Steuerrecht

Leasingsonderzahlung bei 1%-Regelung

Aktenzeichen  8 K 98/19

Datum:
13.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22520
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 163
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6
EStG 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2

 

Leitsatz

Bei Anwendung der Billigkeitsregelung für Sachverhalte, in denen der pauschale Nutzungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG sowie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG die für das genutzte Kraftfahrzeug insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen überstiegen, sind Leasingsonderzahlungen auf die Vertragslaufzeit zu verteilen und den Kfz-Kosten hinzuzurechnen.

Gründe

I.
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2014 bis 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Beklagte hat zur Ermittlung des Wertes der Nutzungsentnahme für die private Mitbenutzung des betrieblich genutzten Sportwagens zutreffend die 1%-Regel nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG und die Erhöhung für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte angewendet. Auch gegen die Einbeziehung der auf die Laufzeit des Leasingvertrages verteilten Leasingsonderzahlung mit einem Jahreswert von 16.000 € bei Anwendung der Billigkeitsregelung zur Kostendeckelung nach dem BMF-Erlass vom 18. November 2009 (IV C 6-S 2177/07/10004, a.a.O.) bestehen keine Bedenken.
a) Der Kläger hat für den zum Betriebsvermögen gehörenden Sportwagen, den er auch privat nutzt, kein Fahrtenbuch geführt, so dass der Entnahmewert für die private Nutzung dieses Fahrzeugs gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG nach der sog. 1%-Regelung zu ermitteln ist. Bei Anwendung der 1%-Regelung beträgt der Entnahmewert für die private Kfz-Nutzung einschließlich der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 S. 3 EStG für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte in den Streitjahren jeweils 24.630 €. Dieser Betrag ergibt sich auf der Grundlage eines Bruttolistenpreises für den Sportwagen in Höhe von 140.000 €. Der nach der 1%-Regelung ermittelte Wert beträgt 16.800 € und ist für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte jeweils um 7.830 € (Pauschalwert i.H.v. 9.072 € gekürzt um die Kilometerpauschale i.H.v. 1.242 €) zu erhöhen. Die Berechnung des Gesamtbetrages i.H.v. 24.630 € ist zwischen den Beteiligten der Höhe nach auch unstreitig.
b) Allerdings hat die Finanzverwaltung mit BMF-Erlass vom 18. November 2009 (IV C 6-S 2177/07/10004, BStBl I 2009, 1326; zuvor bereits BMF-Erlass vom 21. Januar 2002 IV A 6-S. 2177-1/02, BStBl. I 2002, S. 148) eine Billigkeitsregelung getroffen, nach der der Entnahmewert auf die tatsächlichen Kfz-Kosten zu begrenzen sei. Diese Billigkeitsregelung hat der Beklagte auch angewendet und dabei entgegen der Auffassung des Klägers in zulässiger Weise die Leasingsonderzahlung in Höhe von 72.000 € auf die Vertragslaufzeit verteilt und entsprechend in Höhe eines Jahreswertes von 16.000 € den übrigen Kfz-Kosten zur Berechnung des Betrages der Kostendeckelung hinzugerechnet.
aa) Nach dem Wortlaut der Billigkeitsregelung ist diese für Sachverhalte vorgesehen, in denen der pauschale Nutzungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG sowie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG die für das genutzte Kraftfahrzeug insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen überstiegen. Wird das im Einzelfall nachgewiesen, so sind diese Beträge höchstens mit den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs anzusetzen. Bei Anwendung der Kostendeckelung müssen dem Steuerpflichtigen als abziehbare Aufwendungen mindestens die nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und Nr. 5 EStG ermittelten Beträge (Entfernungspauschalen) verbleiben (BMF-Erlass vom 18. November 2009, IV C 6-S 2177/07/10004, BStBl I 2009, 1326).
bb) Bei Anwendung dieser Billigkeitsregelung hat der Beklagte zutreffend den Jahreswert der auf die Laufzeit des Leasingvertrages verteilten Sonderzahlung in Höhe von 16.000 € hinzugerechnet.
(1) Zwar hat der Kläger in seiner Gewinnermittlung die Leasingsonderzahlung zutreffend im Jahr Zahlung (2013) in voller Höhe des Betrages von 72.000 € als Betriebsausgabe geltend gemacht. Insoweit gilt das Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG. Aufgrund der gewählten Laufzeit des Leasingvertrages von 54 Monaten war die Sonderzahlung nicht für eine Nutzungsüberlassung für einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren im Voraus geleistet worden und daher für die Zwecke der Gewinnermittlung nicht gem. § 11 Abs. 2 S. 3 EStG auf die Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen.
(2) Für die Berechnung der Kostendeckelung in Anwendung der Billigkeitsregelung nach dem BMF-Erlass vom 18. November 2009 ist es aber nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Sonderzahlung auf die Laufzeit des Leasingvertrages verteilt und den jeweiligen Kfz-Kosten des betreffenden Wirtschaftsjahres hinzugerechnet hat.
(a) Bei dem BMF-Erlass vom 18. November 2009 (IV C 6-S 2177/07/10004, a.a.O.) handelt es sich um eine Billigkeitsregelung i.S.d. § 163 AO (BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 59/04, BFH/NV 2007, 1838). Nach dieser Vorschrift können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 163 AO soll sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO nicht näher konkretisiert, sondern die Entscheidung in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. Zur Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitsregeln kann wiederum das BMF Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festschreiben und damit deren Ermessen auf Null reduzieren (BFH-Urteil vom 26. September 2019 V R 36/17 -, Rn. 19, juris).
Allerdings haben die Finanzgerichte nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen. Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist. Den Finanzbehörden ist es danach lediglich verwehrt, die Anwendung der Verwaltungsanweisung in offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckten Einzelfällen ohne zwingende Sachgründe abzulehnen (BFH-Urteil vom 26. September 2019 V R 36/17, -juris-, m.w.N.).
(b) Unter Berücksichtigung Grundsätze, denen der Senat folgt, ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei Anwendung der Billigkeitsregelung die Leasingsonderzahlung für die Berechnung des Entnahmewertes auf die Laufzeit verteilt und den Jahreswert den jeweiligen Kfz-Kosten hinzugerechnet hat.
Nach dem Sinn und Zweck der Billigkeitsregelung sollen Härten bei der Berechnung des Entnahmewertes vermieden werden, die bei der Anwendung der 1%-Regelung dadurch entstehen, dass der pauschal ermittelte Entnahmewert über den in der Gewinnermittlung geltend gemachten Kfz-Kosten liegt. Hierfür kommen insbesondere ursprünglich hochwertige Fahrzeuge mit einem hohen Bruttolistenpreis in Betracht, die bereits abgeschrieben sind oder als ältere Fahrzeuge zu einem niedrigen Anschaffungspreis erworben worden sind. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung der „insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen“ zu verstehen. Die Auslegung der Billigkeitsregelung durch den Beklagten, die Leasingsonderzahlung in die „insgesamt“ entstandenen Aufwendungen in der Weise einzubeziehen, dass die Sonderzahlung auf die Laufzeit des Leasingvertrages verteilt wird, erscheint dem Senat zumindest möglich und zulässig. Diese Auslegung ist auch vor dem Hintergrund nachzuvollziehen, dass der Gesetzgeber mit der Wahlmöglichkeit der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG oder durch Einnahme/Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 ESG dem Grundsatz nach zwar Verschiebungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Berücksichtigung bestimmter Einnahmen oder Ausgaben zulassen wollte, jedoch keine Unterschiede bei der Ermittlung des Totalgewinns beabsichtigt hatte. Dem wird die Billigkeitsregelung nach dem BMF-Erlass vom 18. November 2009 in der vom Beklagten vorgenommenen Auslegung gerecht, wenn eine Leasingsonderzahlung als solche zwar im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist, zur Berechnung des Entnahmewertes aber auf die Laufzeit des Leasingvertrages verteilt wird.
2. Die Anwendung der 1%-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG war vorliegend in den einzelnen Streitjahren auch nicht jeweils auf einen Zeitraum von acht Monaten zu beschränken. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe den Sportwagen in den Wintermonaten nicht genutzt.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist regelmäßig davon auszugehen, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Etwas anderes gilt dann, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig eine private Nutzung zu berücksichtigen. Der Beweis des ersten Anscheins kann von dem Steuerpflichtigen durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Die Kläger müssen also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass von den Klägern ein Sachverhalt dargelegt und im Zweifelsfall nachgewiesen wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nach dem Vortrag des Klägers nicht davon überzeugt, dass der Kläger den Sportwagen während der Monate Dezember bis März weder betrieblich noch privat genutzt hat. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass das fragliche Fahrzeug in den genannten Monaten nicht genutzt worden sei, da es aufgrund der Bereifung bereits bei regennassen Straßen, erst recht aber bei Winterwetter gefährlich sei, dieses Fahrzeug zu führen. Daher habe er in den Monaten Dezember bis März jeweils ein wintertaugliches Fahrzeug aus seinem Privatvermögen genutzt und dafür in seiner Gewinnermittlung auch eine Nutzungseinlage gebucht. Darüber hinaus hat der Kläger jedoch lediglich eine bloße Aufstellung über die nach seinem Vortrag mit dem anderen Pkw gefahren Strecken zwischen Wohnung und Betriebsstätte vorgelegt. Dies vermag jedoch den Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern, dass der Kläger den Sportwagen auch während der Wintermonate genutzt habe. Angesichts zunehmend milderer Winter sind auch in diesen Monaten normale Straßenverhältnisse eher die Regel. Dagegen hat der Kläger keine Maßnahmen unternommen, die seinem Vortrag entsprechend zu erwarten gewesen wären. So hat der Kläger das Fahrzeug während der Wintermonate nicht abgemeldet und auch kein Saisonkennzeichen beantragt, so dass ihm der Sportwagen stets zur Nutzung zur Verfügung stand. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger bei extremen Wetterlagen tatsächlich auch ein anderes Fahrzeug genutzt haben mag.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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