Steuerrecht

Wiederaufnahme des Verfahrens

Aktenzeichen  19 ZB 20.1827

Datum:
27.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46002
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 9 K 20.410 2020-06-25 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Wiederaufnahmeantrag gegen den Senatsbeschluss vom 27. November 2020 (Az.: 19 ZB 20.1827) wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Wiederaufnahmeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wendet sich der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 27. November 2020 (Az.: 19 ZB 20.1827), mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2020 (Az.: RO 9 K 20.410) abgelehnt worden ist. Gegenstand der abgewiesenen Klage war die Ausweisung des Klägers durch Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2020.
Der Antrag ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Nach § 153 VwGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wiederaufgenommen werden.
Zwar ist der vorliegende Antrag grundsätzlich statthaft. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch eine Nichtigkeitsklage setzt zwar nach dem gesetzlichen Wortlaut von § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO ein durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenes Verfahren voraus, doch unterliegen auch Beschlüsse der Wiederaufnahme, wenn sie ein Verfahren abschließen.
Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens ist jedoch nicht zulässig, weil er einen Wiederaufnahmegrund nicht substantiiert und schlüssig dargelegt hat. Nach § 589 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 588 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Anfechtungsgrund zu bezeichnen. Der Kläger ist gehalten, die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich einer oder mehrere der in § 579 Abs. 1 ZPO und § 580 ZPO genannten Anfechtungsgründe ergibt; nur dann ist sein Vortrag schlüssig (vgl. Fleck in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand 9/2020, § 588 Rn. 2). Eine Wiederaufnahme ist nicht zulässig, wenn ein zulässiger Anfechtungsgrund (§§ 579, 580 ZPO) nicht substantiiert und schlüssig dargelegt ist (BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 10 ZB 19.129 – juris Rn. 4; B.v. 3.11.2003 – 12 ZB 03.2616 – juris Rn. 5; vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 1/2020 § 153 Rn. 33).
Die Wiederaufnahmegründe sind in §§ 579, 580 ZPO abschließend aufgeführt. Mit seiner pauschalen Behauptung, das erkennende Gericht könne gegebenenfalls nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sein, da sich die Reihenfolge der Richtervertretung im Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichtshofs u.a. nach dem Dienst- und Lebensalter der Richter richte, wobei eine nicht in den Geschäftsverteilungsplan integrierte und nur der Präsidialgeschäfts- und Posteingangsstelle vorliegende sowie aus dem Intranet ersichtliche und damit im Unterschied zum Geschäftsverteilungsplan nicht öffentlich zugängliche Liste maßgeblich sei, die unrichtig sein könne, hat der Kläger einen Wiederaufnahmegrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht substantiiert dargelegt.
Der 15. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 2. Juni 2020 (Az. 15 C 20.1265 – juris Rn. 17) zur vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts folgendes ausgeführt:
„§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geht es – wie § 138 Abs. 1 VwGO – um die Garantie des gesetzlichen Richters. Von einer vorschriftswidrigen Besetzung eines Gerichts ist nur auszugehen, wenn in dem behaupteten Fehler des Geschäftsverteilungsplans wegen Verstoßes gegen § 4 VwGO i.V. mit § 21e Abs. 1 GVG zugleich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt (BVerwG, B.v. 22.1.2014 – 4 B 53.13 – juris Rn. 2). Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst werden kann (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2019, § 153 Rn. 10). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden. Daher müssen die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche(r) Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen über die Geschäftsverteilung in den jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte, die die Zuständigkeit der Spruchkörper und ihre Zusammensetzung festlegen, müssen daher im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den berufenen Richter gelangt (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2018 – 2 BvR 2675 – NJW 2018, 1155 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 6.6.2019 – 8 ZB 19.30033 – juris Rn. 10). Welche Richter über den Fall entscheiden, ist mithin dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zu entnehmen, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 4 VwGO, § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG (BayVGH, B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 – juris Rn. 27), wobei gesetzliche Richter diejenigen Richter sind, die nach dem am Tag der gerichtlichen Entscheidung geltenden Geschäftsverteilungsplan zur Entscheidung berufen waren (vgl. VGH BW, B.v. 19.6.2017 – 1 S 1361/16 – juris Rn. 8 m.w.N.). Auf Rechtsanwendungsebene reicht für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dabei nicht jede unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans aus; ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters liegt erst dann vor, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im jeweiligen Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (BVerfG, B.v. 2.6.2009 – 1 BvR 2295/08 – NJW-RR 2010, 268 = juris Rn. 21; B.v. 20.6.2012 – 2 BvR 1048/11 – BVerfGE 131, 268 = juris 129; BayVerfGH, E.v. 12.8.2011 – Vf. 74-VI-10 – BayVBl. 2011, 757 = juris Rn. 23; BVerwG, B.v. 7.1.2019 – 7 B 16.18 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 17.30394 – juris Rn. 5; B.v. 6.6.2019 – 8 ZB 19.30033 – juris Rn. 9; OVG NRW, B.v. 27.9.2019 – 13 B 1056/19 – RdL 2020, 71 = juris Rn. 6).“
Es fehlt vorliegend an jeglicher Darstellung, inwieweit sich ein lediglich behaupteter Mangel des Geschäftsverteilungsplans auf das Zulassungsverfahren ausgewirkt haben könnte. Der Senat hat über den Antrag auf Zulassung der Berufung vom 1. August 2020 in seiner Besetzung nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans ohne Heranziehung der vom Kläger benannten Liste entschieden. Auf die vom Kläger als rechtswidrig erachtete Vertretungsregelung im Geschäftsverteilungsplan kommt es mithin nicht an. Ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters im Sinne einer grundlegenden Verkennung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist ebenso wenig ersichtlich wie eine Unwirksamkeit des Geschäftsverteilungsplans. Der bloße „Verdacht“ einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts genügt nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 138 Rn. 5). Abgesehen davon würde (wofür nichts nachvollziehbar geltend gemacht ist) ein einzelner Verstoß nicht ohne Weiteres den gesamten Geschäftsverteilungsplan fehlerhaft machen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 21e GVG Rn. 45). Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers somit nicht.
Auf die Ausführungen des Klägers zur Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags kommt es nicht weiter an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert des Wiederaufnahmeverfahrens entspricht dem Streitwert des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme begehrt wird (BVerwG, B.v. 17.3.2015 – 5 A 1.15, 5 PKH 15.15 – juris Rn. 16).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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