Steuerrecht

Regelvermutungen in der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung

Aktenzeichen  21 ZB 15.2305

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26768
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Abs. 5 S. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
BZRG § 32 Abs. 2 Nr. 5 lit. a, § 41 Abs. 1 Nr. 9
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) dient nicht dazu, das Unterlassen eines unbedingten Beweisantrags des Klägers auf Zeugeneinvernahme oder zumindest einer bloßen Beweisanregung in Gestalt eines Hilfsbeweisantrags zu kompensieren (ebenso BVerwG, BeckRS 2017, 138154). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Regelvermutungen des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG füllen den Begriff der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für eine waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Zuverlässigkeit aus. Sie haben damit gleichermaßen Bedeutung für die Erteilung einer Erlaubnis wie für deren Widerruf nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 K 15.456 2015-08-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. In Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. August 2015 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 20.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und die Einziehung seines Jagdscheins sowie die dazu ergangenen Nebenentscheidungen.
Das Amtsgericht … verurteilte den Kläger mit seit 27. Juni 2014 rechtskräftigem Urteil desselben Tages wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 35,00 Euro (§ 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b und Abs. 3, § 283 Abs. 6, § 53 StGB). Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger beantragte als Geschäftsführer der … UG (haftungsbeschränkt) am 18. März 2013 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der von ihm geführten Unternehmergesellschaft. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg am 1. Juni 2013 eröffnet. Er unterließ es entgegen der ihm bekannten Verpflichtung, als Geschäftsführer (gesetzlicher Vertreter) die Bilanz gemäß § 264 Abs. 1 HGB spätestens sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres zu erstellen. Die Bilanz zum 31. Dezember 2010 und die Bilanz zum 31. Dezember 2011 wurden überhaupt nicht erstellt.
Das Landratsamt … widerrief mit Bescheid vom 13. Februar 2015 die Waffenbesitzkarten Nr. 67/92 und 67/92 II des Klägers, in die insgesamt 10 Waffen sowie ein Wechsellauf eingetragen sind (Nr. 1). Es erklärte den Jagdschein des Klägers für ungültig, zog ihn ein (Nr. 2) und traf dazugehörige Nebenentscheidungen.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2015 abgewiesen.
Der Kläger hat nach Zustellung des vollständigen Urteils (17.9.2015) am 16. Oktober 2015 die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor oder wurden entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt.
1. Das innerhalb der Beschwerdefrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
Die Bevollmächtigte des Klägers rügt, es seien in erster Instanz Tatsachen vorgetragen worden, die ein Abweichen von der Regelvermutung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG) in Betracht kommen ließen. Aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft, bei welcher der Kläger als angestellter und unselbständiger Geschäftsführer tätig gewesen sei, hätten die Rechnungen des ersten Steuerberaters nicht bezahlt werden können. Im Insolvenzfall dürfe der Geschäftsführer keine Zahlungen mehr an einzelne Gläubiger veranlassen, weil das eine unzulässige Gläubigerbevorzugung wäre. Der Steuerberater habe daraufhin die Unterlagen zurückgehalten. Dadurch habe der Kläger im Folgenden der neuen Steuerkanzlei die notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung stellen und so seine Buchhaltungspflichten nicht erfüllen können. Vor dem Strafgericht sei der Kläger nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe ein umfassendes Geständnis abgelegt. Bei Vortrag des vollständigen Sachverhalts wäre ein wesentlich milderes Urteil erfolgt.
Das ist nicht geeignet, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst a WaffG zu widerlegen, wonach die für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
Ein Abweichen von der Vermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG kommt in Betracht, wenn die besonderen Umstände der abgeurteilten Tat eine solche Wertung rechtfertigen (vgl. BVerwG, 21.7.2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil das Vorbringen des Klägers, er habe die Rechnungen des ersten Steuerberaters aufgrund der Insolvenz nicht zahlen können bzw. dürfen, ersichtlich dem vom Strafgericht im Urteil vom 27. Juni 2014 festgestellten Sachverhalt widerspricht. Denn danach besteht der vom Kläger nunmehr behauptete Zusammenhang zwischen Insolvenz und angeblichem Zurückbehalten von Unterlagen durch den vormals beauftragten Steuerberater nicht. Nach dem Inhalt des Strafurteils wurde das Insolvenzverfahren durch das Amtsgerichts … am 1. Juni 2013 eröffnet, während demgegenüber die zur Verurteilung führende Verletzung der Buchführungspflicht darin bestand, dass der Kläger die Bilanzen für die jeweils am 31. Dezember endenden Geschäftsjahre 2010 und 2011 nicht innerhalb der ersten sechs Monaten des folgenden Geschäftsjahres (§ 264 Abs. 1 HGB) und damit nicht bis zum 30. Juni 2011 bzw. 2012 aufgestellt hat. Überdies hat sich aufgrund der vom Strafgericht durchgeführten Beweisaufnahme (Einvernahme des Insolvenzgutachters Rechtsanwalt B… und des Obergerichtsvollziehers Bu…*) nicht bestätigt, dass eine Zahlungsunfähigkeit bereits ab dem Zeitpunkt der Aufstellungspflicht der Bilanz 2010 und der Bilanz 2011 vorlag.
