Steuerrecht

Unzulässige Anfechtungsklage aufgrund verspäteter Widerspruchseinlegung

Aktenzeichen  AN 19 K 18.01608

Datum:
20.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12003
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 68 Abs. 1, § 70 Abs. 1
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Wahrung der Widerspruchsfrist ist grundsätzlich im gerichtlichen Verfahren eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insofern vorläufig vollstreckbar.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Kammer hat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. Mai 2020 auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin entscheidet aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
II. Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
1. Die Klägerin hat kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt, da der von ihr gegen die Bescheide vom 30. November 2017 erhobene Widerspruch am 27. Februar 2018 nicht fristgerecht war. Ein wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist unzulässiger Widerspruch bewirkt im Fall der späteren Klageerhebung auch deren Unzulässigkeit. Die Wahrung der Widerspruchsfrist ist grundsätzlich im gerichtlichen Verfahren eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11; BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1988 – 8 C 38.86).
Die Klägerin hat gegen die streitgegenständlichen Bescheide ein nach § 68 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO nur fakultatives Widerspruchsverfahren vor der Klageerhebung durchgeführt. Das Widerspruchsverfahren beginnt gemäß § 69 VwGO mit der Erhebung des Widerspruchs. Dieser muss nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, erhoben werden. Diese Monatsfrist ist vorliegend nicht gewahrt. Der Klägerin waren die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehenen Bescheide der Beklagten vom 30. November 2017 am 23. Dezember 2017 zugestellt worden. Damit begann die Widerspruchsfrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am 24. Dezember 2017 zu laufen und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 23. Januar 2018 und damit vor Erhebung des Widerspruchs am 27. Februar 2018.
Bei den Bescheiden handelt es sich nicht um rein wiederholende Verfügungen, wie die Klägerin meint, so dass die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels zur Fristwahrung nötig war. Ihr Vortrag, sie habe bereits gegen die identischen Bescheide Widerspruch eingelegt, über den nicht entschieden worden sei und sie daher davon ausgegangen sei, es handle sich um eine nochmalige Zustellung, ist so nicht richtig. Es liegen gerade keine identischen Bescheide vor, die lediglich eine wiederholende Verfügung darstellen.
Betreffend den Bescheid PK-Nr. … in Höhe von 5.567,00 Euro für das Grundstück … Straße …, liegt kein Widerspruch vor. Für dieses Grundstück ist erstmals am 30. Mai 2017 ein Bescheid ergangen, der jedoch am 27. November 2017 wieder aufgehoben wurde. Diese Bescheide, die eine andere PK-Nr tragen, ergingen gegenüber dem Insolvenzverwalter der … Wohnbaugesellschaft und nicht gegenüber der Klägerin. Der Bescheid vom 7. Juni 2016 an die … Wohnbaugesellschaft erging – wenn auch versehentlich – für das Grundstück … Str. … Gegen dessen Aufhebung hat die Klägerin einen bisher noch nicht verbeschiedenen Widerspruch eingelegt. Nicht jedoch für einen, der sich auf das streitgegenständliche Grundstück bezieht. Zudem handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid erstmals um einen Bescheid, der gegenüber der Klägerin eine Zahlungspflicht begründet. Die vorherigen Bescheide waren entweder an einen anderen Empfänger adressiert oder enthielten die Rücknahme einer – fremden – Zahlungsverpflichtung. Daher liegt auch hier kein identischer nochmaliger Bescheid bzw. eine wiederholende Verfügung vor.
Betreffend den Bescheid PK-Nr. … in Höhe von 14.761,55 Euro für das Grundstück … Straße …, liegt ebenfalls kein Widerspruch vor. Der ursprüngliche, mit einer anderen PK-Nr. versehene, Bescheid erging am 7. Juni 2016 gegenüber der … Wohnbaugesellschaft und wurde gegenüber dem Insolvenzverwalter der … Wohnbaugesellschaft mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 wieder aufgehoben. Dementsprechend lag auch hier im Zeitpunkt der Zustellung des gegenständlichen Bescheides am 23. Dezember 2017 kein Bescheid betreffend das Grundstück … Straße …, geschweige denn ein identischer nochmaliger Bescheid vor, zumal der streitgegenständliche Bescheid erstmals gegenüber der Klägerin selbst eine Zahlungspflicht enthält.
2. Der Klägerin war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 60 Abs. 1, 70 Abs. 2 VwGO zu gewähren. Danach ist einem Widerspruchsführer, der ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung glaubhaft zu machen und die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen, § 60 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwGO.
Die Klägerin hat die Tatsachen der Fristversäumnis bei Antragsstellung nicht glaubhaft gemacht, da sie lediglich ohne weitere Begründung nur „höchst vorsorglich“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, ohne darzulegen, weshalb es zum Versäumnis der Frist gekommen ist. Im Übrigen liegt in der Versäumnis der Widerspruchsfrist auch ein Verschulden der Klägerin. Ein Verschulden liegt vor, wenn der betreffende Antragsteller diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die von ihm unter den gegebenen Umständen zu erwarten und ihm auch zumutbar ist (Kopp/Schenke, § 60 Rn. 9). Hier hätte die Klägerin erkennen müssen, dass es sich um gänzlich neue Bescheide handelt, da sie eine andere PK-Nr tragen, die bisherigen sich auf die streitgegenständlichen Grundstücke beziehenden Bescheide zurückgenommen waren und diese eine Zahlungspflicht begründenden Bescheide erstmals an die Klägerin selbst adressiert waren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben