Steuerrecht

Widerruf der Gaststättenerlaubnis

Aktenzeichen  W 6 K 17.1115

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2, § 31
GewO § 35 I 1

 

Leitsatz

1. Unter einer Speiseeiswirtschaft ist eine Gaststätte zu verstehen, in der gewerbsmäßig vorwiegend Speiseeis verabreicht wird (wie BVerwG, NVwZ 1987, 1081). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Änderung des Gaststättengesetzes zum 1.7.2005 ist die Erlaubnispflicht für den Betrieb einer Speiseeiswirtschaft, welche die Herstellung und Abgabe von Speiseeis umfasst, nicht entfallen. (Rn. 20-21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen liegt die gewerberechtliche Zuverlässigkeit dann nicht vor, wenn der Gewerbetreibende nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes bietet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein beharrlicher Verstoß gegen sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen lässt auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen, da hierdurch der Versicherungsanspruch der Arbeitnehmer beeinträchtigt und das Vermögen des Trägers der Versicherung geschädigt wird. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat 4/5 der Kosten des Verfahrens zu tragen, der Beklagte 1/5.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist – soweit sie sich noch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung erledigt hat – unbegründet.
Gegenstand der Klage war nur noch die Regelung in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamts H. vom 24. August 2017 (Widerruf der Gaststättenerlaubnis), da die Vertreterin des Beklagten die Nrn. 2 (Schließung der Gaststätte) und 3 (Zwangsgeldandrohung) des Bescheides in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat und die Beteiligten das Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das Klageverfahren war diesbezüglich beendet und ist eingestellt, sodass hier nur noch eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 162 Abs. 2 VwGO zu treffen war (vgl. 2.).
1. Der in Nr. 1 des Bescheides geregelte Widerruf der Gaststättenerlaubnis (erlaubnispflichtiger Teil) erfolgte rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO), da das Landratsamt zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides, zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG fehlt. Auch der erlaubnisfreie Teil des Gaststättenbetriebs war von der Regelung in Nr. 1 des Bescheides umfasst (konkludente Untersagung der Ausübung des Gaststättenbetriebs gem. § 31 GastG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO).
1.1. Vorliegend war der Kläger aufgrund des Erlaubnisbescheids vom 28. August 1987 und des Erweiterungsbescheids vom 25. Mai 1994 Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speiseeiswirtschaft.
Unter einer Speiseeiswirtschaft ist eine Gaststätte zu verstehen, in der gewerbsmäßig vorwiegend Speiseeis verabreicht wird (BVerwG, B.v. 29.6.1987 – 1 B 63/87, NVwZ 1987, 1081). Dies geht aus den beiden eben genannten Erlaubnisbescheiden hervor, welche die Betriebsstätte als „Eisdiele L.“ benennen und als Betriebsraum den Eiszubereitungsraum, welcher das Kernstück einer jeden Eisdiele bildet, aufzählen. Dem steht nicht entgegen, dass in beiden Erlaubnisbescheiden festgesetzt wird, dass der Kläger zur Abgabe von Speisen nicht berechtigt ist. Da dies in den Bescheiden damit begründet wird, dass eine Betriebsküche nicht vorhanden ist, kann sich diese Regelung denknotwendig nur auf diejenigen Speisen beziehen, für deren Herstellung auch eine Küche erforderlich ist. Eine Eisdiele mit Speiseeis aus eigener Herstellung benötigt jedoch gerade keine Küche, dafür aber – als atypischer Fall – einen Eiszubereitungsraum. Denn die gewerbsmäßige Herstellung von Speiseeis setzt das Vorhandensein von speziellen Gerätschaften voraus und ist mit dem Umgang mit diversen Lebensmitteln (Milch, Sahne, Joghurt, Eier, Zucker, Obst etc.) verbunden, die beim Durchlaufen verschiedener Arbeitsprozesse (Masse erhitzen, abkühlen, anfrieren) verarbeitet werden. Der Vorgang der Eiszubereitung ist gerade nicht mit der typischen Abgabe zubereiteter Speisen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 GastG vergleichbar, da die Herstellung von Speiseeis mit einem deutlichen Mehraufwand an Arbeitsschritten und dem Vorhalten von besonderer Ausstattung verbunden ist. Demnach ist die Zubereitung und Abgabe von eigens hergestelltem Speiseeis ein Minus zum Betrieb einer Speisewirtschaft (in diesem Sinne VGH BW, U.v. 18.1.1993 – 14 S 2178/92 – juris Rn. 20, wonach der Inhaber einer Vollkonzession eine Speiseeiswirtschaft betreiben kann, indem er die Erlaubnis nicht voll ausnutzt). Demzufolge wurde in den Erlaubnissen stets auch der Eiszubereitungsraum als Bestandteil einer Eisdiele aufgeführt und war von der Erlaubnis mitumfasst.
Aufgrund der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2005 (G.v. 21.6.2005, BGBl I S. 1666) brauchen Gaststättenbetriebe, die keine alkoholischen, vielmehr nur noch alkoholfreie Getränke und zubereitete Speisen verabreichen, seit dem 1. Juli 2005 keine Gaststättenerlaubnis nach § 2 GastG mehr. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass mit der Gesetzesänderung im Jahre 2005 die bestehende Erlaubnis für den Betrieb der Speiseeiswirtschaft, welche die Herstellung und Abgabe von Speiseeis umfasst, entfallen wäre.
Der nach der Gesetzesänderung 2005 erlaubnisfreie Teil, welcher die Abgabe von nicht-alkoholischen Getränken betrifft, ist nach Angaben der Klägerseite als untergeordnet anzusehen. So führen die Klägerbevollmächtigten selbst in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2018 auf Seite 2 aus, dass der Betrieb des Klägers durch die Abgabe von Speiseeis geprägt ist. Selbiges wurde erneut in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
1.2. Der Kläger war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt unzuverlässig im Sinne von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG.
Nach § 15 Abs. 2 GastG ist die Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte (§ 2 GastG) zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen liegt die gewerberechtliche Zuverlässigkeit dann nicht vor, wenn der Gewerbetreibende nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes bietet. Zur ordnungsgemäßen Ausübung des Gewerbes gehören auch die mit der Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten sowie die Geordnetheit der Vermögensverhältnisse. Entscheidend ist hierbei, ob der Gewerbetreibende nach den gesamten Umständen, also dem Gesamtbild seines Verhaltens unter Würdigung aller mit seiner Person und seinem Betrieb zusammenhängenden Umständen – auch unter Berücksichtigung seines früheren Verhaltens – willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80, BVerwGE 65, 1). Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden voraus. Es müssen Tatsachen vorliegen, aus denen sich eine Prognose bezüglich des künftigen gewerberechtlichen Verhaltens des Gewerbetreibenden ableiten lässt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des behördlichen Bescheids. Tatsachen, die nach diesem maßgeblichen Zeitpunkt eintreten, haben bezüglich der gestellten Prognose allenfalls indizielle Bedeutung und sind grundsätzlich im Wiedererteilungsverfahren zu berücksichtigen. Bei der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit handelt es sich um einen un-bestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist.
Unter Zugrundelegung des rechtskräftigen Strafbefehls vom 24. Juli 2015 in Verbindung mit den weiteren Umständen des vorliegenden Falles, ist der Kläger aufgrund des beharrlichen Verstoßes gegen sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen unzuverlässig.
Ein beharrlicher Verstoß gegen sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen lässt nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen, da hierdurch der Versicherungsanspruch der Arbeitnehmer beeinträchtigt und das Vermögen des Trägers der Versicherung geschädigt wird (BVerwG in ständiger Rechtsprechung, Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 77. EL Okt. 2017, § 35 Rn. 55 m.w.N.). Der Kläger ist mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 24. Juli 2015 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden, der Entscheidung lag die Feststellung von 37 tatmehrheitlichen Fällen von Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten über den Zeitraum von April 2009 bis August 2013 bei mindestens vier Personen zugrunde. Wenn sich aus den strafgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ergeben, kann die Behörde diese heranziehen, was sich konkludent aus § 35 Abs. 3 GewO ergibt. Soweit die Klägerbevollmächtigten die Vergleichbarkeit eines Strafbefehls mit denen eines strafgerichtlichen Urteils anzweifeln, so ist auf § 410 StPO zu verweisen, wonach der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht. Soweit seitens der Klägerbevollmächtigten weiter angeführt wird, dass der Kläger entgegen der Feststellungen im Strafbefehl nicht vorsätzlich gehandelt habe, ist ergänzend anzumerken, dass die Frage von Verschulden im Rahmen der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit unerheblich ist.
Angesichts der vorliegend festgestellten Verletzung seiner sozialversicherungsrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten kann unter Berücksichtigung des Gesamtbildes eine positive Prognose im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Bescheiderlasses nicht gestellt werden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich die Einstellung des Klägers insoweit geändert hat, dass weitere Pflichtverletzungen in der Zukunft nicht zu erwarten sein dürften.
So fällt bereits der im rechtskräftigen Strafbefehl festgestellte Zeitraum von vier Jahren auf, was für eine diesbezüglich verfestigte Einstellung des Klägers und gegen das Vorliegen etwaiger punktueller Nachlässigkeiten spricht. Dieses Vorgehen betraf zudem nicht nur einen Einzelfall bzw. eine kurzfristige Aushilfskraft, sondern konnte hinsichtlich von mindestens vier Arbeitnehmern über den Zeitraum von vier Jahren nachgewiesen werden. Neben dem zeitlichen und personellen Umfang des festgestellten Verhaltens ist der hierdurch verursachte Schaden in Relation zum Umfang des klägerischen Betriebes, welcher von diesem selbst als Familienbetrieb beschrieben wird, erheblich. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf den im Strafbefehl zunächst auf 51.056,83 EUR geschätzten Schaden, sondern auch auf den später durch den Summenbeitragsbescheid auf 33.982,81 EUR (zzgl. Säumniszuschlägen) reduzierten Schaden. Da der Kläger seine Gaststätte bereits seit 1987 führt, ist davon auszugehen, dass ihm die Pflichten als Gaststätten- und Gewerbetreibender bekannt sind. Hier ist anzumerken, dass auch eine etwaige Überforderung oder Nachlässigkeit des Klägers – wie im gerichtlichen Verfahren angedeutet – ebenfalls nicht für seine Zuverlässigkeit sprechen können, da diese Frage gerade verschuldensunabhängig zu beantworten ist. Denn auch ein Gewerbetreibender, der durch fahrlässiges Verhalten in Unkenntnis seiner Verpflichtungen oder aus Überforderung in diesem Umfang gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten verstößt, ist unzuverlässig.
Schwer wiegt auch, dass obwohl bereits eine erste Zollkontrolle durch das Hauptzollamt Schweinfurt in der Eisdiele am 13. Mai 2012 stattgefunden und sich daraufhin bereits Ordnungswidrigkeitsverfahren bezüglich Meldeverstößen angeschlossen hatten, der Kläger dennoch bis zur Durchsuchung der Geschäftsräume und der Wohnung am 13. August 2013 nachweislich an seiner pflichtwidrigen Praxis der (Nicht-)Anmeldung seiner Arbeitskräfte weiter festgehalten hatte; dies streitet für einen beharrlichen Verstoß gegen sozialversicherungsrechtliche Vorschriften und damit gegen den Willen des Klägers, seine Einstellung diesbezüglich zu ändern. Ein Sinneswandel lässt sich auch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht erkennen, da ausweislich des Vorbringens des Klägers bzw. seiner Bevollmächtigten eine Tendenz zur Bagatellisierung der Taten des Klägers erkennbar war und nicht der Eindruck entstanden ist, dass der Kläger die Verantwortung für seine Handlungen übernimmt. Diese Tendenz setzte sich auch im gerichtlichen Verfahren fort.
Soweit klägerseits auf das anhängige sozialgerichtliche Verfahren verwiesen wird, ist festzuhalten, dass sich dieses nicht auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit auswirken kann, da dortiger Streitgegenstand der Summenbeitragsbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 15. Juli 2016 ist und es folglich um die tatsächliche Schadenshöhe geht, die der Kläger dem öffentlichen Träger nachzahlen muss, weil er die gesetzlich vorgeschriebenen Anteile nicht schon von Anfang an abgeführt hat; es ändert jedoch nichts an den begangenen Verfehlungen dem Grunde nach, die mit rechtskräftigem Strafbefehl feststehen. Auch der Hinweis, dass sich der Kläger spätestens seit August 2013 ordnungsgemäß verhalte, vermag an der Feststellung der Unzuverlässigkeit nichts zu ändern. Hier ist zu beachten, dass das hervorgehobene Wohlverhalten des Klägers während eines laufenden Strafverfahrens bzw. später, nach Rechtskraft des Strafbefehls am 8. Juni 2016, während der sich anschließenden dreijährigen Bewährungszeit stattgefunden hat und damit nur eingeschränkt gewertet werden kann.
1.3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 24. August 2017 wurde die Erlaubnis für den gaststättenrechtlichen Betrieb des Klägers widerrufen, soweit es die Abgabe von alkoholischen Getränken sowie von selbst hergestelltem Speiseeis betrifft. Der nicht erlaubnispflichtige Teil – die Abgabe nicht-alkoholischer Getränke – ist aufgrund seiner untergeordneten Bedeutung als konkludent von der Untersagung mit umfasst anzusehen (§ 31 GastG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO), da sowohl aus dem verfahrensgegenständlichen Bescheid selbst, als auch aus dem Vorbringen im Klageverfahren erkennbar wird, dass es dem Beklagten darauf ankam, den Betrieb des Klägers vollständig zu schließen.
Der Widerrufsbescheid nimmt in seinem Tenor (Nr. 1) auf die Erlaubnis vom 25. Mai 1994 Bezug, ohne allerdings auf die seit 1. Juli 2005 genannte gesetzliche Regelung einzugehen. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 25. Mai 1994 erstreckt sich zwar ausdrücklich (nur) auf den Ausschank aller alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränke, umfasst jedoch auch die Herstellung und Abgabe von Speiseeis (s.o. 1.1.). Die Einlassung der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass von der Regelungswirkung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur der Ausschank von alkoholischen Getränken als erlaubnispflichtiger Teil des Betriebs erfasst gewesen sein sollte, vermag daran nichts zu ändern.
Maßgeblich für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist der objektive Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts, d.h. es kommt darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der bekannten und erkennbaren Umstände verstehen mussten bzw. durften (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 55). Vorliegend ergibt sich nicht nur aus dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt selbst, insbesondere in Zusammenschau mit den weiteren Tenorierungsziffern (Nr. 2: „… Eiscafé L. ist zu schließen …“), sowie der Bescheidsbegründung (so z.B. S. 3 unten: „… um eine umgehende Schließung der Gaststätte zu erreichen …“), dass es dem Beklagten bei Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf eine vollständige Schließung des klägerischen Betriebs ankam. Dies geht auch aus der Verfahrensakte der Behörde und den sonstigen Einlassungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren hervor. Des Weiteren trugen die Klägerbevollmächtigten unbestritten vor, dass Inhalt aller Gespräche bzw. Schriftsätze während des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens stets eine vollständige Schließung des klägerischen Betriebs gewesen ist. Auch wäre eine Schließung der Gaststätte lediglich im Hinblick auf den Ausschank alkoholischer Getränke nicht zielführend gewesen.
Da § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ebenfalls wie § 15 Abs. 2 GastG keine Ermessenserwägungen zulässt, sondern bei Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zwingend die Untersagung des ausgeübten Gewerbes vorsieht und die im Bescheid aufgeführten Gründe auch eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1Satz 1 GewO tragen, ist davon auszugehen, dass auch der erlaubnisfreie Teil des Gaststättenbetriebs von der Regelung des Bescheids mit umfasst wird. Der Kläger ist als unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne anzusehen (s.o. 1.2.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Gericht erschien eine Quotelung der Verfahrenskosten im Verhältnis 4/5 zu 1/5 angemessen. Der Kläger ist – soweit sich die Klage nicht in der mündlichen Verhandlung erledigt hat – unterlegen. Die Kostenentscheidung ist jedoch unter Einbeziehung des sich erledigten Verfahrensgegenstands (nämlich die Nrn. 2 und 3 des Bescheides, vgl. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zu treffen. Das Verfahren war insoweit beendet und ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Billigem Ermessen entspricht es regelmäßig, die Kosten demjenigen Beteiligten aufzuerlegen, der voraussichtlich im Verfahren unterlegen und deshalb nach Maßgabe des § 154 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Bezüglich des erledigten Klageteils wäre voraussichtlich der Beklagte unterlegen, da hinsichtlich Nr. 2 (Schließung der Gaststätte) wegen der Gesetzesänderung von 2005 der konkrete Regelungsgehalt dieser Anordnung nicht erkennbar war, insbesondere auf welchen Teil des klägerischen Betriebs er sich bezog. Bzgl. des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis hätte es einer im Ermessen der Behörde stehenden Schließungsanordnung nach § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO bedurft. Dies schlägt auch auf die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheides durch; dies gilt umso mehr, als die Fristsetzung in Nr. 2 an die Zustellung des Bescheides gebunden war, ohne einen Sofortvollzug anzuordnen, der Kläger jedoch Klage erhoben hatte, welche gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet. Bei Bewertung der Verfahrensteile erschien deshalb die in Nr. II des Tenors getroffene Kostenentscheidung sachgerecht.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben