Steuerrecht

Steuerliche Anerkennung erklärter Verluste aus Gewerbebetrieb

Aktenzeichen  15 K 2481/17

Datum:
3.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22287
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 4 Abs. 3,§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
FGO § 105 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1.     Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Feststellungsbescheide für 2013 vom 23. November 2015 und für 2014 vom 9. Mai 2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. September 2017 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das FA hat die geltend gemachten Verluste zu Recht nicht im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG anerkannt, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG liegen nicht vor. Der Kläger handelte weder mit der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht noch beteiligte er sich mit der F am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Ein Gewerbebetrieb ist gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG gekennzeichnet durch eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln.
1. Gewinnerzielungsabsicht
a) Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (grundlegend Bundesfinanzhof – BFH -, Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751). An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Es handelt sich um eine innere Tatsache, die nur aus objektiven Merkmalen und Verhältnissen festgestellt werden kann, nicht aus den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, a.a.O.; BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BStBl. II 1985, 205). In die Totalgewinnprognose sind die Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, a.a.O.).
Als erster und wichtigster objektiver Umstand in diesem Sinn ist das Fortführen eines Betriebs trotz andauernder Verluste über die betriebsspezifische Anlaufzeit hinaus anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, a.a.O.). Solche andauernden Verluste sind in der Regel ein Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Liebhaberei, weil die Betriebsfortführung trotz eines solchen geschlossenen Verlustzeitraums für die Annahme spricht, dass der Betrieb bei gleichbleibender Form der Betriebsführung nicht darauf angelegt ist, Gewinne zu erzielen. Andauernde Verluste über die Anlaufzeit hinaus sind jedoch allein kein Beweis der Liebhaberei. Es muss die Feststellung hinzutreten, dass der Betrieb aus persönlichen Gründen, z.B. aufgrund einer besonderen Neigung unterhalten wird. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger wegen anderer hoher Einkünfte oder aufgrund seines Vermögens finanziell in der Lage ist, die jährlich anfallenden Verluste zu tragen. Die einkommensteuerrechtliche Irrelevanz wird auch indiziert, wenn der Steuerpflichtige den Betrieb trotz langjähriger Verluste fortführt, ohne die Verlustursachen zu ermitteln und/oder ihnen geeignet zu begegnen (Reaktionspflicht). Dies gilt insbesondere bei einer nebenberuflichen Tätigkeit (vgl. Schmidt/Wacker EStG 38. Auflage § 15 Rz. 32 m.w.N.).
Bei neugegründeten Gewerbebetrieben spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 2. August 1994 VIII R 55/93, BFH/NV 1995, 866 m.w.N.). Verluste der Anlaufzeit von in der Regel fünf Jahren können aber dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, insbesondere kein schlüssiges Betriebskonzept vorliegt und aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Betrachtung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstellte (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1976 IV R 113/73, BStBl. II 1976, 485; vom 06. März 1980 IV R 182/78, BStBl. II 1980, 718; vom 15. November 1984 IV R 139/81, a.a.O.; vom 25. Juni 1996 VIII R 182/84, BStBl. II 1997, 202; vom 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BStBl. II 2005, 392; vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl. II 2007, 874 und BFH-Beschluss vom 10. April 2013 X B 106/12, BFH/NV 2013, 1090).
b) Die Anwendung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass nach Überzeugung des Senats aufgrund der Umstände des Streitfalls – entgegen des bei neu gegründeten Gewerbebetrieben grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht bestehenden Beweises des ersten Anscheins – schon keine Verluste der Anlaufzeit zu gewähren gewesen wären bzw. sind. Über die nicht streitgegenständlichen Jahre 2009 bis 2012 kann das Finanzgericht zwar letztlich keine Entscheidung treffen. Jedenfalls aber ist eine Berücksichtigung der über die bestandskräftige Anerkennung hinaus geltend gemachten Verluste steuerlich zu versagen. Die F war nach Überzeugung des Senats ihrer Wesensart und der Art ihrer Betriebsführung bei objektiver Betrachtung von vornherein nicht in der Lage, nachhaltig Gewinne zu erzielen, sodass die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen ist. Die F stellte von Anfang an keine Einkunftsquelle i.S. des Einkommensteuerrechts dar.
aa) Aufgrund der bekannten Entwicklung der F steht nach Überzeugung des Senats nach Durchführung der mündlichen Verhandlung fest, dass die F bei objektiver Betrachtung in der vom Kläger selbst nebenberuflich und im Wesentlichen am Wochenende, während der Woche abends nach seiner nichtselbständigen Arbeit sowie teilweise während seines dortigen Urlaubs betriebenen Art und Weise von Beginn an nicht in der Lage war einen Totalgewinn zu erwirtschaften. Von der Rechtsprechung geforderte objektive, äußerlich erkennbare Beweisanzeichen für eine Einkunftserzielungsabsicht fehlen. Die Idee des Klägers ist letztlich im Planungsstadium stecken geblieben. Er hat in den knapp sechs Jahren von August 2009 bis Anfang 2015 (entgegen dem Vorbringen des Klägers, der Betrieb ruhe seit Ende 2014, hat er auch für 2015 Betriebsausgaben geltend gemacht) keinen ernsthaften Versuch unternommen, mit dem geplanten Produkt an den Markt zu gehen und Umsätze zu erzielen. Die bloße gedankliche Befassung und Absichtserklärungen reichen für die Anerkennung der Verluste nach dem Beschluss des GrS des BFH (Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 a.a.O.) nicht aus, wie das FA zu Recht festgestellt hat.
Auch die Tatsache, dass – wie vom Kläger vorgetragen – die Ankündigung von Google, eine kostenlos zur Verfügung gestellte Programmierschnittstelle nicht länger zu unterstützen, eine aufgrund eines Wasserschadens im angemieteten Raum zerstörte Hardware, eine Krankheit des Klägers von fünf Monaten und eine unbrauchbar gewordene Arbeitsfestplatte des Laptops, bei der eine Datenrettung nicht möglich gewesen sei, dazu geführt haben, dass eine nach etwa vier Jahren seit vorgetragener Gründung des Betriebs geplante Markteinführung eines Produkts bzw. einer Dienstleistung nicht mehr zu diesem Zeitpunkt habe realisiert werden können, spricht nach Überzeugung des Senats dafür, dass es durch die Art und Weise der Bewirtschaftung der F objektiv nicht möglich war, nachhaltig Gewinne zu erzielen. Denn es ist nach der Lebenserfahrung durchaus damit zu rechnen, dass bei einer Projektentwicklung Hindernisse bzw. unerwartete Ereignisse auftreten. Es wäre nach Auffassung des Senats daher angezeigt gewesen, bei der Erstellung des Betriebskonzepts in die Planungen Überlegungen einzubeziehen, dass es zu einer Erkrankung oder zu Problemen mit Hard- und Software kommen könnte. Derartige Maßnahmen hat der Kläger jedoch auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
Ebenso zeigt der Umstand, dass der Betrieb der F nach Angaben des Klägers aufgrund des Verkehrsunfalls im Oktober 2014 zum Ruhen gekommen sei, für den Senat, dass keine Führung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vorlag. Der Kläger selbst ist nämlich im Jahr 2015 wieder arbeitsfähig geworden. Dennoch unterließ er es, die F, in die er bereits nach seinen Angaben über 400.000 € investiert hatte, fortzusetzen.
Zudem spricht auch die lange Zeitspanne, welche der Kläger in seiner Aufstellung „Phasen der Unternehmensgründung & strategische Ausrichtung“ angibt, bis zu deren Ende – nach Angaben des Klägers – überhaupt ein marktgängiges Produkt hätte vorliegen können, dafür, dass nach objektiver Betrachtung die F von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstellte. Bei einem, wie der Kläger selbst vorträgt, von der Konkurrenz umkämpften und sich schnell entwickelnden Markt (vgl. Anlage zu Schriftsatz vom 18. März 2019 unter Punkt 6) kann der Senat die Ernsthaftigkeit der Betätigung nicht erkennen, wenn der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, den Markt nur beobachtet und immer neue Planungen anstellt (z.B. Entwicklung einer App als Push-Faktor für den Markteintritt), anstatt an den Markt zu gehen und das Produkt dann stetig weiter zu entwickeln und an die Marktbedürfnisse anzupassen.
Hinzu kommt, dass der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung trotz mehrmaligen Nachfragens durch den Senat einen überzeugenden Aufbau des Betriebs nicht darlegen konnte. So gab er in der mündlichen Verhandlung zunächst an, seine Aufgabe sei die Herstellung des Produkts sowie das Treffen unternehmerischer Entscheidungen gewesen und Frau S sei für die gesamten wirtschaftlichen Belange (Marketing, Akquise) zuständig gewesen. Im weiteren Verlauf äußerte er, er sei für die Erstellung der Struktur und des technischen Backgrounds zuständig gewesen. Frau S habe die Struktur gemacht und sie mit Inhalten (Frontend) gefüllt, z.B. das Impressum.
Ferner konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Antworten, insbesondere Namen dazu angeben, welche Kundenkontakte er bzw. Frau S bereits geknüpft hätten. Vielmehr bezog sich der Kläger auf Kopien mit Visitenkarten, welche er mit Fax vom 3. Juni 2019 – dem Tag der mündlichen Verhandlung – vorlegte. Eine Ansammlung von Visitenkarten überzeugt den Senat diesbezüglich hingegen nicht und widerspricht auch der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass Nutzer im Wesentlichen durch die damals bestehenden Sozialmedien (Facebook, YouTube) hätten gewonnen werden sollen. Auch betreffend die Aussage des Klägers im Schriftsatz vom 18. März 2019, wonach seine Kontakte in der Gründerszene Investitionsinteresse in die F zeigten, konnte der Kläger keine konkreten Namen benennen und bezog sich auch hier – ebenso wie für bestehende Kontakte zur Finanzwelt – pauschal auf vorbezeichnete Kopien von Visitenkarten.
bb) Gegen die Einkunftserzielungsabsicht spricht weiterhin die relativ hohe Verlustsituation über die gesamte Betriebsdauer von 2009 bis 2015. Von der vorgetragenen Betriebsgründung im Jahr 2009 bis einschließlich zum Jahr 2015 waren Betriebsausgaben i.H.v. insgesamt 410.451 € entstanden, davon insgesamt 360.919,72 € an Personalkosten für Frau S und Kosten für den von Frau S angemieteten Raum i.H.v. jährlich 2.616 €. Diesen standen während der Betriebsdauer von knapp sechs Jahren Betriebseinnahmen i.H.v. 0 € gegenüber. Es ist weder zur Überzeugung des Senats dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass der Kläger mit der F überhaupt hätte Einnahmen erzielen können bzw. in einer Höhe, die die in der Anfangsphase getätigten Betriebsausgaben hätten auffangen und auch unter Berücksichtigung der relativ geringen stillen Reserven zu einem Totalgewinn führen können.
Zwar sei nach den Angaben des Klägers ausweislich seines vorgelegten Businessplans vom 29. November 2010 bereits im ersten Jahr des Markteintritts mit einem Umsatz von 611.692 € (425.068 € Nutzergebühren + 186.624 € Beratervermittlung) und in der Folgezeit mit exponentiell steigenden Gewinnen zu rechnen. Dieses Betriebskonzept ist für den Senat hingegen nicht schlüssig. Es geht aus diesem insbesondere nicht nachvollziehbar hervor, wie im Jahr des Markteintritts konkret über 85.000 Neukunden hätten gewonnen werden und sich diese Anzahl hätte exponentiell erhöhen können und wie die darin angesprochenen Analyseergebnisse mittelfristig auf mehr als fünf Millionen Nutzer schließen ließen (Seite 19 Businessplan). Für den Senat ist ferner nicht schlüssig dargetan, wie der Kläger betreffend die F hinsichtlich der Schätzung des zeitlichen Verlaufs der Umsätze sich – entsprechend seinen Angaben im Businessplan – an bereits erfolgreich bestehenden Online-Portalen wie Xing hätte orientieren können. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger die bestehenden Zweifel des Senats zur Kundengewinnung und damit zur im Businessplan angegebenen Einnahmesituation nicht ausräumen. Er gab lediglich an, die Kunden hätten im Wesentlichen durch die damals bestehenden Sozialmedien (Facebook, YouTube) gewonnen werden sollen.
Ferner sprechen die hohen Personalkosten für die Angestellte S in der konkreten Situation dafür, dass der Kläger die F nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt hat. Frau S studierte Wirtschaftsrecht an der Uni K und befand sich im Sommersemester 2013 im 10. und im weiteren Verlauf im Wintersemester 2014/2015 im 13. Fachsemester. Der Kläger wandte für sie in den Streitjahren brutto Personalkosten i.H.v. 67.779,75 € (2013) und i.H.v. 54.750,09 € (2014) und während der gesamten Betriebsdauer insgesamt i.H.v. 360.919,72 € auf. Der in Vollzeit nichtselbständig tätige Kläger und seine studierende Mitarbeiterin waren jedoch nicht in der Lage während der gesamten Betriebsjahre ein Produkt zu entwickeln, im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzubieten und auch nur einen € einzunehmen. Dennoch beschäftigte der Kläger die Mitarbeiterin S die gesamte Zeit über mit in etwa gleichbleibend hohem Gehalt, vereinbarte mit ihr sogar ausweislich des geänderten Arbeitsvertrages vom 30. Juli 2010 einen leistungsunabhängigen jährlichen Bonus – der im Streitjahr 2013 ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge jedoch nicht gezahlt wurde – in Höhe eines Monatsgehalts, welcher sich um ein halbes Monatsgehalt jährlich erhöht und wendete ihr ausweislich seiner beim FA eingereichten Rechnungen betreffend die Betriebsausgaben der F zudem Geschenke zu.
cc) Hinzu kommt, dass der Kläger, der die F nicht im Hauptberuf betrieb, keine Maßnahmen unternommen hat, die geeignet gewesen wären, den Verlustursachen zu begegnen. Auch wenn es grundsätzlich im Ermessen des Betriebsinhabers liegt, ob und welche Aufwendungen er für seinen Betrieb tätigen will, so können auch bei einer gewerblichen Tätigkeit, die – wie im Streitfall – nicht typischerweise in der Nähe eines Hobbybereichs anzusiedeln ist, im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen. Das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, spricht für sich genommen schon dafür, dass langjährige, stetig ansteigende Verluste gerade im Falle einer – wie hier vorliegend – nebenberuflichen Betätigung aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (Reaktionspflicht, vgl. Schmidt/Wacker EStG 38. Auflage § 15 Rz. 32; BFH-Urteil vom 30. Oktober 2014 IV R 34/11, BStBl. II 2015, 380 Rz. 28, jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund enthält die vom Kläger mit Schriftsatz vom 18. März 2019 zu Punkt 6. vorgelegte Liste „Faktoren Verzögerungen und Maßnahmen gegen Verluste“ angesichts der Umstände des Streitfalls nach Ansicht des Senats keine geeigneten Maßnahmen, den Verlustursachen zu begegnen. Es ist für den Senat insbesondere nicht nachvollziehbar, dass angesichts der Tatsache, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder Einnahmen erzielt wurden, noch der konkrete Versuch erfolgte, solche zu erzielen, dennoch die Betriebsausgaben, besonders die Personalkosten (einschließlich des Bonus, Weihnachtsgeschenke, Geschäftsessen), die ausschließlich für Frau S anfielen und einen Großteil der Aufwendungen verursachten, unvermindert weiter getätigt wurden. Eine Änderung diesbezüglich hat der Kläger unterlassen. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat auch schwer verständlich, dass der Kläger für ein bis heute im Planungsstadium stecken gebliebenes Projekt über Jahre ein gesondertes Büro im privaten Wohnhaus von Frau S angemietet hat, obwohl bestehende konkrete Kontakte zu Kunden, Investoren und der Finanzwelt zur Überzeugung des Senats nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht bestanden. Es wäre der Angestellten S unbenommen geblieben, für ihre Tätigkeit ein häusliches Arbeitszimmer zu benutzen. Auch dies hätte dazu beigetragen, die Betriebsausgaben zu senken.
2. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
a) Zusätzlich fehlt im Streitfall die in § 15 Abs. 2 EStG geforderte Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Diese hat die Aufgabe, Tätigkeiten aus dem gewerblichen Bereich auszuklammern, die nicht auf einen Güter- oder Leistungsaustausch unter Inanspruchnahme des allgemeinen Marktes gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BStBl. II 1986, 851; vgl. Krumm in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 15 EStG, 18. Auflage, Rz. 28) und setzt voraus, dass der Verkäufer als Anbieter von entgeltlichen Leistungen für andere Abnehmer am allgemeinen Markt auftritt. Der Anbieter muss sich mit seiner Tätigkeit, normalerweise mit seinen Leistungen, an die Allgemeinheit der Marktteilnehmer wenden (vgl. Krumm in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Auflage, § 15 EStG Rz. 29, 31).
Nicht erforderlich ist, dass spezielle Werbemaßnahmen erfolgen oder die Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten angeboten werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 2003 III R 10/01, BStBl. II 2003, 510). Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich seine Leistungen nur an einen Abnehmer erbringt. Die Leistung muss jedoch nach Art und Umfang einer unternehmerischen Marktteilhabe entsprechen (vgl. dazu Krumm in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Auflage, § 15 EStG Rz. 31). Die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr setzt voraus, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach außen hin in Erscheinung tritt, er sich mit ihr an eine – wenn auch begrenzte – Allgemeinheit wendet und damit seinen Willen zu erkennen gibt, ein Gewerbe zu betreiben (vgl. BFHUrteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BStBl. II. 1986, 851).
b) Dies zugrunde gelegt, beteiligte sich der Kläger mit der F seit deren vorgetragener Gründung im Jahr 2009 bis heute nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Er trat nicht als Anbieter von entgeltlichen Leistungen für andere Abnehmer am allgemeinen Markt auf. Ausweislich des Schriftsatzes des Klägers vom 18. März 2019 sei nach seinen Angaben die einzige Möglichkeit das Produkt der F als Vorab-Version im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzubieten, der unentgeltliche Beta-User-Test Anfang 2014 gewesen. In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Kläger diese Angabe. Er trug vor, dass das Produkt der F 2013 soweit gewesen sei, dass es zu Testzwecken habe online gestellt werden können und dies im Rahmen der Betriebsprüfung kurzzeitig geschehen sei. Anschließend sei das Produkt wieder offline genommen worden, um es weiter zu entwickeln. Die Seite sei nur für Freunde und bekannte „Tester“ zugänglich gewesen, wenn sie online gewesen sei. Das Produkt sei bis heute weder online gestellt noch auf den Markt gebracht worden.
Dadurch wurde jedoch keine Leistung der F entgeltlich für andere Abnehmer im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr angeboten. Es liegt keine Leistung des Klägers vor, die nach Art und Umfang einer unternehmerischen Marktteilhabe entspricht. Dafür spricht auch, dass der Kläger mit der F seit dem Jahr 2009 bis heute keinen einzigen € eingenommen hat, sondern das Projekt letztlich im Planungsstadium stecken geblieben ist (siehe oben I. 1. b) aa)). Hinzu kommt, dass es – ausweislich des Vortrags des Klägers – mit Ausnahme der Verträge mit Frau S und der Firmenrechtsschutzversicherung keine schriftlichen Verträge mit dritten Personen gebe.
Insgesamt hat der Kläger damit nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der von ihm angemeldete Gewerbebetrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde. Zudem fehlt es an der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, sodass die im Streitjahr geltend gemachten Verluste nicht zu berücksichtigen sind.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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