Steuerrecht

Zur Anwendung des Zweckentfremdungsrechts auf Zweitwohnungen

Aktenzeichen  M 9 K 17.5037

Datum:
12.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47476
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3
ZeS (München) § 1 S. 2 Nr. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 14 Abs. 1
BV Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Zweitwohnung ist Wohnraum im zweckentfremdungsrechtlichen Sinn. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch die Nutzung einer Zweitwohnung zur kurzfristigen Vermietung für Zwecke der Fremdenbeherbergung stellt eine Zweckentfremdung dar. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Wohnraumverlust für die Allgemeinheit ist keine Voraussetzung für die Anwendung des Zweckentfremdungsrechts. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 12. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung nach § 5 der Satzung der Landeshauptstadt über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 11.12.2017, Art. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) in der Fassung vom 19.6.2017. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung liegen nicht vor. Insbesondere unterliegt auch die Nutzung einer Zweitwohnung für Fremdenverkehrszwecke der Genehmigungspflicht, ist hier aber nicht genehmigungsfähig.
Die verfahrensgegenständliche Wohnung ist Wohnraum im Sinne des § 3 ZeS. Die Wohnung ist ausweislich der Baugenehmigung als Wohnraum genehmigt. Die Nutzung als Zweitwohnung ändert daran nichts, da weder die Zweckentfremdungssatzung noch das Zweckentfremdungsgesetz zwischen Erst- und Zweitwohnung differenzieren. Maßgeblich für das Vorliegen von Wohnraum im Sinne der Satzung sind nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZeS die objektive Eignung und die subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken.
Die Nutzung zur kurzfristigen Vermietung für Zwecke der Fremdenbeherbergung ist eine Zweckentfremdung im Sinne des § 4 ZeS, Art. 1 Satz 2 ZwEWG. Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS, Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG ist erfüllt, da der Kläger mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr eine Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung genehmigt haben möchte. Mit einer genehmigungsfreien Nutzung von insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr ist er nach Angaben seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht einverstanden. Auch Zweitwohnungen fallen unter den Tatbestand, da nach ständiger Rechtsprechung auch das Zweitwohnen eine Nutzung zu Wohnzwecken ist, auch wenn sie nicht den Mittelpunkt der Lebensführung bildet und die Zweitwohnung nur sporadisch genutzt wird; auf die im Bescheid umfangreich zitierte Rechtsprechung wird verwiesen. Der Gesetzgeber und mit ihm der Satzungsgeber sind dieser Rechtsprechung gefolgt und haben für Zweitwohnungen und ihre Nutzung keine andere Regelung getroffen.
Die früher geltende Regelung des § 4 Abs. 2 Art. Nr. 4 ZeS a.F. wurde ersatzlos gestrichen. Auch nach der früheren Rechtslage war eine Zeitwohnung ausschließlich in zeitlicher Hinsicht dergestalt privilegiert, dass der Verfügungsberechtigte sie bisweilen leer stehen lassen durfte, vgl. so noch ausdrücklich § 4 Abs. 2 Nr. 4 ZeS a.F. Ob daran als Verwaltungspraxis nach dem ersatzlosen Entfallen der Regelung festzuhalten ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. So oder so bleibt es unzulässig, eine Zweitwohnung in den Zeiten der eigenen Abwesenheit mehr als acht Wochen pro Kalenderjahr zu Zwecken der Fremdenbeherbergung zu nutzen, da die rechtlichen Regelungen für eine Zweckentfremdung auch für Zweitwohnungen gelten und nach der früheren Rechtslage galten.
Zweifel daran, dass die kurzfristige Vermietung an Touristen, die der Kläger beabsichtigt, eine Fremdenbeherbergung ist, bestehen nicht. Maßgeblich ist das Nutzungskonzept. Danach ist Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre eigentliche Wohnung typischerweise an einem anderen Ort und ihren Lebensmittelpunkt nicht verlegt haben. Unstrittig ist dies vorliegend der Fall, da der Kläger ein solches beherbergungsartiges Unterkommen auf Zeit anbieten und damit seine Zweitwohnung in den Zeiten seiner Abwesenheit gewerblich nutzen will.
Die Voraussetzungen für eine Zweckentfremdungsgenehmigung liegen nicht vor. Nach § 5 Abs. 2 ZeS, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwEWG ist eine Genehmigung zwingend zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass Art. 14 Abs. 1 GG als Grundrecht die Ausübung seiner Verfügungsbefugnis über die verfahrensgegenständliche Wohnung schützt, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass die Regelungen des Zweckentfremdungsrechts wegen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht gegen Art. 14 GG verstoßen; für die Verfügungsbefugnis des Wohnungsmieters gilt nichts anderes. Die Argumentation, dass eine Zweitwohnung mit oder ohne zeitweiliger Untervermietung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung nie dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung steht und damit weder der Gesetzes- noch der Satzungszweck gefährdet wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ein Wohnraumverlust für die Allgemeinheit ist keine Voraussetzung für die Anwendung des Zweckentfremdungsrechts (VG München U.v. 17.1.2018 – 11.9 K 17.3111). Die Privilegierung der Zweitwohnung in zeitlicher Hinsicht knüpft an die Nutzung zum Wohnen und den Begriff des Wohnraums an. Diese Wohnnutzung liegt dann nicht mehr vor, wenn eine Zweitwohnung länger als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung gewerblich genutzt wird. Das vorrangige öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums besteht auch für Zweitwohnungen, da für das Zweckentfremdungsrecht nur entscheidend ist, ob es abstrakt zu einem tatsächlichen oder rechtlichen Entzug von Wohnraum kommt. Ob eine Wohnung tatsächlich dem Wohnungsmarkt zur Verfügung steht, ist im Falle von Zweitwohnungen und der Privilegierung von deren Leerstand unerheblich, da es sich dabei trotz Unterbrechungen um Wohnen handelt (BayVGH B.v. 29.9.1992 – Z CS 92.2512 – ZMR 1993, 137).
Vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige überwiegende private Interessen im Sinne des § 5 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 ZeS, aufgrund derer eine Genehmigung zu erteilen ist, liegen nicht vor. Insbesondere hat der Kläger keine schutzwürdigen privaten Interessen geltend gemacht, die das Interesse am Erhalt des betroffenen Wohnraums überwiegen. Nach seinen Angaben bestehen keine finanziellen Gründe.
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zweckentfremdungsgenehmigung nicht vorliegen, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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