich nur einen vergleichsweise geringen Teil dessen erwirtschaften, was er sich als angemessenes Entgelt für seine Arbeit vorgestellt hatte.) Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, vermag dem Kläger der Umstand nicht zu helfen, dass zumindest eine Zeitlang Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Zur weiteren Begründung sei nur auf die ständige BSG-Rechtsprechung verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 8; Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; Urteil vom 27.07.1989 – 11/7 RAr 71/87).
b) Das unter a) auf der Basis der tradierten Rechtsprechung – insbesondere der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG – gewonnene Ergebnis wird durch die neueste Rechtsprechung des 12. Senats bestätigt. Nach dieser Judikatur gibt es das Theorem vom Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr. Der 12. Senat vertritt die Ansicht, dass eine „faktische Machtposition“ nicht die Annahme einer Selbständigkeit rechtfertigt (vgl. nur BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R; ebenso Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R [= SozR 4-2400 § 7 Nr. 24] – Abwendung von der so genannten Kopf-und-Seele-Rechtsprechung). Auch der abweichenden Behandlung von familienrechtlich geprägten Verhältnissen hat das BSG spätestens durch das Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R (SozR 4-2400 § 7 Nr. 17) weitgehend den Boden entzogen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 1/15 R).
Vielmehr hat der 12. Senat mehrfach verdeutlicht, dass die schriftlichen, mündlichen und konkludenten Vereinbarungen Ausgangspunkt aller Überlegungen sind. Tatsächlich abweichende Handhabung ist grundsätzlich nur insoweit relevant, als diese nicht vereinbarungsgemäße Praxis zu einer konkludenten Änderung des Geregelten führen kann. Das auf diese Weise festgestellte Regelungswerk muss dann daraufhin untersucht werden, ob Scheingeschäfte, „Etikettenschwindel“ etc. vorliegen. Anhand des so bereinigten Regelungsgefüges wird dann ermittelt, ob Beschäftigten- oder Selbständigeneigenschaft gegeben ist. Oberste Richtschnur ist dabei, ob eine Eingliederung in einen übergeordneten betrieblichen Organismus vorliegt, ob der Betroffene in einem fremden und nicht im eigenen Betrieb arbeitet. Lediglich in einem letzten abgleichenden Schritt muss geprüft werden, ob ausnahmsweise tatsächliche Verhältnisse eine andere Bewertung rechtfertigen. Hierbei kann es sich aber wohlgemerkt nicht um Faktizitäten handeln, die dem Vereinbarten zuwiderlaufen, sondern nur um solche, die vom Vereinbarten nicht umfasst sind. Von einem Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse ist man mittlerweile weit entfernt.
Dieser Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wirkt sich aber im vorliegenden Fall nicht aus. Denn wie unter a) gezeigt worden ist, waren die vorhandenen Vereinbarungen vor allem im Treuhandvertrag weit davon entfernt, die Selbständigeneigenschaft des Klägers in Frage zu stellen. Zu konkludenten Änderungen des Treuhandvertrags durch tatsächliche Handhabung konnte es nicht kommen, weil Nr. IV des am 10.10.2008 errichteten Regelungswerks dafür verbindlich die Schriftform vorschrieb.
Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die neueste Rechtsprechung des 12. Senats Zweifel aufkommen lässt, ob die Regelungen des jederzeit kündbaren Treuhandvertrags neben der Satzung der Gesellschaft überhaupt noch rechtlich bedeutsam sein können. Denn in seinem Bemühen, mit der Auswahl der für die rechtliche Bewertung maßgebenden Parameter dem Postulat der Vorhersehbarkeit Geltung zu verschaffen, will der 12. Senat offenbar Faktoren, die nicht rechtsbeständig sind – das heißt für ihn außerhalb des Gesellschaftsvertrags, von Gesellschafterbeschlüssen etc. kündbar sind -, bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt lassen.
Dass nun nach diesen neuen Kriterien die Gesellschafterstellung des Klägers auf den ersten Blick selbst als fragil eingestuft werden könnte – NS konnte jederzeit die Übertragung des Gesellschaftsanteils verlangen, was den Kläger zum „Nur-Geschäftsführer“ gemacht hätte -, vermag ihm nicht zu helfen. Denn in Wirklichkeit war seine Gesellschafterstellung gerade nicht instabil. Das Geschäftskonzept sah vor, dass der Kläger bereits nach einer vergleichsweise kurzen Zeit von nur einem Jahr sich der Bindungen durch das Treuhandverhältnis weitgehend sollte entledigen können. Denn ihm wurde in Nr. 2 des Geschäftsführervertrags die Möglichkeit eingeräumt, ab dem zweiten Jahr 50% der Anteile zu übernehmen (so genannte Call Option). Die einjährige Karenzzeit bis zur Aktivierung der Kaufoption stimmt auffälliger Weise mit der Zeitdauer überein, die MH für die Notwendigkeit finanzieller Unterstützung der D GmbH veranschlagt hatte. Die treuhänderischen Bindungen des Klägers hinsichtlich des gesamten Gesellschaftsanteils sollten vom Prinzip her also nur so lange bestehen, wie die D GmbH noch rote Zahlen schrieb und daher der Subventionierung bedurfte. Damit war das Geschäftsmodell von Anfang an auf eine baldige Selbständigkeit des Klägers ohne treuhänderische Bindungen ausgerichtet. Nach dem Gesamteindruck wollte sich MH mit Hilfe der sich aus dem Treuhandvertrag ergebenden Rechte lediglich eine Art Sicherheit verschaffen, wobei das Verlangen, den Gesellschaftsanteil an NS zu übertragen, wohl nur als „letzte Reißleine“ gedacht war; eine realistische Option dürfte man darin eher nicht gesehen haben.
Zusammenfassend lagen innerhalb der maßgebenden zweijährigen Rahmenfrist nicht ausreichend Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses vor, weil der Kläger nicht lang genug als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig war. Andere Tatbestände, über welche die noch fehlende Zeit einer Versicherungspflicht generiert werden könnte, sind nicht erkennbar.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
C.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit. Allgemein sieht der Senat zwar durchaus die Notwendigkeit, dass das BSG zeitnah dazu Stellung bezieht, inwieweit sich die Rechtsprechungsänderung des 12. Senats auf das arbeitsförderungsrechtliche Leistungsrecht auswirkt. Denn insoweit besteht momentan eine Diskrepanz (so auch Legde, SGb 2017, S. 25 (31)). Und der Senat ist davon überzeugt, dass diesbezüglich Konvergenz hergestellt werden muss. Denn einerseits knüpft das Leistungsrecht zum Teil an genau die gleiche Norm an wie das Status- und Beitragsrecht, nämlich an § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, was schon per se eine einheitliche Auslegung bedingt. Andererseits wäre es verfassungsrechtlich kaum darstellbar, dass ein Betroffener zwar in der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist, ihm wesentliche Leistungen aus der Versicherung aber vorenthalten bleiben, weil gleiche oder vergleichbare Begriffe unterschiedlich ausgelegt werden. Insoweit kann auf die restriktive Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Auseinanderdriften von Beitrags- und Leistungsrelevanz von Einmalzahlungen verwiesen werden (BVerfGE 92, 53; 102, 127); die Ungerechtigkeit hier wäre im Vergleich dazu noch weitaus greifbarer.
Trotzdem eignet sich der vorliegende Fall nicht für eine Klärung durch die Revisionsinstanz. Denn wie oben gezeigt worden ist, muss der Kläger sowohl nach der bisherigen BSG-Rechtsprechung zum Arbeitsförderungsrecht als auch nach der neuen Rechtsprechung des 12. Senats als Selbständiger eingestuft werden. Auf die allgemein klärungsbedürftige Frage kommt es hier also nicht an.
Verfehlt ist die Ansicht des Klägers, die Behandlung von Treuhandkonstellationen sei generell noch ungeklärt. Dass diesem und seinen Rechtsberatern zum Zeitpunkt des Abschlusses des Treuhandvertrags 2008 allem Anschein nach die beiden längst veröffentlichten BSG-Urteile vom 08.12.1994 und vom 30.01.1997 unbekannt waren und deswegen nur eine „halbherzige“ Treuhand vereinbart wurde, vermag keinen Revisionszulassungsgrund zu erzeugen.


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