Steuerrecht

Tatsächliche Gewerbeausübung als Voraussetzung einer erweiterten Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  22 ZB 18.1562

Datum:
27.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20035
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 14 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
GG Art. 12

 

Leitsatz

1 Eine Gewerbeuntersagung (§ 35 GewO) setzt grundsätzlich voraus, dass das untersagte Gewerbe tatsächlich ausgeübt worden ist. Eine Anzeige der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes (§ 14 Abs. 1 GewO) ist hiermit nicht gleichzusetzen und hat lediglich eine Indizwirkung (ebenso BVerwG BeckRS 2003, 24144). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer erweiterten Gewerbeuntersagung trägt die Behörde die Beweislast, insbesondere auch dafür, dass das untersagte Gewerbe im Zeitpunkt der Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens tatsächlich ausgeübt worden ist. Für die Richtigkeit der Annahme, ein Gewerbe werde ausgeübt, können aber auch Indizien – wie etwa der Fortbestand der Gewerbeanmeldung – herangezogen werden (ebenso BVerwG, BeckRS 2003, 24144). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Rechtmäßigkeit einer erweiterten Gewerbeuntersagung ist nicht davon abhängig, dass der Gewerbetreibende auch in den von dieser erweiterten Untersagung betroffenen Betätigungen Pflichtverstöße begangen hat. Vielmehr können die Unzuverlässigkeitsgründe von solcher Art sein, dass sie sich gewerbeübergreifend auswirken, was etwa bei ungeordneten Vermögensverhältnissen und wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit der Fall ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4 Steuerschulden, die auf Schätzbescheiden beruhen, sind ebenso verbindlich wie solche Steuerschulden, die auf einer Steuererklärung oder auf einer amtlichen Ermittlung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen beruhen. Daher können die auf einem Schätzbescheid beruhenden Steuerschulden auch als Anknüpfungspunkt für die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit dienen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 16.1192 2018-05-02 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wehrt sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung (mit Nebenentscheidungen) und gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, das seine Anfechtungsklage gegen diese Untersagung abgewiesen hat.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 hat die Beklagte unter Androhung von Zwangsmitteln (Nr. 4 des Bescheidtenors) dem Kläger die Ausübung des zum 16. Juli 2013 angemeldeten Gewerbes „Auf- und Abbau von Messeständen und Veranstaltungen“ untersagt (Nr. 1), die Untersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf jede selbständige gewerbliche Tätigkeit im stehenden Gewerbe erweitert (Nr. 2) und den Kläger zur Einstellung des genannten Gewerbes sowie seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma „J. (haftungsbeschränkt)“ – nachfolgend: Firma J – spätestens mit Ablauf des zehnten Tags nach Unanfechtbarkeit der Untersagung aufgefordert (Nr. 3). Der Kläger ist alleiniger Geschäftsführer der als Kapitalgesellschaft ins Handelsregister eingetragenen Firma J, deren Geschäftsgegenstand der Eintragung zufolge dem vorgenannten untersagten Gewerbe ähnelt.
Dem angefochtenen Bescheid liegen eine Mitteilung des Finanzamts München – Abteilung Erhebung – vom 1. Oktober 2015, eine Recherche der Beklagten im Vollstreckungsportal (Schuldnerverzeichnis) vom 26. November 2015 und eine weitere, vom Finanzamt am 11. Februar 2016 erstellte Auflistung der Steuerschulden des Klägers zugrunde. Diesen Quellen zufolge entstanden schon bald nach der Aufnahme des im Juli 2013 angemeldeten Gewerbes des Klägers Umsatzsteuerrückstände und erhöhte sich die Steuerschuld des Klägers – auch weil dieser keine freiwilligen Zahlungen leistete und Verspätungszuschläge anfielen – bis zum Bescheidserlass auf 11.900 €; die Höhe der Steuerschuld beruht z.T. auf Schätzungen. Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts blieben den Akten zufolge erfolglos. Der Kläger war mit acht Einträgen im Vollstreckungsportal – Schuldnerverzeichnis – erfasst („Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ sowie „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“).
Die gegen die erweiterte Gewerbeuntersagung erhobene Anfechtungsklage hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass er sein Gewerbe schon mit Wirkung vom 28. Februar 2014 abgemeldet habe und dass die vermeintlichen Steuerschulden ausschließlich auf Schätzungsbescheiden beruhten, die Zeiträume nach Abmeldung des Gewerbes beträfen. Der Kläger habe sich beim Finanzamt um eine Aufhebung der Schätzungsbescheide bemüht; im Fall der Aufhebung bestünden keine Steuerrückstände mehr. Zur Aufklärung des Sachverhalts „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ würden die vermeintlichen Gläubiger ermittelt.
Im Lauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger vergeblich Prozesskostenhilfe für seinen Anfechtungsprozess beantragt (zuletzt BayVGH, B.v. 13.6.2017 – 22 C 16.2481). Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage mit Urteil vom 2. Mai 2018 abgewiesen.
Gegen das am 22. Juni 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag mit Schriftsatz vom 12. August 2018 begründet.
Die Beklagte hat sich noch nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
Über den Antrag auf Zulassung der Berufung kann ohne Äußerung der Beklagten entschieden werden, weil sich bereits aus dem fristgerechten Vortrag des Klägers (auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist, vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass ein Grund für die Zulassung der Berufung dargelegt ist. Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags hat mit Ablauf des 22. August 2018 geendet. Neuer Vortrag, der über eine bloße Ergänzung bereits hinreichend geltend gemachter Zulassungsgründe hinausginge, könnte nicht mehr berücksichtigt werden.
1. Der Kläger macht ausdrücklich den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend (Schriftsatz vom 12.8.2018 Nr. 1). Er meint, das Verwaltungsgericht weiche mit dem angegriffenen Urteil von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14. Juli 2003 (6 C 10.03 – juris) ab. Damit kann der Kläger nicht durchdringen.
Um die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu erreichen bedarf es der Darlegung, von welcher Entscheidung (der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte – Divergenzgericht) das Verwaltungsgericht abgewichen ist (diese Darlegungsanforderung hat der Kläger erfüllt), welcher vom Divergenzgericht angewandte Rechtssatz betroffen ist und welcher vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte tragende Rechtssatz – grundsätzlich in Anwendung der gleichen Rechtsnorm – im Widerspruch zu einem Rechtssatz des Divergenzgerichts steht (zu diesen Erfordernissen vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 22 ZB 17.2088 u.a. – juris Rn. 52; BayVGH, B.v. 8.9.2014 – 22 ZB 13.1049 – GewArch 2014, 489, Rn. 36; BayVGH, B.v. 11.8.2014 – 22 ZB 14.1157 – Rn. 24).
1.1. Der Kläger hat vorliegend über fast vier Seiten (in seinem Schriftsatz vom 12.8.2018) die Entscheidungsgründe des genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nahezu vollständig zitiert (beginnend ab Rn. 17 bis zum Ende einschließlich Rn. 27). Er hat aber nicht vermocht, herauszuarbeiten, mit welchem tragenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem Rechtssatz, den das Bundesverwaltungsgericht angewandt hat, abgewichen ist. Tatsächlich liegt eine solche Abweichung hier gerade nicht vor. Die entscheidende Aussage und zugleich die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts für die Aufhebung des mit der Revision angegriffenen Urteils hat die (auch im amtlichen Leitsatz ausgedrückte) Rechtsauffassung zum Inhalt, dass eine Gewerbeuntersagung grundsätzlich voraussetzt, dass das untersagte Gewerbe tatsächlich ausgeübt worden ist, wogegen eine Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes nicht gleichsteht und – im dortigen Fall – die Anmeldung eines Gewerbes lediglich Indizwirkung habe. Auf diese Indizwirkung kam es aber in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall nicht an, weil positiv festgestellt worden war, dass das angemeldete Gewerbe – entgegen dieser Anmeldung – tatsächlich niemals ausgeübt worden war (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – juris Rn. 20 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 1.78 – GewArch 1982, 302).
Von dem vom Bundesverwaltungsgericht angewandten Rechtssatz, wonach es auf die tatsächliche Ausübung (oder Nicht-Ausübung) eine Gewerbes, nicht aber auf dessen – ggf. den tatsächlichen Verhältnissen widersprechende – An- oder Abmeldung ankomme, ist hier das Verwaltungsgericht nicht abgewichen, sondern hat diesen Rechtssatz gerade angewandt. Das Verwaltungsgericht hat sich zudem nicht nur auf das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts berufen (vgl. den Abdruck des angegriffenen Urteils – UA – S. 7 Mitte). Es hat auch inhaltlich an mehreren Stellen auf die tatsächlichen Verhältnisse im Fall des Klägers abgestellt und ausgeführt, dass eine – anzunehmende – tatsächliche Gewerbeausübung durch eine (nur behauptete, aber nicht belegte) Gewerbeabmeldung bereits im Februar 2014 sowie durch eine nach Bescheidserlass vorgenommene rückwirkende Gewerbeabmeldung nicht in Frage gestellt werden könnte (z.B. UA S. 8 unten).
Unterschiede des vorliegenden Falls zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall bestehen allerdings darin, dass es dort zum einen um eine im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehende Gewerbeanmeldung ging (das angemeldete Gewerbe war zwar beabsichtigt, aber niemals aufgenommen worden), nicht aber – wie hier – um die Abmeldung eines (jedenfalls über einen gewissen Zeitraum) unstreitig tatsächlich ausgeübten Gewerbes, und dass im dortigen Fall außerdem gerichtlich festgestellt (also – anders als vorliegend – gerade unzweifelhaft) war, dass das Gewerbe tatsächlich nie ausgeübt worden war. Diese Unterschiede zwischen dem vorliegenden und dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall sind beachtlich. Sie sind aber Unterschiede im Sachverhalt; solche begründen nicht ohne weiteres eine Divergenz im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
1.2. Innerhalb des Abschnitts, in dem der Kläger den Berufungszulassungsgrund der Divergenz geltend macht (Schriftsatz vom 12.8.2018 Nr. 1), bemängelt er u.a., dass das Verwaltungsgericht „ohne weitere Sachaufklärung“ davon ausgegangen sei, dass sich der Kläger durch eine Scheinabmeldung einem drohenden Gewerbeuntersagungsverfahren habe entziehen wollen. Er führt an, dass die schlichte Einstellung des Gewerbes (anstelle einer Veräußerung des Unternehmens) schon wegen der selbst vom Finanzamt geschätzten geringen Umsätze die einzig sinnvolle Lösung gewesen sei, dass er aber die Gewerbeeinstellung (also den Beweis dafür, dass etwas nicht getan werde) lediglich mit Erklärungen beweisen könne, wogegen es der Beklagten obliege zu beweisen, dass der Kläger das Gewerbe nicht aufgegeben habe. Diesen Beweis hätte die Beklagte nach Ansicht des Klägers durch den Nachweis eines einzigen Auftrags in der Zeit nach der angezweifelten Gewerbeabmeldung vom 28. Februar 2014 führen können; solche Aufträge habe es aber – weil das Gewerbe eingestellt gewesen sei – nicht gegeben. Gegenteilige Anhaltspunkte habe die Beklagte selbst in den zwei Jahren nicht aufgezeigt, die seit dem Bescheidserlass vergangen seien. Außerdem sei die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass der Kläger sein Gewerbe nicht mehr ausübe. Ihr sei nämlich bekannt, dass der Kläger als Geschäftsführer der Firma J in Vollzeit tätig sei und nicht daneben noch ein Gewerbe führen könne. Mit diesem Umstand habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt (Schriftsatz vom 12.8.2018 S. 6 und 7).
Auch mit diesem Vortrag kann der Kläger nicht durchdringen. Dies gilt auch, wenn man seine Ausführungen nicht nur dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuordnet, sondern in ihnen auch – sinngemäß – die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und/oder des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Gestalt der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder der fehlerhaften richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sehen wollte (den Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat der Kläger immerhin insofern angesprochen, als er – ohne weitere Ausführungen – diese Vorschrift ganz am Ende seiner Ausführungen im Abschnitt 2 genannt hat).
1.2.1. Zutreffend ist für sich genommen der Hinweis des Klägers darauf, dass die Beklagte für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der von ihr ausgesprochenen erweiterten Gewerbeuntersagung die Beweislast trägt, mithin auch dafür, dass im Zeitpunkt der Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2003, – 6 C 10.03 – juris Rn. 22) das zu untersagende Gewerbe tatsächlich ausgeübt worden ist. Für die Richtigkeit der Annahme, ein Gewerbe werde ausgeübt, können aber auch Indizien sprechen; dies gilt vor allem dann, wenn es keine gegenteiligen Indizien gibt. So kann der Fortbestand einer Gewerbeanmeldung ein grundsätzlich taugliches Indiz für die Fortführung eines Gewerbes sein (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – juris Rn. 20 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 1.78 – GewArch 1982, 302).
Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht die ihm bekannte aktenkundige Tatsachenlage für ausreichend gehalten, um sich seine Überzeugung dahingehend bilden zu können, dass der Kläger – entgegen seiner Behauptung und entgegen der nach Bescheidserlass vorgelegten „Kopie“ eines Schreibens – nicht bereits am 28. Februar 2014 eine Gewerbeabmeldung persönlich in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen habe (die nach Angabe der Beklagten dort aber nicht auffindbar sei), sondern dass diese Behauptung lediglich eine Schutzbehauptung sei und ebenso wie die mit Schreiben vom 23. Februar 2016 vorgenommene rückwirkende Gewerbeabmeldung zum 28. Februar 2014 bezwecke, gegen die am 11. Februar 2016 verfügte erweiterte Gewerbeuntersagung vorgehen zu können.
Das Verwaltungsgericht hat sich entscheidend davon leiten lassen, dass zum einen nicht hinreichend belegt sei, dass die Anzeige der Gewerbeabmeldung bereits vor Erlass des Bescheids erfolgt sei, und zum andern der Kläger im Anhörungsverfahren nicht klargestellt habe, dass er das Gewerbe, das untersagt werden sollte, schon seit langem nicht mehr betreibe, obwohl sich eine solche Klarstellung für den Fall, dass das Gewerbe eingestellt worden sei, aufgedrängt hätte und der Kläger in der (ihm nachweislich zugegangenen) Anhörung ausdrücklich zu einer diesbezüglichen Äußerung aufgefordert worden sei. Auch gegenüber der IHK, die ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben habe, habe der Kläger keine Gewerbeeinstellung erwähnt. Selbst in Bezug auf die im Wesentlichen erst nach der behaupteten Betriebsaufgabe zum 28. Februar 2014 stetig aufgelaufenen bzw. fällig gewordenen Steuerrückstände einschließlich Verspätungszuschläge sei der Kläger erst nach Bescheidserlass tätig geworden, obwohl ihm die Bedeutung der Angelegenheit nicht zuletzt aufgrund des Pfändungsversuchs des Finanzamts vom 11. Juni 2015 habe bewusst sein müssen.
1.2.2. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht, dass dem Verwaltungsgericht vorgeworfen werden kann, es habe eine gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gebotene weitere Sachverhaltsaufklärung unterlassen oder es habe sich seine Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) rechtsfehlerhaft gebildet. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, aufgrund welcher nachprüfbaren Anhaltspunkte sich dem Verwaltungsgericht eine weitergehende Beweiserhebung aufgedrängt hätte. Der Kläger hat sich nicht einmal zu derjenigen Frage auch nur geäußert, die schon der Verwaltungsgerichtshof in seinem Prozesskostenhilfebeschwerdebeschluss vom 13. Juni 2017 – 22 C 16.2481 – angesprochen hat und die ganz offensichtlich auf der Hand liegt: Nämlich die Frage, weshalb der Kläger weder gegenüber dem Finanzamt noch gegenüber der IHK noch auf die Anhörung durch die Beklagte hin die jetzt behauptete Einstellung der gewerblichen Tätigkeit auch nur mit einem Wort erwähnt, sondern die Nichtausübung des Gewerbes erst dann geltend gemacht hat, als die erweiterte Gewerbeuntersagung verfügt worden war. Für eine solche Erklärung hätte aller Anlass bestanden. Insbesondere dem Anhörungsschreiben vom 9. Dezember 2015 (das ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11.12.2015 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingeworfen wurde) ist sehr deutlich zu entnehmen, dass das angemeldete Gewerbe „Auf- und Abbau von Messeständen und Veranstaltungen“ Anlass und vorrangiger Gegenstand der beabsichtigten Gewerbeuntersagung ist (vgl. den ersten Absatz des Schreibens nach der Eingangsgrußformel), dass aber der Kläger darüber hinaus auch mit der Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die „Geschäftsführer- und Betriebsleitertätigkeit einer Firma“ sowie auf jegliche selbständige Tätigkeit im stehenden Gewerbe rechnen müsse (S. 2 Mitte des Anhörungsschreibens) und dass er im eigenen Interesse mitteilen solle, falls er keine gewerbliche Tätigkeit als Einzelgewerbetreibender mehr ausübe (letzter Absatz vor der Schlussgrußformel).
