Steuerrecht

Klage auf einen wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschenen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfeleistungen

Aktenzeichen  B 5 K 16.20

Datum:
23.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV BBhV § 54 Abs. 1 S. 1,
VwGO VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1, Abs. 5
BBG BBG § 80 Abs. 2, Abs. 4
VwVfG VwVfG § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3
BGB BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1

 

Leitsatz

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (hier verneint). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Entscheidungsgründe:
1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 3. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Festsetzung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1.545,20 Euro (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
a) Ruhestandsbeamte und deren Ehegatten erhalten gem. § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge. Nach § 80 Abs. 2 BBG werden Beihilfeleistungen dabei zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. Das setzt nach der Regelung in § 80 Abs. 4 BBG i. V. m. § 54 Abs. 1 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) jedoch voraus, dass die Beihilfe innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird.
Vorliegend hat der Kläger in seinem Antrag vom 27. August 2015, der am 31. August 2015 bei der Beihilfestelle eingegangen war, unter anderem Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen seiner Ehefrau mit Rechnungsdatum 13. März 2014 und 25. April 2014 in einer Gesamthöhe von 4.353,82 Euro geltend gemacht. Die Jahresfrist des § 80 Abs. 4 BBG i. V. m. § 54 Abs. 1 BBhV zur Beantragung von Beihilfeleistungen war für diese Aufwendungen im Zeitpunkt des Antragseingangs bei der Beihilfestelle bereits abgelaufen, weil zu diesem Zeitpunkt (Ablauf des 31.8.2015) die Jahresfrist für alle vor dem 31. August 2014 entstandenen Aufwendungen ablief (§ 31 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Beihilfeleistungen zu diesen streitgegenständlichen Aufwendungen ist somit wegen Versäumung der genannten Ausschlussfrist erloschen und kann folglich nicht mehr geltend gemacht werden.
b) Der Kläger kann hinsichtlich der Versäumung der Antragsfrist nach § 54 Abs. 1 BBhV auch nicht mit Erfolg Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen. Nach § 32 Abs. 1 VwVfG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist gem. § 32 Abs. 2 VwVfG innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen sind und die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen ist. Zu den innerhalb der Antragsfrist vorzutragenden und glaubhaft zu machenden Tatsachen gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumnis gekommen ist (Bernau, NJW 2016, 1999/2000; vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, Rn. 51 zu § 32). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war, § 32 Abs. 3 VwVfG.
Gemessen daran hat die Beklagte zu Recht eine Wiedereinsetzung des Klägers in die Antragsfrist (§ 54 Abs. 1 BBhV) abgelehnt. Bei dieser Einschätzung stützt sich die Kammer auf folgende Erwägungen: Der Kläger trägt in seinem Widerspruchsschreiben vom 21. September 2015, eingegangen bei der Beklagten am 28. September 2015, erstmals vor, er habe schon auf das Ende seiner Dienstzeit hin feststellen müssen, dass er sich immer weniger habe merken können. Seit er jedoch im Ruhestand sei, habe sich dieser Zustand „richtig drastisch verschlechtert“. Darüber hinaus lässt der Kläger in der Klagebegründung – unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 7. Januar 2016 – vortragen, bei ihm liege eine kognitive Störung vor, die Gedächtnislücken impliziere und zu Fehlleistungen Anlass gebe.
Dieser Vortrag rechtfertigt keine Wiedereinsetzung. Es kann zwar, auch wenn es sich bei der versäumten Jahresfrist des § 80 Abs. 4 BBG i. V. m. § 54 Abs. 1 BBhV um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, unter den Voraussetzungen des § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (BayVGH, B. v. 20.1.2012 – 14 ZB 11.1379 – juris Rn. 7; B. v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris; B. v. 12.11.2008 – 14 ZB 08.1595 – juris). Das setzt aber voraus, dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (§ 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Vorliegend scheitert eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allerdings daran, dass der Kläger diese zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht eingehalten hat. Denn stellt man auf die Erkrankung des Klägers als maßgebliches Hindernis für die rechtzeitige Geltendmachung der Beihilfeansprüche ab, so war dieses Hindernis spätestens mit der Erstellung des Beihilfeantrags am 27. August 2015 weggefallen. Der Kläger hätte somit bis zum Ablauf des 10. September 2015 Wiedereinsetzung in die versäumte Jahresfrist beantragen müssen. Als Wiedereinsetzungsantrag kann allerdings frühestens das erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erstellte Widerspruchsschreiben des Klägers vom 21. September 2015 ausgelegt werden, welches am 28. September 2015 bei der Beihilfestelle einging. In dem Formblattantrag vom 27. August 2015 allein kann ein Wiedereinsetzungsbegehren nicht gesehen werden.
Auch kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, in dem Widerspruchsschreiben vom 21. September 2015 sei konkludent ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist zu erblicken (sog. „Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung“). Der Kläger war insoweit nicht ohne Verschulden daran gehindert, die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist in Bezug auf den Wiedereinsetzungsantrag in die versäumte Jahresfrist für die Beantragung der Beihilfe einzuhalten. Als Hindernis wird vorliegend die Unkenntnis von der Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG geltend gemacht. Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die versäumte Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich möglich (vgl. BVerwG, B. v. 5.9.1985 – 5 C 33/85 – DVBl. 1986, 287; BayVGH, U. v. 6.5.1977 – 163 X 76 – BayVBl. 1978, 246), die bloße Unkenntnis dieser Frist ist dabei jedoch nicht ausreichend, so dass jedenfalls keine unverschuldete Versäumung dieser Frist gegeben ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, Rn. 46 zu § 32). Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, U. v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dier Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.


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