Strafrecht

Angeklagte, Freiheitsstrafe, Hauptverhandlung, Tateinheit, Marihuana, Amphetamin, Cannabis, Strafvollstreckung, Arbeitgeber, Haftbefehl, Kokain, Handeltreiben, Strafaussetzung, Eigenkonsum, nicht geringer Menge, geringer Menge, unerlaubter Besitz

Aktenzeichen  2 KLs 330 Js 8604/21

Datum:
15.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50740
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren und 3 Monaten
verurteilt.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Vorschriften:
§§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage I und Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 3, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53 StGB.

Gründe

I.
a) Der Angeklagte wurde am … 1973 in A. (Türkei) geboren. Der Angeklagte hat einen älteren und zwei jüngere Brüder. Sein Vater war Stadtarbeiter und ist mittlerweile in Rente, seine Mutter ist Hausfrau. Der Angeklagte besuchte keinen Kindergarten und verbrachte nach eigenen Angaben eine schwierige Kindheit, die von einer strengen Erziehung geprägt war.
Der Angeklagte ging 7 Jahre lang zur Schule, hat diese jedoch ohne Abschluss verlassen. Er hat im Rahmen der Berufschulausbildung eine Lehre zum Dreher begonnen, diese jedoch abgebrochen. In den Jahren 1991 und 1992 leistete der Angeklagte für 13 Monate seinen Militärdienst in der Türkei und war infolge des Irakkrieges dabei auch in Kriegshandlungen an der syrischen Grenze verwickelt.
Nach Ableistung des Wehrdienstes arbeitete er in der Tourismusbranche, bevor er 1996 nach Deutschland zu seiner damaligen Freundin nach K. gezogen ist. Im Februar 1997 fand die Heirat statt. In Deutschland hat der Angeklagte zunächst als Aushilfe bei einem Spengler gearbeitet. Nach einem Umzug zusammen mit seiner Frau im Jahr 1998 nach Augsburg hat der Angeklagte für ca. 13 Jahre in einem Frachtpostzentrum der Deutschen Post gearbeitet.
Der Angeklagte erhielt ca. im Jahr 2008 die deutsche Staatsangehörigkeit. In der Folgezeit kam es zu Schwierigkeiten im privaten Bereich, der Angeklagte geriet immer mehr in falsche Kreise und wurde zum ersten Mal im Jahr 2011 wegen einer Straftat verurteilt.
Die Ehefrau des Angeklagten hat sich wegen des andauernden Betäubungsmittelkonsums von ihm getrennt und im Jahr 2012 kam es zur endgültigen Trennung und Scheidung der Ehe. Zu dieser Zeit begab sich der Angeklagte in ambulante Drogentherapie.
Aus der Ehe gingen 2 Kinder hervor, M, geb. … 2000 und D, geb. … 2003. Beide absolvieren eine Ausbildung im Institut für Fremdsprachenberufe in K. Die geschiedene Ehefrau des Angeklagten ist bei der Stadt K. angestellt.
Während einer Inhaftierung im Jahr 2013 hat der Angeklagte eine Therapie gemäß § 35 BtMG in der Therapieeinrichtung L. begonnen, diese jedoch wegen eines Rückfalls im Jahr 2014 abgebrochen. Der Angeklagte befand sich dann bis 2017 wieder in Haft. Nach der Haft siedelte er – wegen der Nähe zu seinen Kindern – wieder nach K. um.
Zuletzt arbeitete der Angeklagte bei der … Zeitung (AZ Druck- und Datentechnik) als Druckassistent und verdiente dort 1.900 bis 2.000 Euro netto pro Monat. Er hat Unterhaltsverpflichtungen nur noch gegenüber den Kindern und keine Schulden. Der Angeklagte bewohnte bis zur Inhaftierung eine Mietwohnung in K. mit einer monatlichen Warmmiete von 280 €. Der Mietvertrag für die Wohnung besteht derzeit noch fort.
b) Im Jahr 1993 kam der Angeklagte erstmals in Kontakt mit illegalen Suchmitteln, zunächst mit Cannabis. Aus einem anfänglich gelegentlichen Konsum entwickelte sich im weiteren Verlauf ein regelmäßiger Konsum. Nach einer längeren Abstinenzphase im Jahr 1997 konsumierte der Angeklagte bis zu seiner ersten Inhaftierung im Jahr 2013 regelmäßig verschiedene Suchtmittel.
Im Jahr 2006 begann der Angeklagte neben Cannabis auch Amphetamin, MDMA, Ecstasy, LSD und gelegentlich Kokain zu konsumieren.
Nach dem Ende der Strafvollstreckung und dem Umzug nach K. im Jahr 2017 hat der Angeklagte zunächst wieder nur gelegentlich Betäubungsmittel konsumiert, ab März 2020 wieder regelmäßig, zuletzt ca. 2 g Cannabis täglich sowie 1 g Amphetamine, daneben auch Kokain. Der Angeklagte leidet an einer Polytoxikomanie gemäß ICD-10: F 19.2. c) Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 25.10.2021 weist für den Angeklagten folgende Einträge auf:
1. 05.05.2011 AG Augsburg (D2102) -03 Cs 301 Js 100122/11 –
Rechtskräftig seit 13.05.2011
Tatbezeichnung: Unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln in 54 sachlich zusammentreffenden Fällen Datum der (letzten) Tat: 24.01.2011
Angewandte Vorschriften: StGB § 53, § 54, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr.1 60 Tagessätze zu je 25,00 EUR Geldstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Dem Angeklagten lag dabei zur Last, in 54 Fällen jeweils 5 – 6 Gramm Marihuana unerlaubt erworben zu haben.
2. 26.07.2011 AG Augsburg (D2102) -9 Cs 302 Js 124429/11 –
Rechtskräftig seit 23.08.2011
Tatbezeichnung: Unerl. Besitz von Betäubungsmitteln
Datum der (letzten) Tat: 23.06.2011 Angewandte Vorschriften: BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1
– 20 Tagessätze zu je 25,00 EUR Geldstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Dem Angeklagten lag dabei der Besitz von 0,1 Gramm Marihuana zur Last.
3. 31.05.2012 AG Augsburg (D2102) -04 Ls 303 Js 136116/11 –
Rechtskräftig seit 09.06.2012
Tatbezeichnung: Unerl. Besitz von BTM in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzl. unerl. Handeltreiben mit BTM Datum der (letzten) Tat: 30.09.2011 Angewandte Vorschriften: StGB § 52, § 56, BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1
– 2 Jahr(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit bis 08.06.2016.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Bewährungshelfer bestellt.
Strafaussetzung widerrufen.
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 07.08.2017.
Ausgesetzt durch: 06.08.2014+1 AIC StVK 231/14+D2120+StVK Augsburg, Zweigstelle Aichach.
Ende Freiheitsentzug (Strafe): 11.08.2014.
Bewährungshelfer bestellt.
Strafaussetzung widerrufen.
Strafvollstreckung erledigt am 27.01.2017.
Führungsaufsicht nach vollständiger Verbüßung der Strafe bis 26.01.2022.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 16.12.2011 war der Angeklagte mit seinem Wohnmobil, amtliches Kennzeichen A … im Bereich L. straße / Ecke M. straße, in der R1. Straße, in der A1. Straße und in der B1. straße in Augsburg unterwegs. Gegen 12.12 Uhr verkaufte und übergab der Angeklagte in seinem Fahrzeug in Gewinnerzielungsabsicht im Bereich des B4.gäßchen / B1. straße an den anderweitig Verfolgten Oleg Maul 5 g Amphetamin zum Kaufpreis von 120,- €.
Daneben bewahrte der Angeklagte am 16.12.2011 gegen 12.25 Uhr in seinem Wohnmobil mit dem amtlichen Kennzeichen A – … im Bereich des B4-gäßchen / B1. straße wissentlich und willentlich weitere 145,1 g Amphetamin, 25,08 g Haschisch, 52 LSD-Trips, eine Zubereitung von (MDMA)-Hydrochlorid und Lactose, umfangreiches Verpackungsmaterial sowie Streckmittel auf. Das Amphetamin sowie die LSD-Trips waren in einem mitgeführten Rucksack, der sich in Griffnähe des Angeklagten befand, verstaut.
Zumindest 2/3 der Betäubungsmittel waren zum gewinnbringenden Wiederverkauf im Stadtgebiet von Augsburg bestimmt.
Insgesamt enthielten die Betäubungsmittel mit Ausnahme der LSD-Trips 6,7 g Amphetaminbase, 5.06 g MDMA-Hydrochlorid und 1,83 g THC.
Direkt neben dem Fahrersitz befand sich in Griffweite des Angeklagten ein Metallstock. Im Rucksack des Angeklagten befand sich neben den Betäubungsmitteln ein Einhandmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm sowie 3.150,- € Bargeld. Der Angeklagte hatte, wie er wusste, nicht die zum Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.“
4. 30.10.2013 AG Augsburg (D2102) -5 Ls 303 Js 114884/13 –
Rechtskräftig seit 07.11.2013
Tatbezeichnung: Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Datum der (letzten) Tat: 13.03.2013 Angewandte Vorschriften: StGB § 52, BZRG § 17 Abs. 2, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3
– 10 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG). Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 07.08.2017.
Ausgesetzt durch: 06.08.2014+1 AIC StVK 230/14+D2120+StVK Augsburg, Zweigstelle Aichach.
Bewährungshelfer bestellt.
Strafaussetzung widerrufen.
Strafvollstreckung erledigt am 10.02.2016.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 10.07.2013 bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der U. Straße … in 8… A2., 17,2g Amphetamin wissentlich und willentlich auf. Das Amphetamin war von 11%iger Qualität und zur Hälfte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.
Wie der Angeklagte wusste hatte er nicht die zum Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.“
d) Der Angeklagte wurde zunächst am 11.05.2021 in dieser Sache vorläufig festgenommen, der Haftbefehl jedoch außer Vollzug gesetzt.
Am 08.06.2021 wurde der Angeklagte erneut festgenommen und befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Kempten vom 08.06.2021 seither ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft.
II.
Der an einer Polytoxikomanie leidende Angeklagte finanzierte seinen Betäubungsmittelkonsum von ca. 2 g Cannabis sowie 1 g Amphetamin täglich und den gelegentlichen Konsum von Kokain teilweise aus seinem Einkommen und teilweise mit dem Weiterverkauf und Tausch von Betäubungsmitteln. Dazu erwarb er im Mai und Juni 2021 in mindestens 2 Fällen von unbekannt gebliebenen Händlern Marihuana, welches er zu 2/3 regelmäßig selbst verbrauchte und zu einem weiteren Drittel weiterverkaufte bzw. gegen Amphetamin und Kokain tauschte.
Trotz der bestehenden Suchterkrankung war die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei keiner der nachfolgend beschriebenen Taten aufgehoben oder erheblich vermindert.
Wie der Angeklagte wusste, besaß er jeweils nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
Im einzelnen handelte es sich um folgende Taten:
I. Am späten Abend des 10.05.2021 kam der Angeklagte nach der Spätschicht von der Arbeit und wollte noch einen Bekannten aufsuchen, um bei diesem Marihuana und Geld gegen Kokain zu tauschen. Das Tauschgeschäft kam jedoch nicht zustande, da der Bekannte nicht zuhause war.
Auf dem Heimweg, am 11.05.2021 gegen 00:19 Uhr, wurde der Angeklagte einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Dabei führte er auf Höhe des A.-ring … in K. (Allgäu) 20,06 Gramm Marihuana – welches gemeinsam mit dem mitgeführten Geld zum Tausch mit Kokain bestimmt war – wissentlich und willentlich mit sich.
Gleichzeitig führte der Angeklagte, wie er wusste, in seiner rechten Beintasche ein Teppichmesser griffbereit mit sich, welches er zur Verrichtung seiner Arbeit benötigte.
Daneben hatte der Angeklagte zwei Mobiltelefone, eine Feinwaage sowie 370 EUR Bargeld, die zum Erwerb des Kokains bestimmt waren, bei sich.
Im Anschluss an diese polizeiliche Kontrolle wurde aufgrund der bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel seine Wohnung durchsucht.
Zur selben Zeit und nicht ausschließbar aufgrund desselben Tatentschlusses bewahrte der Angeklagte an seiner Wohnanschrift in … K., A. …, weitere 155,2 Gramm Marihuana, 6,84 Gramm Haschisch sowie 75,17 Gramm Amphetamin wissentlich und willentlich auf.
Das mitgeführte und aufgefundene Betäubungsmittel hatte einen Gesamtwirkstoffgehalt von 25,63 Gramm THC und – bezüglich des Amphetamins nach Trocknung – einen Wirkstoffgehalt von insgesamt 14,88 Gramm Amphetaminbase.
Das in der Wohnung aufgefundene Marihuana war mindestens zu einem Drittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf/Tausch bestimmt. Im Übrigen waren die Betäubungsmittel nicht ausschließbar zum Eigenkonsum bestimmt.
Nach der Wohnungsdurchsuchung wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen und noch am 11. 05.2021 auf Antrag der Staatsanwaltschaft dem Haftrichter vorgeführt. Ein gegen den Angeklagten dabei erlassener Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
2. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 11.05.2021 und dem 04.06.2021 erwarb der Angeklagte erneut Marihuana von den unbekannt gebliebenen Händlern.
Am 04.06.2021 gegen 14:41 Uhr führte der Angeklagte am I.weg nahe des W. Weg …, … K. (Allgäu), insgesamt 11,25 Gramm Marihuana wissentlich und willentlich mit sich. Die Betäubungsmittel waren zu drei Einheiten mit 4,97 Gramm, 4,88 Gramm und 1,40 Gramm verpackt. Dabei plante der Angeklagte, durch einen späteren Verkauf oder Tausch der Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen. Mit einem Teil der Betäubungsmittel wollte der Angeklagte Schulden bei einem der geplanten Abnehmer zurückzahlen.
Das mitgeführte Betäubungsmittel hatte einen Wirkstoffgehalt von insgesamt 2,15 Gramm THC.
3. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 05.06.2021 kaufte und übernahm der Angeklagte an einem nicht näher bestimmbaren Ort im Stadtgebiet von K. (Allgäu) 0,5 Gramm Kokaingemisch. Das Kokain war zum Eigenkonsum bestimmt und hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 40% CHC.
4. Am 08.06.2021 gegen 09:30 Uhr bewahrte der Angeklagte an seiner Wohnanschrift in … K. (Allgäu),, weitere 99,1 Gramm Marihuana wissentlich und willentlich auf.
Dabei plante der Angeklagte durch einen späteren Verkauf/Tausch von ca. 1/3 des aufbewahrten Marihuanas Gewinn zu erzielen. Im Übrigen war das Marihuana zum Eigenkonsum bestimmt.
Das Betäubungsmittel hatte einen Wirkstoffgehalt von 17,04 Gramm THC.
III.
Feststellungen bezüglich der persönlichen Verhältnisse:
a) Die Feststellungen zur Biographie beruhen neben den Angaben des Angeklagten auf den insofern zeugenschaftlich erfolgten Ausführungen des Sachverständigen B, der den Angeklagten für die Erstellung seines Gutachtens persönlich exploriert, hierbei zu dessen Lebenslauf befragt und dies dann im Rahmen der Erstattung seines Gutachtens glaubhaft gegenüber der Kammer wiedergegeben hat.
b) Die Feststellungen zu dem beim Angeklagten vorliegenden Konsum von Betäubungsmitteln beruhen auf den Angaben des Angeklagten und dem nachvollziehbaren, in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und fundierten Gutachten des Sachverständigen B, dem sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Angeklagten während der Hauptverhandlung gewonnen hat, anschließt.
Der Sachverständige führte aus, dass ihm für die Erstellung seines Gutachtens, in welchem er zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB und des § 64 StGB aus psychiatrischer Sicht Stellung nehmen sollte, folgende Quellen als Anknüpfungstatsachen vorgelegen hätten:
– Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Kempten Az: 330 Js 8604/21 sowie der Entlassbericht der Langzeittherapiemaßnahme der Einrichtung K. K./L. bezüglich einer Langzeittherapie im Jahr 2014.
Überdies hat der Sachverständige den Angeklagten persönlich am 31.08.2021 exploriert. Hier habe sich der Angeklagte zu seinem Betäubungsmittelkonsum und seinem aktuellen Befinden kooperativ geäußert.
Der Sachverständige führte aus, dass beim Angeklagten aufgrund seiner Angaben seit vielen Jahren überwiegend von regelmäßigem Cannabiskonsum und seit mehreren Jahren auch von Konsum von Amphetamin und Metamphetamin bzw. MDMA sowie auch Kokain auszugehen ist.
Zu diesem Ergebnis gelangte der Sachverständige auch aufgrund der Angaben des Angeklagten und des in Anwesenheit des Sachverständigen B verlesenen Haargutachtens der Forensisch-Analytischen Laboratorien am Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg vom 08.07.2021, Bl. 105/107 d.A. und dem Gutachten über die Untersuchung einer Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin in Ulm vom 07.06.2021, Bl. 190/193 d.A.
Die Ausführungen des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen zum Betäubungsmittelkonsum sind zur Überzeugung der Kammer glaubhaft.
c) Die Feststellungen hinsichtlich der Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf der Verlesung der Auskunft aus dem Bundeszentralregister für den Angeklagten vom 25.10.2021 sowie der Verlesung der jeweiligen Urteile und den eigenen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung.
Bezüglich des festgestellten Sachverhaltes:
a) Der Angeklagte legte zu Beginn der des zweiten Verhandlungstages der Hauptverhandlung ein Geständnis ab, in dem er zu den einzelnen Taten Stellung nahm und den objektiven und zum Großteil auch subjektiven Tatvorwurf bestätigte. Er gab dabei glaubhaft an, 2/3 der bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel für den Eigenkonsum besessen zu haben und mit dem verbleibenden Drittel des Marihuana und Amphetamins seinen allgemeinen Betäubungsmittelkonsum und insbesondere auch den Erwerb von Kokain finanziert zu haben.
Im Hinblick auf die Tat unter II.1. gab der Angeklagte weiter an, dass er nach der Arbeit noch zu einem Kollegen wollte und bei diesem Marihuana und Geld gegen Kokain tauschen wollte. Auf dem Heimweg sei er dann von der Polizei angehalten worden und habe sowohl die Betäubungsmittel, als auch das zum Tausch bestimmte Bargeld, sowie die Feinwaage und die Mobiltelefone bei sich gehabt. Die Feinwaage habe er bei sich geführt, um damit das Tausch- /Kaufgeschäft hinsichtlich der zu erwerbenden Mengen nachprüfen zu können.
In der Wohnung sei dann der restliche Teil der festgestellten Betäubungsmittel gefunden worden, welche auch ihm gehörten. Insgesamt habe er vorher damals 200 g Marihuana erworben.
Die Betäubungsmittel habe er von Asylbewerbern gekauft, deren Namen er nicht kennen würde und er habe auch keine Telefonnummern, die Asylbewerber haben ihm die Betäubungsmittel aber nach Hause gebracht. Für das Marihuana habe er 6 € pro Gramm bezahlt, für das Amphetamin 4 € pro Gramm.
Das bei sich geführte Marihuana und das Marihuana in der Wohnung waren davon der Rest. Das Marihuana wollte er dabei zum Teil zum Tausch gegen andere Betäubungsmittel, vornehmlich Kokain verwenden. Der überwiegende Teil des Marihuanas sei aber zum Eigenkonsum gedacht gewesen. Das Amphetamin sei ausschließlich zum Eigenkonsum bestimmt gewesen.
Das Teppichmesser habe er lediglich noch von der Arbeit dabei gehabt, da dieses Teil seiner Arbeitsausstattung sei und sich deswegen in der Arbeitshose befinde.
Auch die Tat unter II.2. räumte der Angeklagte ein und gab an, dass er das Marihuana teilweise von einem Kollegen bekommen habe. Die Betäubungsmittel waren portioniert, da ein abgewogener Teil zur Schuldentilgung bestimmt war.
Die Tat unter II.3. räumte der Angeklagte – wie bereits im Ermittlungsverfahren – als überschießendes Geständnis ein, ohne genauere Angaben zur Herkunft des Kokains zu machen.
Auch den Ankauf und den Besitz der Betäubungsmittel im Hinblick auf die Tat unter II.4. räumte der Angeklagten ein und gab an, dass er die Betäubungsmittel wieder bei den gleichen drei Asylbewerbern gekauft habe, ohne deren Namen zu kennen.
Diese Asylbewerber kenne er jedoch vom Sehen und treffe sie entweder zufällig in der Stadt oder gehe an Orte, wo diese sich regelmäßig aufhalten. Ein Teil des Marihuanas sei wiederum zum Tausch bestimmt gewesen, der Großteil zum Eigenkonsum. Er habe 6 € pro Gramm Marihuana bezahlt.
b) Die Kammer ist von der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung überzeugt, soweit die Angeklagte die objektiven Angaben zum Tatgeschehen eingeräumt hat.
aa) Die Angaben der Angeklagten werden gestützt durch die Aussagen der Zeugen W B, H und K .
(1) Die Zeuge W gab in seiner Vernehmung glaubhaft an, dass er bei beiden Vorführungen des Angeklagten beim Ermittlungsrichter anwesend war und die Ermittlungen begleitet habe.
Im Hinblick auf das mitgeführte Teppichmesser gab der Zeuge an, dass es für ihn augenscheinlich gewesen sei, dass das Teppichmesser aufgrund des Tragens der Arbeitshose lediglich als Arbeitsmaterial mitgeführt worden ist. Auch sei das Teppichmesser nach seinem Dafürhalten dem äußeren Anschein nach verschlissen. Im Übrigen habe sich der Angeklagte von Anfang an sehr kooperativ und höflich verhalten.
(2) Der Zeuge B gab in seiner Vernehmung glaubhaft an, dass der Angeklagte damals mit einer Durchsuchung seines Spindes beim Arbeitgeber einverstanden gewesen sei. Dort habe man aber keine weiteren Drogen gefunden. Im Übrigen habe er durch Nachfrage beim Arbeitgeber ermittelt, dass das vom Angeklagten mitgeführte Teppichmesser tatsächlich als Arbeitsmesser dort ausgegeben und verwendet wird.
(3) Der Zeuge H, welcher die Ermittlungen geleitete hat, gab in seiner Vernehmung zunächst glaubhaft an, dass auch er davon ausging, dass das Teppichmesser lediglich als Arbeitsmesser in der Arbeitshose mitgeführt worden sei. Im Übrigen berichtete er über den Verlauf der Ermittlungen, dass der Angeklagte zunächst keine Angaben im Hinblick auf die Tat am 11.05.2021 gemacht habe, dann allerdings in der Vernehmung am 08.06.21, die der Zeuge durchgeführt hatte, die Taten vom 04.06.21 und 08.06.21 eingeräumt habe. Ferner den Ankauf der 0,5 g Kokain im Sinne eines überschießenden Geständinsses.
(4) Der Zeuge K gab in seiner Vernehmung glaubhaft an, dass der Angeklagte bei der durch ihn erfolgten richterlichen Vernehmung anlässlich der Vorführung am 11.05.21 keine Angaben zur Sache gemacht hat, sich der Angeklagte in seiner richterlichen Vernehmung vom 08.06.21 aussagebereit zeigte, sich zunächst auf die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 08.06.21 bezog, welche der Zeuge H. durchgeführt hatte (siehe (3)). diese Vernehmung sei dem Angeklagten zwar nicht noch einmal wörtlich vorgehalten worden, er habe durch gezielte Nachfragen in Bezug auf diese ihm vorliegende Vernehmung die Angaben des Angeklagten jedoch in seiner Vernehmung an den für ihn wichtigen Punkten konkretisiert. Der Angeklagte habe im Rahmen der richterlichen Vernehmung angegeben, dass er einen Eigenkonsum von 1 bis 2 Gramm Marihuana am Tag, bei Mischkonsum mit Amphetamin und Kokain entsprechend weniger habe. Auch dabei habe der Angeklagte angegeben, dass er die Namen der Verkäufer der Betäubungsmittel nicht kennen würde.
bb) Die Angaben des Angeklagten werden zudem gestützt durch die in Augenschein genommenen Lichtbildtafeln in der Akte. Dort wurden die Auffindesituationen der Betäubungsmittel in der Wohnung des Angeklagten dokumentiert. Ferner werden die Angaben des Angeklagten gestützt durch das verlesene DNA-Kurzgutachten des Instituts für Rechtsmedizin Ulm vom 21.07.21, nach welchem sich DNA-Spuren des Angeklagten auf den Verpackungen der aufgefundenen Betäubungsmittel finden.
Der Angeklagte ist dabei gesichert als Hauptverursacher der Spuren der Asservate 3.4.1.1 (Abrieb – von Folie (Tüte) in der Kartonage) sowie 3.4.3 (Abrieb – von Kartonage in Folie) zu bewerten.
cc) Die Feststellungen zur jeweiligen Wirkstoffmenge der sichergestellten Betäubungsmittel beruhen auf dem verlesenen Wirkstoffgutachten des Instituts für Rechtsmedizin, Prof. Dr. med. K in Ulm vom 08.07.2021, Bl. 111/114 d.A., von dessen Richtigkeit die Kammer überzeugt ist. Umstände, die Richtigkeit dieser Gutachten anzuzweifeln, haben sich in der gesamten Hauptverhandlung nicht ergeben und wurden auch durch keinen der Prozessbeteiligten vorgebracht. Die asservierten Betäubungsmittel wurden nach den gängigen wissenschaftlichen Methoden untersucht.
dd) Im Hinblick auf das mitgeführte Teppichmesser hat sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme selbst davon überzeugen können, dass das Teppichmesser unscharf, verschlissen und nicht mehr arretierbar, mithin defekt war. Überdies ist das Messer mit einer Rückzugsfeder ausgestattet, welche ein Herausstehen der Klinge ohne Arretierung verhindert. Insofern wurden die Angaben der Zeugen und des Angeklagten im Hinblick auf das Messer und des Umstands des Mitsichführens bestätigt.
ee) Der Angeklagte hat im Rahmen der Hauptverhandlung angegeben, dass ein Teil des Marihuanas hinsichtlich der Taten II.1 zum Tausch gegen andere Betäubungsmittel vorgesehen war.
Da der Angeklagte bei der Tat II. 1 ca. 20 g Marihuana, mithin 10% der gekauften Menge zum Tausch bei sich hatte, ist die Kammer überzeugt dass zwar der überwiegende Teil des Marihuanas zum Eigenkonsum, jedoch zumindest ein Drittel zum gewinnbringenden Handel/Tausch bestimmt war. Dafür sprechen neben seinen Angaben auch das Mitsichführen einer Feinwaage, zweier Mobiltelefone und des Bargelds zum geplanten Erwerb des Kokains.
Aufgrund der gesamten Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass auch die bei der Tat II.4 aufgefundenen Betäubungsmittel zu mindestens 1/3 zum Tausch bzw. Weiterverkauf bestimmt waren.
Keinen Glauben schenkt die Kammer der Einlassung des Angeklagten, dass er die Namen oder zumindest Kontaktdaten der Asylbewerber, bei denen er regelmäßig Betäubungsmittel kauft, nicht kennt. Vielmehr ist von einem szenetypischen Verhalten auszugehen, dass die jeweiligen anderen Beteiligten nicht benannt werden. Die Asylbewerber waren nach eigenen Angaben des Angeklagten immer die Gleichen und haben ihm sogar die Betäubungsmittel nach Hause gebracht. Es ist daher schlichtweg lebensfremd, dass ihm weder Namen, noch Telefonnummern bekannt sein sollen.
Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten:
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf den nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen B .
Der Sachverständige, Facharzt für Neurologie am … K., sah beim Angeklagten weder Hinweise für eine krankhaft seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine Intelligenzminderung.
Der Sachverständige führte im Hinblick auf eine schwere andere seelische Störung aus, dass beim Angeklagten seit vielen Jahren von einem überwiegend regelmäßigen Cannabiskonsum auszugehen ist. Darüber hinaus besteht seit mehreren Jahren auch ein Konsum von Amphetamin und Metamphetamin bzw. MDMA. Der Angeklagte erfülle daher die Kriterien einer Polytoxikomanie gemäß ICD-10, F 19. 2, wobei vorwiegend ein Amphetamin- und Cannabiskonsum sowie ein gelegentlicher Metamphetamin- und Kokainkonsum vorliegt.
Der Sachverständige führte weiter überzeugend aus, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat weder aufgehoben, noch erheblich vermindert war.
Der Sachverständige begründete seine Einschätzung damit, dass aufgrund der Angaben des Angeklagten und Zeugen kein „quasi psychotischer Ausnahmezustand“ zu den Tatzeitpunkten vorlag, welcher die Einsichtsfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, schmälern könnte.
Auch die Steuerungsfähigkeit lag beim Angeklagten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen vor. Beim Angeklagten lag weder ein höhergradiger Rauschzustand vor, noch kam es aufgrund des Suchtmittelkonsums bzw. seiner Suchtmittelabhängigkeit zu einer sozialen Depravation durch den Betäubungsmittelkonsum. Der Angeklagte ging regelmäßiger seiner Arbeit nach, besaß eine eigene Wohnung und es ergeben sich keine Hinweise, dass es im Zusammenhang mit dem Suchtmittelkonsum zu erheblichen Einschränkungen der sozialen Lebensführung gekommen ist. Zudem sei der Ablauf der einzelnen Taten sehr strukturiert erfolgt.
Das Gericht ist unter Würdigung sämtlicher Umstände in ihrer Gesamtheit, des Zustands des Angeklagten bei der Begehung der Taten, seines Erscheinungsbildes, seines Verhaltens vor, bei und nach der Tat und des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie nach erfolgter eigenständiger Überprüfung von der Richtigkeit des gewissenhaft erstellten, in sich widerspruchsfreien, im einzelnen nachvollziehbaren und von großer Sachkunde getragenen Gutachtens des Sachverständigen B2. davon überzeugt, dass beim Angeklagten die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in vollem Umfang gegeben war.
IV.
Der Angeklagte hat sich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ziffer II.1) in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Ziffer II.2) in Tatmehrheit mit unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln (Ziffer II.3) in Tatmehrheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Ziffer II.4) gemäß §§ 1 Abs. 1 I.V.m. Anlage I und Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53 StGB strafbar gemacht.
V.
Strafrahmen:
a) Für die Bestrafung der Tat unter II.1., des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stand ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 15 Jahren zur Verfügung, § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
Gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG sieht das Gesetz in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor.
Nach Abwägung und Gewichtung sämtlicher jeweils zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände war vorliegend nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten zu wertenden Aspekte auszugehen, dass die Bestrafung der Tat unter Heranziehung des Regelstrafrahmens unangemessen erschien.
Ein minder schwerer Fall lag nicht vor.
Dabei berücksichtigte die Kammer zu Gunsten des Angeklagten, dass
– der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt hat.
– er sich seit über 5 Monaten in U-Haft befindet.
– dass die Betäubungsmittel in Folge der Sicherstellung nicht weiter in den Verkehr gelangt ist.
– dass es sich bei einem Teil der Drogen um sogenannte „weiche“ Drogen handelt.
– der Angeklagte sich mit der formlosen Einziehung fast aller bei ihm sichergestellten Gegenstände, insbesondere des Bargeldes in Höhe von 370 EUR einverstanden erklärt hat.
– der Angeklagte an einem Missbrauch von Betäubungsmitteln leidet, wenngleich die Schwelle einer verminderten Schuldfähigkeit nicht erreicht ist.
– der überwiegende Teil der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum bestimmt war.
– der Angeklagte sich im Rahmen der Ermittlungen freundlich und kooperativ gezeigt hat.
Auf der anderen Seite sprach zu Lasten des Angeklagten, dass der Angeklagte mehrfach einschlägig vorbestraft ist und unter Führungsaufsicht steht.
Bei Abwägung dieser zu berücksichtigenden Aspekte überwiegen die für den Angeklagten sprechenden Umstände nicht derart, dass der Regelstrafrahmen unangemessen hoch erscheint.
Die Annahme eines minder schweren Falls kam somit nach Ansicht der Kammer nicht in Betracht, da unter Berücksichtigung der genannten Umstände das gesamte Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art nicht so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint.
b) Für die Bestrafung der Tat unter II.2., des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln stand ein Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren zur Verfügung, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 29 Abs. III BtMG liegt nicht vor.
c) Für die Bestrafung der Tat unter II.3., des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln stand ein Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren zur Verfügung, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 29 Abs. III BtMG liegt nicht vor.
d) Für die Bestrafung der Tat unter II.4., des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln stand ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 15 Jahren zur Verfügung, §§ 29 a Abs. 1 Nr. 2, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
Gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG sieht das Gesetz in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor.
Nach Abwägung und Gewichtung sämtlicher jeweils zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigender Umstände war vorliegend nicht von einem solchen Überwiegen der zu seinen Gunsten zu wertenden Aspekte auszugehen, dass die Bestrafung der Tat unter Heranziehung des Regelstrafrahmens unangemessen erschien.
Zu Lasten des Angeklagten ist neben den bereits unter a) genannten Aspekten zur berücksichtigen, dass gegen den Angeklagten bereits am 11.05.21 ein Haftbefehl in dieser Sache ergangen war, der allerdings außer Vollzug gesetzt wurde. Dennoch hat der Angeklagte die vorliegende Tat nur wenige Wochen später begangen.
Bei Abwägung dieser und der unter a) benannten zu berücksichtigenden Aspekte überwiegen die für den Angeklagten sprechenden Umstände nicht derart, dass der Regelstrafrahmen unangemessen hoch erscheint. Die Annahme eines minder schweren Falls kam somit nach Ansicht der Kammer nicht in Betracht, da unter Berücksichtigung der genannten Umstände das gesamte Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art nicht so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint.
Einzelstrafen:
Bei der Bemessung der jeweiligen Einzelstrafe werden alle Umstände, die zugunsten und zulasten des Angeklagten ins Gewicht fallen, nochmals berücksichtigt.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechende Umstände erschien die Verhängung folgender Einzelstrafen angemessen, erforderlich und ausreichend, um dem Unrechts- und Schuldgehalt der jeweiligen Tat gerecht zu werden.
a) Hinsichtlich der Tat unter II.1., des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge war zu Lasten des Angeklagten darüber hinaus zu berücksichtigen, dass tateinheitlich mehrere Tatbestandsalternativen verwirklicht worden sind.
Die Kammer hält bei umfassender Würdigung aller vorgenannter für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Einzelfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen.
b) Die Kammer hält bei umfassender Würdigung aller vorgenannter für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände für die Tat unter II.2., des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und die Tat unter II.3., des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln eine Einzelfreiheitsstrafe von jeweils 4 Monaten für tat- und schuldangemessen.
Zu Lasten des Angeklagten ist dabei neben den übrigen Aspekten zu berücksichtigen, dass gegen den Angeklagten bereits am 11.05.21 ein Haftbefehl in dieser Sache ergangen war, der allerdings außer Vollzug gesetzt wurde.
Dennoch hat der Angeklagte die vorliegenden Taten nur wenige Wochen später begangen.
Im Übrigen handelt es sich bei der Tat unter II.3 um den Erwerb einer sogenannten „harten“ Droge, Kokain.
Zu Gunsten war bei dieser Tat zu werten, dass die Verfolgung der Tat nur aufgrund des überschießenden Geständnisses des Angeklagten möglich war, aufgrund dessen die Tat überhaupt erst bekannt wurde.
c) Die Kammer hält bei umfassender Würdigung aller vorgenannter für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände für die Tat unter II.4., des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine Einzelfreiheitsstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen.
Zu Lasten des Angeklagten ist dabei neben den übrigen Aspekten zu berücksichtigen, dass gegen den Angeklagten bereits am 11.05.21 ein Haftbefehl in dieser Sache ergangen war, der allerdings außer Vollzug gesetzt wurde. Dennoch hat der Angeklagte die vorliegende Tat nur wenige Wochen später begangen.
Gesamtstrafe:
Aus sämtlichen Einzelfreiheitsstrafen war eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, wobei die Einsatzstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten angemessen zu erhöhen war.
Unter nochmaliger Würdigung der oben im Einzelnen genannten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die verwiesen wird, ist gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB aus sämtlichen Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten gebildet worden, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand, sondern die Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten und das Ausmaß sämtlicher einzubeziehender Taten und insbesondere sein Geständnis.
Die Kammer hat auch berücksichtigt, dass zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher und situativer Zusammenhang besteht und gleichgelagerte Taten vorliegen.
VI.
Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 64 StGB wird nicht angeordnet.
a) Der Sachverständige B führte im Rahmen seiner Gutachtenserstattung aus, dass bei dem Angeklagten mangels anderweitiger Erkrankungen die Suchterkrankung als ausschlaggebend für eine Beurteilung der Voraussetzungen einer Unterbringung zu betrachten sei. Aufgrund der Art und des Umfangs des Suchtmittelkonsums und der Diagnose einer Polytoxikomanie gemäß ICD-10:F19.2 sei hierbei von einem Hang im Sinne des Gesetzes auszugehen. Weiter würde sich dies aus den entsprechenden Eintragungen aus dem Bundeszentralregister ergeben.
Für die Kammer ist dieses Ergebnis nach kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, welchen die Kammer vom Angeklagten während der Hauptverhandlung erlangt hat, schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend.
b) Zudem besteht auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang und der vorliegenden rechtswidrigen Taten des Angeklagten. Dieser Zusammenhang liegt vor, da die Tat in dem Hang ihre Wurzel hat und der übermäßige Rauschmittelkonsum beim Angeklagten dazu führt, dass sich der Angeklagte in einem „sozialen Milieu“ aufhält, das für die Tatbegehung mitursächlich wird. Der Angeklagte befand sich aufgrund seiner Stimulantienabhängigkeit bereits in einem Umfeld, welches durch intensiven Kontakt zu illegalen Substanzen geprägt war.
Daneben erfolgt ein Teil der Betäubungsmittelbeschaffung zum Eigenkonsum. Auch die hier abzuurteilenden Taten stehen daher in diesem Zusammenhang.
c) Schließlich besteht auch die Gefahr, dass der Angeklagte zumindest auch infolge seines Hangs erhebliche weitere rechtswidrige Taten begehen wird. Es ist davon auszugehen, dass der Angeklagte im Falle seiner Entlassung aus der Haft aufgrund seiner bestehenden Abhängigkeit erneut Betäubungsmittel konsumieren und zum Konsum und zur Finanzierung des Konsums Betäubungsmittelstraftaten begehen wird.
d) Es besteht beim Angeklagten zur Überzeugung der Kammer allerdings nicht die erforderliche Erfolgsaussicht gemäß § 64 Satz 2 StGB.
Der Angeklagte hat bereits eine Therapie gemäß § 35 BtMG aufgrund zweier Rückfälle abgebrochen. Der Sachverständige B2. gab an, dass er lange mit dem Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und mögliche Alternativen thematisiert habe. Dem Angeklagten sei zwar bewusst, dass er eine Therapie benötige, aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt komme für ihn nicht in Frage. Er wolle aufgrund seiner Erfahrungen mit stationärer Therapie lediglich eine ambulante Therapie machen. Insgesamt zeige sich der Angeklagte gegenüber einer Therapie gemäß § 64 StGB über die Maßen ablehnend, so dass aus Sicht des Sachverständigen keine Erfolgsaussichten für eine Unterbringung nach § 64 StGB bestünden.
Bei dieser Überzeugung blieb der Sachverständige auch, nachdem der Angeklagte in der Hauptverhandlung nochmals ausdrücklich und nach Rücksprache mit der Verteidigerin zu seiner Motivation in Bezug auf eine mögliche Therapie und insoweit auch eine mögliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt befragt wurde. Der Angeklagte äußerte sich dabei erneut sehr ablehnend.
Der Sachverständige B kam mithin zu dem Ergebnis, dass eine Zuführung des Angeklagten zu einer Therapie gegen seinen ausdrücklich und mehrfach erklärten Willen die Erfolgsaussichten massiv einschränken würde. Die medizinischen Voraussetzungen des § 64 StGB seien daher beim Angeklagten nicht gegeben.
Für die Kammer ist dieses Ergebnis nach kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, welchen die Kammer vom Angeklagten während der Hauptverhandlung erlangt hat, schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend.
Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass eine Therapie für den Angeklagten im Rahmen des § 64 StGB im Hinblick auf seine Suchterkrankung sinnvoll wäre.
Die Kammer verkennt auch nicht, dass der Angeklagte krankheitseinsichtig sowie grundsätzlich therapiewillig ist und seine Vorbehalte sich wesentlich „nur“ gegen die Therapieform richten. Zu berücksichtigen ist insoweit jedoch auch, dass der Angeklagte bereits über einschlägige Erfahrungen mit stationärer und ambulanter Therapie verfügt und der sich daher bei ihm manifestierende Wille auf eigener Erkenntnis beruht.
Daher ist zur Überzeugung der Kammer auch unter Berücksichtigung der derzeitigen Inhaftierung des Angeklagten nicht zu erwarten, dass er sich im Maßregelvollzug nach einer gewissen Anpassungszeit der Notwendigkeit der Behandlung öffnen und an ihr mitwirken wird.
Die Kammer ist im Ergebnis aufgrund der Aussagen des Angeklagten und der Einschätzung des Sachverständigen davon überzeugt, dass eine Therapiemotivation im Rahmen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beim Angeklagten auch dann nicht entsteht, wenn die Therapie gegen den Willen des Angeklagten angeordnet wird.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.


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