Steuerrecht

Rückgängigmachung eines IAB mangels Anschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsguts

Aktenzeichen  6 K 746/19

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52131
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 7g Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Der Senat ist der Auffassung, dass es vorliegend an der im Kontext von § 7g Abs. 2 S. 1 EStG erforderlichen Funktionsgleichheit des Wirtschaftsguts (Photovoltaikanlage) mit dem Wirtschaftsgut, für das der Investitionsabzugsbetrag (IAB) gebildet wurde, fehlt (vgl. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 7g, 39. Aufl., 2020, Rn. 53 und Rn. 54). Infolgedessen ist der IAB nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen.  (Rn. 107 und 109) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat zu Recht den IAB 2012 rückgängig gemacht und für 2015 eine Sonderabschreibung nicht gewährt. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass im Jahr 2015 und damit innerhalb des entsprechenden Dreijahreszeitraums in steuerlicher Hinsicht eine Anschaffung einer PV-Anlage erfolgt ist.
Gemessen an dem von der Klägerin Begehrten (§ 96 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO) sind die angefochtenen Verwaltungsakte nicht rechtswidrig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Nach §§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind.
2. Eine PV-Anlage besteht im Wesentlichen aus Solarzellen, die in sog. Solarmodulen zusammengefasst werden, einem Wechselrichter, der den Gleichstrom umwandelt und einem Einspeisezähler. Die Solarmodule benötigen eine Halterung, um sie in einem bestimmten Winkel auszurichten (BFH-Urteil vom 19.07.2011 XI R 29/09, BStBl II 2012, 430, Rn. 27; BFH-Beschluss vom 07.02.2018 V B 105/17, BFH/NV 2018, 536, Rn. 4) Dabei werden die Anlagenteile in Reihe geschaltet und benötigen dazu eine interne Verkabelung, die den aus den Modulen entstehenden Gleichstrom zum Wechselrichter leitet. Der in Wechselstrom gewandelte Strom wird dann mittels eines Netzanschlusses in das öffentliche Netz eingespeist; dafür erhält der Einspeiser nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Vergütung. Diese gesamte technische Anlage ist ein Wirtschaftsgut PV-Anlage. Nicht das einzelne, zum Einbau in ein Solarkraftwerk bestimmte Fotovoltaikmodul ist als eine (eigene) Anlage gemäß § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 anzusehen, sondern erst die Gesamtheit der Module bildet die Anlage „Solarkraftwerk“ (BGH-Urteil vom 04.11.2015 VIII ZR 244/14, Rn. 20 ff, juris).
Die eigentliche Photovoltaikanlage, bestehend aus Solarelementen, Halterung und Befestigungsteilen stellt ein einheitliches bewegliches Wirtschaftsgut in Form einer Betriebsvorrichtung dar. Nur in der Zusammenstellung dieser einzelnen Komponenten entsteht ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, dessen einzelne Teile in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zueinander stehen und das unvollständig erscheinen würde, wenn eine der Komponenten entfernt würde (vgl. Arnold in: ABC der Bilanzierung 2019/2020, 17. Aufl. 2019/2020, Photovoltaikanlage, Rn. 1081).
Nach Arnold, a.a.O., muss dasselbe für die übrigen Bestandteile einer solchen Anlage gelten, ohne die ein Betrieb nicht sinnvoll möglich wäre und die deshalb in einem untrennbaren Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Anlage stehen. Dies gelte z.B. für die Verkabelung der Elemente einer Photovoltaikanlage, für die Übergabestation an das öffentliche Netz sowie für Speichermedien, Stromumwandler und Transformatoren. Diese Bestandteile gingen somit in die Bewertung der Photovoltaikanlage selbst ein und bildeten keine selbständig bewertbaren Wirtschaftsgüter. Kein an einer Photovoltaikanlage interessierter Erwerber wiese diesen Bestandteilen einen eigenständigen Wert zu, wenn die übrigen Bestandteile der Anlage nicht vorhanden wären oder nicht zur Veräußerung stünden. Andererseits führte ein Fehlen eines dieser Bestandteile zur Unvollständigkeit der übrigen Bestandteile. Eine Photovoltaikanlage ohne Verkabelung sei ebenso undenkbar wie umgekehrt eine Verkabelung ohne Photovoltaikanlage. Sämtliche Bestandteile der Anlage seien als ein einheitliches, selbständig bewertbares Wirtschaftsgut anzusehen.
Der Senat pflichtet dieser Auffassung insoweit bei, als dass das Wirtschaftsgut PV-Anlage ein einheitliches selbständiges Wirtschaftsgut darstellt, bestehend aus den genannten, in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehenden Bestandteilen.
Daneben verkennt der Senat jedoch nicht, dass (einzelne) Solarmodule – wenn sie nicht im Nutzungs- und Funktionszusammenhang einer PV-Anlage aufgehen – auch selbständige und handelbare Vermögensgegenstände sind, wie sich gerade im Streitfall zeigt.
3. Nach § 7g EStG in der für die Streitjahre anwendbaren Fassung können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag), § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG.
Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts ist der für dieses Wirtschaftsgut in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 40 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzuzurechnen; die Hinzurechnung darf den nach Absatz 1 abgezogenen Betrag nicht übersteigen, § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG.
Soweit der Investitionsabzugsbetrag nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach Absatz 2 hinzugerechnet wurde, ist der Abzug nach Absatz 1 rückgängig zu machen.2Wurde der Gewinn des maßgebenden Wirtschaftsjahres bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung zugrunde gelegt, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. 3Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem das dritte auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgende Wirtschaftsjahr endet, § 7g Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG.
Bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens können unter den Voraussetzungen des Absatzes 6 im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Absatz 1 oder Absatz 2 Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden, § 7g Abs. 5 EStG.
Bei Personengesellschaften und Gemeinschaften sind die Absätze 1 bis 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft tritt, § 7g Abs. 7 EStG.
4. Das Vorgehen nach § 7g Abs. 2 EStG, also die Hinzurechnung des für dieses Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen IAB in Höhe von der 40% der Anschaffungs- und Herstellungskosten, setzt voraus, dass die tatsächliche Investition funktionsgleich mit derjenigen ist, für die der Abzug vorgenommen worden war; ansonsten ist der Abzug nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen (vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g, 30. Aufl., 2011, Rz. 25 und 39. Aufl., 2020, Rz. 54). Zum Merkmal „funktionsgleich“ vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2011 X R 25/10, BFH/NV 2012, 718, Rn. 21, sowie vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g, 34. Aufl., 2015, Rz. 21).
5. Die Anschaffung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist.
Wirtschaftsgüter sind auch im Falle ihrer Anschaffung dem Erwerber bereits vor Erlangung des zivilrechtlichen Eigentums (§ 39 Abs. 1 AO) zuzurechnen, wenn er wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts geworden ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).
a) Jahr der Anschaffung ist nach § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung das Jahr der Lieferung. Geliefert ist ein Wirtschaftsgut, wenn der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist.
b) Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ist wirtschaftliches Eigentum zu bejahen, wenn ein anderer als der (zivilrechtliche) Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.
Wirtschaftliches Eigentum liegt im Falle der Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter daher vor, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind. Dabei ist unter Besitz nicht der Eigenbesitz i.S. von § 854 BGB, sondern der Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs zu verstehen. Wirtschaftliches Eigentum an einem Wirtschaftsgut geht daher nicht schon dann auf den Erwerber über, wenn diesem die Nutzung (Fruchtziehung) des Wirtschaftsguts überlassen wird. Die das zivilrechtliche Eigentum verdrängende steuerrechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts auf einen anderen setzt vielmehr voraus, dass die Substanz des Wirtschaftsguts auf diesen übergeht.
c) Davon ausgehend erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum an einem Wirtschaftsgut regelmäßig erst in dem Zeitpunkt, in dem auf ihn nach dem Vertrag oder mangels vertraglicher Regelung nach den zivilrechtlichen Regelungen die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung übergeht. Wird ein Wirtschaftsgut aufgrund eines Werklieferungsvertrags angeschafft, kommt es für die Entscheidung, wann die Gefahr auf den Erwerber übergeht, ebenfalls auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Nur soweit vertragliche Vereinbarungen fehlen, ist auch in diesem Fall auf die (abdingbaren) zivilrechtlichen Regelungen über die Gefahrtragung (§ 446 Satz 1 i.V.m. § 651 BGB) abzustellen.
d) In den Urteilen vom 01.02.2012 I R 57/10, BStBl II 2012, 407, und vom 22.09.2016 IV R 1/14, BStBl II 2017, 171, hat der BFH im Zusammenhang mit der Frage des Beginns der Abschreibung für Windkraftanlagen den Begriff der Anschaffung wie folgt beurteilt:
Hat der Verkäufer (Werklieferant) eine technische Anlage zu übereignen, die vom Erwerber erst nach dem erfolgreichen Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll, geht das wirtschaftliche Eigentum an der technischen Anlage erst mit der nach dem durchgeführten Probebetrieb erfolgten Abnahme über (BFH-Urteile vom 01.02.2012 I R 57/10, a.a.O., und vom 06.02.2014 IV R 41/10, BFH/NV 2014, 847). Dies gilt unabhängig davon, ob der Erwerber während des Probebetriebs die Nutzung ziehen kann, oder ob der Probebetrieb mit den Betriebsmitteln des Erwerbers ggf. unter Einsatz dessen Betriebspersonals durchgeführt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 975). Denn der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums setzt in diesen Fällen voraus, dass der Erwerber das Wirtschaftsgut in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko betreibt. Daran fehlt es aber bis zum Zeitpunkt der Abnahme. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Anlage auf Gefahr des Veräußerers (Werklieferanten) betrieben.
Wird vom Verkäufer eine „betriebsfähig“ zu liefernde Anlage geschuldet, spricht gegen den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums insbesondere, wenn vor Fertigstellung der externen Verkabelung keine Nutzungen aus den Anlagen gezogen werden können (BFH-Urteil vom 01.02.2012 I R 57/10, a.a.O., Rn 21 m.w.N.).
6. Verträge zwischen Personengesellschaften, die von nahen Angehörigen beherrscht und durch nahe Angehörige vertreten werden, sind – ebenso wie Verträge zwischen den Angehörigen selbst – nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie nach Inhalt und Durchführung (jedenfalls im Wesentlichen) dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist (BFH-Urteil vom 31.05.2001 IV R 53/00, BFH/NV 2001, 1547, Rn. 30).
Ein solcher Fremdvergleich ist erforderlich, da der natürliche Interessengegensatz fremder Dritter die Vermutung begründet, dass Ausgaben, die auf einem gegenseitigen Vertrag beruhen, auch i.S. des § 4 Abs. 4 EStG durch den Betrieb veranlasst sind. Fehlt es dagegen – wie bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen oder zwischen von diesen beherrschten und vertretenen Personengesellschaften – an einem solchen Interessengegensatz, so bedarf es einer Überprüfung, inwiefern vertragliche Vereinbarungen durch den Betrieb veranlasst sind oder ob sie aus sonstigen Gründen eingegangen wurden. Deshalb sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann ertragsteuerlich anzuerkennen, wenn die Vereinbarung klar und ernstlich gewollt ist, rechtswirksam vereinbart und dementsprechend durchgeführt wird, wobei Inhalt und Durchführung dem entsprechen müssen, was unter Fremden üblich ist. Für die abschließende Beurteilung ist stets eine Gesamtwürdigung erforderlich. Diese kann zu dem Schluss führen, dass eine nur geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltselemente von dem zwischen fremden Dritten Üblichen einer ertragsteuerlichen Anerkennung eines Vertragsverhältnisses nicht entgegensteht, wenn durch andere Beweisanzeichen nachgewiesen ist, dass es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt. Entsprechendes gilt auch bei Verträgen zwischen Personengesellschaften, die von nahen Angehörigen beherrscht und durch nahe Angehörige vertreten werden.
Nach Auffassung des Senats gelten diese Grundsätze ebenso – wie hier vorliegend – bei einem Vertrag zwischen einer Personengesellschaft, deren Gesellschafter Ehegatten sind und deren Geschäftsführer der Ehemann ist, und dem Ehemann (als Einzelperson). Auch hier fehlt es am natürlichen Interessengegensatz fremder Dritter.
Im Streitfall:
7. Im vorliegenden Streitfall erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte gemäß §§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO.
Ein Fall geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 1 AO) liegt – anders als im vom BFH im Urteil vom 06.02.2020 IV R 6/17, BStBl II 2021, 17, entschiedenen Fall von zusammen veranlagten Ehegatten, die in GbR eine PV-Anlage auf ihrem eigengenutzten Wohnhaus betreiben – nicht vor, da die Klägerin als Betriebsgesellschaft mehrerer PV-Anlagen auf unterschiedlichen Gebäuden auftritt und unterschiedliche Gewinn-/Verlustaufteilungsschlüssel im Raum stehen. Die Frage der Bildung/Hinzurechnung bzw. Rückgängigmachung eines IAB und die Vornahme der Sonderabschreibung im Rahmen der Anwendung des § 7g EStG mit erheblicher finanzieller Auswirkung zeigen zudem, dass es sich um einen bedeutsamen Fall handelt.
8. Im Streitfall erfüllt die Klägerin unstreitig die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 EStG, insbesondere die betriebsbezogenen Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 Satz 2 EStG, und kann grundsätzlich im Feststellungszeitraum 2012 einen IAB bilden.
9. Das Finanzamt hat zu Recht den IAB 2012 rückgängig gemacht und für 2015 eine Sonderabschreibung nicht gewährt.
Nach Auffassung des Senats ist weder im Zeitpunkt des Probebetriebs noch am Jahresende 2015 ein Wirtschaftsgut PV-Anlage vorhanden, das mit dem Wirtschaftsgut, für das der IAB gebildet wurde, funktionsgleich ist.
a) Das einheitliche Wirtschaftsgut PV-Anlage besteht, wie unter 2. dargestellt, aus Solarzellen, Halterung, Montage- und Befestigungsmaterial, Wechselrichter und interner Verkabelung.
Fraglich ist, ob im Rahmen des Probebetriebs alle Komponenten vorhanden waren: A hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die anlageninterne Verkabelung aufgrund neuer Vorschriften nicht mehr habe benutzt werden dürfen und habe ausgetauscht werden müssen.
Für den Probebetrieb mussten weiterhin nicht alle Dachhalterungen wie für eine Gesamtanlage montiert werden, da für den zweiten Teil des Probebetriebs im Dezember 2015 die Unterkonstruktion des ersten Probebetriebs vom November 2015 weiter verwendet wurde.
b) Der IAB wurde (u.a.) für die Energieerzeugungsanlage laut Angebot 1211001 gebildet. Dieses umfasste 720 Stück Energieerzeugungsanlagen à 205 W und 2144 Stück Energieerzeugungsanlagen à 240 W, jeweils 1 Stück Zubehör DC-AC Wandler mit Schaltanlage, jeweils 1 Montagegestell NK System Trapezblech fertig montiert, und jeweils (1) Anschluss der Installation an das Elektrische Netz mit Trennstelle, und Inbetriebnahme der Anlage.
Im Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.11.2020 stellt dieser dar, der Handel – mithin A – habe für die Klägerin die PV-Anlage schlüsselfertig erstellt und geliefert.
Nach dem Verständnis der Klägerin und dem folgend des Senats wird seitens der Einzelfirma eine fertig montierte PV-Anlage, bestehend aus Solarmodulen auf einem fertig montierten Montagegestell mit Installation und Verkabelung sowie Wechselrichter, geschuldet; das Angebot umfasst den Anschluss der Anlage an das elektrische Netz mit Trennstelle. Für ein derartiges Wirtschaftsgut wurde der IAB gebildet.
c) Tatsächlich erfolgte im Rahmen des Probebetriebs im November /Dezember 2015 eine provisorische Montage der Solarmodule in zwei Abschnitten auf dem Silodach und dem Geräteschuppen (laut Schreiben von LHP vom 20.03.2017) bzw. der Fahrsiloüberdachung (laut Schreiben des Klägervertreters vom 26.09.2018). Hierbei wurden nicht alle Dachhalterungen wie für eine Gesamtanlage montiert; für den Probebetrieb im Dezember wurde die Unterkonstruktion des ersten Probebetriebs weiter verwendet. Es war nach der Schilderung des Klägervertreters von vornherein klar, dass diese Dachfläche für die Gesamt-PV-Anlage flächenmäßig zu klein war. Die Zusammenstellung, die Montage und der Betrieb der PV-Anlage auf diesem Dach und in der Form der von A beschafften Gesamtanlage konnten gar nicht erfolgen.
Nach Auskunft von A in der mündlichen Verhandlung (siehe auch bereits Schriftsatz der Klägerseite vom 24.07.2019) war zudem im Dezember 2015 die Standortfrage aufgrund diverser Probleme mit den angedachten Dachverpächtern nicht geklärt gewesen. Selbstredend ist auch eine mittel- bis langfristige Sicherung eines Aufstellungsortes, hier eines nutzbaren Daches, von entscheidender Bedeutung.