Die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ist im Übrigen durch das nunmehr teilweise abweichende Vorbringen des Klägers schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil damit nicht ohne Weiteres erkennbar ist, dass das Strafurteil auf einem Irrtum beruht (vgl. BVerwG, U.v. 22.4.1992 – 1 B 61.92 – juris Rn. 6).
2. Die Bevollmächtigte des Klägers macht geltend, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen könne (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger habe zum Beweis der Tatsache, dass aufgrund der Insolvenz die Rechnungen des ersten Steuerberaters nicht mehr hätten bezahlt werden können und dieser daraufhin die Unterlagen zurückbehalten habe, mit Schriftsatz vom 2. April 2015 Herrn B. als Zeugen benannt. Obgleich der vorgetragene Sachverhalt geeignet sei, die gegenständliche Straftat in einem deutlich milderen Licht zu sehen, sei der Zeuge B. nicht geladen worden. Die Zeugeneinvernahme des Herrn B. hätte zu einer anderen Erkenntnislage des Verwaltungsgerichts geführt. Das Urteil beruhe deshalb auf der Übergehung des Beweisangebots.
Die damit der Sache nach erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, greift nicht durch. Der anwaltlich vertretene Kläger hat zwar eine Zeugeneinvernahme schriftsätzlich angeregt. Allerdings hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht durch einen unbedingten Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines sogenannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, deren Unterbleiben er nunmehr rügt. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, ein solches Versäumnis zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2017 – 6 B 30.17 – juris Rn. 14). Dem Verwaltungsgericht musste sich eine Beweisaufnahme ohne ein solches Mitwirken auch nicht von sich aus aufdrängen, denn es ist unter anderem davon ausgegangen, der nunmehrige Vortrag führe nicht dazu, dass eine Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall der Unzuverlässigkeit vorliege (vgl. UA S. 10).
3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt.
Dazu ist es erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit ausführt, die Klärungsbedürftigkeit der Frage erläutert und darlegt, warum die Frage über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).
Dem genügt der Zulassungsantrag schon deshalb nicht, weil ihm eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage nicht zu entnehmen ist. Stattdessen wird auf einen vermeintlichen Wertungswiderspruch verwiesen, der darin bestehen soll, dass einerseits gemäß „§ 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG beim Vorliegen von vorsätzlichen Straftaten mit einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen angenommen wird“, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bestehe nicht mehr, während andererseits eine Waffenbesitzkarte erteilt werde, wenn im Führungszeugnis keine Eintragung vorliege, was regelmäßig bei Geldstrafen unter 90 Tagessätzen der Fall sei.
Unabhängig davon besteht der behauptete Wertungswiderspruch nicht. Die Regelung des § 5 Abs. 1 und 2 WaffG füllt den Begriff der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für eine waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzte Zuverlässigkeit aus. Sie hat damit gleichermaßen Bedeutung für die Erteilung einer Erlaubnis und für deren Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Dem entspricht es, dass die zuständige Behörde im Rahmen jeder Zuverlässigkeitsprüfung neben anderem eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister einzuholen hat (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WaffG). Diese enthält auch solche Eintragungen, die regelmäßig nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen werden wie etwa eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG), und wird den für waffenrechtliche Erlaubnisse zuständigen Behörden gemäß zur § 41 Abs. 1 Nr. 9 BZRG zur Kenntnis gegeben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
5. Bei der Festsetzung des Streitwerts (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG) ist unter Berücksichtigung der Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anhang zu § 164 Rn. 14 – Streitwertkatalog 2013) unabhängig von der Anzahl der im Streit befindlichen Waffenbesitzkarten einmalig 5.000,00 Euro für eine Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe anzusetzen. Für jede weitere in den Waffenbesitzkarten eingetragene Waffe, wozu auch ein Wechselsystem zählt (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 21 CS 15.2465 – juris; OVG Hamburg, B.v. 7.8.2015 – 5 Bs 135.15 – juris), ist ein Betrag von 750,00 Euro hinzuzurechnen. Das führt für den Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers zu einem Wert von 12.500,00 Euro (5.000,00 Euro + 10 x 750,00 Euro). Für die Entziehung des Jagdscheins ist ein Streitwert von 8.000,00 Euro festzusetzen (Nr. 20.3 Streitwertkatalog 2013), was insgesamt zu einem Streitwert von 20.500,00 Euro führt.
Der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts wurde von Amts wegen entsprechend geändert (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben