Steuerrecht

Kostenerinnerung, Kostenfestsetzungsentscheidung, Umsatzsteuer auf Beförderungskosten des Rechtsanwalts, Ansatz des Nettobetrages, Steuersatz, Ermäßigter Steuersatz, Bahnfahrt als Nebenleistung

Aktenzeichen  W 3 M 20.2128

Datum:
27.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 2, § 173
RVG § 1, § 2
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
UStG § 15, § 12
VV 7008 RVG
VV 7004 RVG

 

Leitsatz

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziffer I. des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Kostenbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. Dezember 2020 in der Sache W 3 K 18.1246 werden die außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin auf 841,69 EUR festgesetzt.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Parteien stritten im Verfahren W 3 K 18.1246 um die Gewährung von Wohngeld.
Mit Urteil vom 23. Juli 2020 gab das Gericht im Verfahren W 3 K 18.1246 der Klage statt, legte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf und stellte fest, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
Mit Beschluss vom 10. November 2020 setzte das Gericht den Gegenstandswert auf 2.500,00 EUR fest.
Mit Schreiben vom 16. November 2020 beantragte die Bevollmächtigte der Antragstellerin im Verfahren W 3 K 18.1246, die außergerichtlichen Kosten auf 843,93 EUR festzusetzen. Hierbei machte sie unter anderem Kosten für zwei Busfahrten und zwei Bahnfahrten zum Termin zur mündlichen Verhandlung in Höhe von 4,86 EUR und 17,24 EUR netto geltend und schlug auf den Endbetrag 16 Prozent Mehrwertsteuer auf.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 2020 setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts Würzburg im Verfahren W 3 K 18.1246 die außergerichtlichen Aufwendungen auf 839,80 EUR fest. Dabei wurden die Kosten für zwei Busfahrten von der Kanzlei zum Bahnhof in Schweinfurt und wieder zurück mit je 1,70 EUR einschließlich fünf Prozent Mehrwertsteuer, insgesamt also 3,40 EUR, und die Kosten für die Bahnfahrten von Schweinfurt nach Würzburg und wieder zurück mit insgesamt 18,10 EUR einschließlich fünf Prozent Mehrwertsteuer angesetzt. Es wurde jedoch keine weitere Mehrwertsteuer in Höhe von 16 Prozent auf diese Kosten aufgeschlagen. Dies wurde damit begründet, dass in den nachgewiesenen Bus- und Bahnfahrtkosten bereits die gesetzliche Mehrwertsteuer enthalten sei. Für diese könne daher nicht erneut die Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG festgesetzt werden.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 und beantragte die Entscheidung des Gerichts, soweit in dem Kostenfestsetzungsbeschluss die Mehrwertsteuer auf Bahnkosten nicht mit 16 Prozent festgesetzt worden sei. Dies wurde damit begründet, dass die Bevollmächtigte der Antragstellerin auch auf die Bahnkosten an das Finanzamt 16 Prozent Mehrwertsteuer abführen müsse. Die Bahnkosten seien Bestandteil der umsatzsteuerpflichtigen Anwaltsgebühren, auf die 16 bzw. 19 Prozent Umsatzsteuer anfalle, unabhängig davon, wie hoch die Mehrwertsteuer sei, die auf die Auslage als solche angefallen sei.
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts Würzburg half der Erinnerung mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte er unter Berufung auf einen Beschluss des OLG Stuttgart (B.v. 15.8.2011 – 6 – 2 StE 2/10 – juris Rn. 20) aus, die Rechtsauffassung der Bevollmächtigten der Antragstellerin betreffe den Ersatz der Auslagen im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Vorliegend gehe es jedoch um die Erstattungspflicht der Gegenpartei im Außenverhältnis. Bei der gegnerischen Kostenfestsetzung könnten nur tatsächlich entstandene Kosten festgesetzt werden. In den geltend gemachten Reisekosten sei die gesetzliche Mehrwertsteuer lediglich in verminderter Höhe enthalten und dementsprechend festgesetzt worden.
Die Parteien hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners und auf den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 18.1246 Bezug genommen.
II.
1. Gegenstand der Kostenerinnerung ist das Begehren der Antragstellerin, unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. Dezember 2020 im Verfahren W 3 K 18.1246 die Kosten für die Bahnfahrt ihrer Bevollmächtigten vom 23. Juli 2020 vom Kanzleisitz in Schweinfurt zum Verwaltungsgericht Würzburg und wieder zurück mit dem um den für die Prozessbevollmächtigte in Höhe von 5 Prozent angefallene Umsatzsteuer verminderten Nettobetrag zuzüglich 16 Prozent Umsatzsteuer anzusetzen. Demgegenüber bezieht sich die Kostenerinnerung nicht auf die Abrechnung der Kosten für zwei entsprechende Busfahrten. Entsprechend § 88 VwGO konnte das Gericht hierüber keine Entscheidung treffen.
2. Über den vorliegenden Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (BVerwG, B.v.14.2.1996 – 11 VR 40/95 – NVwZ 1996, 786; BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – NVwZ-RR 2004, 309). Funktionell ist damit die 3. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg zuständig, da diese die Kostenentscheidung im Verfahren W 3 K 18.1246 getroffen hat.
3. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 2. Dezember 2020 erhobene Erinnerung ist nach §§ 165, 151 VwGO zulässig und in der Sache begründet.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die im Gerichtsverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Im vorliegenden Fall kann die Antragstellerin für ihre Bevollmächtigte die folgenden Kosten erstattet verlangen:
a. Für die Bahnfahrt kann die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Kosten in Höhe des um die Mehrwertsteuer bereinigten Nettobetrags von 17,24 EUR ansetzen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Zur Frage der Geltendmachung der Umsatzsteuer auf getätigte Auslagen durch einen – wie im vorliegenden Fall gegeben – vorsteuerabzugsberechtigten Rechtsanwalt hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17. April 2012 (VI ZB 46/11 – juris) wie folgt entschieden:
Bei der Beurteilung der Frage, in welchem Umfang der obsiegenden Partei vom Prozessgegner Kosten zu erstatten sind, ist zwischen dem Innenverhältnis des Auftraggebers zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis zum Prozessgegner zu unterscheiden.
Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Auftraggeber im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist. Zur Vergütung eines Rechtsanwalts zählen neben den Gebühren auch die Auslagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Was zu den Auslagen zählt, ist in Teil 7 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG 7000 ff.) aufgelistet. Nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber grundsätzlich Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB). Hierzu zählen die Kosten für Fahrten mit dem eigenen PKW, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sonstige Auslagen (wie Übernachtungskosten) und Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr. 7003 bis 7006 VV RVG). Nach VV RVG Nr. 7008 hat der Anwalt auch einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der auf seine Vergütung nach dem Umsatzsteuergesetz entfallenden Umsatzsteuer in voller Höhe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2010 – 1 WDS – KSt 6/09, ZfS 2010, 467 Rn. 22; OLG Dresden, JurBüro 2008, 372; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 7008 Rn. 12; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 4. Aufl., Stichwort: „Reisekosten“, Anm. 8.4 Umsatzsteuer; Anwalt-kommentar/N. Schneider RVG, 6. Aufl., VV 7003-7006 Rn. 43 ff.; Sterzinger, NJW 2008, 1254, 1255). Ist ein Anwalt vorsteuerabzugsberechtigt, hat er gegenüber seinem Auftraggeber für Leistungen, die er erbringt, Umsatzsteuer zu verlangen und diese an das Finanzamt abzuführen (vgl. BFH, Beschluss vom 27. Juni 1996 – IV B 69/95, juris Rn. 2). Andererseits kann er Umsatzsteuer, die er selbst für die Inanspruchnahme von Leistungen zahlen muss, als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Die Zahlung der Umsatzsteuer auf umsatzsteuerpflichtige Auslagen stellt danach für den vorsteuerabzugsberechtigten Rechtsanwalt keine bleibende Ausgabe dar, weil die Umsatzsteuer wirtschaftlich im Wege des Vorsteuerabzugs wieder zurückfließt. Der Rechtsanwalt darf seinem Auftraggeber Umsatzsteuerbeträge, die er als Vorsteuer geltend machen kann, nicht in Rechnung stellen (Anwaltkommentar/N. Schneider aaO; Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, aaO Rn. 18 f.). Er ist gehalten, in seine Rechnung gegenüber seinem Auftraggeber die Aufwendungen mit dem Nettobetrag aufzunehmen, denn der Anwalt darf sich über seine Gebührenrechnung nicht auf Kosten des Auftraggebers bereichern. Würde er die aufgewendeten Reisekosten als Bruttobeträge abrechnen, würde neben den Nettoreisekosten auch der Umsatzsteuerbetrag als Umsatz des Rechtsanwalts versteuert werden, obwohl es sich dabei jedenfalls nicht um Umsatz handelt.
Soweit das Bundesdisziplinargericht (Beschluss vom 29. Januar 1987 – IV VL 37/85, MDR 1987, 467) unter Berufung auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH, Beschluss vom 3. Februar 1970 – VII B 129/69, BFHE 98, 396 Rn. 398 f.) die Auffassung vertreten hat, dass die mit den Fahrtkosten gezahlte Mehrwertsteuer Bestandteil der tatsächlichen Reiseaufwendungen und damit der dem Rechtsanwalt zustehenden Auslagen ist, die unabhängig von der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs erstattungsfähig sind, vermag der Senat sich dieser Auffassung für die zivilrechtliche Kostenerstattung nicht anzuschließen.
Für das Außenverhältnis zwischen Auftraggeber und Prozessgegner, das auch der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zugrunde lag, ergibt sich schon aus § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO, dass Umsatzsteuerbeträge im Kostenfestsetzungsverfahren nur zu berücksichtigen sind, wenn der Antragsteller die Erklärung abgibt, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass der vorsteuerabzugsberechtigte Antragsteller mit einer Festsetzung der Beträge einen nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil erlangt (vgl. BT-Drucks. 12/6962, S. 111; siehe auch BVerfG, NJW 1996, 382). Daraus kann gefolgert werden, dass die vorsteuerabzugsberechtigte Partei vom kostenpflichtigen Gegner keine Umsatzsteuer erstattet verlangen kann, mithin Umsatzsteuer, die im Wege des Vorsteuerabzugs zurückfließt, kostenmäßig neutral bleibt. Nichts Anderes kann für das Innenverhältnis der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten gelten. Auch der vorsteuerabzugsberechtigte Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht berechtigt, seinem Auftraggeber Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, wenn er diese im Wege des Vorsteuerabzugs zurückerhält. Er wäre sonst in Höhe der Umsatzsteuer bereichert.
Von diesen Grundsätzen geht das Beschwerdegericht zutreffend aus. Mit Recht weist es darauf hin, dass der vorsteuerabzugsberechtigte Rechtsanwalt gehalten ist, den Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen, weil er andernfalls nicht notwendige Kosten für seinen Auftraggeber verursacht. Da die Klägervertreter vorsteuerabzugsberechtigt sind, erhalten sie die nach den vorgelegten Rechnungen für die Reisekosten erhobene Umsatzsteuer in der jeweiligen Höhe im Wege des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt zurück. Sind Aufwendungen für die Prozessbevollmächtigten des Klägers letztlich nicht gegeben, dürfen dem Mandanten als Auftraggeber die Umsatzsteuerbeträge nicht in Rechnung gestellt und können diese im Kostenansatz nicht berücksichtigt werden. Demzufolge hat das Beschwerdegericht mit Recht die Nettobeträge der geltend gemachten Reisekosten ermittelt und der Kostenfestsetzung zugrunde gelegt. Dagegen spricht – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde -nicht, dass bei der Kilometerpauschale die Umsatzsteuer nicht herausgerechnet wird. Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass der Umsatzsteuerbetrag in der Rechnung ausgewiesen wird (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Für eine Pauschale kommt er mithin nicht in Betracht (BGH, B.v. 17.04.2012 – VI ZB 46/11 – BeckRS 2012, 10730, Rn. 4 ff; NJW-RR 2012, 1016; NJW-Spezial 2012, 412).
Die erkennende Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und macht sie sich zu eigen. Auf den vorliegenden Fall übertragen ergibt sich folgendes:
Zu den Auslagen des Rechtsanwalts gehören – wie hier dem Grunde nach zwischen den Beteiligten unstreitig – dessen Reisekosten, die zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine angefallen sind, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162, Rn. 66 m.w.N.).
Bei der Prozessbevollmächtigten sind für die betreffende Bahnfahrt insgesamt 18,10 EUR inklusive Umsatzsteuer angefallen. Dieser Betrag setzt sich aus dem Nettobetrag in Höhe von 17,24 EUR und der zu diesem Zeitpunkt von 7 Prozent auf 5 Prozent unstreitig ermäßigten Umsatzsteuer in Höhe von 0,86 EUR zusammen.
Grundsätzlich gehört zu den erstattungsfähigen Auslagen eines Rechtsanwalts auch die hier in Höhe von 0,86 EUR angefallene Umsatzsteuer, die ihm für seine Vergütung einschließlich seiner Auslagen anfällt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der betreffende Rechtsanwalt – wie hier unstreitig – selbst vorsteuerabzugsberechtigt ist. Dies deshalb, weil die Zahlung der Umsatzsteuer auf umsatzsteuerpflichtige Auslagen in diesem Fall keine bleibende, nachhaltige Ausgabe darstellt, weil die Umsatzsteuer wirtschaftlich im Wege des Vorsteuerabzugs wieder zurückfließt. Aus diesem Grund darf die jeweilige Auslage nur im Nettobetrag angesetzt werden, andernfalls wäre der abrechende Rechtsanwalt in Höhe der angefallenen Umsatzsteuer bereichert (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162, Rn. 74 m.w.N.; zustimmend Schmidt/Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 7004 VV Rn. 12, 14; Schmidt/Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 7008 VV Rn. 25; KG Berlin, B.v. 24.05.2013 – 1 Ws 28/13 – juris Rn. 6; OLG Brandenburg, B.v. 24.05.2011 – 6 W 71/09 – juris Rn. 23).
Entgegen dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 2020 sind damit die Bahnfahrkosten vom 23. Juli 2020 mit dem Nettobetrag in Höhe von 17,24 EUR im Kostenfestsetzungsverfahren als Auslage der Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin anzusetzen.
b. Auf diese Nettobahnfahrkosten in Höhe von 17,24 EUR sind 16 Prozent Umsatzsteuer in Höhe von 2,76 EUR im Kostenfestsetzungsverfahren anzusetzen, insgesamt daher Kosten in Höhe von 20,00 EUR. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Der Rechtsanwalt selbst erhebt Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG auf seine Vergütung, zu der seine erstattungsfähigen Auslagen gehören. Dies ergibt sich daraus, dass die Bahnfahrt im Verhältnis zu den anwaltlichen Tätigkeiten als Hauptleistung eine Nebenleistung ist. So handelt es sich bei der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts und den in Zusammenhang hiermit angefallenen Bahnfahrten um Bestandteile einer einheitlichen Leistung im Sinne eines komplexen, aus mehreren Einzelleistungen zusammengesetzten Umsatzes, dessen Einzelleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, so dass das gesamte Leistungsbündel einheitlich zu besteuern ist. Diese Nebenleistung teilt steuerlich das Schicksal der Hauptleistung (Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 1.3.2021, § 3 Rn. 684 n.w.N.). Da die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Kosten der Bahnfahrt nicht im Rahmen und für Rechnung eines anderen verausgabt hat, liegt auch kein umsatzsteuerfreier durchlaufender Posten vor (Schmidt/Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 7008 VV Rn. 22, 24, 27; Mertens/Stuff/Mück in Mertens/Stuff/Mück, Verteidigervergütung, 2. Aufl. 2015, V. Umsatzsteuer, Nr. 7008 Rn. 657, 658; KG Berlin, B.v. 24.05.2013 – 1 Ws 28/13 – juris Rn. 8).
Dieser Nettobetrag ist dann mit dem jeweils gültigen Steuersatz zu versteuern, unabhängig davon, welche Umsatzsteuer der Rechtsanwalt selbst bezahlt und im Rahmen des Vorsteuerabzugs zurückerhalten hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Steuersatzes dabei ist der Zeitpunkt der Kostengrundentscheidung und nicht der Zeitpunkt des Anfalls der Auslagen (OLG Brandenburg, B.v. 24.05.2011 – 6 W 71/09 – juris Rn. 21; KG Berlin, B.v. 24.05.2013 – 1 Ws 28/13 – juris Rn. 7; Schneider, ZAP 2020, 769-778 (778); Mertens/Stuff/Mück in Mertens/Stuff/Mück, Verteidigervergütung, 2. Aufl. 2015, II. Umsatzsteuer Rn. 106).
Nicht gefolgt werden kann insoweit dem OLG Stuttgart, welches den streitigen Umsatzsteuerersatzanspruch ohne nähere Begründung auf die Höhe der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer begrenzt hat (OLG Stuttgart, B.v. 15.08.2011 – 6 – 2 StE 2/10 – juris Rn. 20). Für die erkennende Kammer ist kein Grund ersichtlich, der eine diesbezügliche Differenzierung bei der Besteuerung von Auslagen eines Rechtsanwalts rechtfertigen würde. Eine Handhabung wie seitens des OLG Stuttgart vorgenommen würde eine wirklichkeitsfremde Aufspaltung eines einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgangs darstellen (KG Berlin, B.v. 24.5.2013 – 1 Ws 28/13 – juris Rn. 7). Darüber hinaus ist auch der Grundkonzeption des Umsatzsteuergesetzes Rechnung zu tragen. Dieses folgt in § 12 UStG einem strengen und sehr differenzierten Regel-Ausnahme-Prinzip. Dem Grunde nach beträgt der Steuersatz für jeden steuerpflichtigen Umsatz derzeit 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (vgl. § 12 Abs. 1 UStG). Soweit eine Steuerermäßigung auf derzeit 7 Prozent vorgenommen werden soll, bedarf dies einer gesetzlichen Grundlage (vgl. § 12 Abs. 2 UStG). Dem OLG Stuttgart ist dahingehend beizupflichten, dass die Beförderung von Personen im dortigen Fall im Verkehr mit Taxen dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent unterfällt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die umsatzsteuerpflichtige Leistung eines Rechtsanwalts, der im Wege der Erbringung der Hauptleistung ein Beförderungsmittel mit vermindertem Steuersatz in Anspruch nimmt, bei der Abrechnung mit dem Mandanten bzw. mit dem Prozessgegner im Außenverhältnis nur mit der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer angesetzt werden darf. Dafür bedürfte es einer entsprechenden Ausnahmeregelung (so auch OLG Brandenburg, B.v. 24.5.2011 – 6 W 71/09 – juris Rn. 23, welches die Frage nach der Besteuerung der maßgeblichen Nebenleistung im Kostenfestsetzungsverfahren von der Frage nach deren Besteuerung bei der Inanspruchnahme durch den Rechtsanwalt trennt und voneinander loslöst), deren Existenz nicht ersichtlich ist.
Auf den Fall übertragen bedeutet dies, dass die Bahnfahrt mit dem im Zeitpunkt der Kostengrundentscheidung am 2. Dezember 2020 geltenden ermäßigten Umsatzsteuersatz in Höhe von 16 Prozent zu versteuern war. Insgesamt sind die Kosten für die Bahnfahrt vom 23. Juli 2020 daher in Höhe von 20,00 EUR anzusetzen.
c. Dieser Betrag mit Umsatzsteuer ist im Rahmen der Kostenentscheidung festzusetzen und der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Für das Außenverhältnis zwischen Auftraggeber und Prozessgegner ergibt sich schon aus § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO, dass Umsatzsteuerbeträge im Kostenfestsetzungsverfahren nur zu berücksichtigen sind, wenn der Antragsteller die Erklärung abgibt, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass der vorsteuerabzugsberechtigte Antragsteller mit einer Festsetzung der Beträge einen nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil erlangt (BT-Drs. 12/6962, S. 111; siehe auch BVerfG, B.v. 17.2.1995 – 1 BvR 697/93 – NJW 1996, 382). Daraus kann gefolgert werden, dass die vorsteuerabzugsberechtigte Partei vom kostenpflichtigen Gegner keine Umsatzsteuer erstattet verlangen kann, mithin Umsatzsteuer, die im Wege des Vorsteuerabzugs zurückfließt, kostenmäßig neutral bleibt (BGH, B.v. 17.04.2012 – VI ZB 46/11 – BeckRS 2012, 10730 Rn. 8 m.w.N; W.-R. Schenke/Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 162 Rn. 10a, 1d).
Da die Antragstellerin selbst allerdings nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist gemäß § 173 Satz 1 VwO i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren die auf die anwaltliche Vergütung anfallende Umsatzsteuer ebenso im Außenverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Prozessgegner zu berücksichtigen.
Dieses Ergebnis bedeutet zwar, dass die vom Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a) UStG festgesetzte Ermäßigung auf den regulären Umsatzsteuersatz bei Beförderung von Personen im Schienenverkehr faktisch nicht zur Anwendung kommt und die hinsichtlich der Umsatzsteuer gesetzlich gewollte steuerliche Privilegierung dieses Sachverhalts entfällt; allerdings ist dies unabhängig vom Sinngehalt dieses Ergebnisses hinzunehmen; denn es beruht auf der Kombination des oben dargestellten Verbots, als Vorsteuerabzugsberechtigter Rechtsanwalt verauslagte Umsatzsteuer an den Mandanten weiterzugeben (BGH, B.v. 17.4.2012 – VI ZB 46/11 – juris Rn. 6) und der obergerichtlichen Vorgabe, dass die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt (Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 1.3.2021, § 3 Rn. 684 n.w.N.).
d. Nach alledem ist die vorliegende Kostenerinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 2020 begründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei, weil Teil 5 des als Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG erlassenen Kostenverzeichnisses keinen entsprechenden Gebührentatbestand enthält. Es sind jedoch die Auslagen des Gerichts (Teil 9 Abs. 1 Halbsatz 2 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG) und eventuell die außergerichtlichen Aufwendungen der Beteiligten zu erstatten. Eine Kostenentscheidung ist deshalb veranlasst (BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – BayVBl 2004, 505). Eine Streitwertfestsetzung ist allerdings entbehrlich.


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