Steuerrecht

Umsatzsteuer: Recht auf Vorsteuerabzug

Aktenzeichen  2 K 1119/18

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UStB – 2020, 242
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 173 Abs. 2 S. 1
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Steuerfestsetzung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Das Finanzamt durfte die ursprüngliche Steuerfestsetzung ändern und lehnte dabei den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen von A zu Recht ab.
A.
Das Finanzamt durfte die durch die Steuererklärung bewirkte Steuerfestsetzung ändern. Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgehoben oder geändert werden. Die Umsatzsteuersonderprüfung hemmte den Ablauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Der Kläger kann sich gegen die Änderung auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.
1. Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, können nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO auch bei Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Darauf kann sich der Kläger aber nicht berufen, weil gerade die angefochtene Steuerfestsetzung, nicht aber die ursprüngliche Steuerfestsetzung auf einer Außenprüfung beruht.
2. Der Kläger kann auch keinen Vertrauensschutz nach unionsrechtlichen Grundsätzen beanspruchen.
a) Danach darf zwar ein Mitgliedstaat, der die vom Verkäufer eines Gegenstands als Nachweise für den Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorgelegten Unterlagen zunächst akzeptiert hat, diesen Verkäufer später wegen eines vom Erwerber begangenen Steuerbetrugs, von dem der Verkäufer weder Kenntnis hatte noch haben konnte, nicht zur Zahlung der auf diese Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer verpflichten (EuGH-Urteil vom 14.06.2017 C-26/16 Santogal, HFR 2017, 780, Rz. 75). Der EuGH entschied dies zu einem Sachverhalt, in dem die portugiesischen Finanzbehörden aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine Zollanmeldung für ungültig erklärten (EuGH-Urteil Santogal in HFR 2017, 780, Rz. 17 und 25 am Ende).
b) Der Sachverhalt im Streitfall ist damit nicht vergleichbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vorstehenden Grundsätze überhaupt auf den Vorsteuerabzug übertragbar sind, weil die Finanzbehörden die vom Kläger vorgelegten Unterlagen jedenfalls nicht im vorgenannten Sinne akzeptierten. Die Ungültigerklärung einer Zollanmeldung, wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall, ist eine auf Außenwirkung gerichtete Einzelfallregelung, die nach nationalem Recht ein Verwaltungsakt (§ 118 AO) wäre. Im Streitfall trafen die Finanzbehörden keine solche Regelung über den Vorsteuerabzug, erließen insbesondere keinen Steuerbescheid, in dem sie den Vorsteuerabzug bestätigten. Die Mitteilung der Umsatzsteuersonderprüferin an eine andere Finanzamtsmitarbeiterin, auf die sich der Kläger beruft, diente lediglich der internen Information und war nicht auf Rechtswirkung nach außen gerichtet. Zudem gab sie erkennbar lediglich einen Zwischenstand wieder, stand also unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse.
B.
Das Finanzamt ging zurecht davon aus, dass der Kläger aus den Rechnungen von A keine Vorsteuer abziehen kann, weil den Rechnungen keine Lieferungen zugrunde liegen.
1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 168 Buchst.a und Art. 14 MwStSystRL. Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige nach Art. 168 Buchst. a MwStSystRL berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, abzuziehen. Als Lieferung von Gegenständen gilt nach Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
2. Lieferung ist jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass es dabei auf eine Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen ankommt. Hiervon ist bei der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag auszugehen, die allerdings häufig mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden ist (BFH-Urteil vom 06.04.2016 V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl. II 2017, 188, Rz. 18). Eine Beschränkung der mit dem zivilrechtlichen Eigentum verbundenen Verfügungsmacht kann sich auch aus schuldrechtlichen Vereinbarungen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 23.07.2009 V R 27/07, BFHE 226, 421, BStBl. II 2010, 859, unter II.1.c.). Ein Zwischenerwerber kann die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem nachfolgenden Erwerber nur übertragen, wenn er sie zuvor vom vorhergehenden Verkäufer erhalten hat (EuGH-Urteil vom 16.12.2010 C-430/09 Euro Tyre Holding, HFR 2011, 228, Rz. 31).Das Recht auf Vorsteuerabzug erstreckt sich nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deswegen geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist. Liegt kein steuerbarer Umsatz vor, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug. Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, ist insofern ohne Bedeutung. Wer einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, muss nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt (EuGH-Urteil vom 27.06.2018 C-459/17 und C-460/17 SGI und Valeriane, HFR 2018, 679, Rz. 37 ff.; BFH-Urteil vom 10.07.2019 XI R 28/18, zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen, Rz. 37).
3. Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger aus den Rechnungen von A keine Vorsteuer abziehen. Der Senat ist davon überzeugt, dass B die Fahrzeuge tatsächlich von dem letzten inländischen Verkäufer in der Lieferkette ohne Beteiligung des Klägers erwarb und von der Abholung dort bis zur Überführung nach Italien durchgängig die Verfügungsmacht innehatte. Jedenfalls verschaffte A dem Kläger keine Verfügungsmacht, die der Kläger seinerseits B verschaffen hätte können.
a) Für den Senat steht fest, dass B die Fahrzeuge tatsächlich von dem letzten inländischen Verkäufer in der Lieferkette ohne Beteiligung des Klägers erwarb, um sie in Italien weiter zu veräußern, und die belegmäßig dokumentierte Lieferkette unter Beteiligung des Klägers allein dem Zweck diente, über das (vermeintliche) Einzelunternehmen der Frau C Umsatzsteuer ausweisen und vereinnahmen zu können, ohne sie anzumelden und abzuführen.
aa) Das Einzelunternehmen der Frau C existierte, wie sich aus ihren Steuerakten ergibt, nur noch auf dem Papier. Spätestens seit der Auswechslung der Türschlösser durch den Vermieter konnten sie und Herr E ihre früheren Geschäftsräume nicht mehr nutzen. Die Rückläufer an das Finanzamt belegen, dass diese Geschäftsräume zu der Zeit, als die streitgegenständlichen Vorgänge stattfanden, nicht einmal mehr eine „Briefkastenanschrift“ waren. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht ersichtlich, wie die Fahrzeuge von dem (vermeintlichen) Einzelunternehmen anders zu A gelangen konnten als wenn sie zuvor im Namen von B erworben und anschließend verwendet wurden, um belegmäßig eine zweite Lieferkette dokumentieren zu können, in deren Rahmen das Einzelunternehmen Umsatzsteuer auswies und vereinnahmte, ohne sie anzumelden und abzuführen (sog. „Missing Trader“).
Dem steht nicht entgegen, dass Herr D gegenüber der Steuerfahndung angab, einmal zusammen mit Herrn E die Räume des Einzelunternehmens besucht zu haben (Leitzordner F Bustra R, Register Zeugen VN D). Herr D ordnete diesen Besuch zeitlich nicht näher ein, stand aber nach seiner Aussage mit Herrn E seit Ende 2010 in Kontakt. Aus den Umsatzsteuerakten von A ergibt sich, dass A schon im Februar 2011 mehrere Fahrzeuge von dem Einzelunternehmen kaufte. Der Besuch von Herrn D dürfte daher noch vor der Auswechslung der Türschlösser stattgefunden haben.
bb) Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, weshalb Frau C, sofern sie lediglich Fahrzeuge von ihrem Einzelunternehmen an die von ihr vertretene B liefern wollte, gleich zwei fremde Unternehmen zwischenschalten sollte, da davon auszugehen war, dass jeder Zwischenhändler die Marge ihres Einzelunternehmens und/oder der B Auto verminderte. Die Einschaltung von gleich zwei Zwischenhändlern (sog. „Buffer“) ist insofern am ehesten damit zu erklären, dass dadurch die tatsächlichen Hintergründe der Geschäfte verschleiert werden sollten.
cc) Dieses „Geschäftsmodell“ von C und B ist für sich genommen – soweit ersichtlich – auch zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2015 XI R 15/14, BFHE 249, 343, Rz. 84 f.). Es war jedenfalls schon Gegenstand des Hinweisschreibens des Berichterstatters vom 21.04.2020 und der Kläger erhob gegen die damals vorläufige Beurteilung weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung substantiierte Einwendungen.
b) In tatsächlicher Hinsicht war die Verfügungsmöglichkeit des Klägers durch die Gegenwart des Herrn E beschränkt. Nach der Überzeugung des Senats war Herr E, solange sich die Fahrzeuge beim Kläger befanden, durchgängig anwesend und hätte eine Veräußerung an Dritte verhindern können. Insofern kommt es nicht mehr darauf an, ob und gegebenenfalls wie und wann der Kläger zivilrechtliches Eigentum an den Fahrzeugen erwarb (§§ 929 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB).
aa) Die Anwesenheit des Herrn E ergibt sich für den Senat insbesondere aus der Aussage des Herrn D bei der Steuerfahndung (Leitzordner F Bustra R, Register Zeugen VN D). Herr D gab dort an: „Ich bin immer mit Herrn E zu Herrn F gefahren. Die Zahlung durch Herrn F ist auf der Rechnung vermerkt. Die Autos wurden dann von Herrn E nach Italien gefahren.“ Hätte es auch nur in einzelnen Fällen Abweichungen gegeben, hätte Herr D schwerlich die eindeutige Angabe „immer“ verwendet. Er sagte noch im November 2011 aus, also nur kurz nach den streitgegenständlichen Geschäften, so dass die Erinnerung noch frisch und nicht durch Zeitablauf getrübt war. Zwar konnte sich der Senat keinen persönlichen Eindruck von Herrn D verschaffen. Auch war der Kläger bei der Vernehmung weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten zugegen und konnte daher weder den Angaben des Herrn D entgegentreten noch selbst Fragen an Herrn D richten. Beides schränkt den Beweiswert der Aussage ein. Die Aussage erscheint deswegen aber nicht unglaubhaft oder unglaubwürdig.
Darüber hinaus räumte zudem zunächst auch der Kläger selbst die gemeinsame Anwesenheit von E und D ein und erklärte, warum er sie für unproblematisch hielt, so auf S. 6 seines an das Finanzamt gerichteten Schreibens vom 10.08.2017, mit dem er seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begründete, und wortlautgleich auf S. 3 seiner Klagebegründung vom 30.08.2018. Erst in der mündlichen Verhandlung rückte er davon ab, möglicherweise vor dem Hintergrund des Hinweises des Berichterstatters vom 21.04.2020. Das Finanzamt stellte schon in der Einspruchsentscheidung maßgeblich auf die gleichzeitige Anwesenheit der Herren D und E ab. Wenn sie tatsächlich nicht gleichzeitig anwesend waren, hätte es daher nahe gelegen, dies spätestens in der Klagebegründung deutlich zu machen, anstatt lediglich zu erklären, weshalb die gemeinsame Anwesenheit unproblematisch sein sollte.
Die Angaben in den Schaubildern, wonach der „Lieferweg“ vom Kläger zu B bis zu vier Tage nach dem „Lieferweg“ von A zum Kläger zurückgelegt wurde, stehen dem nicht entgegen. Die Schaubilder wurden offenbar von der Steuerfahndung erstellt und geben die belegmäßig dokumentierten Sachverhalte wieder, die von den tatsächlichen Sachverhalten abweichen können. Gerade die Daten zu den „Lieferwegen“ wurden zudem scheinbar lediglich aus den anderen Daten, insbesondere den Daten von Rechnungen und Belegnachweisen, abgeleitet und sind teilweise widersprüchlich.
bb) Herr E hätte einem Verkauf der Fahrzeuge an Dritte widersprochen. Dies folgt aus der Funktion der belegmäßig dokumentierten Lieferkette von C über A und den Kläger an B (siehe schon unter a.). Eine Veräußerung an Dritte hätte nicht nur die Verwertung von Substanz, Wert und Ertrag des jeweiligen Fahrzeugs durch B in Italien ausgeschlossen, sondern auch das „Geschäftsmodell“ als solches in Frage gestellt, wenn bekannt geworden wäre, dass B entgegen den Erklärungen gegenüber den letzten inländischen Veräußerern in der anderen Lieferkette die Fahrzeuge nicht unmittelbar in das Ausland verbrachte.
cc) Herr E hätte eine Übergabe von Fahrzeugschlüsseln und Papieren an Dritte nach Überzeugung des Senats tatsächlich verhindert. Schon ein Protest hätte in der wirtschaftlichen Realität (vgl. BFH-Urteile vom 06.04.2016 XI R 20/14, BFHE 254, 152, Rz. 46; vom 05.12.2018 XI R 44/14, BFHE 263, 359, Rz. 33) regelmäßig dazu geführt, dass Dritte vorsichtshalber von einem Erwerb des Fahrzeugs Abstand genommen hätten. Herr E hätte – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit Herrn D – eine solche Übergabe sogar physisch verhindert.
c) Unabhängig von der tatsächlichen Beschränkung war die Verfügungsmacht des Klägers schon aus rechtlichen Gründen so beschränkt, dass Substanz, Wert und Ertrag nicht mit dem zivilrechtlichen Eigentum auf ihn übergingen. Diese rechtlichen Gründe ergeben sich aus den Vereinbarungen des Klägers mit A (Herrn D) und B. Nach den vorstehenden (unter 2.) Grundsätzen waren insofern schuldrechtliche Vereinbarungen ausreichend. Auch deswegen kommt es auf das zivilrechtliche Eigentum im Ergebnis nicht mehr an.
aa) Allen Kaufverträgen zwischen dem Kläger und A lag nach Art einer Rahmenvereinbarung die Übereinkunft zugrunde, dass der Kläger in den Geschäften mit A und B die Funktion eines Zwischenfinanzierers haben sollte. Dies erklärte der Kläger selbst zuletzt in der mündlichen Verhandlung. Es entspricht auch den Angaben des Herrn D. Wirtschaftlich sollten demnach Substanz, Wert und Ertrag der Fahrzeuge zu zwischen A und B vereinbarten Bedingungen von A an B übertragen werden und der Kläger lediglich eine vorab bestimmte Provision erhalten. A durfte die Erklärung des Klägers, Zwischenfinanzierer sein zu wollen, nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) so verstehen, dass der Kläger sich damit zugleich verpflichtete, über die Fahrzeuge nicht in einer Weise zu verfügen, die den von A und B verfolgten wirtschaftlichen Zweck gefährdete, und sie erst dann auf eigene Rechnung zu verwerten, wenn sich abzeichnete, dass dieser Zweck nicht mehr erreicht werden konnte, insbesondere weil B die Fahrzeuge nicht zu den vereinbarten Bedingungen kaufte. Dazu kam es aber im Streitfall gerade nicht. Substanz, Wert und Ertrag der Fahrzeuge wurden weder vom Kläger selbst noch von A zugunsten des Klägers, sondern von B auf eigene Rechnung verwertet.
bb) Indem der Kläger schon vor Abschluss der Kaufverträge mit A Anzahlungen von B forderte, verpflichtete er sich zusätzlich gegenüber B in korrespondierender Weise, die Fahrzeuge zu „reservieren“. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Kaufverträge zwischen dem Kläger und A schon für sich genommen Schutzwirkung zugunsten von B entfalteten oder gar als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) so zu verstehen waren, dass B bereits mit dem Ankauf durch den Kläger einen Anspruch erwarb, dass der Kläger die Fahrzeuge an B weiterverkaufte.
d) Auch die Regelungen über Kommissionsgeschäfte (§ 3 Abs. 3 UStG, Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL) und Reihengeschäfte (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung) führen nicht dazu, dass trotz der Verfügungsbeschränkungen von Lieferungen von A an den Kläger auszugehen wäre.
aa) Der Kläger war weder im Verhältnis zu A noch im Verhältnis zu B Kommissionär (§ 3 Abs. 3 UStG, § 383 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB). Zwar führten die vom Kläger abgeschlossenen Kaufverträge dazu, dass ihm – insoweit ähnlich einem Kommissionär – im Ergebnis nur eine Provision verblieb. A und B standen aber in unmittelbarem Kontakt und vereinbarten die wesentlichen Vertragsinhalte untereinander, der Kläger erbrachte wirtschaftlich keine Geschäftsbesorgung (vgl. § 384 Abs. 2 Halbs. 2 HGB), sondern lediglich eine Finanzierungsleistung. Dass der Kläger selbst im Schriftsatz vom 07.12.2018 im Zusammenhang mit der Übergabe der Fahrzeuge bei ihm von „Abholterminen“ spricht, belegt, dass auch aus seiner Sicht A ihn erst dann einschaltete, wenn sie sich mit B über ein bestimmtes Geschäft einig war und die Termine beim Kläger nur dem Vollzug dieses Geschäfts dienten.
bb) Reihengeschäfte (§ Abs. 6 Satz 5 UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung) lagen bei den streitgegenständlichen An- und Verkäufen schon deswegen nicht vor, weil die Fahrzeuge gerade nicht unmittelbar von A zu B gelangten, sondern dazwischen zum Kläger gebracht wurden. Allgemein ergibt sich aus den Regelungen über Reihengeschäfte zwar, dass mehrere Lieferungen auch dann vorliegen können, wenn die Leistungskette bis zum letzten Abnehmer schon bei der ersten Veräußerung bekannt ist und der erste Veräußerer den Gegenstand selbst bis zum letzten Abnehmer befördert. Das bedeutet aber nicht, dass mehrere Lieferungen auch dann anzunehmen sind, wenn – wie im Streitfall – die Zwischenhändler weitergehenden Verfügungsbeschränkungen unterliegen und der erste Veräußerer die Leistungskette nicht nur kennt, sondern organisiert und steuert, um die Verwertung von Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes ausschließlich dem letzten Erwerber zu ermöglichen.
e) Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Bedeutung der Kurzzeitkennzeichen kommt es nach alledem nicht mehr an. Da schon kein Recht auf Vorsteuerabzug entstand, kann auch dahingestellt bleiben, ob dieses Recht (auch) deswegen zu versagen ist, weil der Kläger von dem „Geschäftsmodell“ von B (siehe unter a.) und den Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) der Frau C durch die pflichtwidrige Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärung wusste oder wissen musste (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.2016 V R 62/14, BFHE 253, 283, BStBl. II 2016, 589, Rz. 20).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.


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