Steuerrecht

Unverhältnismäßigkeit einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung

Aktenzeichen  AN 9 K 18.00612

Datum:
16.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1083
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BodSchG § 4 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Mittellosigkeit führt nur zur subjektiven Unmöglichkeit der Ausführung einer bodenschutzrechtlichen Anordnung, was der rechtlichen Inanspruchnahme als Störer nicht entgegensteht, sondern nur im Wege der Zwangsvollstreckung bedeutsam wird. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer durch sicherheitsrechtliche Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten zugemutet werden darf, ist der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung im Verhältnis zum finanziellen Aufwand der anfallenden Verpflichtungen heranzuziehen. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine den Verkehrswert des Grundstücks überschreitende Belastung kann dann zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat, etwa das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben und sich deshalb bewusst einem solchen Risiko ausgesetzt hat. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
4 Grundpfandrechte und andere dingliche Belastungen mindern den Verkehrswert eines Grundstücks im Umfang ihrer Valutierung jedenfalls dann, wenn sie nicht zugunsten des Eigentümers eingetragen sind. (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamtes … vom … in der Fassung des Änderungsbescheids vom … wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid des Landratsamtes …vom 21. Mai 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zwischen den Parteien ist nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2019 unstreitig, dass die im angefochtenen Bescheid in der Fassung des Änderungsbescheids unter Ziffer 1 angeordneten Sanierungs- bzw. Gefahrenabschätzungsmaßnahmen sachlich gerechtfertigt sind und den gesetzlichen Anforderungen genügen, insbesondere nachdem mit dem Änderungsbescheid vom 17. März 2015 ein Sanierungsziel bestimmt und die Anordnungen konkretisiert sowie die Begründung des Ausgangsbescheids vom 21. Mai 2012 ergänzt wurden. Auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen an sich kam es vorliegend auch nicht an, da die Inanspruchnahme des Klägers als Verpflichteter im angefochtenen Bescheid unverhältnismäßig und damit rechtswidrig ist.
Nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) können zwar neben dem Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger auch der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet sein, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, entsprechendes gilt für Maßnahmen zur Gefahrenerkundung oder -abschätzung nach § 9 BBodSchG oder sonstige Anordnungen nach § 10 BBodSchG. Dabei ist die Möglichkeit der Haftung des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer an sich nicht verfassungswidrig, es besteht auch kein genereller Vorrang der Haftung eines eventuellen Handlungsstörers vor dem Zustandsstörer (BVerfGE 102, 1, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u.a., juris). Im vorliegenden Verfahren ist die Behörde wohl zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Handlungsstörer nicht ermitteln lässt, da verschiedene Verursacher für die auf dem Grundstück unstreitig vorhandenen Altlasten in Frage kommen und die Verursachung keinem der früheren Eigentümer mit hinreichender Sicherheit zugeordnet werden konnte. Die Heranziehung des Klägers als Eigentümer des gegenständlichen Grundstücks seit der Eintragung ins Grundbuch am 22. März 2000 ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Kläger nach den vorgelegten Unterlagen sowohl zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im März 2015 als auch heute noch nach seinem eigenen Vortrag praktisch mittellos ist, weil dies nur zur subjektiven Unmöglichkeit der Ausführung der Anordnungen führen würde, dies aber der rechtlichen Inanspruchnahme des Klägers als Störer nicht entgegensteht, sondern nur im Wege der Zwangsvollstreckung bedeutsam wird (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2011 – 22 ZB 10.2874 – juris).
Allerdings ist die Heranziehung des Klägers als Zustandsstörer im angefochtenen Bescheid deshalb rechtswidrig, weil seine Heranziehung als Verpflichteter beim Erlass des Bescheids in der Fassung des Änderungsbescheids den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ihm gegenüber verletzt und deshalb ihm unzumutbar ist.
Ausgangspunkt für den Umfang der Haftung des Zustandsstörers ist dabei nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) die gerechte Abwägung zwischen der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 1 GG mit seiner Sozialpflichtigkeit entsprechend Art. 14 Abs. 2 GG, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer durch sicherheitsrechtliche Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten zugemutet werden darf, ist demgemäß der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung im Verhältnis zum finanziellen Aufwand der anfallenden Verpflichtungen heranzuziehen. Denn, wenn die Kosten den Verkehrswert des Grundstücks überschreiten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks, er kann nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten (BVerfG a.a.O., juris Rn. 54 bis 56). Dabei kann eine den Verkehrswert überschreitende Belastung dann zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat, etwa das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat und sich deshalb bewusst einem solchen Risiko ausgesetzt hat (BVerfG a.a.O., juris Rn. 59). Aber auch wenn und soweit Risikoumstände beim Erwerb eines Grundstücks zwar erkennbar waren, der Eigentümer aber in fahrlässiger Weise die Augen davor geschlossen hatte, kann dies dazu führen, dass eine Kostenbelastung über die Höhe des Verkehrswerts hinaus zumutbar ist, wobei für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Grad der Fahrlässigkeit erheblich sein kann und ebenso wie die Frage, ob der Eigentümer Vorteile aus dem Risiko etwa durch einen reduzierten Kaufpreis erzielt hat (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 60).
Hier ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil die in diesem Bescheid angesetzte Belastungsgrenze für die Inanspruchnahme des Klägers zu hoch angesetzt wurde (1), nicht erkennbar ist, dass der Kläger Kenntnis vom an dem Grundstück bestehenden Schadensrisiko in Gestalt vorhandener Altlasten hatte (2) und auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass er in fahrlässiger Weise die Augen vor bei Erwerb des Grundstücks erkennbaren Risikoumständen in derartiger Weise verschlossen hätte, dass eine Haftung über die Höhe des Verkehrswerts hinaus zumutbar gewesen wäre (3).
1. Die Behörde hat im hier angefochtenen Bescheid die Belastungsgrenze für den Kläger auf die Höhe des von ihr angenommenen Verkehrswerts in Höhe von 183.000,00 EUR festgesetzt. Dabei wurde das Verkehrs-/Marktwertgutachten des Gutachterausschusses im Landkreis … vom 16. Februar 2012 als Grundlage für die Wertermittlung herangezogen. Dieses Gutachten setzt den Verkehrs-/Marktwert des Grundstücks gemäß den Ausführungen in der Präambel in einem schadstofffreien Zustand von Grundstück und Gebäudeteilen fest, wobei gemäß 2.8 des Gutachtens der Verkehrswert gemäß dem Ertragswert ermittelt wird, da es sich bei dem Grundstück um ein Ertragswertobjekt handele. Im Übrigen weichen der ermittelte Sachwert wie der Liquidationswert nur geringfügig von dem Wert von 183.000,00 EUR ab.
Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Zugrundelegung eines vom Gutachterausschuss ermittelten Verkehrswerts des Grundstücks zur Ermittlung der Belastungsgrenze als Ausgangspunkt keinen rechtlichen Bedenken gegenübersteht. Auch ist hier kein individuelles Interesse des Klägers am Grundstück erkennbar, das dessen Verkehrswert möglicherweise überschreiten würde. Allerdings beziffert das Verkehrswertgutachten den Wert eines schadstofffreien Grundstücks, während hier davon auszugehen ist, insbesondere auch nach den Angaben des Vertreters des Wasserwirtschaftsamtes in der mündlichen Verhandlung, dass auch nach Abschluss der Sanierung eine signifikante Restbelastung mit Schadstoffen auf und im Grundstück verbleiben wird, welche auch tatsächlich geeignet ist, dessen Verkehrswert erheblich zu mindern und deshalb bei der Ermittlung des Verkehrswerts als fortbestehendes Investitionsrisiko wertmindernd berücksichtigt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2007 – 22 CS 06.2478 – juris, Rn. 9). Hier kann offenbleiben, in welchem Umfang ein Abzug vom Verkehrswert bei der Ermittlung der Belastungsgrenze aus diesem Grund durchzuführen wäre, da nach der genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch Grundpfandrechte und andere dingliche Belastungen den Verkehrswert jedenfalls dann mindern, wenn sie nicht zugunsten des Eigentümers eingetragen sind, und zwar im Umfang ihrer Valutierung (BayVGH a.a.O., juris Rn. 10). Hier sind vorliegend insbesondere Grundpfandrechte in Höhe von 355.000,00 DM (= 181.508,61 EUR) sowie eine Million DM (= 511.291,88 EUR) zugunsten der Sparkasse …im Grundbuch eingetragen, die nach der Auskunft der Sparkasse vom 4. Februar 2014, die der Behörde mit Schreiben vom 9. Februar 2014 vorgelegt worden war, in vollem Umfang valutiert waren, was nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides galt. Allein diese Grundpfandrechte verhindern eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks durch den Kläger im Fall seiner Heranziehung zur Tragung der im Bescheid festgesetzten Sanierungskosten, da sie den Verkehrswert des Grundstücks um ein Vielfaches übersteigen. Dass diese Grundschulden zu einem Zeitpunkt eingetragen bzw. die zugrundeliegende Forderung zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als die Schadstoffbelastung des Grundstücks dem Kläger bereits bekannt war, steht nach Auffassung der Kammer der Berücksichtigung dieser Belastungen des Grundstücks bei der Bestimmung der Belastungsgrenze nicht entgegen, da keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Kläger diese Grundpfandrechte etwa deshalb bewilligt hätte, um sein Haftungsrisiko auszuschließen oder zu minimieren. Vielmehr erscheinen die Angaben des Klägers, die entsprechenden Grundpfandrechte seien auf jeweilige Anforderung der Gläubigerbanken bewilligt und eingetragen worden, als nachvollziehbar ebenso wie die Angabe des Klägers, er sei wegen der finanziellen Schwierigkeiten seiner Firma von den Banken zu einer Bürgschaftsübernahme verpflichtet und aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Ob dieser Sachverhalt anders zu bewerten wäre, wenn der Kläger das Grundstück belastet und den Gegenwert der mit der Belastung gesicherten Forderung noch in seinem Vermögen vorhanden wäre, kann hier offenbleiben, da der Kläger ersichtlich über keinerlei Vermögen verfügt.
Im Übrigen sind im Grundbuch auch mehrere Sicherungshypotheken zulasten des gegenständlichen Grundstücks eingetragen, von denen allein die am 29. Januar 2008 zugunsten des Freistaates Bayern eingetragene Zwangssicherungshypothek einen Umfang von 617.778,64 EUR besitzt und damit ebenfalls um ein Vielfaches den Grundstückswert übersteigt. Im Hinblick auf diese Zwangssicherungshypothek, die auf Grund von rechtskräftigen Urteilen und Beschlüssen des Landgerichts … eingetragen wurde, kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, dass er durch eine Belastung des Grundstücks die Haftungsgrenze zu seinen Gunsten beeinflussen wollte.
Hinzu kommt, dass das Grundstück auch mit einem am 20. November 2001 eingetragenen Bodenschutzvermerk als öffentlicher Last belastet ist, wodurch der Wertzuwachs, der dem Kläger bzw. faktisch seinen Gläubigern am Grundstück infolge der vom Freistaat Bayern, dem Landkreis … oder der GAB finanzierten Sanierung zuwachsen könnte, abgeschöpft werden kann.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass bei der Ermittlung der Belastungsgrenze, wie auch von der Behörde vorgenommen, die bisherigen tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zur Schadenserkundung und Schadensbeseitigung am gegenständlichen Grundstück zu berücksichtigen sind. Diese betrugen nach den Ausführungen auf Seite 10 der Begründung des Bescheids vom 21. Mai 2012 zum damaligen Zeitpunkt ca. 67.000 EUR.
Damit geht die Kammer davon aus, dass der dem Kläger bei der Ermittlung der Belastungsgrenze zuzurechnende Verkehrswert des Grundstücks durch die auf dem Grundstück liegenden Belastungen in Verbindung mit den vom Kläger bisher aufgebrachten Eigenmitteln den nach Beendigung der Sanierung zu erwartenden Verkehrswert des Grundstücks aufzehren, so dass die auf den Verkehrswert begrenzte Belastungsgrenze des Klägers hier Null beträgt.
2. Eine Haftung des Klägers für die mit dem gegenständlichen Bescheid ausgelösten Kosten, im Bescheid mit voraussichtlich 56.000,00 EUR beziffert, ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger über den Verkehrswert des Grundstücks hinaus zu einer weiteren Haftung deshalb verpflichtet wäre, weil er das Grundstück in Kenntnis der Altlasten erworben und damit das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hätte. Ein Beleg für eine positive Kenntnis von der Kontamination des Grundstücks zum Zeitpunkt des Kaufs, die vom Kläger durchgehend verneint wurde und wird, findet sich nach Auffassung der Kammer in den Akten nicht. Soweit die Behörde darauf verweist, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags über das Grundstück die Tatsache, dass auf diesem Grundstück vorher eine chemische Reinigung betrieben worden war, bekannt war, führt dies nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass dem Kläger die Kontamination des Grundstücks an sich und insbesondere der Umfang der Kontamination, der sich, neben einem unsachgemäßen oder sorglosen Umgang mit den verwendeten Lösungsmitteln, insbesondere auch aus der kriminellen Entsorgung von Rückständen durch Vergraben auf dem Grundstück ergibt, bekannt gewesen wäre. Gegen eine positive Kenntnis des Klägers von einer Kontamination des Grundstücks spricht im Übrigen nach Auffassung der Kammer eindeutig die Tatsache, dass er für das Grundstück einen Kaufpreis vereinbart und gezahlt hat, der wohl dem damaligen Verkehrswert des Grundstücks entsprach und zudem den im Jahr 2012 ermittelten Verkehrswert eines schadstofffreien Grundstücks mit einem schadstofffreien Gebäude überstieg. Soweit der Kläger nach Abschluss des Kaufvertrags und nach Übergang von Nutzen und Lasten am Grundstück Untersuchungen in Auftrag gegeben hat, sei es aus eigenem Antrieb oder auf Betreiben der Behörde, so lässt sich auch daraus keine Kenntnis des Klägers von einer Kontamination und insbesondere von deren Umfang zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages herleiten. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus der enthaltenen Vereinbarung in § 15 des notariellen Kaufvertrags vom 28. September 1989. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass diese Regelung vorsorglich für den Fall eventueller Umweltschäden vereinbart wurde, was nach Auffassung des Gerichts im Übrigen eine im Geschäftsverkehr durchaus übliche Vereinbarung darstellt, und nicht einen Rückschluss auf positive Kenntnis des Klägers von tatsächlichen Umweltschäden zulässt.
3. Eine Haftung des Klägers für die mit dem angefochtenen Bescheid ihm auferlegten Kosten ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht daraus, dass er zwar nicht positive Kenntnis zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gehabt hatte, aber in fahrlässiger Weise die Augen vor den erkennbaren Risikoumständen beim Erwerb des Grundstücks verschlossen hatte. Insofern kann zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, denn die Tatsache der Vornutzung eines Grundstücks als chemische Reinigung hatte wohl auch im Jahr 1989 nicht bedeutet, dass zwangsläufig und in jedem Fall auf dem entsprechenden Grundstück Umweltschäden in relevantem Umfang vorhanden sein müssen. Insbesondere aber hat der Kläger nach Auffassung der Kammer, die seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung folgt, die Regelung in § 15 des notariellen Kaufvertrags gerade deshalb geschlossen, um nicht ein mögliches Risiko zu übernehmen, sondern um dieses Risiko beim Verkäufer zu belassen. Insofern kann dem Kläger nach Auffassung des Gerichts gerade nicht vorgeworfen werden, dass er in fahrlässiger Weise die Augen vor einem erkennbaren Risiko geschlossen hätte, sondern der Kläger hat in nachvollziehbarer und wirtschaftlich vernünftiger Weise versucht, die Haftung für ein mögliches Risiko beim Verkäufer zu belassen und dieses nicht selbst zu übernehmen. Hinzu kommt, wie oben ausgeführt, dass selbst wenn von einem gewissen Risiko der Verschmutzung eines Grundstücks durch den Umfang mit Lösungsmitteln beim Betrieb einer chemischen Reinigung auszugehen wäre, wohl niemand damit rechnen musste, dass einer oder mehrere frühere Betreiber dieser Reinigung in krimineller Weise Schadstoffe in großem Umfang auf dem Grundstück vergraben hatten.