Strafrecht

Angeklagte, Freiheitsstrafe, Marihuana, Abschiebung, Einreise, Entziehungsanstalt, Kokain, Strafzumessung, Beamte, Hauptverhandlung, Untersuchungshaft, THC, Verteidiger, Therapie, nicht geringe Menge, geringe Menge, Bundesrepublik Deutschland

Aktenzeichen  20 KLs 352 Js 26343/19

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39278
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte H… ist schuldig der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
II. Er wird deswegen unter Einbeziehung der mit Urteil des Landgerichts Limburg/Lahn vom 14.06.2018 (4 Js 17630/17 5 KLs) verhängten Strafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt.
III. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage I und III zum BtMG, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, 27 Abs. 1, 52, 53 StGB.

Gründe

A. Persönliche Verhältnisse
I. Lebenslauf
Der Angeklagte, der … Staatsangehöriger ist, hat keine Geschwister und wuchs nach der Trennung seiner Eltern bei seiner Mutter und seinem Stiefvater auf. Als der Angeklagte 15 Jahren alt war, verstarb sein Stiefvater. Im Alter von 18 Jahren schloss der Angeklagte die Schule mit dem Fachabitur ab und absolvierte anschließend seinen Wehrdienst. Danach arbeitete er drei Jahre als Schweißer und anschließend in einem Unternehmen für Zertifizierung von Feuerlöschanlagen für Schiffe und Ölplattformen, für das er von 2001 bis 2004 als technischer Manager in die USA ging und dort nebenher ein technisches Bachelor-Studium absolvierte. Nach seiner Rückkehr … arbeitete er zunächst als Projektleiter im Bereich der Wartung von Ölplattformen und machte sich 2007 in diesem Bereich selbstständig. 2015 betrieb er für ein Jahr eine Kneipe. Seit 2016 arbeitete der Angeklagte als Techniker bei einer Großbäckerei und befasste sich daneben mit der Instandsetzung von Unfallfahrzeugen und Landmaschinen. Zuletzt verdiente er 2.000 EUR monatlich netto sowie ca. 6.000 EUR pro Jahr im Rahmen des Nebenerwerbs. Der Angeklagte hat Schulden in Höhe von ca. 4.000 EUR.
Der Angeklagte war von 1991 bis 2004 verheiratet. Aus der Ehe hat er zwei erwachsene Kinder. Der Angeklagte leidet unter dem „Restless-Legs-Syndrom“, das 2014 erstmalig auftrat und fortbesteht; eine fortdauernde medikamentöse Behandlung zur Unterdrückung der Symptome ist erforderlich. Ferner leidet der Angeklagte infolge seines Wehrdienstes an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Der Angeklagte ist aufgrund bestandskräftiger Verfügung des Regierungspräsidiums Gießen vom 07.03.2019, mit der u.a. der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt, die Wirkung der Feststellung auf 7 Jahre, beginnend ab Ausreise/Abschiebung, befristet, und der Angeklagte zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland, nach Entlassung aus der Strafhaft aufgefordert wurde, vollziehbar ausreisepflichtig, was lediglich durch die derzeit vollzogene Haft suspendiert wird.
II. Suchtmittelkonsum
Der Angeklagte konsumierte bis zu seiner Festnahme am 28.12.2017 gelegentlich Marihuana in nicht näher feststellbarem Ausmaß. Seit der Inhaftierung nahm er keine Betäubungsmittel mehr. Eine Therapie lehnt der Angeklagte vehement ab.
Aus der einbezogenen Vorverurteilung des Landgerichts Limburg/Lahn wurde überdies festgestellt, dass das Landgericht Limburg/Lahn sachverständig beraten von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgesehen hat, weil für die Kammer bereits nicht feststellbar war, in welchem Ausmaß der Angeklagte Betäubungsmittel konsumiert hatte. Einen Hang zum Konsum im Übermaß konnte das zeitnäher entschieden habende Landgericht Limburg/Lahn nicht feststellen.
Weil der Angeklagte vor der hiesigen Kammer keine entgegengesetzten Angaben machte, sondern vielmehr angab, jedenfalls seit seiner Inhaftierung im Jahr 2017 überhaupt keine Betäubungsmittel mehr zu konsumieren, stellte sich keine Notwendigkeit der Anhörung des von der Kammer vorsorglich für einen Folgetermin geladenen psychiatrischen Sachverständigen aus dem Verfahren vor dem Landgericht Limburg nach § 246 a StPO mehr, da eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angesichts dessen und eingedenk seiner weiterhin vehement vertretenen Therapieunwilligkeit sowie des bestandskräftigen ausländerrechtlichen Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen nicht in Betracht kam. Zudem handelt es sich beim Angeklagten um einen in Deutschland nur durchreisenden, ausländischen Betäubungsmittelkurier mit Lebensmittelpunkt in …. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde demgemäß auch von keinem Verfahrensbeteiligten beantragt, § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO.
III. Vorstrafen
Der Angeklagte ist wie folgt strafrechtlich für die hiesige Entscheidung relevant in Erscheinung getreten:
Mit Urteil vom 14.06.2018, rechtskräftig seit 28.11.2018, verurteilte ihn das LG Limburg/Lahn (4 Js 17630/17 5 KLs) wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von 5 Jahren.
Der Verurteilung lag als Sachverhalt zugrunde, dass sich der Angeklagte am 28.12.2017 mit seinem Pkw … mit dem niederländischen Kennzeichen … auf den Weg von den Niederlanden nach Nürnberg begab. Im Pkw des Angeklagten befanden sich – wie er wusste – in einem Versteck zwischen der Rücksitzbank und dem Kofferraum in 36 Einzelpäckchen insgesamt 14.901,0 g (netto) Marihuana mit einem THC-Anteil von 2.089,8 g. Der Angeklagte beabsichtigte, die Betäubungsmittel in Nürnberg dem gesondert Verfolgten A… zu übergeben. Dieser wollte die Betäubungsmittel gewinnbringend weiterverkaufen, wovon auch der Angeklagte ausging. Nachdem der Angeklagte die niederländisch-deutsche Grenze überquert hatte, geriet er gegen 13:45 Uhr auf der Bundesautobahn 3 in Fahrtrichtung Frankfurt am Main, Höhe des Rasthofs Limburg-Nord, in eine verdachtsunabhängige Kontrolle durch Beamte des Hauptzollamtes Gießen. Nachdem diese das Betäubungsmittel im verbauten Versteck entdeckt hatten, wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen.
Zur Strafzumessung hat das Landgericht Limburg/Lahn Folgendes ausgeführt:
„Zugunsten des Angeklagten war der Umstand zu berücksichtigen, dass die Betäubungsmittel, bei denen es sich zudem um sog. „weiche Drogen“ handelt, nicht in den Verkehr gelangt sind, auch wenn dies nicht auf den Verdienst des Angeklagten zurückgeht. Auch ist er als … Staatsangehöriger, der eingeschränkt der deutschen Sprache mächtig ist, hinsichtlich einer Strafverbüßung in Deutschland erhöht haftempfindlich. Zudem ist er strafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Zu seinen Lasten war allerdings die erhebliche Menge des Betäubungsmittels zu berücksichtigen. Das transportierte Betäubungsmittel wies eine Wirkstoffmenge von 2.089,8 Gramm THC auf, womit die nicht geringe Menge um das über 278-fache überschritten ist. Auch war die professionelle Vorgehensweise der Tatbegehung zu sehen, wie sie das in dem, Fahrzeug des Angeklagten befindliche Versteck zeigt. Trotz der für den Angeklagten sprechenden Umstände liegt kein minderschwerer Fall vor. Insbesondere die Menge an Betäubungsmitteln führt in Abwägung mit allen weiteren strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkten dazu, dass das gesamte Tatbild und die Persönlichkeit des Angeklagten jedenfalls nicht hinter den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fällen des §§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zurückbleibt. Im Rahmen einer Gesamtabwägung sämtlicher Umstände hat die Kammer daher keinen minderschweren Fall angenommen. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne innerhalb des so gefundenen Strafrahmens hat die Kammer bei der erneut durchgeführten Gesamtabwägung wiederum insbesondere die bereits obeh genannten Umstände berücksichtigt, welchen auch bei der Frage der Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 BtMG erhebliche Bedeutung zukam.“
Die Freiheitsstrafe ist noch nicht vollständig vollstreckt.
IV. Untersuchungshaft
Der Angeklagte befindet sich seit seiner Festnahme am 28.12.2017 im Verfahren der Staatsanwaltschaft Limburg 4 Js 17630/17 in Untersuchungs- und nachfolgend in Strafhaft. Im vorliegenden Verfahren erließ das Amtsgericht Nürnberg am 13.12.2019 Untersuchungshaftbefehl, der dem Angeklagten am 17.01.2020 eröffnet wurde. Überhaft ist insoweit notiert.
B. Tatsachverhalt
Der Angeklagte war im Zeitraum von Sommer 2017 bis zu seiner Festnahme am 28.12.2017 in einen gewinnbringenden Handel mit Betäubungsmitteln, namentlich Marihuana, Kokain und Amphetamin, in erheblichem Umfang involviert.
Der bislang nicht näher identifizierte, in den Niederlanden befindliche und von dort aus agierende „A…“ verkaufte jedenfalls seit Sommer 2017 Betäubungsmittel an den anderweitig Verfolgten … Ak… und organisierte auch die Transporte der entsprechenden Betäubungsmittel durch Kuriere, unter anderem durch den Angeklagten.
Den einzelnen Kurierfahrten des Angeklagten lagen jeweils gesonderte Betäubungsmittelbestellungen durch Ak… bei „A…“ in den Niederlanden zugrunde, die weder im Bestellvorgang noch in der Bezahlung Überschneidungen aufwiesen. Die angelieferten Betäubungsmittel wurden in der Folge von Ak… – wie von vornherein beabsichtigt – gewinnbringend weiterveräußert und in Umlauf gebracht.
Demgemäß transportierte der Angeklagte die in einem eigens eingebauten Rauschgiftversteck zwischen Rücksitzbank und Kofferraum aufbewahrten Betäubungsmittel, von denen er auch wusste, mittels Pkws jeweils von den Niederlanden über die deutsch-niederländische Grenze zu den vorgegebenen Zielorten. Der Angeklagte belieferte im oben genannten Zeitraum im Zuge dieser Handelstätigkeit bei vierzehn Gelegenheiten Ak… bzw. in den Fällen 1-4 auch den von jenem mit der Entgegennahme beauftragten, gesondert Verfolgten … S…, um „A…“ bei seinem Betäubungsmittelhandel wissentlich und willentlich zu unterstützen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
Tatzeit
Übergabeort
Betäubungsmittel
1
Sommer 2017
… Fürth
4 kg Marihuana
2
Ende Juli 2017
… Fürth
6 kg Marihuana
3
Anfang August 2017
… Nürnberg
7 kg Marihuana
4
Mitte/Ende August 2017
… Nürnberg
6 kg Marihuana
5
September 2017
… Nürnberg
6 kg Marihuana
6
September 2017
… Fürth
7 kg Marihuana, 50 g Kokain
7
September 2017
… Dachau
8 kg Marihuana, 100 g Kokain
8
Anfang Oktober 2017
… Nürnberg
9 kg Marihuana, 100 g Kokain
9
Oktober 2017
… Dachau
8 kg Marihuana, 200 g Kokain
10
Ende Oktober/Anfang November; 2017
… Nürnberg
8 kg Marihuana, 300 g Kokain
11
November 2017
… Nürnberg
8 kg Marihuana
12
Ende November 2017
… Dachau
8 kg Marihuana, 200 g Kokain
13
Ende 2017
… Nürnberg
8 kg Marihuana, 150 g Kokain
14
Anfang Dezember 2017
… Fürth
8 kg Marihuana, 300 g Kokain, 2 kg Amphetamin
Wie der Angeklagte wusste, besaßen weder er noch die weiteren beteiligten Personen die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
Das Marihuana wies mindestens einen Wirkstoffanteil von 5 % Tetrahydrocannabinol, das Kokain mindestens einen Wirkstoffanteil von 20 % Kokainhydrochlorid und das Amphetamin einen Wirkstoffanteil von 10 % Amphetamin-Base auf.
C. Beweiswürdigung
1. Persönliche Verhältnisse
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die sämtlich glaubhaft waren. Die Feststellungen zur einzubeziehenden Vorstrafe sowie zur im Übrigen nicht gegebenen strafrechtlichen Vorbelastung erfolgten durch Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs, welchen der Angeklagte als richtig bestätigte, sowie des Sachverhalts und der Strafzumessungserwägungen im Urteil des Landgerichts Limburg/Lahn.
2. Tatsachverhalt
Der Angeklagte hat sich über seinen Verteidiger zur Sache eingelassen und die ihm vorgeworfenen Taten wie unter Abschnitt B. dargestellt vollumfänglich eingeräumt. Insbesondere wurde eingeräumt, dass die Betäubungsmittel vorsätzlich bereits in den Niederlanden übernommen und sodann in die Bundesrepublik verbracht wurden, um die Betäubungsmittel zur Unterstützung der entsprechenden Betäubungsmitteltaten des nicht näher identifizierten „A…“ an die jeweiligen Übergabeorte zu transportieren.
Die Verteidigererklärung wurde vom Angeklagten ausdrücklich als zutreffend bestätigt.
Die Richtigkeit dieses Geständnisses wurde durch die Kammer überprüft durch die zeugenschaftliche Einvernahme des Ermittlungsführers KHK K… KHK K… berichtete glaubhaft über Anlass, Gang und Ergebnis seiner Ermittlungen. Er schilderte diesbezüglich insbesondere, dass der Ausgangspunkt der Ermittlungen in einem umfassend abgelegten Geständnis des Ak… gelegen habe, welcher in mehreren Vernehmungen zahlreiche Belastungen vorgenommen habe, die unter anderem auch den hiesigen Angeklagten betroffen hätten. Der Zeuge KHK K… gab die Angaben des Zeugen Ak… entsprechend dem von der Kammer festgestellten Tatsachverhalt wieder. Die Angaben des Ak… hinsichtlich sämtlicher von ihm belasteten Personen seien in der Folge überprüft worden und hätten durch andere Personen aus dem Betäubungsmittelmilieu in entsprechenden Beschuldigtenvernehmungen Bestätigung gefunden. Sowohl Ak… als auch der gesondert Verfolgte … S…, der die Betäubungsmittel anfänglich für Ak… in Empfang genommen und weitergegeben habe, hätten den Angeklagten auf entsprechenden Wahllichtbildvorlagen identifiziert, … S… sei sich allerdings nicht zu 100 % sicher gewesen. KHK K… führte weiter aus, dass der Angeklagte am 28.12.2017 bei einer Kontrolle des Hauptzollamts Gießen auf der BAB 3 Höhe Limburg Nord in südlicher Fahrtrichtung kontrolliert worden sei. Dort seien in dem von ihm geführten Pkw in einem professionell eingebauten Schmuggelversteck 15 kg Marihuana sichergestellt worden. Art und Öffnungsmechanismus dieses Verstecks habe dem entsprochen, was zuvor bereits durch die von ihm vernommene anderweitig Verfolgte R…, die einer von Ak… belieferten Gruppierung aus Ingolstadt zugehörig gewesen sei und ein derartiges Versteck auf Vermittlung von Ak… auch in ihrem Fahrzeug habe einbauen lassen, hinsichtlich des Kurierfahrzeugs eines Holländers geäußert worden sei, der Ak… beliefert habe.
Angesichts dieser Ausführungen des Zeugen K… bestand für die Kammer kein Zweifel daran, dass das abgelegte Geständnis des Angeklagten wahrheitsbasiert ist.
D. Rechtliche Würdigung
Damit war der Angeklagte schuldig zu sprechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage I und III zum BtMG, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, 27 Abs. 1, 52, 53 StGB.
E. Strafzumessung
I. Strafzumessungserwägungen
Zugunsten des Angeklagten waren in sämtlichen Fällen seih Geständnis, das insbesondere in Anbetracht dessen, dass die Tatkonkretisierung im Übrigen im Wesentlichen allein von der Belastung Ak… abhing, welche dieser über mehrere Jahre zurückliegende Taten machte und das in einer mittlerweile auch bereits fast zwei Jahre zurückliegenden Vernehmung, auch werthaltig war, und die Tatsache zu berücksichtigen, dass er zu den Tatzeitpunkten nicht vorbestraft war. Ferner wirkte strafmildernd der nicht unerhebliche Zeitablauf seit den Taten. Überdies war der Angeklagte insgesamt gesehen mit einer bloßen Kuriertätigkeit betraut und damit in der Gesamtorganisation von lediglich untergeordneter Bedeutung – wenn auch sein jeweiliger Tatbeitrag des Transports der Betäubungsmittel über eine große Wegstrecke durchaus gefahrgeneigt sowie wesentlich für den Erfolg der Haupttat war und insbesondere auch das – täterschaftliche – Verbrechen der Einfuhr umfasste.
Zudem wirkte strafmildernd, dass (in den Fällen 1-5 und 11 sogar ausschließlich) Marihuana transportiert wurde und dies eine weiche Droge darstellt (BGH 14.08.2018 – 1 StR 323/18, StV 2019, 339 Rn. 4; BGH 12.03.2020 – 4 StR 537/19, BeckRS 2020, 6555 Rn. 11; BGH 19.8.2020 – 2 StR 257/20, NStZ 2021, 54 (55) Rn. 5).
Als ausländischer Inhaftierter mit Lebensmittelpunkt im Ausland hat der Angeklagte zwar ohne persönlichen Kontakt zu seiner Familie in … eine grundsätzlich gesteigerte Haftempfindlichkeit, jedoch ist insofern zu sehen, dass sich der Angeklagte, der im Übrigen die deutsche Sprache gut beherrscht, bewusst lediglich zur Begehung von Straftaten nach Deutschland begeben hat, sodass die Kammer darin bereits keinen maßgeblich mildernden Aspekt erkannt hat. Auf die Frage, ob in (naher) Zukunft sodann sogar eine Abschiebung in … mit entsprechendem Restvollzug erfolgen wird, kommt es mithin nicht an.
Zum Nachteil des Angeklagten war in den Fällen 6-10 und 12-14 zu sehen, dass es sich bei Kokain nach dem maßgeblichen Stufenverhältnis der Rechtsprechung um eine besonders gefährliche Droge handelt (BGH 14.08.2018 – 1 StR 323/18, StV 2019, 339 Rn. 4; BGH 12.03.2020 – 4 StR 537/19, BeckRS 2020, 6555 Rn. 11; BGH 19.8.2020 – 2 StR 257/20, NStZ 2021, 54 (55) Rn. 5).
In jedem der abgeurteilten Fälle verwirklichte der Angeklagte zudem tateinheitlich zwei Verbrechenstatbestände mit gesteigerter krimineller Energie (die Betäubungsmittel waren in einem gesondert im Pkw eingebauten, professionellen Versteck verborgen und der Angeklagte handelte eingebettet in ein organisiertes, professionelles Vorgehen). Überdies wurde angesichts der großen eingeführten und transportierten Menge der Grenzwert zur nicht geringen Menge in jedem Fall ganz erheblich überschritten.
Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar:
Fall 1:
26-fache nicht geringe Menge THC
Fall 2:
40-fache nicht geringe Menge THC
Fall 3:
46-fache nicht geringe Menge THC
Fall 4:
40-fache nicht geringe Menge THC
Fall 5:
40-fache nicht geringe Menge THC
Fall 6:
48-fache nicht geringe Menge (46-fache nicht geringe Menge THC + 2-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 7:
57-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 4-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 8:
64-fache nicht geringe Menge (60-fache nicht geringe Menge THC + 4-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 9:
61-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 8-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 10:
65-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 12-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 11:
53-fache nicht geringe Menge THC
Fall 12:
61-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 8-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 13:
59-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 6-fache nicht geringe Menge KHCI)
Fall 14:
85-fache nicht geringe Menge (53-fache nicht geringe Menge THC + 12-fache nicht geringe Menge KHCI + 20-fache nicht geringe Menge Amphetamin-Base)
Dies hat die Kammer in jedem einzelnen Fall in ganz erheblichem Maße zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. Schließlich werden das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die daraus resultierende Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt (BGH 12.05.2016 – 1 StR 43/16, NStZ-RR 2016, 247 (248); BGH 18.03.2020 – 1 StR 600/19, BeckRS 2020, 9417 Rn. 10).
II. Strafrahmen
Die Kammer hat die Einzelstrafen jeweils dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen.
Minder schwere Fälle nach § 30 Abs. 2 BtMG liegen jeweils nicht vor.
Für die Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles ist eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes einschließlich aller objektiven Momente und der Täterpersönlichkeit erforderlich (BGH 15.03.2017 – 2 StR 294/16, BGHSt 62, 90 = NJW 2017, 2776 (2777) Rn. 13; BGH 21.11.2018 – 2 StR 335/18, NStZ 2020, 45 (46) Rn. 10), wobei es nicht darauf ankommt, ob die ent-/belastenden Umstände der Tat selbst innewohnen, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGH 05.04.2016 – 1 StR 38/16, BeckRS 2016, 9503 Rn. 16; BGH 15.03.2017 – 2 StR 294/16, BGHSt 62, 90 = NJW 2017, 2776 (2777) Rn. 13; BGH 26.04.2017 – 2 StR 506/15, NStZ 2017, 658 (659)).
Gegen die Annahme eines minder schweren Falles in diesem Sinne spricht wesentlich jeweils die immense Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge und die Tatsache, dass der Angeklagte zwei Verbrechenstatbestände in Tateinheit verwirklichte. Nicht übersehen worden sind dabei namentlich sowohl das Geständnis als auch die Tatsache der fehlenden Vorstrafen zum Tatzeitpunkt. Auch die übrigen unter Ziffer I genannten Aspekte hatte die Kammer im Blick.
III. Festsetzung der Einzelstrafen
Unter Berücksichtigung der soeben (Ziff. I.) genannten Strafzumessungserwägungen hat die Kammer in dem jeweils eröffneten Strafrahmen – eingedenk der im Wesentlichen ähnlich verlaufenden Tatstruktur gleichwohl unter besonderer Beachtung der für jeden Einzelfall differenziert zu betrachtenden Gesichtspunkte (namentlich der Art und Menge der eingeführten und transportierten Betäubungsmittel) – folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessen erachtet:
Fall 1:
3 Jahre Freiheitsstrafe,
Fall 2:
3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 3:
3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 4:
3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 5:
3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 6:
3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 7:
4 Jahre Freiheitsstrafe,
Fall 8:
4 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 9:
4 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 10:
4 Jahre 4 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 11:
3 Jahre 8 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 12:
4 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe,
Fall 13:
4 Jahre 1 Monat Freiheitsstrafe,
Fall 14:
4 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe.
IV. Bildung der Gesamtstrafe
Gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist aus den Einzelstrafen sowie aus der gemäß § 55 Abs. 1 StGB heranzuziehenden Einsatzstrafe aus der unter Abschnitt A. III. geschilderten Verurteilung des Landgerichts Limburg/Lahn vom 14.06.2018 unter nochmaliger Berücksichtigung der unter Ziffer I. im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, aber auch der vorstehend in Abschnitt A. I. 3. wiedergegebenen Strafzumessungserwägungen des Landgerichts Limburg/Lahn, auf die jeweils verwiesen wird und denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt, eine
Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren
gebildet worden.
Hierbei stand nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund. Vielmehr waren die Gesamtwürdigung der Person des, Angeklagten, die Anzahl sowie das Ausmaß der begangenen Taten, denen sämtlich eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt, das Verhältnis der Taten zueinander sowie die Auswirkungen der Strafe auf das Leben des Angeklagten maßgebend. Die Kammer hat im Blick gehabt, dass es sich um eine Vielzahl von Taten handelt. Bei der Bildung der Gesamtstrafe wurde aber auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn – wie hier – zwischen den Taten ein erkennbarer zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Insoweit liegt dieser Zusammenhang gerade hinsichtlich der der Verurteilung durch das Landgericht Limburg/Lahn vom 14.06.2018 zugrunde liegenden Tat vor, mit der die Serie der Betäubungsmittelstraftaten ihren Abschluss gefunden hat und bei der die mit Abstand größte Betäubungsmittelmenge transportiert wurde.
F. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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