Fraglich ist, ob zu diesem Zeitpunkt die spätere, anlageninterne Verkabelung vorhanden war (vgl. oben 9. a)). Nicht vorhanden waren die für die spätere Aufteilung auf mehrere Standorte nötigen Wechselrichter und ein funktionierender und genehmigter Netzanschluss. Ob ein Zähler vorhanden war, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung offen, da der Geschäftsführer lediglich den Stromdurchfluss mit eigenen Geräten gemessen hat.
Der Senat ist der Auffassung, dass die nur unvollständig bzw. in Teilen montierte Anlage nur einen Torso bzw. ein Stückwerk darstellte. Fraglich ist bereits, ob die zusammengefügten Materialien überhaupt ein einheitliches Wirtschaftsgut PV-Anlage bildeten. Selbst wenn dies der Fall war, dann entsprach diese weder der von A ersteigerten Anlage noch der PV-Anlage, für die entsprechend dem Angebot 1211001 ein IAB gebildet wurde.
Im Angebot 1211001 war von Energieerzeugungsanlagen bestimmter Dimensionen und Leistungen die Rede, die aufgebaut, installiert und an das elektrische Netz angeschlossen sein sollten und in Betrieb genommen werden konnten, somit eine funktionsfähige „schlüsselfertige“ Anlage. Diesem entspricht die im November und Dezember 2015 in Teilen provisorisch aufgebaute und probeweise betriebene Anlage nicht.
Der Senat ist daher der Auffassung, dass es jedenfalls an der im Kontext von § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Funktionsgleichheit des Wirtschaftsguts mit dem Wirtschaftsgut, für das der IAB gebildet wurde, fehlt (vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g, 39. Aufl., 2020, Rz. 53 und 54).
d) Am 31.12.2015, dem Tag der Datierung von Rechnung und Lieferschein, waren die von A beschafften Teile in Gemeinde 1 eingelagert. Auch zu diesem Zeitpunkt lag eine funktionsfähige „schlüsselfertig“ PV-Anlage nicht vor.
e) Ein Wirtschaftsgut PV-Anlage, das mit dem Wirtschaftsgut, für das der IAB gebildet wurde, funktionsgleich ist, ist nicht vorhanden. In Folge ist der IAB nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen (vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g, 39. Aufl., 2020, Rz. 53 und 54).
10. Selbst wenn man zur Einschätzung käme, dass ein Wirtschaftsgut PV-Anlage vorliegt, ist im Streitfall bei Anwendung der oben dargestellten Grundsätze eine Anschaffung im Jahr 2015 nicht erfolgt.
Weder mit dem Probebetrieb noch mit dem auf den 31.12.2015 datierten Lieferschein und Rechnung ist steuerlich von der Erlangung des (wirtschaftlichen) Eigentums und damit von einer Anschaffung auszugehen.
Der Senat geht bei seiner Beurteilung davon aus, dass einerseits die Datierung der vorgelegten Unterlagen zum 31.12.2015 dem tatsächlichen Geschehensablauf entspricht, und die Handlungen des Geschäftsführers der Klägerin zum angeführten Zeitpunkt erfolgten und andererseits eine nachträgliche Genehmigung von Rechtsgeschäften des A – soweit zulässig – durch die Mitgesellschafterin B erfolgte.
a) Die zivilrechtliche Lage stellt sich nach Auffassung des Senats wie folgt dar:
Ein schriftlicher Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrag zwischen A und der Klägerin liegt nicht vor. Die geschuldeten Leistungen der Vertragsparteien sind daher Rechnung und Lieferschein vom 31.12.2015 unter Heranziehung des Angebots vom 01.11.2012, auf das diese Bezug nehmen, und der Darstellung der Klägerin zu entnehmen.
Das Angebot vom 01.11.2012 lässt auf einen zukünftigen Kauf (Energieerzeugungsanlagen, Zubehör DC-AC Wandler mit Schaltanlage) mit Lieferungselementen (fertig montiertes Montagegestell, Anschluss an das elektrische Netz mit Trennstelle und Inbetriebnahme der Anlage) schließen.
Die Rechnung und der Lieferschein vom 31.12.2015 nennen ebenso den Kauf von Energieerzeugungsanlagen, Zubehör DC-AC Wandler mit Schaltanlage; bei den Lieferungselementen wird das fertig montierte Montagegestell und die Inbetriebnahme der Anlage genannt. Nach Darstellung der Klägerin war mit „Inbetriebnahme“ der Probebetrieb gemeint. Daher liegt hier ein Kaufvertrag mit untergeordneten Lieferelementen vor. Die Einordnung als Kaufvertrag (§§ 433 ff BGB) oder Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB in der für die Streitjahre anwendbaren Fassung; gültig bis 31.12.2017; nunmehr § 650 BGB), kann jedoch letztlich für die hier relevante Frage des Gefahrübergangs, bzw. der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums dahinstehen, da auch § 651 BGB auf den beim Kauf einschlägigen § 446 BGB verweist.
Aus Sicht des Senats ist zunächst unklar, wann nach dem Vortrag der Klägerin eine Übergabe oder nach der im Lieferschein vom 31.12.2015 verwendeten Terminologie eine „Übernahme“ und ein Eigentumserwerb erfolgt sein soll.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass er dem Vortrag der Klägerin folgt und die Rechtsgeschäfte, die diese im Zusammenhang mit dem Probebetrieb anführt, nicht als nur zum Schein nach § 117 Abs. 1 BGB eingegangen ansieht.
Die Klägerin trägt im Einspruchs- und Klageverfahren vor, der Probebetrieb sei Abnahme, Übergabe und Eigentumsübergang. Der Probebetrieb hat in zwei Abschnitten im November (wohl ab 24.11.2015, vgl. Rechnung Elektriker D vom 19.04.216) und im Dezember stattgefunden. Mit der Demontage Mitte Dezember 2015 war dieser abgeschlossen. Danach erfolgte die Einlagerung der Module in Gemeinde 1.
Wenn mit dem Probebetrieb eine Übergabe und ein Eigentumserwerb erfolgt sein soll, stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Lieferschein vom 31.12.2015 zukommen soll. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass am 31.12.2015 ein weiterer Akt erfolgt sei. Der Senat geht daher davon aus, dass mit dem Lieferschein die nach Auffassung der am Vertrag Beteiligten mit dem Probebetrieb erfolgte Übergabe und die Einigung hinsichtlich des Eigentumsübergangs dokumentiert werden sollte. Hierfür spricht auch die Einlassung der Klägerin im Schriftsatz vom 24.07.2019 wonach die Rechnungsschreibung mit Datum 31.12.2015 und nicht [Ende November] mit erfolgtem Probebetrieb und Abnahme erfolgt sei, da A früher keine Zeit gehabt habe. Der Senat geht davon aus, dass dies ebenso für den gleichdatierten Lieferschein gilt.
Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin, A, nach dem Gesellschaftsvertrag nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) befreit ist, macht die Rechtsgeschäfte, die A im eigenen Namen und zugleich im fremden Namen für die Klägerin schließt, nicht notwendig nichtig. Nach hM ist ein beiderseitiges Rechtsgeschäft schwebend unwirksam; mit seiner Genehmigung durch den Vertretenen – die Klägerin – wird es wirksam. Nur bei einseitigen Rechtsgeschäften soll § 180 BGB mit Nichtigkeitsfolge anzuwenden sein (Staudinger/Schilken (2019) BGB § 181, Rn. 45, 46).
Die Unterschrift der Gesellschafter der Klägerin auf dem Lieferschein vom 31.12.2015 stellt eine Genehmigung der dinglichen Einigung zwischen A im eigenen Namen und im fremden Namen für die Klägerin durch die Klägerin dar.
b) Die dingliche Einigung im Zusammenhang mit dem Probebetrieb und die Abnahme/Übernahme als tatsächliche Vorgänge in diesem Kontext mit der dinglichen Einigung sind jedoch steuerlich nicht anzuerkennen, da sie nicht dem unter Fremden Üblichen entsprechen. Sie führen in Folge kein wirtschaftliches Eigentum der Klägerin herbei.
Ein fremder dritter Käufer hätte zum einen in Kenntnis der Mängel und Minderleistung der Module und zum anderen in Kenntnis des Umstands, dass eine montierte, komplette betriebsbereite „schlüsselfertige“ PV-Anlage nicht gegeben war, diese nicht als ordnungsgemäß erhalten quittiert und abgenommen und nicht vorbehaltlos eine Willenserklärung zur dinglichen Einigung abgegeben bzw. diese genehmigt.
aa) Rechnung und Lieferschein vom 31.12.2015 sprechen von 380 Stück Energieerzeugungsanlagen „Zertifiziert, Produktgarantie 10 Jahre Leistungsgarantie 10 Jahre 90%, 20 Jahre 80%“. Diese Angaben beziehen sich, wie von Klägerseite im Schreiben vom 30.11.2020 erläutert wurde, auf die ursprüngliche Herstellergarantie. Dies ergibt sich jedoch aus Rechnung und Lieferschein nicht eindeutig. Einen Ausschluss von Gewährleistungsrechten und weiteren Rechten – wie etwa die Rechnung der E-GmbH vom 13.03.2015 und die Rechnung von A an die F GmbH & Co. KG vom 02.02.2016 – enthalten weder Rechnung noch Lieferschein.
bb) Im Schriftsatz vom 30.11.2020 wird für die Klägerin ausgeführt, die Minderleistung der Module sei beim Probebetrieb Ende November festgestellt worden; die Mängel der Module seien aufgrund offensichtlicher Fehler, wie Zellenfarbe, Kratzer, Glasschäden und elektrischer Kennwerte erkannt worden. Die Mängel seien von Elektriker D ermittelt worden.
A war am Probebetrieb maßgeblich beteiligt. Wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hat er für den Probebetrieb im November 2015 die Anschlüsse für den Gleichstrombereich selbst hergestellt; Elektriker D habe lediglich einen Wechselstromanschluss ans Netz vorgenommen. Den Test im Dezember habe er selbst anschließen können. Der Anschluss auf der Wechselstromseite sei durch den Probebetrieb im November vorhanden gewesen. Für den zweiten Versuch im Dezember sei demnach die erste Unterkonstruktion des ersten Probebetriebs verwendet worden.
Mit einem privaten Zähler des A seien die Daten beider Probebetriebe gemessen worden. Deren Messdaten hätten trotz der geringen Leistungen im November und Dezember eine Minderleistung gegenüber den Nenndaten der Modulbeschreibung belegt. Die Minderleistung habe A für beide Teile festgestellt. Elektriker D habe dies bestätigt, auch durch optischen Eindruck der Module.
Daraus folgt für den Senat, dass A der Zustand der Module und deren Minderleistung bekannt war.
cc) Die mangelhaften Module hätte ein fremder Dritter nie als ordnungsgemäß abgenommen; die dingliche Einigung hält einem Drittvergleich nicht Stand.
Die Messdaten des Probebetriebs liegen nicht vor. A hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, ein Protokoll hierüber habe er nicht.
Aus dem umgehenden Komplett-Austausch der Module folgt für den Senat, dass der Mangelzustand und die Minderleistung der Module erheblich war. Denn sonst hätte kein Anlass für diese Geschäfte bestanden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Leistungsfähigkeit der Module einer PV-Anlage zentrale Bedeutung für die Energieerzeugung haben.
Am 11.04.2016 und 03.05.2016 wurden durch A 240 und 220 Module von G SL, für 25.140 € und 23.045 € erworben.
Die vorhandenen Module – 419 Stück, nach geänderter Rechnung (Schriftsatz der Klägerin vom 11.11.2020, Anlage 10.3) 454 Stück – wurden am 02.02.2016 von A an die F GmbH & Co. KG, für 26.729 € (netto) verkauft.
Auch wenn Protokolle der Messdaten klägerseits nicht vorgelegt werden können und Details der Mängel nicht im Einzelnen bekannt sind, folgt aus dem sich anschließenden Geschehensablauf des Verkaufs der Module und dem Neuerwerb, dass nach dem Probebetrieb die Quittierung der Ware auf dem Lieferschein vom 31.12.2015 als ordnungsgemäß erhalten und übernommen nicht dem unter Fremden Üblichen entspricht und auch eine Einigung über den Eigentumsübergang nicht fremdüblich ist.
Ein fremder Käufer, dessen Geschäftsführer die derart erheblichen Mängel und Minderleistung der Module bekannt sind, hätte die Ware nicht als ordnungsgemäß angenommen und keine Willenserklärung zur dinglichen Einigung abgegeben, bzw. diese genehmigt. Der Lieferschein vom 31.12.2015 benennt zwar die (Hersteller-) Produkt- und Leistungsgarantien, enthält aber keinen Hinweis auf den tatsächlichen Zustand der Module.
Nach Auffassung des Senats erklärt sich dieser Umstand dadurch, dass in Bezug auf den Ankauf/Verkauf von PV-Anlagen und Modulen und den Betrieb von PV-Anlagen stets A als Einzelunternehmer bzw. als Geschäftsführer der Klägerin als alleiniger Akteur auftrat. Auch hier trat auf beiden Seiten des Geschäfts A auf. Damit fehlt der natürliche Interessengegensatz, der bei Geschäften unter fremdem Dritten vorhanden ist. Die Rechte, die A als Geschäftsführer der Klägerin geltend machen könnte und würde, würden sich gegen A als Verkäufer richten. Gleiches gilt für die Nicht-Abnahme einer leistungsgeminderten PV-Anlage und die Nicht-Erklärung bzw. Verweigerung der Genehmigung der dinglichen Einigung.
Zudem ist hilfsweise anzuführen, dass sich dieser fehlende Interessengegensatz auch steuerlich auswirkt: Mit der – nicht drittüblichen – dinglichen Einigung und Abnahme des Anlagentorsos soll eine Anschaffung der Klägerin im Jahr 2015 vorliegen. Mit einer Anschaffung der Klägerin im Jahr 2015 wäre im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2012 die Bildung des IAB beizubehalten bzw. zu gewähren, was sich wiederum im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2012 der Gesellschafter der Klägerin, insbesondere beim Gesellschafter A, steuermindernd auswirken würde (vgl. hierzu auch unten unter 14.). Insofern kann die nicht drittübliche dingliche Einigung und Abnahme auch steuerlich motiviert sein.
Der Geschäftsführer der Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihm der Zustand der Module aufgrund des Probebetriebs nur in seiner Eigenschaft als Verkäufer bekannt geworden ist, er ihn aber in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin nicht gekannt habe.
Für den Drittvergleich ist als Ausgangssituation dieselbe objektive Situation und dieselbe subjektive Kenntnis der Beteiligten unter der Annahme, sie wären fremde Dritte, heranzuziehen. Somit ist die Situation zu beurteilen, dass sowohl Verkäufer als auch Geschäftsführer der Käuferin die Verhältnisse der Anlage kannten. Eine Abnahme als ordnungsgemäß wäre hier nicht erfolgt.
Der Senat teilt nicht den Gedankengang der Klägerseite, wonach auch ein fremder Dritter den gegenüber der Klägerin angesetzten Preis hätte bezahlen müssen.
Die Kalkulation vom mutmaßlichen Neupreis/-wert zum Preis, der von A gegenüber der E-GmbH zu zahlen war, mag zutreffen. Ebenso trifft wohl zu, dass in diesem Kaufpreis „alle Eventualitäten eingepreist“ waren, da es sich um einen Kauf im Rahmen einer Versteigerung unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung handelte.
Die Verhältnisse hinsichtlich des Verkaufs von A an die Klägerin liegen jedoch grundlegend anders. Hier waren aufgrund des Probebetriebs sowohl der Verkäufer- als auch der Käuferseite die Minderleistung und die Mangelhaftigkeit der Module bekannt. Das in den Erwerb von der E-GmbH „eingepreiste“ Risiko hatte sich bei der Weiterveräußerung an die Klägerin zur Kenntnis der Vertragsbeteiligten realisiert.
Der Senat weist darauf hin, dass er die Höhe des Kaufpreises, den die Klägerin zu zahlen hatte, nicht als allein entscheidend für die fehlende Drittüblichkeit ansieht. Wie oben dargestellt, hält der Senat angesichts des bekannten Zustands der Module die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang, die Abnahme und Übergabe nicht für drittüblich.
dd) Ein fremder dritter Käufer hätte zudem angesichts der noch nicht erfolgten Standortklärung und in Kenntnis des Umstands, dass eine komplette, betriebsbereite „schlüsselfertige“ PV-Anlage nicht gegeben war, diese nicht als ordnungsgemäß erhalten quittiert und abgenommen und nicht eine Willenserklärung zur dinglichen Einigung abgegeben bzw. diese genehmigt.
Bei den bestehenden offenen Punkten wie Standort, Netzanschluss und Montage hätte ein fremder Dritter keine Abnahme als ordnungsgemäß erteilt; nach drittüblichen Gesichtspunkten kann ein wirtschaftliches Eigentum mangels Gefahrübergang und Eigenbesitz nicht erlangt werden.
Im Zug des Probebetriebs wurden die Module in zwei Chargen auf das angebrachte Untergestell montiert, intern verkabelt und an den durch Elektriker D im November 2015 installierten Wechselrichter angeschlossen. Eine Gesamtinstallation aller Solarmodule fand nie statt; auch war eine betriebsbereite, funktionsfähige Gesamtanlage nicht vorhanden. Es lag beim Probebetrieb jeweils ein Anlagentorso, nicht aber das laut Angebot 1211001 funktionsfähige gesamte Wirtschaftsgut PV-Anlage vor.
Ein fremder Dritter, dessen Bestellung auf dem Angebot beruhte, hätte die Anlage nicht als die geschuldete PV-Anlage abgenommen und keine Willenserklärung zur dinglichen Einigung abgegeben bzw. diese genehmigt.
Dass dies zivilrechtlich hier dennoch erfolgte, erklärt sich, wie oben unter 8. b) cc) dargestellt, dadurch, dass A als Einzelunternehmer und zugleich als Geschäftsführer der Klägerin als allein handelnde Person auftrat. Auf die obigen Ausführungen wird auch in diesem Zusammenhang entsprechend verwiesen.
ee) A und B sind Ehegatten und zugleich Gesellschafter der Klägerin, deren Geschäftsführer A ist. Es liegt somit eine Vertragsbeziehung vor, an der auf beiden Seiten nahe Angehörige bzw. die gleichen Personen beteiligt sind.
c) Ein anderweitiger Gefahrübergang und damit eine steuerlich zu berücksichtigende Anschaffung liegen auch im Anschluss an den Probebetrieb bis zum Ende des Jahres 2015 nicht vor.
Ein weiterer (Real-)Akt hinsichtlich der demontierten PV-Anlage ist nach dem Probebetrieb nicht ersichtlich. Die Module wurden in Gemeinde 1 eingelagert.
Mit der bloßen Einlagerung ist nach Auffassung des Senats kein Übergang einer wirtschaftlichen Eigentümerstellung oder ein Gefahrübergang an die Klägerin verbunden.
11. Eine Anschaffung und nach § 7g EStG begünstigte Investition liegt auch nicht darin, dass – wie der Klägervertreter erstmals in der mündlichen Verhandlung anführt – bei einem gescheiterten Erwerb der PV-Anlage durch die Klägerin im Jahr 2015 diese im Betriebsvermögen des A verbleibe und Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Klägerin darstelle.
Einerseits fehlt es hierfür wiederum an einem funktionsgleichen Wirtschaftsgut und andererseits kann das Handeln des A nicht rückwirkend in einen Einlageakt umgedeutet werden.
Dem Klägervertreter zufolge sei mit der Herstellung der Betriebsbereitschaft der Anlage im November/Dezember 2015 diese notwendiges Betriebsvermögen des A bei der Klägerin.
Der Klägervertreter verweist hierzu auf das BFH-Urteil vom 15.11.2017 VI R 44/16, BStBl II 2019, 466. Nach § 7g Abs. 7 EStG sind bei Personengesellschaften hiernach die Absätze 1 bis 6 der Vorschrift mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des „Steuerpflichtigen“ die „Gesellschaft“ tritt. Zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehört aber in steuerlicher Hinsicht nicht nur das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, sondern auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter. Folglich ist es im Bereich des Investitionsabzugs für die Prüfung, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für die der Abzugsbetrag in Anspruch genommen wurde, ohne Bedeutung, ob im Bereich des Gesamthands- oder des Sonderbetriebsvermögens investiert wurde (a.a.O., Rz. 19).
Nach Auffassung des Senats sind die dingliche Einigung, die Abnahme und die Übergabe zwar zivilrechtlich wirksam, steuerlich aber nicht anzuerkennen. Bis zum Ende des Jahres 2015 ist daher – steuerlich – davon auszugehen, dass ein Gefahrübergang und ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Klägerin noch nicht erfolgt ist. Der Senat geht daher davon aus, dass sich das eingelagerte Material am 31.12.2015 noch im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens befand.
Das eingelagerte Material ist auch nicht Teil des Betriebsvermögens der Klägerin als Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters A geworden.
Notwendiges Sonderbetriebsvermögen liegt im Jahr 2015 nicht vor, da ein Betrieb einer PV-Anlage durch die Klägerin in diesem Jahr noch nicht erfolgte. Vielmehr wurde das Material im Anschluss an den Probebetrieb und die Demontage eingelagert; erst im Jahr 2016 wurde eine PV-Anlage zur Energieerzeugung genutzt.
Auch gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen wurde nicht gebildet: ein Willkürakt vom Betriebsvermögen des Einzelunternehmers in das Sonderbetriebsvermögen ist nicht ersichtlich. Eine steuerlich nicht anzuerkennende Abnahme, Übergabe und Übereignung an die Personengesellschaft kann nicht – gleichsam als steuerliches Minus – in einen Willkürakt zur Bildung von gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen umgedeutet werden.
12. Der Senat verkennt nicht, dass es nach der Konzeption des Einzelunternehmens A und der Klägerin und der Aufgabenverteilung zwischen diesen die Aufgabe des Einzelunternehmens war, die PV-Anlagen für die Klägerin zu beschaffen und an diese zu verkaufen, und Aufgabe der Klägerin war, diese zu betreiben.
a) Dies deckt sich mit dem bereits im Verwaltungsverfahren erfolgten Vortrag (Schriftsatz vom 20.03.2017). Auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen, nämlich der Gestattungsvertrag zwischen der Klägerin und B vom 30.03.2015 und der Gestattungsvertrag zwischen der Klägerin und H vom 28.04./30.04.2015 und die in dem Zusammenhang mit Schreiben vom 29.04./09.06.2015 gegenüber der Netzgesellschaft gemachten Anlagen, belegen dies.
Allerdings ist das Bemühen der Klägerin um Dachflächen für den geplanten Betrieb der PV-Anlage und der Schriftverkehr mit dem Netzbetreiber nicht mit der Anschaffung einer PV-Anlage selbst durch die Klägerin gleichzusetzen. Dies wird jedoch auch von der Klägerin nicht vertreten.
b) Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung ausführt, der Verkauf der Module im Februar 2016 sei durch A als Vertreter der Klägerin erfolgt und als Beweis die Einvernahme von B anbietet, unterstellt der Senat diese unter Beweis gestellte Tatsache als wahr; sie ist jedoch für die Entscheidung unerheblich.
Der Verkauf der Module wurde laut Rechnung vom 02.02.2016 von A unter der Adresse seines Einzelunternehmens (Gemeinde 2) getätigt. Der Senat unterstellt die Tatsache, dass A hierzu von der Klägerin bevollmächtigt worden war, als wahr.
Die unter Beweis gestellte Tatsache ist für die Entscheidung unerheblich (vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.2006 V B 175/05, juris).
Der Senat vertritt die Auffassung, dass zivilrechtlich eine dingliche Einigung und eine Abnahme und Übergabe mit dem Probebetrieb stattfanden. In steuerlicher Sicht sind jedoch die dingliche Einigung und die Abnahme und Übergabe nicht anzuerkennen, da sie nicht fremdüblich sind. Damit liegen ein Gefahrübergang und eine Anschaffung einer PV-Anlage im Jahr 2015 nicht vor.
Die zivilrechtlichen Verhältnisse des Jahrs 2016 wirken sich nicht auf die wirtschaftliche Betrachtung des Jahrs 2015 aus.
Davon unabhängig bleibt die Frage, ob bei dem Geschäft vom 02.02.2016 A oder die Klägerin gegenüber der F GmbH & Co. KG zivilrechtlich verpflichtet wurde. Die Klägerin kann eine Vollmacht im Innenverhältnis erteilen (§ 167 Abs. 1 BGB). A hat bei seinem Geschäft mit der F GmbH & Co. KG, zumindest nach der Rechnung, nicht erkennbar gemacht, dass er als Vertreter handelt, und somit das Offenheitsprinzip nicht beachtet (vgl. Staudinger/Schilken (2019) BGB § 164, Rn. 1). Ob er infolge fehlender Offenlegung des Vertretungsverhältnisses sich selbst (vgl. § 164 Abs. 2 BGB) oder die Klägerin (über die Grundsätze des sog. „Geschäfts für den, den es angeht“ bei mangelndem Interesse der Gegenseite am Vertragspartner und sofortiger Erfüllung (vgl. Staudinger/Schilken (2019) Vorbemerkung zu §§ 164, Rn. 51ff)) verpflichtete, kann jedoch mangels Relevanz für die Frage der Anschaffung 2015 offenbleiben.
13. Mangels Anschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsguts bis zum Jahr 2015 ist nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr 2012 der Abzug des § 7g Abs. 1 EStG – des IAB – rückgängig zu machen.
Im Jahr 2015 hat keine Hinzurechnung von 40% der Abschaffungskosten zu erfolgen (§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG); die Voraussetzungen einer Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG sind nicht gegeben.
14. Da der Senat der Auffassung folgt, dass eine Anschaffung im Jahr 2015 nicht erfolgt ist, ist dementsprechend im Jahr 2015 keine Abschreibung vorzunehmen. Das Finanzamt hatte in der Einspruchsentscheidung eine Abschreibung von 1.296 € gewährt.
Der Senat ist wegen des Verböserungsverbots § 96 Abs. 1 Satz 2 1. HS FGO gehindert, für das Jahr 2015 eine Veränderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung, der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts vorzunehmen.
Die Feststellungserklärung und die ergangenen Feststellungsbescheide 2012 gehen von einer Verteilungsquote der Einkünfte von 99% auf den Gesellschafter A und von 1% auf die Gesellschafterin B aus. Dies entspricht nicht dem Gesellschaftsvertrag, der nach § 7 eine hälftige Verteilung regelt. Lediglich für 2010 und 2011 war eine anderweitige Verteilung verabredet worden.
Die Verteilung der Einkünfte auf die Mitunternehmer ist eine selbständige Feststellung. Diese wurde nicht angefochten und ist daher – obwohl nach dem Gesellschaftsvertrag unzutreffend – bestandskräftig geworden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH enthält ein Gewinnfeststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die im Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können. Solche selbständige Regelungen (Feststellungen) sind insbesondere auch die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns (oder Verlusts) sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer, das Vorliegen und die Höhe des von einem Mitunternehmer erzielten Gewinns aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils oder die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.02.2014 IV R 19/10, BStBl II 2014, 522, und vom 21.02.2017 VIII R 46/13, BStBl II 2017, 745, Rn. 24).
15. Es besteht aufgrund des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 18.12.2020 von der Klägerin eingereichten Schriftsatzes keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (vgl. § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Das Schreiben fasst die in der mündlichen Verhandlung erörterten Tatsachen und Rechtsmeinungen der Klägerin zusammen: Nummer 1. des Schreibens schildert zusammenfassend den zeitlichen Hergang von Erwerb, Dachflächenakquise und Probebetrieb, Nummer 3. gibt die Position der Klägerin zur Frage der Sonderbetriebsvermögenseigenschaft der PV-Anlage beim Gesellschafter A im Fall einer nicht erfolgreichen Eigentumsübertragung an die Klägerin im Jahr 2015 wieder. Nummer 2. nimmt zur Frage der Fremdüblichkeit des Verkaufspreises an die Klägerin Stellung; neuer Tatsachenvortrag erfolgt hierzu nicht.
Wird bisheriges Vorbringen wiederholt und zusammengefasst und nicht neue, entscheidungserhebliche Tatsachen vorgebracht, ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht angezeigt (Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 163. Lieferung 10.2020, § 93 FGO, Rn. 10). Der Senat setzt sich im Rahmen der Urteilsgründe mit den im Schreiben vom 18.12.2020 genannten Aspekten auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.


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