Steuerrecht

Richtiger Klagegegner bei Vollstreckung der Grundsteuer

Aktenzeichen  W 8 K 18.1083

Datum:
14.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2535
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42, § 318
VwGO § 54, § 78, § 117
VwZVG Art. 22
GG Art. 14

 

Leitsatz

1 Die der Grundsteuererhebung zugrundeliegenden Vorschriften sind nicht verfassungswidrig. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, handschriftlich mit dem Nachnamen zu unterzeichnen. Eine Pflicht zur Unterzeichnung auch mit dem Vornamen ist gesetzlich insoweit nicht normiert. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit der telefonischen Mitteilung der Urteilsformel an einen Beteiligten tritt die Bindungswirkung gemäß § 173 VwGO iVm § 318 ZPO ein. Ein später gestellter Befangenheitsantrag hindert die als befangen abgelehnten Richter nicht an der Abfassung des bereits gefällten Urteils bzw. an der Unterschriftsleistung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Hinsichtlich des Begehrens der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, die Vollstreckung nach Art. 22 VwZVG für unzulässig erklären und von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen absehen, ist eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 75 VwGO statthaft; denn die Unzulässigerklärung der Vollstreckung ist ein begünstigender Verwaltungsakt (VG Würzburg, U.v. 25.1.2016 – W 6 K 15.1182 – juris m.w.N.; Harrer/Kugele/ Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 21 Erl. 1; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 21 Rn. 1, 15, 18, 47, 49, 52; Weber, Praxis der Kommunalverwaltung A 19 Bay, Art. 21 VwZVG Erl. 5 und 6.2).
Soweit die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des der vierteljährlichen Erhebung der Grundsteuer zugrundeliegenden Bescheids vom 12. März 2009 begehrt, ist die (Nichtigkeits-)Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt nicht, wenn – wie hier – die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird, § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage durch den Streit um die Nichtigkeit des Verwaltungsakts indiziert (BVerwG NVwZ 1987, 330; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 38). Die Einhaltung einer Klagefrist ist nicht Voraussetzung (Eyermann, a.a.O., Rn. 26).
Entgegen der Ansicht der Beklagten mangelt es vorliegend nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für die gegenständliche Klage ist nicht verwirkt, auch wenn bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den Grundsteuermessbetragsbescheid, welcher Grundlage des Grundsteuerbescheides ist, ergangen ist. Die Klage ist nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Zum einen ist im vorliegenden Fall nicht der Grundsteuermessbetragsbescheid Klagegegenstand, sondern – neben der geltend gemachten Sittenwidrigkeit der Grundsteuererhebung – (auch) die Vollstreckungsankündigung, zum anderen werden hier in Bezug auf eine mögliche Grundrechtsverletzung neue Aspekte („Brechung des Religionsgelübdes durch sittenwidrige Steuerforderungen für menschenrechtsverachtende Zwecke“) geltend gemacht.
2.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Sie ist schon gegen die falsche Beklagte gerichtet. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Die Erhebung der Grundsteuer stellt eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 57 GO (Gemeindeordnung) dar (vgl. § 1 des Grundsteuergesetzes, Art. 106 Abs. 6 GG). Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VGemO (Verwaltungsgemeinschaftsordnung) erfüllen die Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Die Verwaltungsgemeinschaft führt dabei die Aufgaben nach den Sätzen 3 und 4 als Behörde der jeweiligen Mitgliedsgemeinde nach deren Weisung aus, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VGemO. Die Verwaltungsgemeinschaft E. hat vorliegend folglich nicht in eigenem Namen und nicht kraft eigener Entschließung, sondern als Behörde der Stadt E. gehandelt. Dies war durch die Angabe der Stadt E. und deren Hervorhebung im Fettdruck auf der Ankündigung der Vollstreckung vom 19. Juni 2018 auch erkennbar (vgl. Widtmann/Zimmermann/Stadlöder, Praxis der Kommunalverwaltung, VGemO, Art. 4 Nr. 3.1). Folglich ist hier nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Stadt E. passivlegitimiert, nicht aber die Verwaltungsgemeinschaft.
Bei der Feststellungsklage ist der richtige Beklagte nach prozessualen Maßstäben zu ermitteln, so dass die Klage gegen den Rechtsträger zu richten ist, demgegenüber das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll (Eyermann, a.a.O., § 78 Rn. 10). Bei Anwendung dieses Grundsatzes ist unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen auch in Bezug auf das Nichtigkeitsfeststellungsbegehren die Stadt E., deren Aufgabe die Grundsteuererhebung ist, richtige Beklagte. Zum selben Ergebnis kommt man, wenn man unter Hinweis darauf, dass bei der Nichtigkeitsfeststellungklage um einen Verwaltungsakt gestritten wird, § 78 VwGO entsprechend anwendet (so Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 78 Rn. 12 m.w.N.).
