Steuerrecht

Nachhaftung des ausgeschiedenen Komplementärs einer KG

Aktenzeichen  M 10 S 15.5732

Datum:
27.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AO AO § 163, § 191, § 221, § 227, § 233a
HGB HGB § 128, § 159 Abs. 1, Abs. 3, § 160, § 161 Abs. 1, Abs. 2
GewStG GewStG § 18

 

Leitsatz

1 Ein gesetzlicher Haftungstatbestand kann sich nicht nur aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Steuerrechts ergeben, sondern auch aus zivilrechtlichen Normen. In diesen Fällen kann ein Haftungsbescheid allerdings nur ergehen, wenn der Haftungsanspruch nach den maßgebenden zivilrechtlichen Bestimmungen entstanden und noch nicht gem. § 191 Abs. 4 AO verjährt ist. (red. LS Andy Schmidt)
2 Die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unabhängig von deren Rechtsgrund den Gläubigern persönlich; eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. Die Haftung erstreckt sich dabei auch auf „Altschulden“. Wer in eine bestehende Gesellschaft eintritt, haftet gleich den anderen Gesellschaftern nach Maßgabe der § 128 und § 129 HGB für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne Unterschied, ob die Firma geändert wird oder nicht. (red. LS Andy Schmidt)
3 Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus, so haftet er für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 237.008,35 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Haftungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem sie für Gewerbesteuerrückstände der Firma „Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs- GmbH & Co. … KG“ als Haftungsschuldnerin herangezogen worden ist.
1. Gewerbebetrieb/Gesellschaften
a) Steuerschuldnerin/KG
Die „…“ Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. 3. KG wurde beim Amtsgericht … unter … mit Beginn 26. Februar 1998 eingetragen und am 16. Juni 2005 in die Firma Gewerbe Immobilien Entwicklungs AG & Co. Objekt … KG umbenannt.
Laut § 2 des KG-Vertrags vom 12. April 2005 war Gegenstand dieses Unternehmens der Kauf, die Entwicklung und die Veräußerung des 2004 erworbenen Grundstücks Kapellenstr. 12 in 85622 … (Flur-Nr. …) mit einer Größe von rund 13.000 qm. Am 11./19. April 2005 wurde eine Maklerfirma beauftragt, für das dort zu errichtende Objekt “Büro-/Verwaltungsgebäude …” unter Angebot eines Kaufpreises von 28.745.460 Euro einen Kaufabschluss zu vermitteln. Das Grundstück wurde im Folgenden bebaut, anschließend erfolgten die Übergabe und Veräußerung des Objektes im Jahr 2006.
Nach Abwicklung des Unternehmensgegenstands wurde die Liquidation der damaligen „…“ Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. 3. KG betrieben und am 24. Oktober 2007 ihre Auflösung im Handelsregister eingetragen. Am 2. Mai 2012 wurde die Firma in Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … (in Liquidation – i. L.) umbenannt.
Als gesetzlicher Vertreter bzw. Liquidatoren dieser Kommanditgesellschaft waren im Handelsregister eingetragen
 ein Herr … vom 24. Oktober 2007 bis 18. November 2013 und
 seit 18. November 2013 ein Herr ….
Als persönlich haftende Gesellschafter waren bzw. sind eingetragen:
 die …-Liegenschaftsverwaltung GmbH (Amtsgericht …, …) vom 26. Februar 1998 bis 10. November 2004,
 die Antragstellerin (… Immobilien AG, Amtsgericht …, …) vom 10. November 2004 bis 2. Mai 2012 sowie
 die „…“ Handelsgesellschaft mbH (Amtsgericht …, …) seit 2. Mai 2012.
Als Kommanditisten waren bzw. sind eingetragen:
 die … Vermögensverwaltungs- und Beteiligungs GmbH (Amtsgericht …, …, 26.2.1998 bis 16.6.2005),
 die … Liegenschaftsverwaltung GmbH (Amtsgericht …, …, 26.2.1998 bis 16.6.2005),
 die … Immobilien Verwaltungs- und Verwertungs GmbH (Amtsgericht …, …, 16.6.2005 bis 2.5.2012) sowie
 die … Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft mbH (Amtsgericht …, …, seit 2.5.2012).
b) Antragstellerin/Haftungsschuldnerin
Die Antragstellerin wurde am 7. Dezember 1999 unter der Firma … Gewerbe Immobilien Entwicklungs Aktiengesellschaft gegründet und am 11. April 2000 beim Amtsgericht … im Handelsregister … mit der Nr. … zunächst mit Firmensitz in …, seit 3. November 2004 mit Sitz in … eingetragen. Mit Beschluss der Hauptversammlung vom 7. Mai 2012 erfolgte die Umfirmierung der Antragstellerin in die … Immobilien AG.
Als ihr Geschäftsgegenstand sind eingetragen der Erwerb, die Bebauung, Vermietung und Verwertung von Gewerbeobjekten sowie ferner die Beteiligung der Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin an anderen Gesellschaften; Geschäfte als Makler, Bauträger und Baubetreuer, die der Genehmigung nach § 34c GewO bedürfen, sind nicht Gegenstand ihres Unternehmens.
Als gesetzliche Vertreter der Antragstellerin waren bzw. sind im Handelsregister eingetragen:
 ein Herr … vom 11. April 2000 bis 16. Januar 2012,
 ein Herr … seit 21. Februar 2006 und
 ein Herr … seit 11. Dezember 2012.
Im Zeitraum 11. September 2006 bis 16. Januar 2012 war als zudem als Prokuristin eine Frau … eingetragen.
2. Steuerfestsetzungen aufgrund Steuererklärungen der Steuerschuldnerin
Für das Jahr 2006 schätzte das Finanzamt … den Gewerbesteuermessbetrag für die Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG (i. L.) mit Bescheid vom 18. Mai 2009 zunächst auf 117.575,- Euro.
Aufgrund der für 2006 von der Steuerberaterin der Kommanditgesellschaft (i. L.) abgegebenen Steuererklärung, in der der aus der Veräußerung des Immobilienobjektes erzielte Gewinn als steuerbegünstigter Veräußerungs- bzw. Betriebsaufgabegewinn beurteilt wurde, setzte das Finanzamt … mit Gewerbesteuermessbescheiden vom 30. Oktober 2009 die Messbeträge für die Jahre 2006 und 2007 jeweils auf 0,- Euro fest.
Die Antragsgegnerin setzte daraufhin die Gewerbesteuer 2006 mit Bescheid vom 6. November 2009 gegenüber der KG ebenfalls auf 0,- Euro fest.
Die Steuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2010 reichte die Steuerbevollmächtigte der Kommanditgesellschaft (i. L.), die … und Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/Steuerberatungsgesellschaft am 22. März 2012 beim Finanzamt ein, woraufhin die jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge 2008, 2009 und 2010 mit Bescheiden jeweils vom 19. April 2012 auf 0,- Euro festgesetzt wurden.
Alle Festsetzungen erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
3. Betriebsprüfung und darauf basierende Änderungsbescheide
Aufgrund Prüfungsanordnung vom 16. Dezember 2009 wurde im Zeitraum 19. Februar 2010 bis 6. November 2012 bei der Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG (i. L.) für die Steuerjahre 2005, 2006 und 2007 eine Außenprüfung durchgeführt. Am 6. November 2012 fand die Schlussbesprechung statt.
Nach Aktenlage (vgl. Behördenakten Teil II Blatt 119 f,) vertraten die Steuerbevollmächtigten der Kommanditgesellschaft dabei die Ansicht, dass die Veräußerung der Immobilie …str. 12, …, nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen sei, da nur ein Objekt veräußert worden sei und es sich somit nicht um eine gewerbesteuerpflichtige Betriebsveräußerung gehandelt habe. Sie gaben an, es sei zunächst nicht geplant gewesen, das Grundstück nach der Bebauung zu veräußern; diese Absicht sei kurz nach dem Beginn der Bebauung aufgegeben worden.
Laut Betriebsprüfung gab es für die von Beginn an gegebene Veräußerungsabsicht eindeutige Belege. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Konzernstruktur (die Antragstellerin als Komplementärin mehrerer Personengesellschaften) so aufgebaut worden sei, dass für jedes Objekt eine Gesellschaft gegründet worden sei; laut ständiger BFH-Rechtsprechung liege aber bereits bei dem Verkauf von nur einem Objekt ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn der Verkäufer – wie im vorliegenden Fall – wie ein Bauträger auftrete.
Laut Feststellung der Betriebsprüfung lag eindeutig ein gewerblicher Grundstückshandel mit entsprechender Erhöhung der Gewerbeerträge (Unterschied 2006: +2.860.033,- Euro, Unterschied 2007: +30.300,- Euro) vor.
Laut Aktenvermerk des Finanzamtes … wurde diese Auffassung von der Steuerschuldnerin bzw. ihren Steuerbevollmächtigten im Rahmen der Schlussbesprechung schließlich akzeptiert und es wurde bei allen Prüfungsfeststellungen Einvernehmen erreicht (vgl. Behördenakten Teil II Blatt 120, 145).
Aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung setzte das Finanzamt … jeweils mit Gewerbesteuermessbescheiden vom 2. Mai 2013 für das Jahr 2006 einen Messbetrag in Höhe von 126.935,- Euro und für das Jahr 2007 einen Messbetrag in Höhe von 58,- Euro fest.
Mit weiteren Bescheiden jeweils vom 11. Dezember 2013 setzte das Finanzamt die Gewerbesteuermessbeträge für 2008 mit 7.784,- Euro, für das Jahr 2009 mit 6.356,- Euro und für das Jahr 2010 mit 6.163,- Euro fest.
Die Antragsgegnerin setzte daraufhin gegenüber der Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG (i. L.) mit Gewerbesteuerbescheiden jeweils vom 14. Mai 2013, berichtigt unter dem 31. Oktober 2013, für das Jahr 2006 eine Gewerbesteuer von 621.981,50 Euro sowie Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 4. November 2013 in Höhe von 208.353,- Euro und für das Jahr 2007 eine Gewerbesteuer von 284,20 Euro sowie Nachzahlungszinsen für den Zeitraum 1. April 2009 bis 4. November 2013 in Höhe von 60,- Euro fest und stellte diese Forderungen jeweils zum 4. Dezember 2013 zur Zahlung fällig.
Mit weiteren Gewerbesteuerbescheiden jeweils vom 27. Februar 2014 setzte die Antragsgegnerin für das Jahr 2008 eine Gewerbesteuer in Höhe von 38.141,60 Euro sowie Nachzahlungszinsen für den Zeitraum 1. April 2010 bis 3. März 2014 in Höhe von 8.953,- Euro, für das Jahr 2009 eine Gewerbesteuer von 31.144,40 Euro sowie Nachzahlungszinsen für den Zeitraum 1. April 2011 bis 3. März 2014 in Höhe von 5.442,- Euro und für das Jahr 2010 eine Gewerbesteuer von 30.198,70 Euro sowie Nachzahlungszinsen für den Zeitraum 1. April 2012 bis 3. März 2014 in Höhe von 3.467,- Euro fest; die Gewerbesteuerfestsetzungen 2008 bis 2010 wurden zum 3. April 2014 zur Zahlung fällig gestellt.
Nach Aktenlage sind alle Festsetzungen bestandskräftig.
4. Vollstreckung bei der Steuerschuldnerin
Mit Schreiben vom 27. November 2013 beantragte die steuerliche Vertretung der Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … (i. L.)
eine Stundung der Rückstände. Die daraufhin vereinbarte Ratenzahlung wurde nach Aktenlage jedoch nicht aufgenommen. Am 14. März 2014 veranlasste die Antragsgegnerin eine Kontopfändung, die jedoch ohne Erfolg blieb. Am 30. April 2014 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht München die Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO und, nachdem diese nicht erfolgte, anschließend die Verhaftung der Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Dieses Verfahren ist nach Aktenlage noch nicht abgeschlossen. Zahlungen auf die Rückstände erfolgten seitens der Steuerschuldnerin nicht.
Einen seitens der Steuerschuldnerin beantragten Erlass der Gewerbesteuerschulden 2006 einschließlich Nebenforderungen aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2. Dezember 2015 ab, der hiergegen eingelegte Widerspruch ist noch offen.
5. Haftungsverfahren gegenüber der Antragstellerin
Mit Schreiben vom 24. November 2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie prüfe, ob und inwieweit sie als Komplementärin nach § 191 AO i. V. m. §§ 161, 128 HGB für Gewerbesteuerrückstände der Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG i. L. in Anspruch genommen werden könne und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.
Unter dem 3. Februar 2015 teilte die Antragstellerin der Antraggegnerin daraufhin mit, zwar sei sie bis 2. Mai 2012 Komplementärin der Steuerschuldnerin gewesen; seit diesem Zeitpunkt sei alleinige Komplementärin die „…“ Handelsgesellschaft mbH. Die Geschäftsführung sei alleine vom Liquidator ausgeübt worden. Verantwortungszuständigkeiten zwischen mehreren Beteiligten habe es nicht gegeben und dementsprechend auch keine Abgrenzungsvereinbarungen. Ausgeschiedene persönlich haftende Gesellschafter einer KG hafteten regelmäßig nur für Altverbindlichkeiten, nicht aber für solche Verbindlichkeiten, die nach ihrem Ausscheiden entstanden seien. Hier sei der Gewerbesteuerbescheid erst am 14. Mai 2013 erlassen worden. Als ausgeschiedene Gesellschafterin habe die Antragstellerin keine rechtliche Möglichkeit gehabt, die Festsetzung der Gewerbesteuer rechtlich überprüfen zu lassen.
Im Übrigen vertrete sie die Auffassung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der Gewerbesteuer nicht gegeben gewesen seien und bezöge sich hierzu auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 3. April 2014 (IV R 12/10). Danach setze die Tarifbegünstigung eines Veräußerungsgewinnes nicht voraus, dass der Steuerpflichtige jegliche originäre oder fiktive gewerbliche Tätigkeit einstelle; erforderlich sei lediglich, dass er die in dem veräußerten Betrieb bislang ausgeübte Tätigkeit eingestellt und die diesbezüglich wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert habe. Insgesamt könne die Antragstellerin für etwaige Gewerbesteuerschulden der Kommanditgesellschaft nicht haften.
Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 20. Mai 2015, dem Vorstand der Antragstellerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 26. Mai 2015 zugestellt, nahm die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Höhe von 948.033,40 Euro als Haftungsschuldnerin für die Gewerbesteuerrückstände der Firma Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. Objekt … KG i. L. in Anspruch.
Der Haftungsbetrag setze sich aus den Gewerbesteuerforderungen der Jahre 2006 bis 2010 und entsprechenden Nachzahlungszinsen zusammen (vgl. tabellarische Darstellung unter Ziff. 3 des Bescheides).
Zur Begründung des Haftungsanspruches führt die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin sei in der Zeit vom 10. November 2004 bis 2. Mai 2012 Komplementärin einer Kommanditgesellschaft gewesen und könne daher gemäß §§ 161, 128 HGB für alle Schulden der Gesellschaft und damit auch für die Gewerbesteuerschulden und Nebenleistungen gesamtschuldnerisch haften und gemäß § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
Die Inanspruchnahme erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der im Anhörungsverfahren vorgebrachten Sachverhalte.
Der Einwand der Antragstellerin, die Gesellschafter hafteten nur für Altverbindlichkeiten, nicht aber für solche Verbindlichkeiten, die nach ihrem Ausscheiden entstanden seien, treffe hier nicht zu. Die Gewerbesteuer sei eine Jahressteuer, die jeweils zum 31. Dezember des Jahres entstehe. Dies gelte auch für die Gewerbesteuern 2006 bis 2010 der Kommanditgesellschaft. Die Antragstellerin sei bis Mai 2012 deren Komplementärin gewesen und somit seien die Gewerbesteuerforderungen noch vor ihrem Ausscheiden als Komplementärin entstanden.
Auch der Einwand, dass die Antragstellerin keine Möglichkeit gehabt habe, die Festsetzung der Gewerbesteuer überprüfen zu lassen, sei nicht korrekt. Die finanzamtliche Betriebsprüfung habe am 19. Februar 2010 begonnen, als die Antragstellerin noch als Komplementärin tätig gewesen sei.
Laut Betriebsprüfungsbericht vom 15. November 2012 hätten auch die gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin, Herr … und Herr …, sowie die Prokuristin … Auskünfte erteilt. Bei der Schlussbesprechung am 6. November 2012 sei in allen Punkten Einvernehmen erzielt worden. Die Festsetzungen seien bestandskräftig. Einsprüche beim Finanzamt seien nicht eingelegt worden. Das zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. April 2014 sei nicht einschlägig. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung des Finanzamtes … liege der Veranlagung eindeutig ein gewerblicher Grundstückshandel zugrunde. Die Konzernstruktur sei so aufgebaut worden, dass für jedes Objekt eine Gesellschaft gegründet worden sei. Laut ständiger BFH-Rechtsprechung liege bereits bei dem Verkauf von nur einem Objekt ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn der Verkäufer – wie vorliegend – wie ein Bauträger auftrete.
Die Haftungsinanspruchnahme erfolge aus der Verpflichtung der Antragsgegnerin heraus, eine möglichst rasche und sichere Erhebung der Steuerschuld zu gewährleisten, zumal die Realisierung des Steueranspruchs infolge erfolgloser Vollstreckung bei der Steuerschuldnerin nicht möglich gewesen sei.
Komplementäre einer Kommanditgesellschaft hafteten gesamtschuldnerisch mit allen weiteren Gesellschaftern. Hier sei neben der Antragstellerin die „…“ Handelsgesellschaft mbH als weitere Vollhafterin in Anspruch genommen worden (Haftungsumfang: 1.073.938,40 Euro). Ferner sei die …-Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft mbH als Kommanditistin in Höhe ihrer Einlageverpflichtung von 5.112,92 Euro in Haftung genommen worden. Schließlich sei auch der Liquidator der KG, Herr …, als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft in Haftung genommen worden, da er die Entrichtungspflichten der Gesellschaft verletzt habe (Haftungsumfang: 1.073.938,40 Euro).
Die Firma … Immobilien Verwaltungs- und Verwertungs GmbH werde nicht in Haftung genommen, da sie ihren Kommanditanteil am 25. April 2012 auf die Firma …-Liegenschaftsverwaltung GmbH übertragen habe; Herr … werde ebenfalls nicht in Haftung genommen, da er keine Entrichtungspflichten verletzt habe. Anhaltspunkte, dass sonstige Personen für eine Haftung in Frage kämen, seien nicht gegeben.
Komplementäre einer Kommanditgesellschaft hafteten in vollem Umfang. Das Ermessen sei somit richtig ausgeübt, wenn die Komplementärin für alle noch offenen Gewerbesteuerschulden – einschließlich der steuerlichen Nebenleistungen – herangezogen werde. Eine Haftungsinanspruchnahme bezüglich der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sei auch für die seit Längerem ausgeschiedenen Gesellschafter möglich (BayVGH, B. v. 2.5.2013 – 4 ZB 12.1393).
Der Haftungsbetrag in Höhe von 948.033,40 Euro sei am 23. Juni 2015 zur Zahlung fällig. Die Voraussetzungen für eine Zahlungsaufforderung gemäß § 219 AO lägen vor, weil die mit den Gewerbesteuerbescheiden festgesetzten Gewerbesteuern nicht entrichtet worden seien und die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Steuerschuldnerin ohne Erfolg geblieben sei.
Mit Telefax vom 26. Juni 2015 legte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen den Haftungsbescheid vom 20. Mai 2015 ein.
Zur Begründung des Widerspruchs wurde unter dem 1. September 2015 im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin hafte als ausgeschiedene Komplementärin nicht für Altschulden der Kommanditgesellschaft. Die Antragsgegnerin trage die Beweislast dafür, dass Altverbindlichkeiten vorlägen. Was eine Altverbindlichkeit sei, richte sich grundsätzlich danach, wann die Rechtsgrundlage für eine Verbindlichkeit gelegt worden sei. Im öffentlichen Recht entscheide insoweit der schuldauslösende Tatbestand. In der Rechtsprechung werde darauf verwiesen, dass eine Altverbindlichkeit dann vorliege, wenn vor dem Ausscheiden eines Gesellschafters ein Rechtsgrund „angelegt“ gewesen sei (BGH, U. v. 24.2.2003 – II ZR 385/09; U. v. 17.1.2012 – II ZR 197/19). Im vorliegenden Fall liege die Besonderheit vor, dass Gegenstand der Besteuerung nur der Aufgabegewinn sei, den die Steuerschuldnerin durch Veräußerung eines Grundstückes im Jahre 2006 erzielt habe. Dieser sei zunächst als „steuerfrei“ angesehen und erst nach dem Ausscheiden der Antragstellerin von der Betriebsprüfung als „gewerblich“ und infolge dessen als „zu versteuernd“ eingestuft worden. Nach § 18 GewStG entstehe die Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraumes, für den die Festsetzung vorgenommen werde. Dabei gehe die herrschende Meinung davon aus, dass der Steueranspruch – unabhängig von seiner Festsetzung – entstehen könne; ohne die Verwirklichung eines Steuertatbestandes entstehe ein Gewerbesteueranspruch allerdings auch dann, wenn und soweit er durch Gewerbesteuerbescheid festgesetzt werde. Was im Positiven gelte, müsse auch im Negativen gelten. Das heißt, wenn ein Steueranspruch mit 0,- Euro festgesetzt werde, sei damit dokumentiert, dass ein Steuertatbestand nicht gegeben sei. Im nach § 161 HGB für die Antragstellerin relevanten Haftungszeitraum habe in Folge der Festsetzung auf 0,- Euro kein Steuertatbestand vorgelegen, der eine Altverbindlichkeit hätte begründen können. Es habe auch keinen „latenten“ Steuertatbestand gegeben; die im Anschluss an die Betriebsprüfung erfolgte abweichende Beurteilung müsse die Antragstellerin nicht gegen sich gelten lassen, ebenso wenig wie die im Anschluss an die Betriebsprüfung erfolgte Festsetzung der Steuer und Nachzahlungszinsen. Die entsprechenden Bescheide seien ihr im Übrigen auch nie bekanntgegeben oder förmlich zugestellt worden.
Über den Widerspruch wurde bislang nicht entschieden.
Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Antragstellerin vom 1. September 2015 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. Dezember 2015 ab.
Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 20. November 2015 pfändete sie diverse Konten der Antragstellerin.
Mit Schriftsatz ihrer nunmehr bestellten Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Dezember 2015 hat die Antragstellerin den Antrag zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gestellt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 20. Mai 2015 anzuordnen.
Zur Begründung des Antrages wird ausgeführt, der Haftungsbescheid sei aus den in der Widerspruchsbegründung dargelegten Gründen rechtswidrig. Die als persönlich haftende Gesellschafterin ausgeschiedene Antragstellerin hafte nur für Altschulden der Steuerschuldnerin, nicht aber für die jetzt in Frage stehenden Gewerbesteuerschulden, da diese erst nach dem Ausscheiden dem Grunde und der Höhe nach entstanden seien.
Im Einklang mit der damaligen Rechtsprechung sei für die Jahre 2006 bis 2010 von der Antragsgegnerin gegenüber der Steuerschuldnerin zunächst keine Gewerbesteuer festgesetzt worden. Erst nach dem Ausscheiden der Antragstellerin als persönlich haftende Gesellschafterin der Steuerschuldnerin habe die Antragsgegnerin ihre Auffassung im Anschluss an eine finanzamtliche Betriebsprüfung geändert. Grund dafür sei gewesen, dass der zunächst nicht besteuerte Veräußerungsvorgang eines Grundstücks durch die Steuerschuldnerin als Objektgesellschaft – völlig überraschend und auf Änderung der Rechtsprechung gestützt – als gewerblich angesehen und folglich der Gewerbesteuer unterzogen worden sei.
Die Steuerschuldnerin sei mit Rechtsbehelfen und einem Erlassantrag gegen die Steuerfestsetzungen vorgegangen. Über Letzteren sei noch nicht endgültig entschieden.
Ergänzend trugen die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18. März 2016 vor, die Antragsgegnerin habe bisher auch unberücksichtigt gelassen, dass sich die Steuerschuldnerin seit dem 24. Oktober 2007 in Liquidation befinde, was für die von der Antragsgegnerin bisher nicht behandelte Frage der Verjährung eine Rolle spiele. Nach § 159 Abs. 1 HGB verjährten Ansprüche gegen Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft innerhalb von 5 Jahren ab Eintragung der Liquidation. Diese Frist sei am 25. Oktober 2012 abgelaufen.
Die Betriebsprüfung, auf welcher die Festsetzung der Gewerbesteuer am 14. Mai 2013 beruhe, habe mit einer Schlussbesprechung am 6. November 2012 und einem Betriebsprüfungsbericht vom 15. November 2012, mithin also nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB, geendet. Zwar bestimme § 159 Abs. 3 HGB, dass die Verjährungsfrist bei einer späteren Fälligkeit des gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruches erst mit Fälligkeit beginne. Sinn und Zweck dieser Sonderverjährung sei es unter anderem, die berechtigten Interessen der Gesellschafter zu wahren, indem ihre fortdauernde persönliche Haftung zeitlich begrenzt werde.
Dies bringe es mit sich, dass § 159 Abs. 3 HGB dann nicht mehr zur Anwendung komme, wenn die mit Eintragung der Liquidation beginnende primäre Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei. Dies gelte umso mehr dann, wenn der Eintritt der Fälligkeit einer Forderung von einer Handlung des Gläubigers abhänge, deren Vornahme in sein Belieben gestellt sei. Die Anwendbarkeit von § 159 Abs. 3 HGB setze nach diesem Verständnis voraus, dass die Fälligkeit von objektiven Umständen abhänge, ansonsten könnte der Gläubiger die Frist des § 159 Abs. 1 HGB beliebig manipulieren.
Die Antragsgegnerin habe hier die maßgebliche Gewerbesteuer – auf welche sich der Haftungsbescheid begründe – erst am 14. Mai 2013 und mithin lange nach dem Ablauf der Frist des § 159 Abs. 1 HGB festgesetzt. Nach Auffassung und Argumentation der Antragsgegnerin habe sich der zu besteuernde Tatbestand für die Gewerbesteuer hinsichtlich des maßgeblichen Betrages in Höhe von 621.981,50 Euro im Jahre 2006 verwirklicht. In Bezug auf die Verjährungsregelung des § 159 HGB zeige sich hier ein unauflösbarer Widerspruch: Es könne nicht angehen, dass einerseits die Haftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters darauf gestützt werden könne, dass eine Altverbindlichkeit vorliege, obwohl die Fälligkeit erst nach dem Ausscheiden des Gesellschafters eingetreten sei, wenn andererseits aber die dem Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft begünstigende Regelung des § 159 Abs. 1 HGB mit der Begründung ausgehebelt werden würde, dass durch eine später eingetretene Fälligkeit erneut eine fünfjährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden sei.
Die Antragstellerin berufe sich hier ausdrücklich auf die am 25. Oktober 2012 eingetretene Verjährung. Der Haftungsbescheid sei schon aus diesem Grund rechtswidrig.
Zudem werde weiterhin die Auffassung vertreten, dass bis zum Ausscheiden der Antragstellerin weder ein Steuertatbestand noch ein Steueranspruch vorgelegen habe, mithin auch keine Altverbindlichkeit. Dies gelte erst recht für die Nachzahlungszinsen in Höhe von insgesamt 226.283,- Euro. Diese könnten schon deswegen keine Altverbindlichkeiten darstellen, weil ihr Entstehungsgrund nicht vor dem Ausscheiden der Antragstellerin aus der Gesellschaft vorgelegen haben könne. Die Erkenntnisse der Antragsgegnerin sowie die Festsetzung von Nachzahlungszinsen seien vielmehr nach dem Ausscheiden der Antragstellerin – wenn auch mit einer Rückwirkung auf vergangene Zeiträume – erfolgt. Der Entstehungsgrund sei indessen nicht während der Zeit gelegt worden, in welcher die Antragstellerin Gesellschafterin der Steuerschuldnerin gewesen sei.
Im Übrigen gebiete eine Interessenabwägung, die sofortige Durchsetzung des Haftungsbescheides zurückzustellen. Das Interesse der Antragstellerin, einen Liquiditätsverlust zu vermeiden, wiege im Zweifel höher als das Interesse der Antragsgegnerin an der Durchsetzung des Zahlungsanspruchs.
Bereits unter dem 29. Januar 2016 hat die Antragsgegnerin die Verwaltungsakten vorgelegt und den Antrag gestellt,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 20. Mai 2015 zurückzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Gewerbebetrieb der Steuerschuldnerin, der Kommanditgesellschaft i. L., sei nach den Feststellungen der Betriebsprüfung als gewerblicher Grundstückshandel qualifiziert und entsprechend gewerbesteuerpflichtig veranlagt worden. Es sei festgestellt worden, dass nach gefestigter BFH-Rechtsprechung bei der Veräußerung des Grundstücks von Anfang an ein gewerblicher und damit gewerbesteuerpflichtiger Grundstückshandel vorgelegen habe. Dies gehe aus dem KG-Vertrag vom 12. April 2005 (§ 2 Gesellschaftszweck) ebenso hervor, wie aus dem Maklervertrag vom 11. April 2005 über den Verkauf des Grundstücks und den Darlehensvertrag mit der „… AG“ vom 12. Mai 2005, wonach das projektierte Büro- und Verwaltungsgebäude mit Blick auf die mietvertraglichen Bedingungen fristgerecht und bezugsfertig hergestellt sowie an einen Investor veräußert werden sollte.
Die Feststellungen der Betriebsprüfung seien in der Schlussbesprechung akzeptiert worden.
Das von der Antragstellerin zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. April 2014 behandle einen völlig anderen Sachverhalt, der hier nicht übertragbar sei. Die Steuerschuldnerin habe keine Rechtsbehelfe eingelegt. Auch die Gewerbesteuerbescheide – insbesondere für 2006 – seien nicht angefochten worden. Ein Erlassantrag der Steuerschuldnerin nach § 163 AO bzw. § 227 AO sei von der Antragsgegnerin abgelehnt worden; sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor.
Die Antragstellerin sei zu Recht für die in der Zeit ihrer Stellung als Komplementärin entstandenen Gewerbesteuern in Anspruch genommen worden. Nach §18 GewStG entstehe die Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraumes, für den die Festsetzung vorgenommen werde, also zum 31. Dezember des entsprechenden Jahres. Die Gewerbesteuermessbescheide 2006 und 2007 – mit jeweils 0,- Euro – vom 30. Oktober 2009 – seien unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Aufgrund der später durchgeführten Betriebsprüfung habe das Finanzamt von seinem Recht auf Überprüfung gemäß § 194 AO Gebrauch gemacht. Die Erhöhungen im Rahmen der Betriebsprüfung seien damit korrekt.
Die Tatsache, dass ein gewerbesteuerlicher Tatbestand erst später – im Rahmen der Betriebsprüfung – festgestellt werde, ändere nichts daran, dass der Tatbestand bereits jeweils zum 31. Dezember des entsprechenden Jahres entstanden sei. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Mai 2013 (4 ZB 12.1393), wonach die Gesellschafter einer GbR für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft – unabhängig von deren Rechtsgrund – entsprechend § 128 HGB persönlich hafteten.
Ein ausgeschiedener Gesellschafter hafte weiter – zeitlich begrenzt – für alle Verbindlichkeiten, die bis zu seinem Ausscheiden begründet worden seien (§ 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 Abs. 2 Satz 1 HGB). Begründet sei eine Verbindlichkeit nicht erst dann, wenn der Anspruch des Gläubigers entstanden oder gar fällig sei; maßgeblich sei vielmehr, wann der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit gelegt worden sei. Dies setze nicht voraus, dass vor dem Ausscheiden des Gesellschafters bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruches erfüllt gewesen seien. Die Antragstellerin müsse die rechtliche Würdigung der Betriebsprüfung gegen sich gelten lassen, die dem Grundstücksverkauf 2006 als gewerbesteuerpflichtig eingestuft habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2015 hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, da die Antragsgegnerin die behördliche Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 6 VwGO abgelehnt hat.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, wenn ein Verwaltungsakt die Anforderung von öffentlichen Abgaben betrifft (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Das Gleiche gilt, soweit für öffentliche Abgaben – wie hier Gewerbesteuer – gehaftet wird (st. Rspr., vgl. z. B. VG München, B. v. 22.12.2006 – M 10 S 06.3614 – juris).
Das Gericht der Hauptsache kann jedoch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage durch Beschluss anordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO), was in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO dann zu geschehen hat, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides so erheblichen Bedenken begegnet, dass eine Aufhebung oder Abänderung im Hauptsacheverfahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann.
Im vorliegenden Fall ist nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung davon auszugehen, dass der angefochtene Haftungsbescheid im Rechtsmittelverfahren Bestand haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen; auch das dabei ausgeübte Ermessen ist im Rahmen der gemäß § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Prüfung nicht zu beanstanden.
1. Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.
a) Ein gesetzlicher Haftungstatbestand kann sich nicht nur aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Steuerrechts ergeben, sondern auch aus dem Privatrecht (st. Rspr., vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Mai 2016, vor § 69 Rn. 22 m. w. N.). In diesem Fall kann ein Haftungsbescheid allerdings nur ergehen, wenn der Haftungsanspruch nach den maßgebenden zivilrechtlichen Bestimmungen entstanden und noch nicht verjährt ist (§ 191 Abs. 4 AO).
Gemäß § 128 i. V. m. § 161 Abs. 1 und 2 HGB haften die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unabhängig von deren Rechtsgrund den Gläubigern persönlich; eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Die Haftung erstreckt sich dabei auch auf „Altschulden“. Wer in eine bestehende Gesellschaft eintritt, haftet gleich den anderen Gesellschaftern nach Maßgabe der § 128 und § 129 HGB für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne Unterschied, ob die Firma geändert wird oder nicht (§ 130 Abs. 1 HGB).
Zudem findet – zeitlich befristet – eine Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter statt. Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so haftet er für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt der Erlass eines Verwaltungsakts (§ 160 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Frist beginnt mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird (§ 160 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Diese Haftungsvorschriften gelten entsprechend § 156 HGB auch für eine Gesellschaft in Liquidation; diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass die Gesellschaft nach ihrer Auflösung fortbesteht und die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander und der Gesellschaft zu Dritten grundsätzlich unverändert bleiben (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 156 Rn. 1, 4-6). Folglich haften auch alle Gesellschafter gemäß § 128 HGB nach Auflösung der Gesellschaft (Hopt a. a. O. § 159. Rn. 1).
b) Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften haftet die Antragstellerin für die Gewerbesteuerrückstände der Firma Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG i. L. aus den Jahren 2006 bis 2010.
Die Antragstellerin war vom 10. November 2004 bis 2. Mai 2012 als persönlich haftende Gesellschafterin der Firma Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG i. L. (im Folgenden: KG) im Handelsregister eingetragen. Die Gewerbesteuerschulden 2006 bis 2010 sind vorher bzw. während dieses Zeitraums im Sinne der §§ 130 Abs. 1, § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB begründet worden.
„Begründet“ ist eine Verbindlichkeit nicht erst dann, wenn der Anspruch des Gläubigers entstanden oder gar fällig ist; maßgeblich ist vielmehr, wann der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit gelegt wurde (BayVGH, B. v. 2.5.2013 – 4 ZB 12.1393 – juris; BGH, U. v. 17.1.2012 – II ZR 197/19 – MDR 2012, 292 m. w. N.). Die Begründung der Verbindlichkeit setzt demzufolge nicht voraus, dass vor dem Ausscheiden des Gesellschafters bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind oder die (öffentlich-rechtliche) Forderung gar (bescheidsmäßig) geltend gemacht wurde (BayVGH, B. v. 2.5.2013 a. a. O.; OLG Saarbrücken, U. v. 30.4.2007 – 1U148/06 – juris).
Nach § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird; Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Folglich sind die Steueransprüche der Antragsgegnerin gegen die KG für 2006 bis 2010 hier mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres kraft Gesetzes – unabhängig von der Festsetzung – entstanden (§§ 37 Abs. 1, 38 AO) und damit begründet. Dass die endgültige Festsetzung hier erst mit Gewerbesteuerbescheiden vom 31. Oktober 2013 (2006 und 2007) und vom 27. Februar 2014 (2008, 2009 und 2010) erfolgte, ist unbeachtlich; der Festsetzung des Anspruchs kommt insoweit nur deklaratorische Wirkung zu (sog. materielle Rechtsgrundtheorie, st. obergerichtliche Rspr., vgl. schon BFH, U. v. 10.11.1953 – I 108/52 S – BFHE 58, 294; Drüen in Tipke/Kruse, a. a. O., § 38 AO Rn. 10 m. w. N.).
Vor diesem Hintergrund geht auch der Vortrag der Bevollmächtigten der Antragstellerin fehl, wonach die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid vom 6. November 2009, mit dem sie die Gewerbesteuer 2006 gegenüber der KG auf 0,- Euro festsetzte, das Nichtbestehen eines Anspruchs und damit gleichzeitig das Nichtvorliegen eines steuerlichen Tatbestandes (konstitutiv) dokumentiert habe (vgl. dazu Drüen, a. a. O. Rn. 10 m. w. N.). Diese Gewerbesteuerfestsetzung erfolgte auf der Grundlage des für die Antragsgegnerin verbindlichen (§§ 184 Abs. 1, 182 Abs. 1, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 171 Abs. 10, 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 AO) finanzbehördlichen Messbetragsbescheids vom 30. Oktober 2009, welcher wiederum auf den von der Steuerberaterin der KG abgegebenen Steuererklärungen basierte. Das Finanzamt hatte sich dabei ausdrücklich die Nachprüfung und damit spätere Änderungen des Bescheids vorbehalten (§ 164 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AO).
c) Mit der Antragsgegnerin ist jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass die Gewerbesteueransprüche 2006 bis 2010 auch in der mit den Bescheiden der Antragsgegnerin jeweils vom 31. Oktober 2013 und 27. Februar 2014 festgesetzten Höhe entstanden sind. Die Antragstellerin hat demgegenüber das Bestehen der Primärschuld dem Grunde oder der Höhe nach nicht unter der insoweit erforderlichen Glaubhaftmachung in Frage stellen können (vgl. dazu VG München, B. v. 31.3.2011 – M 10 S 10.6231- juris w. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 80 Rn. 125).
Die am 16. Dezember 2009 angeordnete und im Zeitraum 19. Februar 2010 bis 6. November 2012 bei der Gewerbe Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … KG (i. L.) für die Steuerjahre 2005, 2006 und 2007 finanzamtliche Außenprüfung kam bei der Bewertung der Veräußerung der Immobilie …-str. 12, …, zu dem Ergebnis, dass die Konzernstruktur um die KG und die Antragstellerin so aufgebaut worden sei, dass für jedes Objekt eine Gesellschaft gegründet worden sei; laut ständiger BFH-Rechtsprechung liege aber bereits bei dem Verkauf von nur einem Objekt ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn der Verkäufer – wie im vorliegenden Fall – wie ein Bauträger auftrete.
Für das Gericht besteht unter Berücksichtigung der der Antragsgegnerin vom Finanzamt … mit Schreiben vom 25. November 2014 vorgelegten Unterlagen (KG-Vertrag vom 12.4.2005, Maklervertrag vom 11.4.2005, Darlehensvertrag der KG mit der … AG vom 12.5.2005 über 21.946.000,- Euro, vgl. Behördenakten Teil II Blatt 126-141a) sowie der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Großer Senat) vom 10. Dezember 2001 – GrS 1/98 – (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) im Rahmen des nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Prüfungsmaßstabs kein Anlass, an der rechtlichen Beurteilung des Betriebsprüfers zu zweifeln.
Nach Aktenlage haben die Vertreter der Steuerschuldnerin diese Beurteilung des Betriebsprüfers bei der Schlussbesprechung am 6. November 2012 letztlich auch akzeptiert; die darauf basierenden Messbescheide wurden nicht angefochten.
Zwar war die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Schlussbesprechung (§ 201 AO) bereits aus der KG ausgeschieden, jedoch hat sie die Betriebsprüfung vom 19. Februar 2010 bis 2. Mai 2012 „begleiten“ können; außerdem nahmen ihre (ehemaligen) gesetzlichen Vertreter Herr … (Vertreter bis 16.1.2012, gleichzeitig Liquidator der KG bis 18.11.2013), Herr … (Vertreter seit 21.2.2006) und Herr … (Vertreter seit 11.12.2012) an der Besprechung teil. Diese hatten daher Kenntnis von den Feststellungen der BP und damit entgegen dem Einwand des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Möglichkeit – und im Hinblick auf § 160 Abs. 1 HGB auch die Obliegenheit – ggf. Rechtsmittel gegen die auf den Ergebnissen der BP erfolgten Festsetzungen einzulegen.
d) Die Haftung erfasst entgegen der Auffassung der Antragstellerin neben den Gewerbesteueransprüchen 2006 bis 2010 auch die angefallenen Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Höhe von insgesamt 226.283 Euro. Denn der Rechtsgrund für diese steuerlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4, § 37 AO) war für die entsprechenden Zeiträume ebenfalls schon vor dem Ausscheiden der Antragstellerin als Gesellschafterin aus der Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … i. L. am 2. Mai 2012 begründet im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB (dazu ausführlich BayVGH, B. v. 2.5.2013 – 4 ZB 12.1393 – juris).
Dass es sich bei dem Zinsanspruch nach § 233a AO um eine zur Hauptforderung hinzutretende Nebenleistung handelt, deren Entstehen und genaue Höhe zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft noch nicht feststand, steht der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin nicht entgegen. Denn als ausgeschiedene Gesellschafterin haftet sie auch für nachträglich entstandene Sekundäransprüche aus der ursprünglichen Forderung einschließlich der kraft Gesetzes angefallenen Zinsen (vgl. BGH, U. v. 21.12.1963 – II ZR 74/59 – BGHZ 36,224/226 f.; U. v. 13.7.1967 – II ZR 268/64 – BGHZ 48, 203/204 f.).
Der Zinsanspruch selbst ist zwar – anders als der zugrunde liegende Anspruch aus der Gewerbesteuer als einer Jahressteuer – nicht schon mit Ablauf des Steuerjahres (§ 38 AO) entstanden, sondern erst im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung, die zu dem eine Erstattung auslösenden Unterschiedsbetrag geführt hat (vgl. BayVGH, B. v. 2.5.2013 a. a. O.; BFH, U. v. 14.5.2002 – VII R 6/01 – BStBl. II 2002, 2677). Die Festsetzung der endgültigen Steuerbeträge mit Bescheiden vom 31. Oktober 2013 und 27. Februar 2014 war aber lediglich eine Voraussetzung für die Berechnung der Zinshöhe (§ 233a Abs. 3 AO) und bildete nicht den Rechtsgrund für die damit fällig gewordene Zinsforderung. Seine rechtliche Grundlage hat der Anspruch auf Nachzahlungszinsen vielmehr ebenfalls in dem 2006 bis 2010 bestehenden Steuerrechtsverhältnis zwischen der KG und der Antragsgegnerin (vgl. OVG RhPf, U. v. 11.3.1986 – 6 A 132/84 – NJW 1986, 2129/2130). Zu den diese Erhebungszeiträume betreffenden steuerlichen Pflichten, für die die Antragstellerin als ehemaliger Komplementärin einzustehen hat, gehört die Verpflichtung zur Zahlung jener Zinsen, die infolge der zeitlichen Verzögerung bis zur endgültigen Gewerbesteuerfestsetzung entstanden sind.
e) Der Haftungsanspruch ist zudem weder durch Fristablauf nach § 160 HGB ausgeschlossen noch verjährt nach § 159 HGB.
Beide Vorschriften, die jeweils über § 191 Abs. 4 AO Anwendung finden (Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Mai 2016, § 191 Rn. 74), mildern insoweit abschließend das u.U. lange Haftungsrisiko des Gesellschafters. Dabei gilt § 159 HGB (nur noch) für den Fall der Auflösung der Gesellschaft und stellt insoweit eine echte (Sonder-) Verjährungsvorschrift dar. § 160 HGB gilt, wie bereits dargestellt, für den Fall des Austritts des Gesellschafters und sieht keine Verjährung, sondern eine zeitliche Begrenzung der Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters mit dem Charakter einer Einwendung vor (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 159 Rn. 2 m. w. N.).
Im Verhältnis der Vorschriften zueinander bleibt die Verjährungseinrede (§ 129 Abs. 1 HGB) unberührt, wenn die Verjährungsfrist schon vor der Ausschlussfrist nach § 160 Abs.1 Satz 1 HGB abläuft (Hopt a. a. O. § 160 Rn. 3).
aa) Das Ausscheiden der Antragstellerin aus der KG wurde im Handelsregister am 2. Mai 2012 eingetragen. Die endgültigen, hier der Haftung zugrunde liegenden Gewerbesteuerbescheide hat die Antragsgegnerin unter dem 31. Oktober 2013 (Steuerjahre 2006 und 2007) und dem 27. Februar 2014 (Steuerjahre 2008, 2009 und 2010) erlassen. Damit hat sie die Fünf-Jahres-Frist gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB ersichtlich gewahrt.
bb) Die im Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachte Verjährungseinrede greift ebenfalls nicht durch.
Nach § 159 Abs. 1 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft (Eintrag im Handelsregister); wird der Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft jedoch erst nach der Eintragung fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 159 Abs. 3 HGB).
Zwar wurde die Liquidation der damaligen „…“ Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. 3. KG bereits am 24. Oktober 2007 im Handelsregister eingetragen. Vorliegend sind, wie oben dargestellt, die Steueransprüche der Antragsgegnerin gegen die KG aber überhaupt erst mit Ablauf der hier jeweils betroffenen Steuerjahre 2006 bis 2010 entstanden und wurden in den Bescheiden vom 31. Oktober 2013 (Steuerjahre 2006 und 2007) und vom 27. Februar 2014 (Steuerjahre 2008, 2009 und 2010) zum 4. Dezember 2013 bzw. zum 3. April 2014 zur Zahlung fällig gestellt, so dass die Verjährungsfrist nach § 159 Abs. 3 HGB erst zu diesen Zeitpunkten anlief.
Der Haftungsbescheid vom 20. Mai 2015, zugestellt am 26. Mai 2015, erfolgte somit fristwahrend.
§ 159 Abs. 3 HGB ist auch im vorliegenden Fall einer durch Leistungsbescheid geforderten und gleichzeitig fällig gestellten öffentlich-rechtlichen Geldleistung anwendbar.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Einwand der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, die zeitliche Haftungsbegrenzung als Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften würde ausgehebelt, wenn die Fälligkeit im Sinne des § 159 Abs. 3 HGB nicht an objektive Umstände anknüpfe, sondern vom (öffentlich-rechtlichen) Gläubiger (durch „Hinauszögern“ des Bescheidserlasses) selbst bestimmt und damit beliebig manipuliert werden könne.
Dem ist entgegen zu halten, dass die Behörden beim Erlass der Grundlagen- und Steuerbescheide selbst Fristen unterworfen sind, nach deren Ablauf die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis erlöschen (vgl. die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung §§ 169 bis 171 AO). Diese Fristen sollen den (Steuer-) Gläubiger zwingen, seine Ansprüche zügig geltend zu machen; sie dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO, Stand Mai 2016, vor § 169 Rn. 5).
Der den Behörden für den Erlass der Bescheide eingeräumte, aber auch begrenzte Zeitraum ist mithin selbst Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung der beteiligten Interessen von Steuergläubiger und Steuerschuldner. Ein weiteres Korrektiv durch eine eingeschränkte Anwendung des § 159 Abs. 3 HGB im Fall öffentlich-rechtlicher Leistungsbescheide ist daher nicht veranlasst.
Vorliegend wurden die Festsetzungsfristen sowohl seitens der Finanzverwaltung beim Erlass der Messbescheide vom 2. Mai 2013 und 11. Dezember 2013 (hier insbesondere im Hinblick auf § 171 Abs. 4 AO) als auch seitens der Antragsgegnerin beim Erlass der Gewerbesteuerbescheide vom 31. Oktober 2013 und 27. Februar 2014 (va. § 171 Abs. 10 AO) gewahrt.
f) Im Hinblick auf diese Gewerbesteuerfestsetzungen der Antragsgegnerin steht der Haftungsinanspruchnahme mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20. Mai 2015 auch keine Verjährung nach § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO (als „absolute“ Schranke systematisch neben § 191 Abs. 4 AO anwendbar, vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Mai 2016, § 191 Rn. 76) entgegen.
g) Schließlich hat die Antragsgegnerin bei der Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin das ihr durch § 191 Abs. 1 Satz 1 AO vorgegebene Ermessen im Rahmen des nach § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmens ordnungsgemäß ausgeübt.
Aus dem Wortlaut des § 191 Abs. 1 AO folgt nicht die Rechtspflicht, in jedem Haftungsfall durch den Erlass eines Haftungsbescheides tätig zu werden (vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 191 AO Rn. 36 ff.). Allerdings reduziert sich das Entschließungsermessen in Fällen wie dem vorliegenden in der Regel durch die kommunalrechtlichen Vorschriften des Art. 61 und des Art. 62 GO auf null (BayVGH, B. v. 21.4.2008 – 4 CS 07.2718 – juris – m. w. N.). Es ist nichts dafür erkennbar, was hier für ein Abweichen von diesem Regelfall sprechen könnte. Da die Ansprüche aus dem Gewerbesteuerschuldverhältnis bei der Steuerschuldnerin nicht mehr beigetrieben werden konnten, durfte die Antragsgegnerin auf ihre Verpflichtung, eine möglichst rasche und sichere Erhebung der Steuerschuld zu gewährleisten, verweisen.
Bei mehreren Haftungsschuldnern muss die Behörde nach ihrem Auswahlermessen weiterhin entscheiden, welchen Haftungsschuldner sie in Anspruch nimmt.
Die Antragsgegnerin hat im vorliegenden Fall neben der Antragstellerin die „…“ Handelsgesellschaft mbH, seit 2. Mai 2012 einzige Komplementärin der Immobilien Errichtungs- und Verwaltungs GmbH & Co. … i. L., als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen (Haftungsumfang: 1.073.938,40 Euro) sowie die … Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft mbH als aktuell noch eingetragene Kommanditistin in Höhe ihrer Einlageverpflichtung von 5.112,92 Euro. Darüber hinaus wurde auch der seit 18. November 2013 eingetragene Liquidator der KG, Herr …, als gesetzlicher Vertreter wegen Verletzung der Steuerentrichtungspflicht in Haftung genommen (Haftungsumfang: 1.073.938,40 Euro). Die Inanspruchnahme erfolgte gesamtschuldnerisch.
Die Firma … Immobilien Verwaltungs- und Verwertungs GmbH hat die Antragsgegnerin nicht in Haftung genommen, mit dem Argument, sie habe ihren Kommanditanteil am 25. April 2012 auf die Firma …-Liegenschaftsverwaltung GmbH übertragen; Herr …, Liquidator der KG im Zeitraum 24. Oktober 2007 bis 18. November 2013 wurde ebenfalls nicht in Haftung genommen, da er nach Auffassung der Antragsgegnerin keine Entrichtungspflichten verletzt hat.
Diese Überlegungen der Antragstellerin sind nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden. Weder hat sie bei der Auswahl wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen noch sachfremde Argumente berücksichtigt.
Der Haftungsbescheid begegnet nach überschlägiger Prüfung daher auch insoweit keinen Bedenken.
2. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil dessen Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte.
Eine unbillige Härte liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, B. v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris).
Eine unbillige Härte im Sinn des § 80 Abs. 4 VwGO setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist entscheidend darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstellen würde.
Bezogen auf diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine Existenzgefährdung nachvollziehbar machen.
Sie hat lediglich angeführt, dass ihr Interesse, einen Liquiditätsverlust zu vermeiden, höher wiege als das Interesse der Antragsgegnerin an der Durchsetzung des Zahlungsanspruchs. Eine Existenzgefährdung wird indes nicht behauptet. Eine solche kann auch solange nicht angenommen werden, wie die Antragstellerin Zahlungserleichterungen (Stundung, Erlass, Ratenzahlung) nicht beantragt hat und insbesondere hinreichenden Unterlagen über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorgelegt hat, die der Antragsgegnerin eine Beurteilung des etwaigen Vorliegens einer Existenzgefährdung ermöglichen könnten (VG München, B. v. 12.8.2008 – M 10 S 08.2955 – juris).
3. Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 3 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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