Steuerrecht

Rechtswidrigkeit der Anordnung zum Abschluss einer Zielvereinbarung an einen Hochschullehrer

Aktenzeichen  RN 10A DB 15.776

Datum:
18.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 5 Abs. 3
BayHSchPG BayHSchPG Art. 2 Abs. 1 S. 6, Art. 5 Abs. 3, Art. 9, Art. 15
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayDG BayDG Art. 7, Art. 18 Abs. 2, Art. 32, Art. 35 Abs. 2
BeamtStG BeamtStG § 47 Abs. 1

 

Leitsatz

Die vollkommene Weisungsfreiheit des Hochschullehrers hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Forschungstätigkeit steht der Anordnung zum Abschluss einer Zielvereinbarung durch die Hochschule entgegen; sie kann lediglich – wie ein Vertrag – freiwillig erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Disziplinarverfügung der Technischen Hochschule … vom 21.4.2015 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die Disziplinarverfügung der Technischen Hochschule … ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der dem Kläger erteilte Verweis enthält zwei Vorwürfe. Zum einen habe er nicht oder nicht ausreichend geforscht, zum anderen sei der Kläger der Anordnung, den Entwurf einer Zielvereinbarung vorzulegen, nicht nachgekommen. Der Verfügung ist zu entnehmen, dass beide Vorwürfe, nämlich das Fehlen jeglicher Forschungstätigkeit wie auch die unterlassene Vorlage der Zielvereinbarung, den erteilten Verweis kumulativ tragen sollten. Die Unbegründetheit eines dieser Vorwürfe lässt die Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme insgesamt entfallen und führt zur Aufhebung des Bescheids.
Offen bleiben kann im Zusammenhang dieser Entscheidung, inwieweit der Kläger zur Erledigung von Forschungsaufgaben verpflichtet war. Auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1 Satz 6 Bayerisches Hochschulgesetz – BayHSchG – gehört die Durchführung von Forschungsvorhaben zu den Aufgaben der Fachhochschulen. Nach jener Regelung vermitteln die Fachhochschulen durch anwendungsbezogene Lehre eine Bildung, die zur selbstständigen Anwendung wissenschaftlicher Methoden und künstlerischer Tätigkeiten in der Berufspraxis befähigt; in diesem Rahmen führen sie anwendungsbezogene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durch.
Dass die Technische Hochschule … sich diesem Auftrag verpflichtet fühlt, ergibt sich u. a. schon aus ihrem Internetauftritt. Dort führt sie aus, dass seit 2009 in verschiedenen angrenzenden Landkreisen Technologie- und Gesundheitscampusbereiche gegründet worden seien. An diesen Orten entwickelten Experten in enger Abstimmung mit Unternehmen der Wirtschaft anwendungsbezogene Speziallösungen. Das Konzept des Technologiecampus sei die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und ihrer wirtschaftlichen Anwendung.
Über den Technologiecampus … hat die … Zeitung in ihrer Ausgabe vom 21.3.2016 ausführlich berichtet.
Auch in der Stellenausschreibung vom Sommersemester 2013 wurde darauf hingewiesen, dass von der Hochschule ein besonderes Augenmerk auf die angewandte Forschung im Technologiecampus … geführt wurde. Dafür, dass bei der Berufung des Klägers an die Hochschule von der geforderten Erledigung von Forschungsaufgaben ausgegangen wurde, spricht die Versetzungsurkunde vom 20.11.2013. In ihr werden als Arbeitsorte … und … aufgeführt. In der mündlichen Verhandlung wurde hierzu erklärt, dass Lehrveranstaltungen nur in … durchgeführt würden. Umgekehrt sei der Technologiecampus in … der Ort für die von der Hochschule betriebene Forschung. Ausdrücklich erwähnt wird in jenem Schreiben allerdings nur die Lehrverpflichtung des Klägers im Bereich Physik, Optik und Optische Messtechnik.
Auch die Ruferteilung an den Kläger im Schreiben der Hochschule vom 27.6.2013 enthält keinen Hinweis auf mögliche Forschungsaufgaben. Über Einzelheiten wie die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses im konkreten sollte noch verhandelt werden.
Über das Vorstellungsgespräch und dessen Verlauf, in dem der Kläger sich angeblich zur Erledigung von Forschungsaufgaben verpflichtet habe, existiert kein Protokoll. Hier steht Aussage gegen Aussage.
Letztlich maßgebend für den Aufgabenbereich des Klägers wäre gem. Art. 9 Bayer. Hochschulpersonalgesetz die Funktionsbeschreibung seiner Stelle. Eine solche existiert nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht, weder zur Stelle des Klägers noch bei anderen Hochschullehrern der TH … Da Art. 9 BayHSchPG hinsichtlich des Aufgabenbereichs eines Hochschullehrers ausdrücklich auf die Funktionsbeschreibung der Stelle abstellt, kann die Stellenausschreibung eine fehlende Funktionsbeschreibung nicht ersetzen. Die Stellenausschreibung enthält einen wichtigen Hinweis auf die Aufgaben der Hochschule und die Erwartungen, welche an den zu berufenden Hochschullehrer gestellt werden, jedoch keine rechtsverbindliche Aufgabenzuweisung.
Soweit der Kläger hierzu vorbringt, er betreibe durchaus Forschung, z. B. durch Versuchsaufbauten im Rahmen von Vorlesungen, bestehen Zweifel. Das Gericht hält es zwar nicht für völlig ausgeschlossen, auf der Grundlage der Einheit von Lehre und Forschung wissenschaftliche Erkenntnisse auch über Versuchsaufbauten im Rahmen von Lehrveranstaltungen zu gewinnen, fester Bestandteil jeglicher Forschungsarbeit ist jedoch auch die Veröffentlichung und Verbreitung der Forschungsergebnisse. Hieran fehlt es offensichtlich völlig.
Entscheidend für die Aufhebung der Disziplinarverfügung ist die Auffassung des Gerichts, dass die Technische Hochschule … nicht berechtigt war, gegenüber dem Kläger eine Weisung zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu erlassen. Das Bayer. Hochschulgesetz enthält an einer Vielzahl von Stellen Hinweise auf Zielvereinbarungen. Sie betreffen allerdings immer das rechtliche Verhältnis zwischen dem Freistaat auf der einen und der jeweiligen Hochschule auf der anderen Seite (vgl. nur Art. 2, 5 oder 15 BayHSchG).
Aus der Wissenschafts- und insbesondere Forschungsfreiheit eines Hochschullehrers gem.
Art. 5 Abs. 3 GG folgt, dass der Hochschullehrer frei über die Gegenstände, in denen er forschen will, verfügen kann. Nach § 43 Hochschulrahmengesetz nehmen Hochschullehrer die ihnen obliegenden Aufgaben in Wissenschaft, Lehre und Forschung in ihren Fächern nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses selbstständig wahr. Dem entspricht die Regelung in Art. 9 Bayer. Hochschulpersonalgesetz, dass nämlich der Hochschullehrer seine Dienstaufgaben im Rahmen der Funktionsbeschreibung seiner Stelle in eigener Verantwortung erfüllt. Deshalb sind Hochschullehrer grundsätzlich weisungsunabhängig. Sie unterliegen fachlich keinem Dienstweg und keiner Aufsicht.
Die vollkommene Weisungsfreiheit des Hochschullehrers hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Forschungstätigkeit steht deshalb auch dem von der Hochschule gewählten Weg, nämlich die Vorlage des Entwurfs einer Zielvereinbarung anzuordnen, entgegen. Zwar sind Hochschullehrer und auch der Kläger nicht daran gehindert, Zielvereinbarungen mit der Hochschule abzuschließen. Im Zusammenhang mit Leistungsbezügen mag dies gebräuchlich sein. Allerdings beruht der Abschluss von Zielvereinbarungen, wie jeder Vertrag, auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und kann vom Dienstherrn oder der Hochschule nicht erzwungen werden. Eine entsprechende Befugnis müsste sich aus dem Gesetz ergeben. Das Bayer. Hochschul- oder auch das Hochschulpersonalgesetz enthalten eine entsprechende Befugnisnorm nicht und können sie im Lichte der Regelung des Art. 5 Abs. 3 GG auch nicht enthalten.
Unter diesen Umständen war die Disziplinarverfügung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben. Gerichtskosten werden nicht erhoben, Art. 73 Abs. 1 BayDG.
Die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124 a Abs. 1 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben