Steuerrecht

Privatnutzung eines Dienstwagens als Einkommen im Sinne des Elterngeldrechts

Aktenzeichen  L 9 EG 34/16

Datum:
24.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG BEEG § 2 Abs. 1, § 2c Abs. 2, § 3
EStG EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8

 

Leitsatz

1. Für die zeitliche Zuordnung von leistungsrelevantem Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum gilt das Lebensmonatsprinzip, auch im Hinblick auf geldwerte Vorteile in Form der Überlassung eines Dienstwagens. (Rn. 27 – 28)
2. Auch elterngeldrechtlich stellt bereits die bloße Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens für die Privatnutzung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. (Rn. 36)
3. Die grobe Pauschalierung des einkommenssteuerrechtlichen Zuflusses einer Privatnutzung berechtigt nicht dazu, ohne Ansehen der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit den Vorteil gleichmäßig auf den Kalendermonat zu verteilen und so zum Teil in den Bezugszeitraum hinein zu verlagern. (Rn. 45)
4. Die Entgeltabrechnung, die den pauschalierten Vorteil ausweist, trifft keinerlei Aussagen zur Verteilung innerhalb des Kalendermonats – von daher existiert auch keine entsprechende Vermutungswirkung. (Rn. 47 – 49)

Verfahrensgang

S 49 EG 126/15 2016-07-29 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig – das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen -, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger Elterngeld in Höhe von monatlich 1.980 EUR für den ersten und achten Lebensmonat von K. zu gewähren.
Streitgegenstand der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist die Höhe des Elterngelds für die bewilligten Lebensmonate eins und acht. Die Anfechtungsklage richtet sich gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2015. Eine endgültige Festsetzung des Elterngelds liegt noch nicht vor. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt, dass auch der vorläufige Bewilligungsbescheid angefochten werden kann (vgl. nur BSG, Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 18/12 R). Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand nicht auf einen einzelnen Berechnungsfaktor beschränkt. Vielmehr prüft der Senat umfassend, ob die Verurteilung durch das Sozialgericht vollständig oder wenigstens zum Teil falsch gewesen ist. Das erfordert eine Bewertung unter Heranziehung aller tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob dem Kläger im Vergleich zum Bewilligungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids tatsächlich höhere Leistungen zustehen. Eine Beschränkung auf die Problematik der nachgeburtlichen Einkünfte wäre nicht zulässig.
Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen un-zweifelhaft vor. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 BEEG in der seit 01.01.2015 geltenden Fassung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1.einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Alle diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger während des ersten und achten Lebensmonats von K.. Er hatte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihm in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte entsprechend seiner Ankündigung im Elterngeldantrag keine Erwerbstätigkeit aus. Ein ordnungsgemäßer Antrag liegt vor.
Die Höhe des Elterngelds hat der Beklagte zu niedrig festgelegt. Denn er hätte auf den Elterngeld-Höchstbetrag von monatlich 1.800 EUR kein im Bezugszeitraum erzieltes Einkommen anrechnen dürfen. Somit hätte der monatliche Leistungsbetrag unter Einschluss eines Geschwisterbonus von 180 EUR tatsächlich, wie der Kläger meint und das Sozialgericht entschieden hat, auf 1.980 EUR festgesetzt werden müssen.
Der Beklagte hat für die Ermittlung der Höhe der Leistung bereits die falsche Ausgangsnorm herangezogen. Für die Höhe des Elterngelds existieren zwei alternativ anzuwendende Basisregelungen. Die erste, § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG, gilt nur für diejenigen Fälle, in denen im Bezugszeitraum keinerlei Einkommen aus Erwerbstätigkeit zugeflossen ist. § 2 Abs. 1 BEEG lautet, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:
„Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. 2Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. 3Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
1. nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2. …,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b … hat.“
Satz 2 belegt klar die funktionale Reduktion von § 2 Abs. 1 BEEG auf den Fall, dass die berechtigte Person in den Monaten des Leistungsbezugs kein Einkommen hat. Hat sie dagegen Einkommen, ist § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 BEEG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung einschlägig:
1Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. 2Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2.770 Euro anzusetzen.
Wenn somit Einkommen im Bezugszeitraum vorliegt, darf im Prüfungsablauf § 2 Abs. 1 Satz 1 (und auch Absatz 2) BEEG nicht als Ausgangspunkt der Prüfung herangezogen werden; als Ausgangspunkt dient dann vielmehr § 2 Abs. 3 BEEG. Im vorliegenden Fall allerdings ist die besondere Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 3 BEEG, die einen Rückgriff auf die allgemeine Norm des § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG verbietet, nicht erfüllt. Denn der Kläger hatte für Monate nach der Geburt von K. gerade kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das durchschnittlich geringer war als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt.
Für die beiden Bezugsmonate, den ersten und achten Lebensmonat K.s, hat der Kläger ausweislich der Gehaltsabrechnungen für Mai, Juni und Dezember 2015 sowie für Januar 2016 kein reguläres Gehalt und keinen Kindergartenzuschlag bezogen. Die entsprechenden Positionen, die in den Gehaltsabrechnungen aufgeführt sind, weisen nur Bezüge auf, die außerhalb der beiden Bezugsmonate erarbeitet und lediglich dafür gezahlt worden sind. Völlig zu Recht hat der Beklagte diese Vergütungsbestandteile deshalb nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 3 BEEG gewertet. Die Bonuszahlung im Dezember 2015 darf als sonstiger Bezug gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ohnehin nicht als relevantes Einkommen berücksichtigt werden, was der Beklagte auch nicht getan hat. Ebenso zutreffend hat er die aufgeführten Beträge an Sachbezügen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Dienstwagen ausgeklammert. Denn er hat richtig erkannt, dass eine entsprechende Zuwendung geldwerter Vorteile seitens der Arbeitgeberin nur an den tatsächlichen Arbeitstagen erfolgt war. Auf diese Weise hat er auch sie nur den Zeiträumen zugerechnet, die außerhalb des Bezugszeitraums gelegen haben.
Fälschlicherweise ist der Beklagte jedoch im Hinblick auf die Privatfahrten mit dem Dienstwagen nicht genauso vorgegangen. Der Kläger hatte während des Bezugszeitraums keinerlei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 EStG. Dieser einkommensteuerrechtliche Befund muss für die elterngeldrechtliche Einkommensfeststellung übernommen werden.
An dieser Stelle erscheint es angebracht, generell zu beleuchten, auf welche Weise das Einkommensteuerrecht das Elterngeldrecht durchdringt und gestaltet:
– Das Einkommensteuerrecht determiniert, ob überhaupt relevante Einkünfte im Sinn des Elterngeldrechts vorliegen. Das wirkt sich insbesondere bei den hier streitigen Sachbezügen aus. Nur wenn und soweit das Einkommensteuerrecht überhaupt einen geldwerten Vorteil sieht, liegen elterngeldrechtliche Einkünfte vor.
– Auch die einkommensteuerrechtliche Bewertung (der Höhe nach) von Sachbezügen muss im Elterngeldrecht übernommen werden.
– Weiter ist für die Einstufung in die jeweilige Einkommenskategorie – zB ob es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb handelt (wichtig zB bei GmbH-Geschäftsführern) – allein das materielle Einkommensteuerrecht maßgebend.
– Viertens ist nur das in Deutschland zu versteuernde Einkommen elterngeldrelevant.
– Eine materiell-rechtliche Abhängigkeit vom Einkommensteuerrecht findet man fünftens bei der Abgrenzung der sonstigen Bezüge im Sinn von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG vom laufenden Arbeitslohn.
Im hier vorliegenden Fall greift die erste der genannten Wirkungskomponenten des Einkommensteuerrechts: Da hinsichtlich der Privatnutzung des Dienstwagens kein einkommensteuerrechtlich relevanter Vorteil gegeben ist, fehlt es insoweit auch an Einkünften im elterngeldrechtlichen Sinn.
Dabei spielt keine Rolle, dass in den vom Bezugszeitraum belegten Kalendermonaten durchaus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorlagen. Denn Einkommen ist nur dann im Sinn von § 2 Abs. 3 BEEG relevant, wenn es tatsächlich innerhalb des Bezugszeitraums, hier also der betreffenden Lebensmonate von K., zugeflossen ist. In dieser Hinsicht existiert ein gravierender Unterschied zwischen der Einkommensermittlung im Bemessungszeitraum und der im Bezugszeitraum. Für Erstere gilt das Kalendermonatsprinzip, für Letztere das Lebensmonatsprinzip. Im Rahmen der Einkommensermittlung im Bezugszeitraum ist der Entgeltbezug innerhalb eines Kalendermonats schlicht irrelevant; entscheidend ist, was innerhalb der Bezugsmonate zugeflossen ist, hier eben vom 19.05. bis 18.06.2015 und vom 19.12.2015 bis 18.01.2016. Das Lebensmonatsprinzip ist in Gestalt der Formulierung „für Monate nach der Geburt“ durch formelles Gesetz installiert. Es gilt für sämtliche Vergütungskomponenten, die beim Kläger angefallen sind, auch für die Privatnutzung des Dienstwagens. Das Lebensmonatsprinzip darf nicht unter Hinweis auf faktische Umstände oder praktische Notwendigkeiten deaktiviert werden. Eine Vereinfachung, die sich etwas vom Lebensmonatsprinzip entfernt, hat das BSG lediglich im Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R proklamiert; dies jedoch bei einem selbständig Tätigen, wo die konkreten Einkünfte pro Monat oder Tag ohnehin nicht konkret, sondern nur näherungsweise angegeben werden können.
Der Senat stellt nochmals explizit fest, dass bei Anwendung des Lebensmonatsprinzips im ersten und achten Lebensmonat von K. beim Kläger kein Zufluss der Vergütungskomponenten Gehalt, Kindergartenzuschuss sowie Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu verzeichnen war. Bezüglich der hier allein streitigen Privatnutzung des Dienstwagens ist es nicht anders.
Dabei erkennt der Beklagte das Lebensmonatsprinzip eigentlich an. Denn nur so ist seine Berechnungstechnik – dokumentiert in der Anlage zum Bewilligungsbescheid – zu verstehen, vom jeweiligen Gehalt für einen Kalendermonat den Anteil herauszufiltern, der für den Bezugsmonat relevant ist. Der Beklagte würde – wie dieser Fall konkret zeigt – offenkundig nicht in Erwägung ziehen, „normales“ Arbeitsentgelt, das vor Beginn oder nach Beendigung des Bezugszeitraums, aber noch im gleichen Kalendermonat erarbeitet worden ist, anteilig als Einkommen im Bezugszeitraum zu klassifizieren. Er würde vielmehr akzeptieren, dass das Entgelt vorher bzw. nachher erarbeitet worden ist. Hinsichtlich der Privatnutzung des Dienstwagens will der Beklagte indes nicht so verfahren.
Einkommensteuerrechtlich wird die vom Arbeitgeber eingeräumte Möglichkeit – und zwar in der Tat lediglich die bloße Möglichkeit -, einen Dienstwagen privat zu nutzen als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit behandelt (Sachbezug, geldwerter Vorteil). Auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens zu privaten Zwecken kommt es nicht an. Nur am Rande sei erwähnt, dass bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anders verfahren wird; der BFH hat mittlerweile entschieden, dass nur tatsächlich durchgeführte Fahrten einen geldwerten Vorteil darstellen, nicht die bloße Nutzungsmöglichkeit.
Für die elterngeldrechtliche Behandlung folgt daraus, dass es sich bei der privaten Nutzung eines Dienstwagens um relevante Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt. Schon vor längerer Zeit hat das BSG – wenn auch eher beiläufig – dies bestätigt (BSG, Urteil vom 03.12.2009 – B 10 EG 3/09 R). Darüber hinaus hat das BSG zu erkennen gegeben, dass die Vergütung für die Kfz-Nutzung keinen sonstigen Bezug verkörpert, der gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht als Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit behandelt werden dürfte.
Auch elterngeldrechtlich verkörpert bereits die bloße Nutzungsmöglichkeit relevante Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ohne dass es auf die tatsächliche Nutzung ankommt.
Zu Unrecht hat der Beklagte einen Teil der durch die Privatnutzung des Dienstwagens entstandenen geldwerten Zuflüsse in den Bezugszeitraum hineinverlagert. Zu diesem Fehler hat ihn die spezielle einkommensteuerrechtliche Technik, die Vorteile zu bewerten, verleitet. Rechtsgrundlage im Einkommensteuerrecht ist § 8 EStG:
§ 8 Einnahmen
(1) Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 zufließen.
(2) 1Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen.2Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 entsprechend.3Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.4Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden… 9Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten sind, bleiben außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht übersteigen.
(3) …
Und der in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG in Bezug genommene § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG lautet:
Die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, ist für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen.
Die Bewertungsregel des § 8 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG offenbart eine extreme Pauschalierung des geldwerten Vorteils: Für jeden Kalendermonat muss ein Prozent des Listenpreises des Dienstwagens als Vorteil angesetzt werden. Das Besondere dieses Berechnungsmodus liegt darin, dass stets der volle Pauschbetrag heranzuziehen ist, auch wenn die Kfz-Nutzung im Lauf eines Monats beginnt oder endet. Daher hat der Beklagte in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für die Monate Mai und Juni 2015 jeweils eine geldwerte Einnahme in Höhe von 535 EUR, für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016 jeweils in Höhe von 697 EUR angesetzt.
Fehlerhaft war die Vorgehensweise des Beklagten aber deshalb, weil er diese Bezüge in den Abrechnungsmonaten (= Kalendermonaten) Mai, Juni, Dezember 2015, Januar 2016 gleichmäßig und stetig auf den jeweiligen Monat aufgeteilt hat und so zum Ergebnis gekommen ist, auch derjenige Teil der vier betroffenen Abrechnungsmonate, der innerhalb des ersten oder achten Lebensmonats von K. liegt, sei mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit belegt. In den Phasen 19.05. bis 18.06.2015 und 19.12.2015 bis 18.01.2016 fielen keine Einkünfte an, die nach materiellem Einkommensteuerrecht relevant wären. Der Kläger hatte hier keinerlei Zufluss; der mit 535 bzw. 697 EUR zu bewertende Vorteil der privaten Nutzung des Dienstwagens trat zeitlich entweder vor Beginn des Bezugszeitraums (Mai, Dezember 2015) oder nach dessen Ende (Juni 2015, Januar 2016) ein. Anscheinend vertritt der Beklagte die Auffassung, über § 8 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG werde der pauschaliert bezifferte Vorteil quasi normativ über den ganzen Kalendermonat „verteilt“; es handle sich bei den 535 EUR bzw. 697 EUR gewissermaßen um einen Monatsbetrag, der einen (innerhalb des Monats) regelmäßigen und stetigen Zufluss ausweise. Dem ist nicht so. Steuerrecht fingiert nicht, dass die Kfz-Nutzung im ganzen Monat stattgefunden hat (das ist aus steuerrechtlicher Perspektive auch gar nicht erforderlich, weil es für die Lohnsteuererhebung nicht auf den Anfall innerhalb des Kalendermonats ankommt). Es nimmt nur an, dass insgesamt der (fiktive) Pauschbetrag in dem betreffenden Abrechnungsmonat zugewandt wurde. Entscheidend ist in diesem Kontext, dass zwischen der Frage des Zuflusses und der Bewertung klar unterschieden werden muss. Die 1%-Regelung äußert sich nur zur Bewertung in Euro und Cent, nicht zum Zufluss; es wird kein Zufluss zu einem bestimmten Zeitpunkt fingiert. Eine rechtliche Grundlage dafür, einen bestimmten Zufluss innerhalb eines Abrechnungsmonats anzunehmen, künstlich zu konstruieren oder zu fingieren, ist nicht vorhanden.
Im vorliegenden Fall ist der Senat davon überzeugt, dass während der beiden streitigen Bezugsmonate der Kläger keine Möglichkeit hatte, den ihm überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen. Zwar war das Fahrzeug während dieser Phase entgegen den Angaben im Elterngeldantrag nicht an die Arbeitgeberin zurückgegeben worden. Allerdings hatte der Kläger mit seiner Arbeitgeberin unzweifelhaft vereinbart, dass während der fraglichen Lebensmonate keine Nutzungsmöglichkeit bestehe. Dass diese Absprache mit einiger Wahrscheinlichkeit getroffen wurde, um die Elterngeldleistungen zu optimieren, tut nichts zur Sache; rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers vermag der Senat nicht im Ansatz zu erkennen. Obwohl das Fahrzeug während der Bezugsmonate vor dem Haus des Klägers stand, benutzte dieser es entsprechend der Absprache mit der Arbeitgeberin nach Überzeugung des Senats nicht. Die steuerlich relevante Nutzungsmöglichkeit wurde allein durch den rechtlichen Ausschluss des Nutzungsrechts für die Bezugsmonate wirksam beseitigt. Dass der Kläger tatsächlich eigenmächtig – unter Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen – das Fahrzeug hätte nutzen können, spielt insoweit keine Rolle. Und selbst wenn er den Dienstwagen entgegen der Abrede privat genutzt hätte, lägen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Denn Arbeitsentgelt sind nur die vom Arbeitgeber zugewandten, nicht aber vom Arbeitnehmer „gestohlene“ oder „unterschlagene“ Güter.
Der Beklagte hält das Fehlen von Einkünften im Bezugszeitraum für unerheblich, weil er sich strikt an die von der Arbeitgeberin ausgestellten Entgeltbescheinigungen für die vier Abrechnungsmonate halten will. Damit jedoch übernimmt er diese Entgeltbescheinigungen zu undifferenziert. Als Rechtsgrundlage für seine Handhabung beruft sich der Beklagte auf § 2c Abs. 2 BEEG:
Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. 2Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen wird vermutet.
Der Beklagte liegt schon im Ansatz falsch. Denn den von der Arbeitgeberin des Klägers erstellten Entgeltabrechnungen kann lediglich entnommen werden, dass dem Kläger in den vier Abrechnungsmonaten 535 EUR bzw. 697 EUR an laufendem Arbeitslohn in Form von Sachbezügen zugeflossen sind. Die Bescheinigungen treffen dagegen keinerlei Feststellung, wann innerhalb des Kalendermonats dies erfolgt ist. Das übersieht der Beklagte; der – möglicherweise sogar richtigen – Entgeltabrechnung kommt von vornherein gar nicht die Aussagekraft zu, die er ihr beimisst. Keine der vier Abrechnungen indiziert, geschweige denn dokumentiert positiv, dass tatsächlich den ganzen Kalendermonat über der geldwerte Vorteil gleichmäßig, quasi Tag für Tag, zugeflossen ist. Jede Entgeltabrechnung belegt nur, dass in dem Monat insgesamt – egal wann – dieser geldwerte Vorteil erarbeitet wurde.
Nur der Vollständigkeit halber: Würde man darauf beharren, die Entgeltbescheinigung würde doch eine Vermutung für die gleichmäßige Verteilung des darin aufgeführten Entgelts auf die Tage des Abrechnungsmonats begründen, wäre die Bescheinigung insoweit nicht bindend, sondern als elterngeldrechtlich (nicht steuerrechtlich) falsch widerlegt. Falsch wäre sie deshalb, weil im Elterngeldrecht der Berechnungsmodus angelegt ist, dass nur das als Einkommen im Bezugszeitraum behandelt werden darf, was tatsächlich darin zugeflossen bzw. erarbeitet worden ist. Der Aussagegehalt der Bescheinigung wäre mit dem Elterngeldrecht also nicht kompatibel.
Damit bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass sich die Höhe des Elterngelds im ersten und achten Lebensmonat von K. nicht nach § 2 Abs. 3 BEEG, sondern nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BEEG richtet. Das impliziert, dass keinerlei nachgeburtliches Einkommen angerechnet wird. Die dem Kläger zustehende monatliche Leistung ergibt sich somit allein aus der Berechnung auf der Basis des Einkommens im Bemessungszeitraum. Insoweit hat der Beklagte zutreffend ein monatliches Elterngeld in Höhe von 1.980 EUR errechnet; in der Tat steht dieser Betrag dem Kläger zu. Eine ausführliche Darlegung der einzelnen Berechnungsschritte erübrigt sich, weil das Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers im Bemessungszeitraum derart hoch lag, dass die Anwendung des Leistungssatzes auf das (zutreffend) errechnete Elterngeld-Netto einen Leistungsbetrag hervorbrachte, der den Elterngeld-Höchstbetrag um über 1.000 EUR überstieg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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