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die zuständigen Behörden, das Wasserwirtschaftsamt … und das Landratsamt …, bereits im Oktober/November 1988 Kenntnis von schadensträchtigem Verhalten auf dem Grundstück durch die damalige Eigentümerin und Betreiberin der chemischen Reinigung, …, erhielten, aber außer drei Schreiben im Laufe des Jahres 1989 an die Eigentümerin, mit der diese zu Untersuchungen aufgefordert und zur Beseitigung von Mängeln bei der Verwendung der Lösungsmittel aufgefordert wurde, keinerlei Maßnahmen zur Schadensermittlung oder Sanierung ergriffen haben. Wenn die Behörden zeitnah nach Erkennen des Schadensrisikos im Oktober oder November 1988 effektive Maßnahmen zur Schadensermittlung durchgesetzt hätten, wäre die Kontamination des Grundstücks aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Erwerb des Grundstücks durch den Kläger aufgedeckt worden. Auch nach Abschluss des Kaufvertrags und erst als … bereits insolvent geworden war, hat das Landratsamt erstmals mit Bescheid vom 13. Dezember 1990 Maßnahmen gegen die damalige Eigentümerin und frühere Betreiberin der chemischen Reinigung angeordnet. Verglichen mit dem Handeln der Behörden in den Jahren 1988, 1989 und 1990 erscheint es als unangemessen, vom Kläger zu verlangen, dass er vor Erwerb des Grundstücks effektive Erkundungsmaßnahmen hinsichtlich eventuell möglicher Schadstoffe auf dem Grundstück durchzuführen habe, zumal er vor dem Besitzübergang am 1. Oktober 1989 gar keinen Zugriff auf das Grundstück hatte.
Schließlich ist bei der Frage, ob der Kläger auch über den Verkehrswert des Grundstücks hinaus zu einer Haftung für die Schadensermittlung und Sanierung beim gegenständlichen Grundstück herangezogen werden kann, zu berücksichtigen, dass einerseits der Kläger zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im März 2015 auch für die Behörde erkennbar praktisch vermögens- und mittellos war, wobei gegen ihn Forderungen in Millionenhöhe sowie Pfändungen seiner Einnahmen seitens Banken und Behörden bestanden, während im Jahr 1997, als der Betrieb des Klägers noch nicht in Konkurs gefallen war, die Haftung des Klägers für die gesamte Sanierung des gegenständlichen Grundstücks auf einen Betrag von 150.000,00 DM begrenzt worden war. Zwar hat der Kläger in der Folge die aus dem Vertrag zwischen ihm und der GAB vom 3./7. September 1997 resultierenden Zahlungspflichten nur teilweise, nämlich in Höhe von 106.000,00 DM erfüllt, dies lag aber nicht an einer Zahlungsunwilligkeit des Klägers, sondern an der Tatsache, dass sein Betrieb in Konkurs fiel. Nach den vorliegenden Unterlagen, ebenso wie nach den Angaben des Klägers selbst und seines Prozessbevollmächtigten, verfügt der Kläger derzeit über keinerlei weiteres Vermögen, insbesondere kein Grundvermögen mit Ausnahme des gegenständlichen Grundstücks. Auch wenn dieses Grundstück mit Grundpfandrechten und weiteren Belastungen völlig überschuldet ist, stellte es doch – soweit ersichtlich – den einzigen Vermögensgegenstand dar, der sich noch im Eigentum des Klägers befindet, so dass weder ein Zugriff auf sonstiges Vermögen noch auf das gegenständliche Grundstück zur Durchsetzung des Zahlungsanspruchs aus dem gegenständlichen Bescheid möglich erscheint.
Deshalb war die Inanspruchnahme des Klägers als Zustandsstörer und die Haftung für die Kosten der mit dem gegenständlichen Bescheid angeordneten Maßnahmen unverhältnismäßig und ihm unzumutbar, also rechtswidrig.
Damit war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Höhe des wirtschaftlichen Interesses des Klägers am Ausgang des Rechtsstreits festgesetzt, das sich aus der in Ziffer 7 des angefochtenen Bescheids veranschlagten Kostenhöhe von 56.000,00 EUR für die Ersatzvornahme ergibt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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