Die Klage war auch nicht zugunsten der Klägerin dahingehend auszulegen, dass sie sich gegen die Stadt E. richtet, für die die Verwaltungsgemeinschaft als Behörde gehandelt hat (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO, wonach zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde genügt). Denn mit Schriftsatz vom 1. September 2018 stellte die Klägerin ausdrücklich klar, dass sich die Klage gegen die Verwaltungsgemeinschaft selbst richtet (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 9).
Im Übrigen hat die Klägerin auch weder einen Anspruch auf die Unzulässigerklärung der Vollstreckung noch auf Feststellung der Sittenwidrigkeit des der Grundsteuererhebung zugrundeliegenden Bescheids vom 12. März 2009. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des VG Würzburg vom 14. Januar 2019 (W 8 K 18.1211) verwiesen.
Das Gericht hält entgegen der Auffassung der Klägerin die der Grundsteuererhebung zugrundeliegenden Vorschriften nicht für verfassungswidrig. Im Übrigen fehlt es vorliegend an der Entscheidungserheblichkeit der der Grundsteuererhebung zugrundeliegenden Vorschriften, da die Klage wie oben dargestellt schon gegen die falsche Beklagte gerichtet ist. Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG ist damit nicht angezeigt.
Nach alledem hat die Klage keinen Erfolg.
3.
Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
4.
Abschließend wird noch angemerkt, dass unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich ist, wie sich eine Befangenheit der Richter (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) aufgrund der geleisteten Unterschriften unter dem Urteilstenor ergeben soll. Der Befangenheitsantrag gegen das ganze Kollegium aller fünf Richter ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich, da er von vornherein nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist das Urteil von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Mit der Unterschrift soll zweifelsfrei festgestellt werden können, ob sich die Urteilsfäller mit denjenigen decken, die das Urteil unterzeichnet haben (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 117 Rn. 26). Das Urteil ist handschriftlich mit dem Nachnamen des Richters zu unterzeichnen (vgl. MüKo, ZPO, § 315 Rn. 4). Eine Pflicht zur Unterzeichnung auch mit dem Vornamen ist gesetzlich insoweit nicht normiert. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten – für verwaltungsrichterliche Handlungen aber offensichtlich nicht einschlägigen — § 126 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Erforderlich ist auch hiernach lediglich eine Unterschrift, die den Betreffenden ausreichend individualisiert, was grundsätzlich die Unterschrift mit dem Familiennamen voraussetzt. Selbst bei häufig vorkommenden Familiennamen muss der Vorname nicht beigefügt werden (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 126 Rn. 16). Ausreichend ist des Weiteren, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (vgl. MüKo, ZPO, § 315 Rn. 4 m.w.N.; vgl. OVG MV, B.v. 17.2.2012 – 2 L 95/11 – juris). Anhaltspunkte, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, bestehen nicht.
Im Übrigen kann mit einer Ablehnung wegen Befangenheit zulässigerweise nur bezweckt werden, den abgelehnten Richter an weiterer Tätigkeit im betroffenen Verfahren zu hindern. Deshalb kann ein Richter nach Erlass der Entscheidung nicht mehr abgelehnt werden (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, Rn. 22 zu § 54; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Rn. 17 zu § 54; vgl. BVerwG, B.v. 29.11.2018 – 9 B 26/18 – juris). Im konkreten Fall wurde der von allen an der Entscheidungsfassung mitwirkenden Richtern unterschriebene Entscheidungstenor am 14. Januar 2019 gem. § 116 Abs. 2 VwGO der Kammergeschäftsstelle übergeben. Mit der telefonischen Mitteilung der Urteilsformel am 15. Januar 2019 an die Beklagte trat die Bindungswirkung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 318 ZPO ein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 116 Rn. 3). Der am 30. Januar 2019 und damit zeitlich später gestellte Befangenheitsantrag hindert die als befangen abgelehnten Richter nicht an der Abfassung des bereits gefällten Urteils bzw. an der Unterschriftsleistung (Lambiris in BeckOK, VwGO, 48. Edition, Stand: 1.10.2018, § 117 Rn. 23a). Im Übrigen hätte der Klägerbevollmächtigte die Besorgnis der Befangenheit schon in der mündlichen Verhandlung rügen können und müssen.


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