1.3. Der Kläger bemängelt innerhalb des Abschnitts, der sich mit dem Berufungszulassungsgrund der Divergenz befassen soll, die Beklagte habe in Wirklichkeit gewollt, dass der Kläger nicht mehr als Geschäftsführer für die Firma J tätig sei. Pflichtverstöße aus dieser Tätigkeit seien aber weder vorgetragen noch belegt. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dieser Tatsache nicht auseinandergesetzt (Schriftsatz vom 12.8.2018 S. 7 Mitte). Darin mag – bei großzügigem Verständnis – sinngemäß die Rüge ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, einer unzureichenden Urteilsbegründung oder eines Verfahrensmangels liegen.
Auch damit kann der Kläger nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat sich in prozessual zulässiger Weise gemäß § 117 Abs. 5 VwGO der Begründung der Beklagten im angefochtenen Bescheid angeschlossen und nur ergänzende Ausführungen gemacht; einer ausdrücklichen Befassung mit allen entscheidungserheblichen Erwägungen bedurfte es in den Entscheidungsgründen nicht. Davon abgesehen ist die Rechtmäßigkeit einer erweiterten Gewerbeuntersagung nicht davon abhängig, dass der Gewerbetreibende auch in den von dieser erweiterten Untersagung betroffenen Betätigungen Pflichtverstöße begangen hat. Vielmehr können Unzuverlässigkeitsgründe von solcher Art sein, dass sie sich gewerbeübergreifend praktisch auf alle Gewerbebetätigungen auswirken; bei ungeordneten Vermögensverhältnissen und wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ist dies häufig der Fall. Einen solchen Fall haben hier die Beklagte und – ihr folgend – das Verwaltungsgericht angenommen (vgl. UA S. 3 unten, S. 4 oben, S. 7 oben). Der Kläger setzt sich damit nicht auseinander.
2. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend (Schriftsatz vom 12.8.2018 Nr. 2).
2.1. Hierzu führt er an, die „angeblichen Steuerschulden“ des Klägers beruhten nur auf Schätzungsbescheiden, die vom Kläger abgegebenen Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 habe das Finanzamt (mit Schreiben vom 31.7.2017) dagegen nicht mehr akzeptiert. Außerdem verstoße es gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), wenn der Kläger seine jetzige Tätigkeit als Geschäftsführer aufgeben müsse und seine Existenzgrundlage verliere, weil das Finanzamt ohne Not die Änderung der Schätzungsbescheide ablehne und somit einen unrichtigen Sachverhalt zur Grundlage der Gewerbeuntersagung mache. Auch mit diesen Umständen setze sich das angegriffene Urteil nicht auseinander (Schriftsatz vom 12.8.2018 Nr. 2).
Auch dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe und wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof gerade in dem die Beschwerde des Klägers zurückweisenden Beschluss vom 13. Juni 2017 – 22 C 16.2481 – (Rn. 10) ausgeführt, dass es sich bei Steuerschulden aufgrund überhöhter Schätzungen keineswegs um – wie der Kläger womöglich meint – eine Art „Missverständnis“ hinsichtlich der wirklichen Höhe der Steuerschuld handelt, das ohne Weiteres im Nachhinein und gewissermaßen „mit heilender Wirkung“ auf die prognostizierte gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ausgeräumt werden könnte. Vielmehr sind Steuerschulden, die „nur“ auf Schätzbescheiden beruhen, ebenso verbindlich und vom Steuerpflichtigen zu bezahlen wie solche Steuerschulden, die auf einer Steuererklärung oder auf einer amtlichen Ermittlung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen beruhen.
2.2. Der Einwand des Klägers, die erweiterte Gewerbeuntersagung verletze das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, verfängt gleichfalls nicht. Zum einen hindert der angegriffene Bescheid den Kläger nicht an der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Zum andern ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erforderliche gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit dann gegeben ist und der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang steht, wenn die aufgrund von erheblichen Steuerrückständen anzunehmende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit den Betroffenen für die Ausübung aller Gewerbe als unzuverlässig erscheinen lässt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.8.2014 – 22 B 14.880 – juris Rn. 27; BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1.93 – GewArch 1993, 155 m.w.N.; BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 22 B 09.2785 – juris Rn. 15).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung unter Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie von der Vorinstanz) festgesetzt.


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