Steuerrecht

Marktwert von Goodwill

Aktenzeichen  518 F 11932/18

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55849
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Der Goodwill einer freiberuflichen Praxis ist als immaterieller Vermögenswert grundsätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (BGH Urt. v. 9.2.2011 – XII ZR 40/04). Die Bewertung dieses Goodwills ist grundsätzlich im Rahmen der modifizierten Ertragsmethode zu ermitteln, wobei ein Unternehmerlohn abzuziehen ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge der Antragstellerin in Ziffer 1.4 in der Fassung vom 22.01.2020 werden zurückgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners in der Folgesache Güterrecht zu seiner vormaligen Partnerschaft an einer Rechtsanwalts- und Steuerberaterpartnerschaft.
Die Beteiligten haben am 02.07.1999 die Ehe miteinander geschlossen. Die Trennung der Beteiligten erfolgte am 06.01.2018. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 05.01.2019 förmlich zugestellt.
Die beiden Kinder der Beteiligten sind volljährig.
Die Beteiligten haben am … dem Notar … unter URNr. …einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem Regelungen zum nachehelichen Unterhalt vereinbart wurden. Eine Regelung zum Güterrecht wurde nicht fixiert. Die Beteiligten haben am 07.12.2018 vor dem Notar unter URNr. …eine Vereinbarung zum Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt getroffen. Eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zu Zugewinngemeinschaft wurde auch hier nicht vereinbart.
Bereits vor der Trennung der Beteiligten war der Antragsgegner bei der Rechtsanwälte + Steuerberater mbH. Der Antragsgegner ist mit Ablauf des … ort ausgeschieden und einer Partnerschaft beigetreten, die bereits vor seinem Ausscheiden von vormaligen Kollegen bei … gegründet worden war.
In dem Partnerschaftsvertrag von … in der Fassung vom … finden sich folgende Regelungen;
§ 5 Gesellschaftskonten
5.1 Die Partnerschaft führt für die Partner ein festes Kapitalkonto, ein variables Kapitalkonto und ein Verrechnungskonto.
5.2 Auf dem festen Kapitalkonto werden die Einlagen des jeweiligen Partners (Vergleiche § 4) gebucht.
5.3 Auf dem variablen Kapitalkonto werden die Gewinn- und Verlustanteile des jeweiligen Partners (Vergleiche § 7.2) gebucht.
5.4 Zur Abrechnung der persönlichen Kosten und Ausgaben wird für jeden Partner ein Verrechnungskonto geführt, dessen Saldo jeweils zum Ende des Kalenderjahres dem variablen Kapitalkonto belastet wird.
§ 6 Vermögen der Partnerschaft:
6.1 Vorbehaltlich einer anders lautenden Vereinbarung für Einzelfälle steht das Vermögen der Partnerschaft den Partnern zu gleichen Zeilen zu (Gesamthandsvermögen)…
§ 7 Beteiligung an Gewinn und Verlust:
7.1.4 Der Saldo aller gemäß §§ 712/7.1.3 Abs. 1 zu berücksichtigenden Einnahmen und Ausgaben wird nach Köpfen unter Berücksichtigung der individuellen Leistungserträge der Partner verteilt.
a) zur Berücksichtigung der individuellen Leistungsbeiträge werden jedem Partner die unmittelbar von ihm selbst erzielten Honorare (Zeithonorare, sonstige Honorare und Vergütungen) auf der Grundlage der erzielten Zeithonorare bzw. bei einer vom Zeitaufwand unabhängigen Abrechnung auf der Grundlage der angefallenen Zeiten vorab zugerechnet (“Partnererlös“).
§ 20 Rechtsfolgen des Ausscheiden/Abfindung:
20.1 Nach Ausscheidung eines Partners erhält dieser (vorbehaltlich § 21) das Guthaben auf seinen Kapitalkonten (vgl. §§ 5.2/5.3) seinen nachlaufenden Partnererlös (vgl. § 7.4 Abs. 1) und im Falle der zum Phase Out berechtigten Partner seine nachlaufende Beteiligung an den Einnahmen der Partnerschaft (Vergleiche § 7.4b).
20.3 Weitere Ansprüche des ausgeschiedenen Partners, insbesondere auf Abfindung eines anteiligen Goodwills, Teilnahme an dem Ergebnis schwebender Geschäfte (vorbehaltlich § 7.4 Abs. 2) oder auf Freistellung von Verbindlichkeit der Partnerschaft oder auf Leistung von Sicherheit bestehe nicht.
Ausweislich eines Schreibens (vorgelegt als AG8 wurde im Jahre 2018 nach dem 06.01.2018 ein Betrag in Höhe von € 25.000,00 und im Oktober 2019 der Restbetrag des Kapitalkontos in Höhe von Zahlbetrag € 250.000,00 an den Antragsgegner durch … ausbezahlt.
Hinsichtlich der Partnerschaft bei … begehrt die Antragstellerin nun ergänzende Angaben und beantragte zuletzt:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin
a) zum Nachweis seines Vermögens am Trennungsstichtag, dem 06.01.2018, folgende Belege vorzulegen:
– den Partnerschaftsvertrag der … Rechtsanwälte und Steuerberater mbB in der zum Trennungsstichtag gültigen Fassung in unterschriebener Form
– die Einnahmen-Überschuss-Rechnung der … für 2015
– den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2015 …
– Kontobelege über die Kapitalkonten sowie die drei Gesellschafterkonten nach § 5 des Partnerschaftsvertrags der … [festes Kapitalkonto (Einlagen); variables Kapitalkonto (Gewinn- und Verlustanteile); Verrechnungskonto (persönliche Kosten und Ausgaben)] zum Stichtag 06.01.2018
b) Zum Nachweis seines Vermögens am Stichtag für das Endvermögen, dem 05.01.2019, folgende Belege vorzulegen:
– die EinnahmenÜberschuss-Rechnungen det 2016, 2017 und 2018
– die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2016, 2017 und 2018 für …
– Kontobelege über die Kapitalkonten sowie die drei Gesellschafterkonten nach § 5 des Partnerschaftsvertrags der …mbB [festes Kapitalkonto (Einlagen);variables Kapitalkonto (Gewinn- und Verlustanteile); Verrechnungskonto (persönliche Kosten und Ausgaben)] zum Stichtag 05.01.2019
Der Antragsgegner beantragt Antragszurückweisung.
Er ist der Meinung, dass weitere Angaben zu der Partnerschaft bei … nicht geschuldet sind.
Ein Auskunftsanspruch der Antragstellerin zu der vormaligen Partnerschaft bei … besteht nicht, insbesondere war der diesbezügliche Antrag in der Fassung vom 22.01.2020 zurückzuweisen, nachdem die von der Antragstellerin verlangten Auskünfte keinen Einfluss auf die Berechnung eines Zugewinns haben.
Gemäß § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB ist grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft zum Vermögen des jeweiligen Gegners zum Zeitpunkt der Trennung und gemäß § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB für den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags gegeben.
Unter den Begriff des Vermögens fallen dabei die rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, mithin neben allen den Ehegatten gehörenden Sachen sämtliche ihnen zustehenden objektiv bewertbaren Rechte, die am Stichtag bereits entstanden sind (BGH vom RZ 1981, 239). Das weitere Schicksal der Vermögensbestandteile nach dem Stichtag ist dabei bedeutungslos (Palandt/Brudermüller, BGB. 79. Auflage. München 2020. § 1376 Rdnr. 2).
Die Berücksichtigung eines Rechts setzt nicht die Vererblichkeit oder die Fälligkeit oder die Unbedingtheit voraus (Palandt/Brudermüller a.a.o.m.w.n.).
Der Goodwill einer freiberuflichen Praxis ist als immaterieller Vermögenswert grundsätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (BGH. Urteil vom 09.02.2011. XII ZR 40/04). Die Bewertung des Goodwills einer freiberuflichen Praxis ist grundsätzlich im Rahmen der modifizierten Ertragsmethode zu ermitteln, wobei ein Unternehmerlohn abzuziehen ist, der sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientiert (BGH XII ZR 40/09).
Der objektive Wert eines Unternehmens ist nach ständiger Rechtsprechung nicht auf den Substanzwert beschränkt. Denn der vermögenswerte Gehalt der Beteiligung liegt in der Mitberechtigung am Unternehmen und an der anteiligen Nutzungsmöglichkeit des Unternehmens (BGH Z 75.195.199).
Lediglich in Fällen, in denen der Gesellschaftsvertrag für den Fall des Ausscheidens aus einer Gemeinschaftspraxis eine Begrenzung des Abfindungsanspruches (etwa auf den Substanzwert) vorsieht, kann dies Auswirkungen auf den objektiven Wert haben (BGH. XII ZR 40/09 m.w.N.).
Der BGH führt hierzu aus: Der neben dem Substanzwert vorhandene Goodwill gründet sich auf immaterielle Faktoren wie Standort, Art und Zusammensetzung der Mandanten/Patienten, Konkurrenzsituation und ähnliche Faktoren, sobald sie auf einen Nachfolger übertragbar sind; er hat somit in der Regel einen eigenen Marktwert. Mit dem Goodwill bezahlt der Käufer einer freiberuflichen Praxis die Chance, die Mandanten des bisherigen Praxisinhabers oder Teilhabers zu übernehmen und auf dem vorhandenen Bestand und der gegebenen Konkurrenzsituation aufbauen zu können. Daneben bemisst sich der Erfolg einer freiberuflichen Praxis allerdings auch durch andere immaterielle Faktoren, wie Ruf und Ansehen des Praxisinhabers, die mit dessen Person verknüpft und deswegen grundsätzlich nicht übertragbar sind. Diese Faktoren können den Goodwill der Kanzlei oder Praxis jedenfalls im Zugewinn nicht bestimmen. Es kann sogar Fälle geben, in denen dem Ruf und Ansehen des Praxisinhabers eine solche überwiegende Bedeutung zukommt, dass dies einen Goodwill vollständig ausschließt oder Jedenfalls deutlich herabsetzt. Im Regelfall erzielt der Inhaber oder Mitarbeiter einer freiberuflichen Praxis seine Einkünfte aber nicht ausschließlich aus der Nutzung seiner Arbeitskraft, sondern auch unter Einsatz des verbundenen Goodwills seiner Kanzlei oder Praxis. Der so zu bemessene Goodwill kommt auch bei freiberuflichen Praxen ein eigener Marktwert zu. Seine bestehende Nutzungsmöglichkeit bestimmt über den Stichtag für den Zugewinnausgleich hinaus den objektiven Wert der Kanzlei oder Praxis.
Auch ein zusätzlich zu bewertender Goodwill der freiberuflichen Kanzlei oder Praxis darf aber nicht darauf hinauslaufen, künftig zu erzielende Gewinne zu kapitalisieren und güterrechtlich auszugleichen. Vielmehr ist auch insoweit nur der am Stichtag nachhaltig vorhandene Wert der Praxis oder des Praxisanteils zu erfassen, der sich in der bis dahin aufgebauten und zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten niederschlägt. … Zwar beruht die Berücksichtigung des Wertes einer freiberuflichen Praxis im Zugewinnausgleich wegen des Stichtagsbezuges nicht auf einen späteren Veräußerungswahl, sondern geht darauf, ob das der am Stichtag vorhandene Wert die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit auch für den Inhaber selbst weiterhin in sich birgt. Die Bewertung, die mit dem Zugewinnausgleich stichtagsbezogen endgültig vorzunehmen ist, setzt aber voraus, dass die Praxis zu dem ermittelten Wert auch frei verwertbar ist. Deswegen ist die Bewertungsmethode auch darauf gerichtet, einen Wert der freiberuflichen Praxis zu ermitteln, der zum Bewertungsstichtag am Markt erzielbar ist (BGH XII ZR 40/09).
Aus dem Umstand, dass nicht nur eine Veräußerbarkeit des Partneranteils bei … für den Antragsteller ausgeschlossen war, die Nutzungsmöglichkeit seiner Partnerschaft tatsächlich lediglich bis zum 30.09.2019 begrenzt war, die Nutzungsmöglichkeit zu den Stichtagen ganz überwiegend durch die Person des Antragsgegners, also durch „Ruf und Ansehen“ des Antragsgegners geprägt war, schließt nach Auffassung des Amtsgerichts die Heranziehung eines Goodwills, der sich aus den Erträgen in der Vergangenheit berechnen lässt, aus. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass bei Aufstellung der einzelnen Vermögenspositionen das Stichtagsprinzip gilt und das weitere Schicksal der einzelnen Positionen irrelevant ist. Bei der kapitalisierten Nutzungsmöglichkeit handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, Prognosen können durch die tatsächliche Entwicklung jedoch widerlegt werden, wie vorliegend durch das Ausscheiden des Antragsgegners bei … Aufgrund der Unverwertbarkeit seines Partnerschaftsanteils ist nach Auffassung des Gerichts lediglich der zum Zeitpunkt der Zustellung bereits vorhandene Anspruch auf Rückzahlung der Kapitaleinlage in Höhe von € 250.000,00 einzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt der Endentscheidung.


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