Aktenzeichen KLs 102 Js 4640/19 jug
StPO § 154a Abs. 2
Leitsatz
1. Das bei der Würdigung einer Aussage anzuwendende methodische Grundprinzip besteht darin, bezüglich eines zu überprüfenden Sachverhalts davon auszugehen, dass die Aussage nicht einem tatsächlichen Geschehensablauf entspreche (sogenannte Nullhypothese). Bei der Prüfung dieser Annahme sind weitere Unterhypothesen zu bilden, aus welchem Grund die auf nicht erlebten Tatsachen beruhende Aussage erfolgt sein könnte. Ergibt diese Prüfstrategie, dass eine Hypothese mit den erhobenen Fakten nicht in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre – also auf einem tatsächlich erlebten Geschehen beruhende – Aussage handelt. (Rn. 137) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Aussageanalyse ist zunächst die Aussage auf Aussagequalität und Konstanz hin zu analysieren. Im Wege der Kompetenzanalyse ist zu prüfen, ob eine gefundene Aussagequalität insbesondere durch eine reine Erfindung erklärbar sein könnte. Das erzielte Ergebnis ist sodann anhand einer Gesamtschau der Aussageentstehung und -entwicklung auf Fehlerquellen zu analysieren. Hierbei ist insbesondere zu überprüfen, ob eine Suggestion in Form einer Fremd- oder Eigensuggestion in Betracht kommt, wobei insbesondere auch Belastungsmotive von Beteiligten oder Dritten abzuklären sind. Schließlich ist im Rahmen der Fehlerquellenanalyse auch eine Prüfung auf Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefehler vorzunehmen. (Rn. 138) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Angeklagte C2. B. ist schuldig des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 12 tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in Tatmehrheit mit Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften.
2. Es wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.
3. Die Einziehung des sichergestellten PC-Tower STRIX, Nr. 1547 …, wird angeordnet.
4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
1. Angewandte Vorschriften:
§§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1, 184b Abs. 3, Abs. 6, 52, 53 StGB.
Gründe
A. Zu den persönlichen Verhältnissen
Der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 33-jährige Angeklagte wurde am …19xx in Aschaffenburg geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger, hat zwei Brüder und zwei Schwestern, wobei er der älteste ist. Er wuchs in Aschaffenburg auf, besuchte dort die Grundschule und anschließend die Hauptschulen in H3 und Großostheim und beendete letztere im Jahr 2004 mit dem Qualifizierten Hauptschulabschluss. Anschließend jobbte er im Lager der Firma … und verblieb dann dort als fester Angestellter für elf Jahre, bis die Firma im Jahr 2008 den hiesigen Standort schloss und der Angeklagte in eine Transfergesellschaft wechselte. Dort war er bis Ende März 2019 für ein monatliches Nettogehalt von 1.400,– EUR tätig. Parallel hierzu absolvierte er eine Fortbildung bei der IHK zur Fachkraft für Lagerlogistik. Ab April 2019 begann der Angeklagte eine Tätigkeit im Vertrieb von Schwimmbädern bei der Firma F. in M2, wobei ein Bruttogehalt von 2.300,– EUR anvisiert war; hierzu kam es jedoch nicht, weil der Angeklagte Mitte April 2019 in hiesiger Sache inhaftiert wurde.
Der Angeklagte lernte im Jahr 2009 die Mutter der Geschädigten, Frau S1 K. – eine Nachbarin seiner Mutter -, kennen. Der Bezug einer gemeinsamen Wohnung in (…) Großostheim erfolgte im Oktober 2010, nachdem er erfahren hatte, dass Frau K., die zwei Kinder in die Beziehung – die hiesige Geschädigte H1. B. (*…2006) und den Zeugen E2. B. (*…2009) – miteinbrachte, schwanger ist. Der Angeklagte ist nach wie vor mit der Mutter der Geschädigten liiert und hat mit dieser ein gemeinsames Kind, die Zeugin L. B. (*…2011).B.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte wurde am 10.04.2019 in hiesiger Sache vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 11.04.2019 aufgrund eines Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts Aschaffenburg vom selben Tage, Gz: 306 Gs 417/19, in der JVA A. in Untersuchungshaft. Zu den Feststellungen zum Tatgeschehen Ziffer 1:
Spätestens ab dem Jahr 2018 kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten zum Nachteil der Geschädigten H1. B. in der Wohnung der Familie, (…) in 6… G2., wobei dem Angeklagten das Alter der Geschädigten bekannt war. Zudem wusste er, dass die Geschädigte die Tochter seiner Lebensgefährtin war, mit der er in eheähnlicher Gemeinschaft lebte. Hierbei kam es konkret zu folgenden sexuellen Übergriffen zum Nachteil der H1 B.:
a) Im Jahr 2018 forderte der Angeklagte das Kind H. B. mindestens einmal im Monat, damit insgesamt mindestens zwölfmal im Schlafzimmer des Angeklagten oder im Schlafzimmer der Geschädigten in der genannten Wohnung der Familie auf, ihn mit der Hand am erigierten Penis bis zum Samenerguss zu befriedigen. Dieser Aufforderung kam das Kind trotz erkennbar entgegenstehendem Willen jeweils nach. b) An einem nicht näher bestimmbaren Abend zwischen dem 04.04.2019 und dem 07.04.2019 lag der Angeklagte mit der 13-jährigen H. B. auf der Couch im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung und schauten einen Film. Anwesend waren auch die Zeugen E2. B. und L. B., die aber auf der anderen Seite des Angeklagten lagen und wegen des Spielfilms von dem folgenden Geschehen nichts bemerkten:
Der Angeklagte forderte von der Geschädigten einen Zungenkuss, was diese jedoch ablehnte. Sodann fasste der Angeklagte mit seiner Hand an den Mund bzw. Kieferbereich der Geschädigten, drückte deren Mund auseinander und zwang sie hierdurch, ihm einen Zungenkuss zu geben. Ihm war hierbei bewusst, dass die Geschädigte dies nur auf Grund der körperlichen Krafteinwirkung des Angeklagten tat und damit nicht einverstanden war.
Die Geschädigte ging daraufhin in ihr Bett ins Kinderzimmer. Der Angeklagte folgte dem Kind. Dort forderte der Angeklagte das Kind sodann auf, bei ihm die Hose zu öffnen. Die Geschädigte kam dem nach. Sodann manipulierte die Geschädigte auf Aufforderung des Angeklagten mit der Hand am erigierten Glied des Angeklagten und nahm auf weitere Aufforderung hin die Penisspitze in den Mund. Der Angeklagte kam zum Samenerguss, wobei er der Geschädigten zum Teil in den Mund, zum Teil auf den Boden ejakulierte. Die Geschädigte spuckte daraufhin angewidert das in ihren Mund gelangte Sperma auf das Bett.
Ziffer 2:
C.
Am 29.05.2019 hatte der Angeklagte auf seinem PC Tower STRIX in der Wohnung (…), 6… G2. vier Filmdarstellungen nicht nur vorübergehend gespeichert, welche, wie der Angeklagte wusste, zehn- bis dreizehnjährige Mädchen überwiegend unter der Zurschaustellung der nackten Brüste bzw. des nackten Genitalbereichs und bei der Vornahme sexueller Handlungen, wie beispielsweise Durchführung des Oralverkehrs oder der vaginalen Selbstbefriedigung, zeigen. Diese Filmdarstellungen hatte der Angeklagte wissentlich und willentlich auf seinem genannten PC gespeichert. Zur Beweiswürdigung Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten in öffentlicher Verhandlung. Der Angeklagte hat hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Handlungen die Tat bestritten und sich nicht weiter zum Sachverhalt eingelassen. Er ist aber aufgrund der nachfolgenden Beweismittel als überführt anzusehen.
I. Zu den Ausführungen der Zeugen
1. Zu den Angaben des Zeugen KHK A.
Der Zeuge KHK A., polizeilicher Sachbearbeiter im vorliegenden Verfahren, gab an, dass er am 09.04.2019 informiert worden sei, dass die Zeugin K., Mutter der hier geschädigten H1 B., an der Polizeiwache sei und Anzeige gegen den hiesigen Angeklagten wegen Missbrauchs der Tochter erstatten wolle. Vorausgegangen war dem, dass sich die Geschädigte H1. B. dem Vertrauenslehrer an ihrer Schule, dem Zeugen B., anvertraut habe und dieser sodann das Jugendamt bzw. die Mutter kontaktiert habe. Die Mutter der Geschädigten gab an, dass bereits etwa ein Jahr vorher die Tochter sie bereits darüber informiert habe, dass er Angeklagte sie „unsittlich berühre“ – sie habe damals ihren Partner, den Angeklagten, hierauf angesprochen, der dies bestritten habe und die Sache habe sich dann erledigt.
Nach der Vernehmung der Zeugin K. habe der polizeiliche Sachbearbeiter sodann Kontakt zum Jugendamt, zur zuständigen Frau S., aufgenommen. Frau S., die von Herrn B. hinzugerufen worden war, habe mit der H. B. ein Gespräch geführt und darin habe diese von sexuellen Übergriffen berichtet. Diese sexuellen Übergriffe hätten darin bestanden, dass die Geschädigte dem Angeklagten öfters „einen runterholen“ musste und augenscheinlich diese auch Oralverkehr durchführen sollte, wozu es aber – so die Geschädigte H1. B. gegenüber der Zeugin S. – nicht gekommen sei.
Anschließend sei auch der Zeuge B. sowie die Schulfreundin der Geschädigten, die Zeugin S2. P., vernommen worden. Die Zeugin P. habe angegeben, dass sie die Geschädigte auf ihr Verhalten angesprochen, diese sich im Laufe des Schultages geöffnet habe und man dann am Ende des Schultages zu dem Zeugen B. gegangen sei.
In der Folge sei die Geschädigte H1. B. dann auf der Dienststelle vernommen worden und habe ausführliche Angaben gemacht. Konkret habe sie angegeben, dass sie bereits seit der 1. Jahrgangsstufe von dem Angeklagten belästigt werde und es in diesem Zeitraum auch einen Versuch des vaginalen Eindringens gegeben habe, den sie aber habe abwehren können. Sie habe ihm aber öfters einen runterholen müssen. Vier Wochen vor der Anzeigenerstattung, so die Geschädigte H1. B. in ihrer ersten Videovernehmung, habe es das erste Mal Oralverkehr im Schlafzimmer ihrer Mutter und des Angeklagten gegeben. Der zweite Oralverkehr sei in der Woche vor der Anzeige, wohl am Freitag dem 05.04.2019, gewesen. Die Mutter habe gearbeitet und der Angeklagte, die Geschädigte sowie die Zeugen E2. B. und L. B. hätten auf dem Sofa gesessen und einen Spielfilm angeschaut. H. habe – weil der Angeklagte es immer gewollt habe – neben dem Angeklagten liegen müssen. Er habe sie aufgefordert ihm einen Zungenkuss zu geben, das habe sie nicht gemacht, weshalb er ihr die Wangen eingedrückt und so den Zungenkuss erzwungen habe. Sie sei dann in ihr Zimmer gegangen und er sei ihr gefolgt. Er habe sich dann zu ihr ins Bett gelegt, sei dann aufgestanden und habe den Oralverkehr mit ihr gewollt. Dabei habe er der Geschädigten die Spitze des Penis in den Mund eingeführt und auch, zumindest zum Teil, in den Mund ejakuliert. Das Sperma habe sie dann aufs Bett gespuckt, weiteres Sperma vom Angeklagten sei auf dem Bett, bzw. auf dem Boden davor gelandet.
Im Anschluss an die Vernehmung der Geschädigten B. sei eine Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten und auch dessen vorläufige Festnahme veranlasst worden. Im Rahmen der Durchsuchung sei auch ein Leichensuchhund eingeschaltet gewesen, der auch auf menschliche Sekrete trainiert sei. Dieser habe auf dem Laminatboden vor dem Bett der Geschädigten sowie auf dem Bett und im Bereich des Kopfkissens angeschlagen. In der Folge seien dann Abriebe nach DNA vorgenommen worden und die weiteren Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich bei dem Abrieb am Kopfkissen um Sperma handelte und die darin enthaltene DNA mit der DNA des Angeklagten übereinstimme. Der Abrieb auf dem Boden vor dem Bett, dort wo der Suchhund angeschlagen hatte und dort wie es auch die Geschädigte B. gezeigt hatte, sei ebenfalls Sperma festgestellt worden, jedoch sei die Menge für eine DNA-Untersuchung zu wenig gewesen.
Im Zuge der ermittlungsrichterlich angeordneten Briefkontrolle sei dann festgestellt worden, dass augenscheinlich Nachrichten ausgetauscht wurden mit dem Zweck, das gewisse gespeicherte Daten überprüft werden sollen. Im Hinblick darauf wurde sodann am 29.05.2019 ein weiterer Durchsuchungsbeschluss vollzogen, aufgrund dessen der Computer des Angeklagten und der Computer der Lebensgefährtin sichergestellt wurde. Die PCs wurden dann zum Sachverständigenbüro G. übersandt und auf dem PC des Angeklagten wurden sodann Videos mit kinderpornografischem Inhalt, aber auch eine THC-Plantage oder den Angeklagten bzw. dessen Lebensgefährtin mit Kriegswaffen posierend zeigende Bilder, festgestellt.
Am Abend der Durchsuchung am 29.05.2019 sei dann die Geschädigte H1. B. bei der Dienststelle erschienen und habe erklärt, dass sie ihre Anzeige zurücknehmen wolle. Es sei alles erlogen gewesen, was sie bisher gesagt habe und sie habe in den letzten Tagen mit ihrer Mutter und ihrer Tante mehrfach gesprochen und sei von diesen befragt worden. Diese hätten ihr gesagt, dass – wenn sie gelogen habe – sie das jetzt noch richtigstellen könne. Die Geschädigte sei jedoch vom Kriminaldauerdienst aufgrund ihrer Minderjährigkeit nicht vernommen, sondern nach Großostheim zurückgefahren worden. Diese Angaben, dass alles erlogen sei, habe sie später wieder revidiert. Augenscheinlich habe die Geschädigte H1. B. – so der Eindruck des Zeugen A. – einfach nur gewollt, dass ihre Mutter wieder mit ihr rede. Am 03.06.2019 habe sich die Mutter der Geschädigten, die Zeugin S3. K. telefonisch gemeldet und nochmals mitgeteilt, dass die Anzeige zurückgenommen werde, weil sie bei der Polizei unter Druck gesetzt worden sei. Ihr sei dann mitgeteilt worden, dass dies bei dem hier dem Angeklagten zur Last liegenden Delikt nicht so einfach möglich sei und gegebenenfalls eine weitere Vernehmung erfolgen werde.
Nach der Festnahme des Angeklagten habe die Kindsmutter ein Mobiltelefon der Tochter, Marke Samsung, bei der Polizei vorbeigebracht und mitgeteilt, dass die H1 B. in der Vergangenheit Pornofilme angeschaut habe und sie sich auch im Internet kundig gemacht habe, wie sie ihren Stiefvater fertig machen könne. Auch ein älteres Mobiltelefon der Geschädigten, Marke LG, habe die Polizei erhalten.
2. Zu den Angaben des Zeugen KHK A.
Der Zeuge KHK A. berichtete, bei der Vernehmung der Geschädigten H1. B. am 10.04.2019, die zwischen 11:07 und 12:03 Uhr stattfand, anwesend gewesen zu sein. Die Vernehmung sei im Wesentlichen durch die Kollegin KHMin L. erfolgt. Während der Vernehmung habe sich die Mutter der Geschädigten in der Besucherecke befunden. Gegenüber den Polizeibeamten habe das Kind einen offenen Eindruck gemacht und die Tathandlung frei und ohne Belastungseifer geschildert. Bei der polizeilichen Vernehmung der Geschädigten sei aufgefallen, dass diese sich zwei- bis dreimal insoweit in Widersprüche verwickelte, dass sie gegenüber dem Jugendamt behauptet habe, dass kein Oralverkehr stattgefunden habe, während sie in der Vernehmung dann angab, es habe zweimal Oralverkehr stattgefunden. Auch dieser Widerspruch könne aber auch mit einer bei einer 13-jährigen Zeugin erwartbaren anfänglichen Scheu erklärt werden. Auch nicht ganz eindeutig war der Beginn der Übergriffe; die Geschädigte schilderte, dass der Missbrauch seit fünf Jahren stattfinde. Auch hinsichtlich der Häufigkeit waren die Angaben nicht ganz klar und die Angaben der Geschädigten (ein- bis zweimal pro Woche) hätten vage gewirkt.
Konkrete Schilderungen habe die Zeugin hinsichtlich eines Übergriffs mutmaßlich am 05.04.2019 gemacht und angegeben, dass der Angeklagte auf der Couch habe Kuscheln wollen, was sie aber nicht gewollt habe und ihre Geschwister bei dieser Situation aufgrund des Filmschauens dies nicht mitbekommen hätten. In der Folge habe sich der Angeklagte mit Gewalt – durch Drücken auf die Wangen – einen Zungenkuss erzwungen. Sie sei dann in ihr eigenes Zimmer gegangen, wo er ihr gefolgt sei und dort sei es zu sexuellen Übergriffen gekommen. Zunächst habe er sie aufgefordert ihm einen „runterzuholen“, was sie gemacht habe. Dann habe er gesagt, sie solle ihn „lutschen“ woraufhin sie dann die Spitze des Penis in den Mund genommen habe und der Angeklagte zum Samenerguss gekommen sei, welcher sich in ihren Mund, bzw. auf den Boden ergossen habe. Die Zeugin habe angegeben, dass das Sperma auf ihr Bett gelangt sei, wo ihre Bettwäsche noch liege. Zu sonstigen sexuellen Übergriffen habe die Geschädigte gesagt, dass das „runterholen“ mit der Hand in „seinem Zimmer“ – damit habe sie das (stief-)elterliche Schlafzimmer gemeint – öfters stattgefunden habe. Auch habe zweimal Oralverkehr, wovon der eine beschriebene Vorfall der am 05.04.2019 sei, stattgefunden.
3. Zu den Angaben des KHK B.
Der Zeuge KHK B. berichtete, dass er zusammen mit seinem Kollegen, dem Zeugen A., in die Schule der Geschädigten gefahren sei, um dort die Schuldfreundin der Geschädigten, die Zeugin S2. P., zu vernehmen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch die Mutter der Sina P. vor Ort gewesen. Die Zeugin P. beschreibt der Zeuge KHK B. als altersgemäß entwickelt und einen vernünftigen, einsichtigen Eindruck machend. Die Zeugin P. habe bei der ersten Vernehmung berichtet, dass die Geschädigte H1. B. an dem Schultag geweint habe und traurig gewesen sei. Sie habe daraufhin nachgefragt und die Geschädigte habe erst nach und nach rausgerückt, um was es gehe. Dann sei man zum Vertrauenslehrer gegangen und dort habe die H. B. gesagt, dass „er“ sie „anfasse“. Weitere Details seien nicht genannt worden.
Darüber hinaus gab der Zeuge KHK B. an, zusammen mit dem Zeugen H. an der Festnahme des Angeklagten beteiligt gewesen zu sein. Der Zeuge B. gab an, dass bei der Festnahme eine unübersichtliche und grundaggressive Stimmung geherrscht habe; der Angeklagte sei als Beschuldigter belehrt worden. Auf der Fahrt zur Dienststelle bzw. auf der Dienststelle habe der Angeklagte generelles Unverständnis gegenüber den Organisationen des Staates der Bundesrepublik Deutschland geäußert und wortwörtlich angegeben „während draußen Pädophile und Kinderficker rumlaufen wird der Besitz von Cannabis bestraft“ bzw. „schauen sie mich an, sehe ich aus wie ein Kinderficker‘?“.
4. Zu den Angaben des Zeugen E2. B.
Der minderjährige Zeuge E2. B., dessen Angaben im Rahmen der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 05.06.2019, 13:51 bis 14:05 Uhr, welche mit Bild- und Tonträger aufgezeichnet wurde, in der Hauptverhandlung abgespielt wurde, gab an, dass er bzw. seine Schwester L. von dem Angeklagten gelegentlich auf die Wangen geschlagen wurden, wenn deren schulischer Einsatz aus Sicht des Angeklagten nicht passte.
Zu konkreten sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten konnte der Zeuge keine Angaben machen. Hinsichtlich des Schauens von Filmen im Wohnzimmer gab der Zeuge E2. B. an, dass der Angeklagte beim Fernsehschauen immer auf seinem Sessel saß, während die anderen auf der Couch saßen.
5. Zu den Angaben der Zeugin L. B.
Die minderjährige Zeugin L. B., deren ermittlungsrichterliche Vernehmung vom 05.06.2019 von 14:24 bis 14:52 Uhr, welche mit Bild- und Tonträger aufgezeichnet wurde, in der Hauptverhandlung abgespielt wurde, gab an, dass sämtliche Kinder vom Angeklagten gelegentlich bis öfters geschlagen wurden. Zu sexuellen Übergriffen konnte die Zeugin dagegen keine Angaben machen, gab aber an, dass wenn man zusammen im Wohnzimmer TV schaue, man zusammen die Couch aufklappt und sich dann gemeinsam – auch der Angeklagte – auf die Couch legte.
Auch gab die Zeugin L. B. an, dass der Angeklagte die Schwester der Zeugin, d. h. die Geschädigte H1. B., „zwinge“, sich immer neben ihn zu legen und immer wolle, dass die Geschädigte ihm ein Küsschen gibt, wobei sich dann auch die Lippen berühren, was die H1 B. aber nicht möge. Es komme insoweit öfters vor, dass der Angeklagte gesagt habe, dass die H1 herkommen und ihm ein Küsschen geben solle, woraufhin diese sich dann „nervig“ umdrehe und es dann „Stress“ gäbe. Der Angeklagte wolle, dass sich die H. daran gewöhnt, ihm auch „freiwillig“ ein Küsschen zu geben.
6. Zu den Angaben des Zeugen PHM B.
Der Zeuge PHM B1 gab an, als Diensthundeführer mit dem Hund „A2“, den er seit sechs Jahren zu dienstlichen Zwecken einsetzt, die Wohnung des Angeklagten abgesucht zu haben. Bei dem Hund handele es sich um einen Spürhund, der auf Leichenteile, aber auch menschliche Sekrete, wie Sperma- und Blutspuren spezialisiert sei, die er auch in Kleinstmengen finde. Die Suche habe im Kinderzimmer begonnen und der Hund habe eine Stelle am Boden sowie im Bereich des Kopfkissens angezeigt, worauf dann ein DNA-Spurenabrieb genommen wurde. Die sonstigen Zimmer seien ohne Befund gewesen, wobei der Zeuge angab, dass das Fehlen eines Anzeigens durch den Hund, nicht bedeute, dass dort tatsächlich keine Spuren seien.
Mit dem Zeugen PHM B. wurden Lichtbilder in Augenschein genommen, die zeigen, wie der Hund sich im Zimmer der Geschädigten H1. B. befindet und dieses absucht.
7. Zu den Angaben des Zeugen KOM F.
Der Zeuge KOM F. gab an, dass er am 29.05.2019 Dienst auf der Wache geschoben habe und die 13-jährige Geschädigte erschienen sei und angekündigt habe, ihre Aussage zurückziehen zu wollen. Ihr sei zuletzt mehrfach von ihrer Mutter und ihrer Tante gesagt worden, dass sie ihre Angaben jetzt noch zurückziehen könne. Sie sei nun alleine mit dem Bus und ohne Wissen ihrer Familie zur Dienststelle gefahren sei.
Hierauf sei ihr entgegnet worden, dass man sie als Minderjährige nicht ohne Beistand vernehmen könne. In der Folge sei die Geschädigte dann zur Wohnung gefahren worden, dort habe die Geschädigte in Anwesenheit ihrer Mutter angegeben, dass es ihr „leid tue“, dass sie „gelogen“ habe. Sie „möge den Stiefvater nicht“. Daraufhin sei ihr von ihrer Mutter gut zugesprochen worden. Gegenüber den Beamten habe die Mutter gesagt, dass die H1 sich im Internet informiert habe, wie sie ihren Stiefvater schädigen könne. Als die Mutter dies den Beamten sagte, habe H1 B. eingeschüchtert und zurückgezogen gewirkt.
8. Zu den Angaben des Zeugen KHM H.
Der Zeuge KHM H. gab an, dass er das Smartphone Samsung der Geschädigten forensisch gesichert und auch händisch geprüft habe. Weder die Kontaktdaten noch die Inhalte auf dem WhatsApp-Messenger seien verfahrensrelevant gewesen. Den Verlauf der Internetseiten habe der Zeuge nicht durchgeschaut.
9. Zu den Angaben des Zeugen KHK H.
Der Zeuge KHK H. gab an, am Tag der Festnahme zusammen mit dem Zeugen KHK B. den Angeklagten festgenommen zu haben. Bei der Festnahme bzw. auf der Fahrt zur Dienststelle habe der Angeklagte stumpf bzw. provokant gewirkt und geäußert, die Polizeibeamten seien „Marionetten des Staates“.
Bei der Sicherstellung der beiden Computer am 29.05.2019 sei die Stimmung sehr hitzig gewesen und es habe wütende Proteste der anwesenden Verwandtschaft gegeben. Am Abend dieses 29.05.2019 sei dann die H1 B. auf der Dienststelle erschienen und habe ihre Aussage zurückgezogen.
10. Zu den Angaben der Zeugin KHMin K.
Die Zeugin K. bestätigte ebenfalls die hitzige Stimmung im Rahmen der Beschlagnahme der Computer.
11. Zu den Angaben der Zeugin S3. K.
Die Zeugin S3. K., Mutter der Geschädigten H1. B. und Lebensgefährtin des Angeklagten, gab an, dass die Trennung zum leiblichen Vater der H. B. im Jahr 2008 erfolgt sei und sie den Angeklagten im Jahr 2009 kennengelernt habe. Ein Kontakt der H. B. zu ihrem leiblichen Vater bestehe zur Zeit nicht. Sie arbeite seit dem Jahr 2015 in einem Lager in K. im Dreischichtbetrieb. Der Angeklagte sei so etwas wie eine Vertrauensperson für die Geschädigte gewesen. Sie habe die Geschädigte etwa im Alter von 11 Jahren aufgeklärt, in diesem Zeitraum habe es auch den ersten Freund der Geschädigten gegeben, Geschlechtsverkehr sei aber insoweit kein Thema gewesen. Man habe im Wohnzimmer eine Art Heimkinoanlage dahingehend, dass die Filme von einem Beamer auf eine Wand geworfen werden, es im Raum dunkel sei und die ganze Familie sich dann auf die Couch lege und den Film anschaue. Es komme aber auch vor, dass der Angeklagte auf seinem Sessel saß.
Von den hiesigen Vorwürfen habe sie Kenntnis erlangt, als sie sich für die Arbeit fertig machte und ein Lehrer der Schule der H1 B. anrief. Dieser habe mitgeteilt, dass es der Geschädigten nicht gut gehe und sie zur Schule kommen solle. Sie, die Zeugin K., habe daraufhin Panik bekommen und sei hingefahren. Das Jugendamt sei bereits verständigt gewesen und sei kurze Zeit nach ihr eingetroffen. Es habe ein Gespräch an der Schule gegeben und sie habe dann schließlich der Inobhutnahme der H1 B. durch das Jugendamt zugestimmt und die Anzeigen bei der Polizei gemacht, weil sie „vom Jugendamt bedroht“ worden sei: Die Vertreterin des Jugendamtes, Frau S., habe ihr mitgeteilt, dass sie die Inobhutsnahme unterschreiben und zur Polizei kommen müsse oder das Jugendamt werde ihr alle Kinder wegnehmen und so habe sie nur eins weggeben müssen.
Nach der Anzeige habe sie ihrer Tochter angeboten, dass diese mit ihr sprechen könne, hierauf sei die Geschädigte aber nicht eingegangen. Am 21.05.2019 habe sie die H1 B. von den Pflegeeltern abgeholt, da die H. nach Hause wollte. Sie habe der ganzen Familie eine Mitteilung geschrieben, dass niemand mit der H1 sprechen solle und selbige nie alleine gelassen. Am 19.06.2019 habe sie erstmals mit ihrer Tochter zur Sache gesprochen. Bei diesem Gespräch habe die H. B. ihr, der Zeugin gesagt, dass er in ihrem Mund „gekommen sei“ und sie das nicht gewollt habe. Auch habe sie den Angeklagten küssen müssen. Als die H. B. dies der Zeugin erzählte, habe die Geschädigte dreckig gelacht. Danach habe sie der Geschädigten nicht mehr geglaubt und diese seit Juni 2019 bei dem Jugendamt abgegeben; Kontakt bestehe seitdem nicht mehr.
Bereits vor einigen Jahren, die Geschädigte dürfte damals etwa 8 Jahre alt gewesen sein, habe diese bereits der Zeugin erzählt, dass der Angeklagte die Geschädigte zwischen den Beinen anfasse, woraufhin sie den Angeklagten angesprochen und der dies abgestritten habe. Die Sache sei dann nicht mehr thematisiert worden, nachdem die Geschädigte ein eigenes Zimmer sowie einen Schlüssel für die Zimmertür bekommen habe. Ihr sei in den letzten vier Jahren vor der Anzeigeerstattung aufgefallen, dass die Geschädigte auf ihrem Mobiltelefon LG Pornofilme geschaut oder nach der Thematik „wie kann ich meinen Stiefvater beschuldigten“ im Internet gesurft habe. Auch habe die Geschädigte auf ihrem neueren Mobiltelefon Samsung alle Nachrichten ab dem 15.04.2019 gelöscht und behauptet, der Angeklagte habe dies getan. Insgesamt sei die H. „sehr klug“, fast schon wie eine erwachsene Frau und habe bereits versucht, den Angeklagten und sie, die Zeugin K., gegeneinander aufzubringen.
An dem Tag, an dem die Computer von der Polizei mitgenommen wurden (29.05.2019, Anm. d. Gerichts) sei die H1 erst gegen 17.00 Uhr von der Schule gekommen und habe von dem ganzen Vorfall nichts mitbekommen. Die Zeugin habe sich dann hingelegt und erst später gemerkt, dass die H. zwischenzeitlich zur Polizei gegangen sei, nachdem diese mit den Polizisten wieder in der Wohnung stand. Im Vorfeld habe sie der Geschädigten einmal gesagt, dass sie die ganze Geschichte richtigstellen solle, wenn sie lüge.
Sie könne angeben, dass sie bereits überall in der Wohnung, außer in der Küche, mit dem Angeklagten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Sie habe bei der Polizei zwar gesagt, dass sie ausschließen könne, dass sie im Kinderzimmer der H1 B. Geschlechtsverkehr gehabt habe, dies sei aber gelogen gewesen. Anfang des Jahres 2019, wohl im Januar, sei es zum Geschlechtsverkehr mitten im Zimmer gekommen. Hier sei es allerdings nicht zu einem Samenerguss gekommen.
Sie selbst, so die Zeugin K., habe niemals Kinderpornografie auf den Computer heruntergeladen. Sie sei auch nicht psychisch krank, sondern nur einmal in der Vergangenheit bereits psychiatrisch in Behandlung gewesen.
12. Zu den Angaben der Zeugin S.
Die Zeugin S. gab an, dass sie als Mitarbeiterin des Jugendamtes am 09.04.2019 vom Jugendsozialarbeiter B. der Schule der H. B. angerufen worden sei. Dieser habe berichtet, dass die H. sich geöffnet habe, dass sie in der Vergangenheit sexuell belästigt worden sei und nicht mehr nachhause wolle. Beim Eintreffen des Jugendamtes sei die Kindsmutter bereits vor Ort gewesen und die Zeugin habe ein kurzes Gespräch mit der H. geführt. Diese habe daraufhin angegeben, dass der Angeklagte seit fünf bis sechs Jahren versuche, sie anzufassen, wenn die Mutter nicht da sei und Dinge tue, die sie nicht wolle. Der Angeklagte versuche, sie im Bereich der Vagina anzufassen, wolle Kuscheln, sie habe dem Angeklagten „mehrmals einen runterholen“ müssen und er wolle auch, dass sie ihn oral befriedige, zu letzterem sei es jedoch noch nicht gekommen.
Der Zeugin sei bewusst, dass die Geschädigte zu einem späteren Zeitpunkt betreffend des Oralverkehrs weitergehende Angaben gemacht habe, jedoch sei es bei der Erstbefragung durch das Jugendamt nicht ungewöhnlich, dass die Geschädigten eher restriktive Angaben machen und noch nicht mit allem herausrücken. Der letzte Vorfall, so die Geschädigte gegenüber der Zeugin sei wohl am Freitag, den 05.04.2019 gewesen. Die Geschädigte habe angegeben, dass sie Angst habe, nachhause zu kommen. Nach einem kurzen Gespräch zwischen Herrn B., der Kindsmutter und der Zeugin habe die Kindsmutter – die überfordert und geschockt gewirkt habe – angegeben, dass die H. bereits vor etwa einem Jahr von Übergriffen berichtet habe. Dies habe der Angeklagte jedoch verneint und dann sei die Sache damals erledigt gewesen. Die Kindsmutter wusste nicht, wie es weitergehen solle, woraufhin die Zeugin angeregt habe, die H. aus der Schusslinie zu nehmen und die Mutter habe daraufhin einer Inobhutnahme zugestimmt. Die Zeugin S. habe zu keinem Zeitpunkt die Zeugin K. dazu gezwungen, einer Inobhutnahme der H. B. durch das Jugendamt zuzustimmen.
Während die Kindsmutter anfangs noch versicherte, dass sie eine neue Wohnung für sich und ihre Kinder suche, habe sie sich im weiteren Verlauf geweigert, die zunächst in Obhut genommene H. zurückzunehmen, weshalb die H. zunächst weitere Zeit im Kinderheim in A. blieb.
13. Zu den Angaben der Zeugin A3. S.
Die Zeugin A3. S., Tante der Geschädigte und Schwester der Kindsmutter K. gab an, dass sie einmal die H. beim Jugendamt abgeholt habe und man dann eine Stunde im M1 verbracht habe, wo man sich unterhalten habe. Im Laufe des Gesprächs habe sie die Geschädigte gefragt, was los sei, woraufhin die Geschädigte nur wenig gesagt habe. Die Zeugin habe dann der Geschädigten gesagt, dass alles geklärt werde und Spuren genommen worden seien. Sie hätten auch darüber geredet, wie lange die H. noch im Kinderheim bleiben müsse.
Im Laufe des Gesprächs habe die Geschädigte gegenüber der Zeugin angegeben, dass sie manchmal weinen und dann auf einmal lachen müsse. Die Zeugin S. gab hierzu in der Hauptverhandlung an: „Da war mir klar, dass sie eine Geschichte erzählt. Sie zeigte keine Regungen, war nicht traurig.“ Über Details habe man nicht gesprochen, die Zeugin habe die H. auch gefragt, ob die Vorwürfe richtig seien. Die Geschädigte habe nur gesagt: „Ja, das hat er gemacht“. Die Zeugin gab an, dass sie selber drei Kinder habe und wisse, wann jemand Lügen erzählt. Sie habe deshalb der Geschädigten nicht geglaubt. In der Folge habe sie der Kindsmutter mitgeteilt, dass sie der H. nicht glaube. Sie sei sich auch nicht ganz über die Rolle der Mutter der Geschädigten im Klaren, insgesamt sei da etwas „faul“.
14. Zu den Angaben der Zeugin S2. P.
Die Zeugin S2. P., Schulfreundin der Geschädigten H1. B., gab an, dass die Geschädigte im April 2019 in der Schule in der ersten oder zweiten Pause geweint habe und sie habe gemerkt, dass es der Geschädigten nicht gut gehe. Sie hat die Geschädigte angesprochen und die Geschädigte habe erst nichts sagen wollen. Sie habe dann noch mal die Geschädigte gefragt, ob sie Hilfe brauche und letztlich habe man sich dann entschieden, zum Vertrauenslehrer zu gehen. Sie, die Zeugin P., habe zunächst gar nicht gewusst, worum es ging.
Bevor sie dann beim Vertrauenslehrer waren, habe die H. ihr noch mitgeteilt, dass ihr Stiefvater sie anfasse, wo sie es nicht möge. Mehr habe sie insoweit nicht gesagt.
Bei dem Gespräch bei dem Vertrauenslehrer B. sei sie dann zunächst dabei gewesen und die H. habe das noch mal so beschrieben. Die H. B. habe gesagt, sie sei an ihrem Geschlechtsteil und an der Brust angefasst worden. Das letzte Mal, wo der Stiefvater die Geschädigte angefasst habe, sei noch nicht lange her gewesen, sie glaube etwa eine Woche vorher. Im Laufe des Gespräches mit Herrn B. habe sie dann den Raum verlassen.
15. Zu den Angaben der Zeugin KHMin L.
Die Zeugin L. gab an, dass sie bei der ersten polizeilichen Vernehmung der Geschädigten anwesend gewesen sei. Die Geschädigte habe auf die Zeugin einen eingeschüchterten und nervösen Eindruck gemacht. Ihre Angaben seien jedoch schlüssig gewesen.
Die Geschädigte habe bei der Vernehmung angegeben, dass bereits in der ersten Jahrgangsstufe der Geschädigten der Angeklagte versucht habe, vaginal in sie einzudringen, was die Geschädigte jedoch habe abwehren können. In den vergangenen fünf Jahren habe der Angeklagte immer wieder die Geschädigte aufgefordert, ihn bis zum Samenerguss mit der Hand zu befriedigen. Etwa vier Wochen vor der Anzeige sei das erste Mal ein Oralverkehr erfolgt.
Der letzte Vorfall sei eine Woche vor der Anzeigeerstattung gewesen: Sie sei mit ihren Geschwistern mit dem Angeklagten auf der Couch im Wohnzimmer gewesen und hätten Fernsehen geschaut. Die Geschädigte habe neben dem Angeklagten liegen müssen und dieser habe sie aufgefordert, dass sie seien Penis anfasst, was sie aber nicht wollte. Er habe dann gesagt, dass nur Kuscheln auf der Couch ausreiche und dann mit einem Griff an die Wangen einen Zungenkuss erzwungen. Ihre Geschwister hätten TV geschaut und von der ganzen Sache nichts mitbekommen. Sie sei schließlich ins Kinderzimmer gegangen, er sei ihr hinterhergegangen und habe sie aufgefordert, dass sie seinen Penis anfassen solle. Sie habe den Penis mit der Spitze in den Mund genommen, woraufhin der Angeklagte sofort ejakuliert habe und das Sperma sowohl in den Mund als auch auf das Bett und den Boden gelangt sei.
Nach der Durchführung der Vernehmung der Zeugin B. sei eine Wohnungsdurchsuchung mit Spürhund bei dem Angeklagten durchgeführt worden. Dieser auf Spermaspuren abgerichtete Hund habe Spuren angezeigt. In einer weiteren Vernehmung habe die Zeugin L. dann die Kindsmutter K. gefragt, ob im Kinderzimmer der H. B. schon einmal Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten und der Kindsmutter stattgefunden habe. Sie habe hierauf entgegnet: „Nein, das kann ich ausschließen“.
Die Geschädigte habe angegeben, dass sie öfters den Angeklagten mit der Hand habe befriedigen müssen, wenn die Mutter auf Arbeit war. Die Geschädigte habe auch berichtet, dass sie bereits in der Vergangenheit mal der Mutter von solchen Übergriffen erzählt habe. Zur Häufigkeit habe die Geschädigte angegeben, dass die händische Befriedigung des Angeklagten etwa zweimal pro Woche stattfand, abhängig von Arbeitszeit der Mutter. Der erste Oralverkehr habe im elterlichen Schlafzimmer stattgefunden. Weitere sexuelle Erfahrung habe die Geschädigte nicht.
16. Zu den Angaben des Zeugen K.
Der Zeuge K., Mitarbeiter der KPI A., gab an, dass er das Mobiltelefon Samsung ausgewertet habe. Man habe die Verläufe überprüft und ein Verfahrensbezug hier nicht feststellen können. Internetseiten, die Auskunft geben, wie man den Stiefvater beschuldigt oder pornographische Inhalte zeigen, seien retrograd bis Oktober 2018 nicht festgestellt worden. Auch die von dem Nutzer eingegebene Suchanfragen retrograd bis Anfang Januar 2019 hätten keinen Verfahrensbezug ergeben. Auch Chat-Verläufe bei WhatsApp seien überprüft worden. Hier seien ebenfalls keine verfahrensrelevanten Umstände zutage getreten.
17. Zu den Angaben des Zeugen B.
Der Zeuge B., Sozialarbeiter in der Schule, welche die Geschädigte im April 2019 besuchte, sagte aus, dass die zwei Mädchen (P. und B.) ihn nach einem Termin gefragt hätten und er dann mit diesen gesprochen habe. Er habe sie gefragt, was los sei und da sei dann klar geworden, dass die Sache wohl etwas schwieriger sei als sonst.
Die Geschädigte habe angegeben, dass sie von ihrem Stiefvater angefasst werde, wenn ihre Mutter auf Spätschicht sei. Es sei schnell deutlich geworden, dass es um familiäre Angelegenheiten ginge und die Mädchen augenscheinlich Probleme hatten, sich dem Zeugen als Mann zu öffnen. Daraufhin habe der Zeuge das Jugendamt kontaktiert und die H. habe gesagt, dass sie mit einer Frau sprechen wolle. Der letzte Vorfall soll etwa eine Woche vor diesem Gespräch gewesen sein. Beim Jugendamt sei der Zeuge dann an Frau S. verwiesen worden, die dann kam und die Sache übernahm.
18. Zu den Angaben des Zeugen RiAG W.
Der Zeuge R. am Amtsgericht W., Ermittlungsrichter am Amtsgericht Aschaffenburg, gab an, dass er die Geschädigte H1. B. richterlich vernommen habe. Anfangs sei die Vernehmung recht schwierig gewesen und die Geschädigte habe Probleme gehabt, sich zu öffnen. Angesprochen auf die einmal erfolgte angedeutete Anzeigenrücknahme habe die Geschädigte angegeben, dass es gelogen sei, dass sie gelogen habe und die Vorwürfe, die sie anfangs gegen den Angeklagten erhoben habe, weiterhin zuträfen. Nachdem die Vernehmung auch in der Folge sich schwierig gestaltete, wurde die Polizeibeamtin und hiesige Zeugin L., die bereits die erste polizeiliche Vernehmung der Geschädigten gemacht hatte, hinzugeholt.
Die Geschädigte hatte augenscheinlich Schamgefühle hinsichtlich der Taten und habe erst nach längerem Fragen angeben, dass der letzte Vorfall sich vor den Osterferien ereignet habe und es hier zum Oralverkehr gekommen sei: Man habe auf der Couch gelegen, Fernsehen geschaut, der Angeklagte habe die Geschädigte streicheln wollen und mittels Druck auf die Wangen einen Zungenkuss erzwungen. Sie habe dann ins Bett gewollt und er sei ihr dann gefolgt. Dort habe sie ihm erst einen „runtergeholt“ und dann sei es zum Oralverkehr gekommen. Bei dem Oralverkehr habe sie das Sperma in den Mund bekommen und dann auf das Bett gespuckt.
Auf Frage, inwieweit die Geschädigte unter Druck gesetzt wurde, habe diese angegeben, dass der Angeklagte sie schon mit dem Gürtel geschlagen habe bzw., um sie auf diese Weise wohl gefügig zu machen. Die Schläge seien aber ohne sexuellen Kontext erfolgt. Die belastende Aussage habe sie Ende Mai 2019 zurücknehmen wollen, weil sie die Situation zuhause nicht mehr habe ertragen können, sie wieder mit ihrer Mutter habe reden wollen und nur den Ausweg sah, ihre ersten Angaben zurückzunehmen.
Auf die Frage, wie oft ein Befriedigen mit der Hand erfolgt sei, habe die Geschädigte zunächst angegeben, dies nicht genau zu wissen. Dann habe sie als Häufigkeit „jede dritte Woche“ und dann „jede zweite Woche“ angegeben; die Angaben seien insoweit nicht ganz eindeutig gewesen. Die Geschädigte habe zudem angegeben, dass wenn sie den Angeklagten mit der Hand befriedigt habe, es immer zum Samenerguss gekommen sei, es aber viel länger gedauert habe als bei dem letzten Oralverkehr.
19. Zu den Angaben der Geschädigten H1. B.
Die minderjährige Zeugin und Geschädigte H1. B. gab im Rahmen der Hauptverhandlung an, dass der Angeklagte ihr Stiefvater sei. Zu ihrem leiblichen Vater C. B. habe sie keinen Kontakt und diesen zuletzt vor ein bis zwei Jahren gesehen.
Zu dem letzten Vorfall gab die Geschädigte an, dass ihre Geschwister, sie selbst und der Angeklagte auf der Couch lagen, wobei sie selbst in der Ecke gelegen habe, der Angeklagte neben ihr lag und ihre Geschwister jenseits des Angeklagten lag, also hinter ihm. Man habe einen Film geschaut und es sei dunkel gewesen. Sie hätten einen Beamer gehabt, der auf die Leinwand leuchtete. Während dem Film habe der Angeklagte der Geschädigten übers Knie gestreichelt und sie mittels Zusammendrücken der Wangen zu einem Zungenkuss gezwungen. Ob er es tatsächlich geschafft habe, mit der Zunge in ihren Mund zu kommen, könne sie jetzt nicht mehr sagen, sie glaube aber schon. Wie es dann genau abgelaufen sei, könne sie nicht mehr genau sagen. Sie sei dann irgendwie in ihr Zimmer gegangen und sie habe auf dem Bett gelegen und er dann auch. Er habe Kleidung angehabt. Dann habe er am Bett gestanden und sie habe auf dem Bett gelegen und dann habe der Angeklagte sie zu dem Oralverkehr gezwungen. Sie habe hierbei halb gelegen, halb gesessen; der Angeklagte habe gesagt, dass er sie in Ruhe lasse, wenn sie das jetzt mache. Ob der Angeklagte sie zu diesem Zeitpunkt am Genick gepackt hat, wisse sie nicht mehr. Der Angeklagte habe dann die Hose offen gehabt und am Bett gestanden. Sie habe ihn erst mit der Hand und dann mit dem Mund befriedigen müssen. Sie habe die Spitze des Penis in den Mund genommen und nicht lange, ein paar Sekunden, später sei das Sperma gekommen. Das Sperma habe sie zum Teil in den Mund bekommen, zum Teil ging es auf den Boden. Den Boden habe er dann sauber gemacht und sei dann gegangen.
Bei dem ersten sexuellen Übergriffen sei sie noch „sehr klein“ gewesen, sie wisse nicht, ob sie schon in die Schule ging oder noch im Kindergarten war. Zu Vorfällen im Jahr 2018 gab die Zeugin an, dass sexuelle Übergriffe nur in der Wohnung stattgefunden haben, sie habe ihn hierbei immer mit der Hand befriedigen müssen. Der Angeklagte sei jeweils zum Samenerguss gekommen. Sie könne nicht sagen, wie oft, sie denke alle zwei bis drei Wochen. Dies sei immer dann passiert, wenn die Mutter arbeitete. Zur Örtlichkeit könne sie sagen, dass das meistens im (stief-)elterlichen Schlafzimmer stattfand, aber auch mal in ihrem Kinderzimmer. Die Situation im Schlafzimmer habe sich mal so ergeben, dass er sie gerufen habe, mal habe sie ihn z. B. gefragt, ob sie zu einer Freundin dürfe, und dann habe er zu ihr gesagt, dass sie erstmal „das machen“ müsse. Dies sei dann meist so abgelaufen, dass sie den Gürtel aufgemacht und den Penis habe rausholen müssen; sie selbst sei dabei angezogen gewesen. Bei den Handbefriedigungen habe sie gesagt, dass sie das nicht möchte. Sie habe dabei auch geweint, wenn es los ging. Der Angeklagte habe zu ihr dann manchmal gesagt, dass sie aufhören solle zu weinen. Das Befriedigen habe vielleicht 15 Minuten gedauert; so genau wisse sie das nicht mehr. Sie habe aber oft mit der Hand hoch und runter gehen müssen. Er habe öfters ein Taschentuch gehabt, das habe er dann unter den Penis gehalten und das Sperma aufgefangen. Nach dem Befriedigen sei es so gewesen, dass der Angeklagte mit ihr redete, als wäre nichts passiert.
Vor etwa zwei Jahren habe sie ihrer Mutter erzählt, dass der Angeklagte sie anfasse. Letztlich habe sich aber nichts geändert. Sie habe einen Schlüssel für ihr eigenes Zimmer bekommen und das habe sie abschließen dürfen. Letztlich habe sie dann aber doch manchmal die Türe offengelassen, weil sie Angst hatte. Von den Schlägen habe die Mutter Bescheid gewusst. Schläge habe es etwa gegeben, wenn sie oder ihre Geschwister nicht richtig lernten oder ihr Zimmer nicht aufräumten. Das sei öfters gewesen. Es habe sich hierbei um „Schellen“ gehandelt. Ihre Mutter habe das sehr oft mitbekommen und gesagt, er solle aufhören, deshalb hätten sie sich auch öfters gestritten. Die Schläge mit dem Gürtel hätten mit sexuellen Übergriffen nichts zu tun gehabt.
Es sei richtig, dass sie in der Vergangenheit schon Pornoseiten im Internet angeschaut habe, sie habe nämlich wissen wollen, was sie da mit dem Angeklagten mache; sie habe halt wissen wollen, ob das richtig ist, so genau könne sie das aber nicht mehr sagen. Dies habe sie mit ihrem Samsung Mobiltelefon gemacht. Sie habe mit ihrem Mobiltelefon niemals gegoogelt, wie sie ihren Stiefvater fertig machen könne. Vielmehr sei es so gewesen, dass es im Fernsehen Folgen der Serie „Hilf mir“ gebe, aus denen man entnehmen kann, wie man in bestimmten Fällen sich verhalten soll.
Nach der Anzeigenerstattung sei sie zwischenzeitlich auch wieder für mehrere Wochen zuhause gewesen und es sei ihr nicht gut gegangen. Alle hätten sich zurückgezogen, keiner ihr geglaubt und sie habe sich alleine gefühlt. Sie habe sich dann entschlossen, zur Polizei zu gehen und die Anzeige zurückzunehmen, damit alle wieder mit ihr reden.
Der Angeklagte habe, abgesehen von den hier genannten Vorfällen, zwei Seiten gehabt, eine nette „Vater-Seite“ und der Angeklagte sei auch großzügig gewesen und sie habe Sachen bekommen. Auch stimme, dass sie ein Foto vom Angeklagten in ihrer Mobiltelefonhülle hatte, was aber daran liege, dass sie da Bilder von der ganzen Familie gehabt habe. Wenn ihre Mutter vermutet habe, dass sie in den Angeklagten verliebt sei, dann stimme dies nicht.
Derzeit bestehe kein Kontakt zur Familie. Es gehe ihr besser, sie könne von der ganzen Sache runtergekommen und sich auch auf die Schule konzentrieren.
20. Zu den Ausführungen des Zeugen KHK W.
Der Zeuge KHK W. berichtete, dass er in dem Kinderzimmer der Geschädigten H1. B. am 10.04.2019 DNA-Spuren an den Stellen genommen habe, die vorher von dem Diensthund auf dem Boden vor dem Schrank und auch am oberen Drittel des Bettes angezeigt wurden.
Mit dem Zeugen wurden die Lichtbilder, die anlässlich der Spurensicherung gefertigt wurden und zeigen, wie der Diensthund im Zimmer der Geschädigten an bestimmten Stellen, insbesondere auf dem Boden vor dem Schrank oder auf dem Bett anschlägt, in Augenschein genommen. Auch zeigen die Bilder die Bettwäsche der Geschädigten H1. B., von welcher die DNA-Proben entnommen wurden.
Der Zeuge gab an, dass er das Bettzeug der Geschädigten sofort auf links gedreht, verpackt und sodann zur Untersuchung verschickt habe. Hierbei habe es sich um drei Kopfkissen, einen Bettbezug und ein Spannbetttuch gehandelt. Hervorzuheben seien hier die Asservate mit der Asservatennummer 1.3 (Wasserabrieb im Kinderzimmer der H. B. auf dem Laminatboden vor dem Schrank), das Asservat 1.8 (Kopfkissenbezug grünweiß, der auf dem Bett der H. B. lag), das Asservat 1.10 (Kopfkissenbezug blaukariert, der auf dem Bett der H. B. lag) sowie das Asservat 1.12 (dunkelblauer Spannbettbezug, mit dem die Matratze des Bettes der H. B. bezogen war).
II. Zu den Ausführungen der Sachverständigen
1. Zu den Angaben des Sachverständigen Dr. M.
Der Sachverständige Dr. M. von der Firma E. in E2 machte Angaben zu den von ihm untersuchten und von der KPI an ihn übersandten Asservate im hiesigen Verfahren.
Zum Untersuchungsverfahren machte der Sachverständige dahingehend Angaben, dass zunächst mit einer Spurenlampe das Areal abgeleuchtet werde und Sekret, insbesondere Sperma, hierdurch sichtbar gemacht werden könne. Hierbei sei menschliches Sekret insbesondere an den Spuren 1.8, 1.10 und 1.12 feststellbar gewesen. Dieser Test mittels Spurenlampe treffe jedoch für sich weder eine Aussage darüber, ob es sich tatsächlich um Sperma handele geschweige denn, welche DNA dieses Sekret enthält.
Sodann werden die mittels Spurenlampe identifizierten Spuren mittels eines Schnelltests auf saure Phosphatase überprüft, die in Ejakulat vorhanden sind. Dieser Schnelltest habe an den Spuren 1.8 und 1.12 saure Phosphatase nachgewiesen.
Zur Absicherung dieses Schnelltests und zwecks Meidung falschpositiver Testergebnisse werde sodann ein sog. PSA-Test durchgeführt, der auf ein prostataspezifisches Enzym hin untersucht und somit den Nachweis von Sperma erbringt. Dieses PSA und somit Ejakulat habe an den Spuren 1.3 (Abrieb Laminatboden), Spur 1.8 Fleck 1 (Kopfkissenbezug grünweiß) und 1.12 (Spannbettbezug dunkelblau) nachgewiesen werden können.
Die Spuren seien sodann DNA-technisch untersucht worden, wobei die anhaftenden Zellmaterialien an den Spuren 1.8 Fleck 1, Stichprobe 1 und 2 (grünweißer Kopfkissenbezug auf dem Bett der Geschädigten H1. B.) und 1.10 (blaukarierten Kopfkissenbezug auf dem Bett der Geschädigten H1. B.) zu identischen DNA-Mustern, die sich auf eine einzige Person zurückführen lassen und vollständig mit den Merkmalen der Vergleichsperson B.1986.Christian, dem Angeklagten, übereinstimmen, festgestellt werden. Hierbei handele es sich um sog. Einzeltreffer ohne forensische Besonderheiten.
Auf der Basis einer biostatistischen Untersuchung ergeben sich zwei Hypothesen: Hypothese 1 sei, dass Verursacher der anhaftenden Zellmaterialien an den Spuren 1.8 und 1.10 der Angeklagte ist und Hypothese 2 sei, dass Verursacher der anhaftenden Zellmaterialien eine unbekannte mit dem Angeklagten nicht verwandte Person ist. Nach Wahrscheinlichkeitsberechnung auf der Grundlage von Frequenztabellen für die europäische Bevölkerung lasse sich die erste Hypothese 9,2 x 1025 mal wahrscheinlicher erklären als die zweite Hypothese, weshalb die Vergleichsperson G.1986.Ch. somit ohne vernünftige Zweifel als Verursacher der anhaftenden Zellmaterialien anzusehen sei. Die Vergleichspersonen B.2006.H. (die Geschädigte H1. B.) und K.1980.S. (die Zeugin S3. K.) seien aufgrund unterschiedlicher DNA-Merkmale als Verursacher der Spuren auszuschließen.
Von einer weiteren Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens hat die Kammer abgesehen, weil eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung vorliegen (BGHSt 63, 187; BGH NStZ 2019, 427).
Zusammengefasst handele es sich somit an den Spuren 1.3, 1.8 und 1.12 um männliches Ejakulat wobei insbesondere an der Spur 1.8, Fleck 1, als männliches Ejakulat mittels Einzeltreffer ohne forensische Besonderheit vollständig die DNA-Merkmale der Vergleichsperson B.1986.Ch. übereinstimmend nachgewiesen werden konnten.
2. Zu den Ausführungen des Sachverständigen G.
Der Sachverständige G. gab an, dass ihm seitens der KPI zwei Computer, ein PC Tower Strix mit 3 Festplatten und ein PC Tower Rotts mit 2 Festplatten zur Untersuchung überlassen worden seien. Letzterer sei ohne Befund gewesen.
Die Überprüfung des PC Tower Strix habe ergeben, dass hierauf 6 Videodateien mit mutmaßlich kinderpornografischem Inhalt vorhanden waren, wobei es sich hierbei um bekannte Formate aus dem Netz handele. Auch gebe es Hinweise, dass auf dem PC in der Vergangenheit weitere kinderpornografische Inhalte geladen waren, weil 47 bereits vom Papierkorb gelöschte Dateien, deren Dateipfad wiederhergestellt werden konnten, in der Pädophilenszene durchaus gängige Bezeichnungen trugen. So sei etwa die Bezeichnung „pthc“ die gängige Abkürzung für „PreTeenHardCore“ (vgl. hierzu auch die Dateinamen der festgestellten kinderpornographischen Videos Nr. 2 und Nr. 4, s.u., Anm. d. Gerichts). Weitere festgestellte Dateien deuteten auf fehlende Distanzierung zu Betäubungsmitteln oder verfassungsfeindlichen Inhalten, wobei hier jedoch keine Verbreitung stattgefunden habe. Es bestünden hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass über den PC Tower Strix Inhalte im Internet über den sog. „Thor-Browser“ genutzt wurden.
Zu den 6 genannten Videos mit mutmaßlichem kinderpornografischem Inhalt könne gesagt werden, dass die in der Anlage 2.1 des Gutachtens genannten sechs Videos bis auf das sechste Video auf der dritten Festplatte des PC Towers Strix gespeichert waren. Aus Sicht des Sachverständigen seien jedoch die Videos Nr. 3 und Video Nr. 6 (von deren Verfolgung die Kammer nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen hat, Anm. d. Gerichts) im Grenzbereich zwischen Kinder- und Jugendpornografie einzuschätzen. Die Kammer nahm mit dem Sachverständigen zusammen die 47 in der Anlage 3 aufgelisteten gelöschten Dateipfade in Augenschein die nach den Ausführungen des Sachverständigen auf den in der Vergangenheit stattgefunden Konsum kinderpornografischer Inhalte hindeuten.
Im Übrigen hat die Kammer die in der Anlage 2.1 des Gutachtens des Sachverständigen G. abgebildeten Lichtbilder in Augenschein genommen, die aus den vom Sachverständigen genannten sechs Videos in einem Zeitabstand von jeweils 5 Sekunden als Lichtbildauszug gefertigt wurden:
Der erste Video mit dem Dateinamen „[pthc] 10yo Ukrainan Preteens Lesbians (12m21s) ~~~ amateur opva ptsc 12yo 13yo child nude center pedo 10yo 9yo lolitabay porn 2014.avi“ mit einer Dauer von 12 Minuten und 21 Sekunden zeigt zwei augenscheinlich unter 14 Jahre alte Kinder, die sich zunächst auf der Couch unterhalten und sich anschließend ab Minute 1:40 entkleiden, küssen, ans Bett fesseln und sodann an den Genitalien befingern. Zwischenzeitlich erfolgt eine Beschriftung des Körpers der gefesselten mittels Lippenstift verbunden mit einer „spielerischen“ Bepeitschung. Nach Entfesselung küssen sich die Mädchen wieder.
Das zweite Video mit dem Dateinamen Dateiname „you…i“ und einer Dauer von 27 Minuten und 33 Sekunden zeigt ein augenscheinlich unter 14 Jahre altes Mädchen im blaurotgestreiften Pullover, das zunächst mutmaßlich an einem Tisch sitzt und sich sodann entkleidet. Zwischenzeitlich zeigt das Mädchen den Hintern sowie die Vagina und manipuliert sodann an selbiger auf einem Bürostuhl sitzend, sodann im Stehen und schließlich auf einem Bett liegend wobei die Vagina in Großformat dargestellt wird.
Das vierte Video mit dem Dateinamen „P… THE BEST – (((GOD IS A SHIT AND ROME POPE …i“ mit einer Dauer von 16 Minuten und 41 Sekunden zeigt ein unter 14-jähriges Mädchen, das im Bett an der Vagina manipuliert und sodann im Bett im Knien posiert. Anschließend zeigt das Video wie das Kind ab Minute 2:25 den Oralverkehr an einem Penis ausübt. Der Vorgang verlagert sich sodann in den Bereich einer Badewanne. Ab Minute 14:15 findet der Oralverkehr des Mädchens mit einem älteren Mann wechselseitig statt und ab Minute 14:50 kommt es zum Vaginalverkehr.
Das fünfte Video mit dem Dateinamen „jb…i“ mit einer Dauer von 8 Minuten und 30 Sekunden zeigt erneut ein unter 14-jähriges Mädchen, das zunächst über bzw. seitlich der Hose masturbiert und sodann auf die Toilette geht. Anschließend hebt es das Shirt und fasst sich an die Brüste.
Die übrigen beiden vom Sachverständigen genannten Videos Nr. 3 und Nr. 6, von deren Verfolgung die Kammer nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen hat, zeigen altersmäßig nicht eindeutig feststellbare Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene die „Geschlechtsverkehr“ mit einem Fisch bzw. einer Ziege haben.
Auf die Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, wird ergänzend gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen (vgl. Sonderband „Auswertebericht“, Anlage 2.1).
3. Zu den verlesenen Gutachten aus dem Bereich Mobilfunk Die Kammer hat zudem das Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 18.11.2019 aus dem Bereich Mobilfunk verlesen, in welchem die Untersuchung des Mobiltelefons LG E 410i (früheres Smartphone der Geschädigten H1. B., Anm. d. Gerichts) beschrieben wurde. Aus dem Gutachten ging hervor, dass der Inhalt des Mobiltelefons nicht gesichert werden konnte, da im Rahmen der Durchsuchung der Flash-Speicher bei dem durchgeführten Chip-Off-Verfahren beschädigt und somit nicht ausgelesen werden konnte.
4. Zu den Ausführungen der Sachverständigen Dr. L.
Die Sachverständige Dr. L., Diplom-Psychologin, Fachpsychologin für Rechtspsychologie BDP/DGPs, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Forensische Psychologie, psychologische Psychotherapeutin und Forensische Sachverständige für Glaubhaftigkeitsbegutachtung (PTK), gab an, dass sie auf Basis der Aktenlage, der Hauptverhandlung sowie auf Basis eines weiteren Gesprächs mit der Geschädigten H1. B. die Erlebnisfundierung der Angaben der Geschädigten überprüft habe.
a) Zu den von der Sachverständigen gebildeten Untersuchungshypothesen Bei der Begutachtung habe die Sachverständige vier Unterhypothesen zur Nullhypothese, wonach die Angaben der Zeugin H1. B. nicht erlebnisfundiert sind, gebildet:
Hypothese 01: Die Angaben der Geschädigten stellen eine frei erfundene, intentionale Falschaussage dar, weil die Geschädigte sich mit dem Angeklagten nicht gut verstanden habe und sie gewollt habe, dass dieser oder sie aus dem elterlichen Haushalt genommen werde.
Hypothese 02: Die Angaben H. B.s sind das Produkt fremdsuggestiver Prozesse; danach wurde von anderer Seite dieser suggeriert, dass diese Vorfälle stattgefunden haben und die Geschädigte ist demnach davon überzeugt, dass dies tatsächlich zutrifft.
Hypothese 03: Die Angaben der Zeugin gehen auf autosuggestive Prozesses dahingehend zurück, dass diese an sich neutrale Begebenheiten des Angeklagten in das Übergriffsgeschehen umgedeutet und im Rahmen zunehmender gedanklicher Auseinandersetzung autosuggestiv erweitert hat und die Geschädigte ebenfalls davon überzeugt ist, dass dies tatsächlich zutrifft.
Hypothese 04: Die Angaben der Zeugin gehen ebenfalls auf Fremdquellen dahingehend zurück, dass die Geschädigte sich im Internet Videos angeschaut hat, in denen es um Pornographie geht oder darum, wie man seinen Stiefvater fertig macht; möglicherweise sind der Geschädigten auch Personen bekannt, die ihrerseits von sexuellen Übergriffen betroffen waren, diese Vorgänge von der Geschädigten auf ihren Fall übertragen werden und die Geschädigte ebenfalls davon überzeugt ist, dass dies tatsächlich zutrifft.
Diese vier Unterhypothesen der Nullhypothese müssten widerlegt werden, um letztliche eine wahrheitsgemäße, erlebnisbasierte Aussage der Geschädigten bejahen zu können.
b) Zur Person der Geschädigten
Die Geschädigte gab im Zeitpunkt der Untersuchung an, 13 Jahre alt und die Tochter der S- K. sowie des C- B. zu sein. Sie hat zwei jüngere (Halb-)geschwister; Kontakt zu ihrem leiblichen Vater besteht keiner. Der letzte Kontakt zu dem Vater fand in unregelmäßigen Abständen etwa alle zwei Wochen bis ungefähr 2016 bis 2017 statt. Die Geschädigte gab an, dass sie zunächst den Kindergarten besucht habe, genau wüsste sie das aber nicht mehr. Auf Fragen, ob Erinnerungen an die Kindergartengruppe, Erzieherinnen, Freunde oder bestimmte Erlebnissen im Kindergarten bestehen, wurden von der Geschädigten verneint. Auf Nachfrage konnte die Geschädigte noch angeben, dass sie im Kindergarten den anderen Kindern öfters Sachen geklaut habe und dann mit Hausarrest bestraft worden sei, nähere Details habe sie hierzu aber nicht machen können. Bis zu ihrem dritten Lebensjahr sei in der Familie nur türkisch gesprochen worden und sie habe insoweit ab dem Kindergarten bzw. ab der Schule die Deutschkenntnisse nachholen müssen, weshalb sie in der Folge in der Schule zunehmend Probleme bekommen habe. In der dritten Klasse sei sie zum Halbjahr in die zweite Klasse zurückgestuft worden und das Übertrittszeugnis nach der vierten Klasse sei nicht gut gewesen. Schließlich sei sie auf die B.-Mittelschule gegangen. Zu ihrer Mutter oder ihren Verwandten habe sie im Moment überhaupt keinen Kontakt, die Mutter glaube ihr nämlich nicht, dies sei für die Geschädigte schwierig.
Neben diesen Angaben der Geschädigten gegenüber der Sachverständigen habe sie durch fremdanamnestische Befunde (u.a. Schulzeugnisse) feststellen können, dass die Geschädigte bereits in der ersten Jahrgangsstufe große Schwierigkeiten gehabt habe, Schriftliches immer sorgfältig anzufertigen und die Sprachkompetenz und der Wortschatz trainierungsbedürftig seien. In der zweiten Jahrgangsstufe habe die Geschädigte in Deutsch nur ein „ausreichend“ gehabt und es habe dort geheißen, dass die Geschädigte Hilfe bei der Darstellung von Sachverhalten benötige und Probleme habe, sich klar und zusammenhängend auszudrücken; sie lese sehr langsam und erfasse den Inhalt nur ungenau. In die dritte Klasse sei die Geschädigte zunächst vorgerückt, wobei letztlich eine Rückstufung in die zweite Klasse erfolgte, da das Lernverhalten als schwankend und das Konzentrationsvermögen und die Erledigung der Hausaufgaben als unzureichend beurteilt wurden. In Deutsch zeigten sich beim Lesen und im Sprachgebrauch deutliche Defizite, ebenso in Mathematik bei der Beherrschung der Grundrechenarten. In der dann wiederholten dritten Jahrgangsstufe seien die Leistungen in Deutsch und Mathematik sodann erneut abgefallen, der Wortschatz sei begrenzt, sie lese abgehackt und fehlerhaft und könne den Sinn nur in Ansätzen erschließen. Auch in der vierten Jahrgangsstufe im Schuljahr 2016/2017 seien vergleichbare Schwächen beschrieben worden: H. könne sich nur über einen gewissen Zeitraum auf eine Sache konzentrieren und sei auf Hilfen angewiesen. Es falle ihr schwer, Informationen zusammenhängend im Gedächtnis zu behalten und diese zu transferieren. Sie setze sich zudem zu wenig eigenständig mit neuen Lerninhalten auseinander; das Leseverständnis sei lückenhaft, Fantasieerzählungen verfasse sie ideenreich, jedoch teilweise unverständlich. In der fünften Jahrgangsstufe der Mittelschule werde beschrieben, dass die Geschädigte sich gelegentlich ablenken lasse, sonst jedoch ihre Hausaufgaben zuverlässig und sorgfältig erledige; in der sechsten Jahrgangsstufe sei sie leistungsmäßig wieder etwas zurückgefallen und habe eine „ausreichend“ in Mathematik, Englisch, Natur und Technik, GSE und ein „gut“ in Deutsch erhalten. Zudem seien der Sachverständigen die Behandlungsunterlagen des Therapeuten Herrn Uwe Wittenberger zur Verfügung gestellt worden, in welchem sich ein Anamnesebogen, der von der Mutter der Geschädigten ausgefüllt wurde, befand und woraus sich ergab, dass die Geburt und frühe Entwicklung der Geschädigten unauffällig gewesen sei.
Die Sachverständige habe einen IQ-Test mit der Geschädigten durchgeführt und sei hier auf einen Gesamt-IQ von 90 Punkten, somit dem unteren Durchschnittsbereich gelangt. Auffällig sei hierbei, so die Sachverständige, dass der Teil-IQ bezüglich der Realitätssicherheit mit 104 Punkten recht hoch sei, während der Teil-IQ für Analysieren und Synthetisieren bei nur 76 liege und damit schon fast im Bereich der Lernbehinderung.
Eine Gedächtnisprüfung bei der Geschädigten habe ergeben, dass die Geschädigte sich an ihre eigene Biografie nur begrenzt bzw. erst ab der späteren Grundschulzeit erinnere. Es sei nicht möglich gewesen, bei H. fallneutrale episodische Erinnerungen aus dem Zeitraum der ersten acht bis neun Lebensjahre zu erfragen; insgesamt könne erst ab dem Jahr 2016 eine gesicherte autobiografische Ebene bei der Geschädigten festgestellt werden. Im Rahmen des Gesprächs habe die Geschädigte eine Quellenzuordnung dahingehend vorgenommen, dass sie eigenständig zwischen Erinnerungen aus eigener Erfahrung und Erinnerungen, die ihr von außen zugetragen wurden, differenzierte. Um das Verhalten der Zeugin unter leichtem Befragungsdruck bzw. auf Vorhaltfragen zu beobachten, habe die Sachverständige der Zeugin im Rahmen der fallneutralen Exploration teilweise nachweislich unrichtige Inhalte vorgehalten, diese habe die Geschädigte jedoch richtig gestellt und sich hiervon nicht beeinflussen lassen.
Zur Einschätzung möglicher Fremdquellen sei bei der Geschädigten eine Sexualanamnese durchgeführt worden. Neben den üblichen jugendspezifischen Medien schaue die Geschädigte gerne die Sendung „Hilf mir“. Hierbei handele es sich um eine Serie, in der jungendrelevante Situationen dargestellt und dann Tipps gegeben würden, wie man sich in einer solchen Situation verhalten solle. In sexueller Hinsicht sei sie aufgeklärt worden, weil das Thema dauernd in der Schule sei, wenn man älter werde. Als die ganzen Übergriffe mit dem Angeklagten losgegangen seien, habe sie jedoch noch nicht gewusst, was das gewesen sei. Ihre erste Regelblutung habe sie kurz vor ihrem zwölften Geburtstag bekommen und ihre Mutter habe ihr erklärt, was das sei. Über Schwangerschaft und über Jungs sei mit der Mutter nicht geredet worden. Sie habe in den Ferien schon einmal einen Freund gehabt, mit ihm sei außer küssen jedoch nichts Sexuelles passiert. Sie habe sich im Internet über das Thema auch informiert und auch mal so ein „Pornografieding“ gesehen. Sie habe dabei einfach wissen wollen, ob das normal sei, was sie mit dem Angeklagten mache. Sie habe das mit ihrem alten Mobiltelefon (Marke LG, Anm. d. Gerichts) gemacht. Sie habe im Internet niemals etwas recherchiert, wo es darum ging, den Stiefvater fertig zu machen und sie kenne auch keine anderen Personen, denen ähnliche Sachen wie ihr passiert seien.
c) Zu den weiteren Befunden der Sachverständigen
In dem Gespräch der Sachverständigen mit der Geschädigten H1. B. gab letztere an, dass sie sich eigentlich zunächst mit dem Angeklagten gut verstanden hätte; er habe alle Kinder gleich behandelt, wobei sie manchmal das Gefühl gehabt habe, dass er zu ihr etwas strenger gewesen sei, weil sie die Älteste und ein Vorbild für ihre Geschwister sein sollte. Er habe dann lauter gesprochen und sei manchmal auch handgreiflich geworden und habe ihre Geschwister, aber auch sie geschlagen bzw. geboxt. Es habe öfters Geschenke gegeben und dann hätten sie oder ihre Geschwister sich über das Internet Schmuck oder Spielsachen aussuchen können. Auch hätten sie Ausflüge oder Urlaube gemeinsam gemacht.
Zum inkriminierten Geschehen habe die Geschädigte angegeben, dass es losging, als sie noch kleiner, so fünf oder sechs Jahre alt gewesen sei und er sie da „irgendwie, also sexuell belästigt“ habe. Da habe sie ihn anfassen müssen. Später, als sie älter geworden sei, habe ihre Mutter auch Spätschicht gearbeitet, sei insoweit von 13:00 bis 23:00 Uhr weg gewesen und da habe der Angeklagte die Geschädigte in ihrem Zimmer aufgesucht. Vorfälle außerhalb der Wohnung habe es niemals gegeben. Die Vorfälle hätten nur dann stattgefunden, wenn die Mutter arbeitete und somit nicht Zuhause war.
Zur letzten fraglichen Situation im Kinderzimmer Anfang April habe die Geschädigte im freien Bericht erzählt, dass es am Samstag oder am Sonntag gewesen sei, wo die Mutter gearbeitet habe. Man habe abends Pizza gegessen, die man holen musste und sie habe anschließend ins Bett gewollt. Er habe da gesagt, dass sie wach bleiben solle, weil Wochenende sei, sie habe aber nicht gewollt. Sie habe dann nicht in ihr Zimmer gedurft und er habe nur gesagt, dass sie im Wohnzimmer bleiben müsse. Man habe dann gelegen und man habe zusammen mit den Geschwistern einen Film geschaut, Spiderman glaube sie. Sie habe an der Wand gelegen. Der Angeklagte neben ihr und neben dem Angeklagten auf der anderen Seite noch ihre beiden Geschwister. Er habe zunächst ihr Bein gestreichelt, was sie nicht gewollt habe. Dann habe er einen Zungenkuss verlangt, was die Geschädigte nicht wollte, woraufhin er ihre Wangen zusammen gedrückt habe und es dann trotzdem gemacht habe. Die Geschwister hätten hiervon nichts mitbekommen, weil die halt den Film geschaut hätten. Die Geschädigte habe die ganze Zeit ins Bett gewollt und irgendwann sei sie ins Bett und er sei ihr dann hinterher und habe sich neben sie gelegt. Dann habe er gesagt, dass sie seine Hose aufmachen solle, was sie gemacht habe. Dann habe sie ihm einen „runterholen“ und seinen „Schwanz halt auch in den Mund nehmen“ müssen, „und dann halt irgendwie, dann eigentlich, eigentlich dauert das eigentlich immer. Also eigentlich dauert es dann immer, bis ihm sein Sperma kommt, aber das kam dann sofort und dann hatte ich das auch im Mund, habe es halt ausgespuckt und der Boden war dann halt auch voll. Und, ja, und dann hat er es dann sauber gemacht. Und dann, dann hat er mich in Ruhe gelassen“. Den Boden habe er mit „Feuchttücher und so“ sauber gemacht, sei dann weggegangen und sie habe geschlafen. Während dem Oralverkehr habe der Angeklagte am Bett gestanden und sie habe halb gesessen, halb auf dem Bett gelegen. Öfters, wenn so etwas Ähnliches passiert sei, habe der Angeklagte mit ihr danach geredet, als wäre nichts passiert, ob es in diesem Fall auch so gewesen sei, wisse sie nicht mehr.
Auch habe es sexuelle Übergriffe im (stief-)elterlichen Schlafzimmer gegeben. Wenn die Mutter nicht da war, da habe sie ihm einen runterholen müssen, dies sei dann gewesen, wenn er aufwachte oder wenn sie mal ins Zimmer musste und was fragen musste, etwa ob sie mit der Freundin raus darf. Er habe dann gesagt, sie solle reinkommen und sie habe nein gesagt. Dann habe er gesagt, wenn sie nicht reinkomme, dann kriege sie „irgendwie Ärger oder so“. Es habe dann auf dem Bett dahingehend stattgefunden, dass er auf dem Bett war und sie am Bettrand war. Er habe immer gelegen. Er sei dann auch immer zum Samenerguss gekommen.
Es habe auch Situationen gegeben, wo sie in ihrem Zimmer war und sich morgens fertig machte und er habe sie am Hintern oder an der Brust, eigentlich über der Kleidung, angefasst. Auch an der „vaginalen Stelle über der Hose“. Es habe nur diesen einen Vorfall im Wohnzimmer gegeben.
Nach der polizeilichen Vernehmung sei die Geschädigte, so diese im Gespräch mit der Sachverständigen, eine Woche im Heim und dann eine Woche bei einer Pflegefamilie gewesen, wo sie sich allerdings unwohl fühlte. Sie sei anschließend wieder für zwei Monate Zuhause gewesen und dann aber nochmals zur Polizei gegangen, ohne dass dies die Mutter wusste. Dort habe sie angegeben, dass das, was sie gegen den Angeklagten ausgesagt habe, nicht stimme. Hintergrund sei gewesen, dass sie sich ausgeschlossen gefühlt habe, sie die ganze Zeit in ihrem Zimmer gewesen sei und sie wieder mit ihrer Familie sprechen wollte. Wenn ihre Mutter mit ihr gesprochen habe, habe sie die H. in die Küche geholt und angeschrien. Manchmal sei auch die Tante dabei gewesen und wenn die Mutter nicht mehr geredet hätte, dann habe die Tante für die Mutter weiter geredet und ihr ihre Meinung gesagt. Ihr sei ständig gesagt worden, sie solle die Wahrheit sagen. Wenn sie gesagt habe, dass sie Wahrheit sage, hätten ihre Mutter und ihre Tante ihr nicht geglaubt. Sie habe gehofft, dass das aufhören würde, wenn sie ihre erste Aussage zurücknimmt.
d) Zu der Beurteilung der Befunde durch die Sachverständige
aa) Zur Aussagetüchtigkeit der H. B.
Die Sachverständige kam in ihrer Gutachtenserstattung zu dem Schluss, dass bei der Geschädigten eine allgemeine Aussagetüchtigkeit sowohl hinsichtlich der kognitiven Grundvoraussetzung als auch im Hinblick auf die Anforderungen der forensischen Befragungssituation als gegeben erachtet werden könne. Die Angaben der Geschädigten seien vom Auskunftsstil eher als knapp zu beurteilen, insgesamt jedoch als hinreichend detailliert zu werten.
Eine Einschränkung machte sie dahingehend, dass hinsichtlich der Angaben, die den Zeitraum vor dem Jahr 2016 betreffen, dies nicht bejaht werden könne, da die elaborierten autobiografischen Erinnerungen der Geschädigten nur bis etwa zum zehnten Lebensjahr zurückreichen. Ansonsten könne jedoch eine Aussagetüchtigkeit bejaht werden:
Die Geschädigte liege mit 90 IQ-Punkten im unteren Durchschnittsbereich, wobei schwere Erkrankungen oder Unfälle, die vorübergehende oder überdauernde Einschränkungen aussagerelevanter Kompetenzen zur Folge gehabt haben könnten, nicht gegeben seien. Aus der Schullaufbahn bzw. den Zeugnissen ergäben sich Hinweise für Entwicklungsverzögerungen bzw. Minusauffälligkeiten im kognitiven Bereich; diese könnten jedoch auch auf den Umstand zurückgeführt werden, dass die Geschädigte bis zum dritten Lebensjahr nur türkisch sprach und Deutsch erst erlernen musste, womit auch spätere Lernschwierigkeiten erklärt werden könnten. Aktuell erziele die Geschädigte auf der Mittelschule durchschnittliche Ergebnisse.
Wahrnehmungseinschränkungen seien bei der Geschädigten nicht erkennbar und das semantische Faktenwissen zu ihrem bisherigen Lebenslauf sei bei der Geschädigten, zumindest ab dem Jahr 2016, intakt. Das Antwortverhalten der Geschädigten auf Fragen oder Erzählungsaufforderungen habe Schwankungen aufgewiesen: Zwar könne die Geschädigte grundsätzlich abrufbare Gedächtnisinhalte schildern, sie neige jedoch dazu, auf relativ einfache Fragen rasch mit „keine Ahnung“ oder „weiß ich nicht“ zu antworten, ohne zunächst Erinnerungsbemühungen anzustellen. Dabei habe die Geschädigte jedoch durchgehend eine erinnerungskritische Haltung an den Tag gelegt und zwischen verschiedenen Informationsquellen differenziert. Insoweit fänden sich Belege für eine intakte Quellenidentifikationskompetenz und Realitätskontrolle bei der Zeugin im Rahmen der Explorationssituation.
Befragt nach der Täuschungskompetenz der Zeugin könne gesagt werden, dass diese seitens der Sachverständigen bzgl. der Geschädigten H1. B. als nur gering eingeschätzt werde. Zeugen mit Täuschungsabsicht müssen jedoch in der Lage sein, so die Sachverständige, eine komplexe, in sich stimmige Falschbeschuldigung mit vielen Details zu konstruieren. Die Aussageinhalte müssen bei verschiedenen Befragungen präsent sein, der Zeuge muss zudem eine hohe geistige Flexibilität besitzen, um auf Nachfragen hin stimmige Ergänzungen vornehmen zu können, ohne sich dabei in einen Widerspruch zu verwickeln. Er muss darüber hinaus die Aussage über lange Zeiträume konstant aufrechterhalten können und zudem bei Befragungen seine Täuschungsabsicht verbergen. Bezogen auf die Geschädigte H1. B. sei zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse der Intelligenztestung auf eine kognitive Grundbegabung der Zeugin im unteren Durchschnittsbereich hinwiesen, wobei mehrere der durchgeführten Untertests deutlich unter dem Durchschnittsbereich liegen. Besonders auffallend seien die Schwächen der Geschädigten beim logischen Schlussfolgern und Abstrahieren gewesen. Dies lasse sich auch mit den Schulzeugnissen im Jahr 2017 belegen, wo beschrieben werde, dass es der Geschädigten schwer falle, Informationen und Zusammenhänge im Gedächtnis zu behalten und diese zu transferieren.
Insgesamt komme die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Geschädigte sicherlich keine hohe geistige Flexibilität besitzt und auch nicht dazu in der Lage sei, die zur Konstruktion einer qualifizierten Falschaussage notwendigen Übertragungen von Alltagswissen in eine vermeintlich erlebte Situation vorzunehmen.
bb) Zu Fremdquellen bzw. bereichsspezifischem Wissen der H. B.
Ferner könne die Sachverständige unter Zugrundelegung der Befundlage keine stichhaltigen Hinweise für Fremdquellen finden, aus denen die Geschädigte bereichspezifisches Wissen entlehnt und unabsichtlich oder gezielt auf den hier Angeklagten übertragen haben könnte.
Im Rahmen der Exploration und aus der Aktenlage geht hervor, dass die Geschädigte über den normalen Aufklärungsunterricht in der Schule und einem Freund – wobei sich diese Beziehung jedoch auf Küssen beschränkt habe – keine weitere Erfahrung mit Sexualität gemacht habe. Sie habe im Internet zwar schon Begriffe wie „Porno“ eingegeben, habe hierbei aber wissen wollen, ob es normal sei, was sich zwischen dem Angeklagten und ihr abspiele. Nicht zutreffend sei, so die Geschädigte auf Nachfrage, dass sie Internetseiten gesucht habe, auf denen erklärt werde, wie sie ihren Stiefvater fertig mache, stattdessen habe sie Sendungen wie „Hilf mir“ oder „Auf Streife“ geschaut. Hierbei handele es sich, was die Sachverständige überprüft habe, um Scripted-Reality-Fernsehsendungen, in denen alterstypische Probleme von Jugendlichen thematisiert werden. Diese alterstypischen Probleme werden dann von Beratern kommentiert, die Auswege aus der Situation aufzeigen wollen. Eine Recherche der Sachverständigen habe hier relevante Inhalte dahingehend gefunden, dass sich die Sendung „Hilf mir“ mit der Thematik dahingehend befasst, dass zwar sexuelle Begriffe angedeutet werden, jedoch nie explizit gezeigt werden (Sendung mit dem Titel „Der Freund meiner Mutter belästigt mich“ oder mit dem Titel „Psycho-Stiefvater will mir an die Wäsche“). In diesen Folgen seien zwar Szenen zu sehen, in denen der „Stiefvater“ das Mädchen im Badezimmer oder Kinderzimmer überrascht und ankündigt, sexuell aktiv werden zu wollen, jedoch werden über die verbalen Annährungsversuche hinaus keine konkreten Handlungen gezeigt. Im Vordergrund stehe bei diesen Sendungen das Verhältnis des jeweiligen Mädchens zur Mutter, die die Vorwürfe zunächst nicht glauben will. Recherchen zum Thema, wie man seinen Stiefvater fertig machen kann, ergaben eher gegenteilige Treffer in Foren wie „Mein Stiefvater macht mich fertig, was tun?“. Insgesamt seien die genannten Punkte nicht geeignet, als Grundlage der hier vorliegenden Zeugenaussage der Geschädigten zu dienen.
Die allgemeine schulische Sexualaufklärung oder Fernsehserien befähigten die Zeugin demnach nicht dazu, bei einer Zeugenaussage die Rahmen der merkmalsorientierten Inhaltsanalyse relevanten Aussageinhalte zu produzieren. Dies gelte auch für den Konsum pornografischer Inhalte, bei welchen nämlich eine Kontexteinbettung, Deliktsspezifik, eigenes psychisches Erleben oder motivationsbezogene Inhalte oder Komplikationsschilderungen grundsätzlich nicht vorkommen.
cc) Zur Aussagevalidität
Zur Aussagevalidität könne zunächst angemerkt werden, dass bei der Geschädigten eine grundsätzliche Bereitschaft, gegenüber der Polizei, dem Ermittlungsrichter, der Hauptverhandlung und im Rahmen der Sachverständigenexploration Angaben zum inkriminierten Geschehen zu machen, bestand. Anhaltspunkte für Einschränkungen oder gar fehlenden Aussagebereitschaft seien nicht gegeben. Ebenfalls betreffend der Aussagevalidität könnten Überlegungen dahingehend, dass die Angaben der Geschädigten auf auto- bzw. fremdsuggestive Einflüsse zurückzuführen seien oder gar eine intentionale Falschaussage vorliege, widerlegt werden:
Hinweise für eine mögliche autosuggestive Überformung der Aussageinhalte oder eine Entstehung der Angaben aufgrund von Autosuggestion bestünden nicht. Weder behauptete die Geschädigte eine vorübergehende Amnesie für das inkriminierte Geschehen oder, dass es sich bei ihren Angaben um „wiederentdeckte“ Erinnerungen handele, noch berichtete sie von Bemühungen, vermeintlich verdrängte Inhalte alleine oder mit Hilfe Dritter „aufzudecken“. Auch seien keine „bizarren oder extremen Erfahrungen“ geschildert worden. Die Geschädigte befand sich zwar nach der Anzeigenerstattung in psychotherapeutischer Behandlung, allerdings habe hierzu eine Schilderung des inkriminierten Geschehens in der vierten Sitzung stattgefunden, ohne dass hier konkret Interventionen oder Explorationen durch den Therapeuten dokumentiert sind. Vielmehr habe die Geschädigte versucht, sich von dem Thema abzuschotten und auch gegenüber der Sachverständigen angegeben, dass sie seit der ermittlungsrichterlichen Vernehmung nicht mehr über das inkriminierte Geschehen im Detail gesprochen habe.
Anhaltspunkte für eine Fremdsuggestion seien nicht gegeben: Weder ergeben sich aus den Angaben des Zeugen B., noch der Jugendamtsmitarbeiterin S., noch aus der Vernehmungssituation bei der Polizei oder aber auch aufgrund von Handlungen der Mutter der Geschädigten, Anhaltspunkte dafür, dass die Geschädigte die Angaben auf suggestiven Einflussnahmen Dritter hin machte. Soweit hinsichtlich einer möglichen intentionalen Falschaussage von der Mutter der Geschädigten in den Raum gestellt wurde, die Geschädigte habe versucht, Möglichkeiten zu finden, um ihren Stiefvater fertig zu machen, zumindest habe sie sich hierüber aus dem Internet erkundigt, so könne eine solche schlüssige Motivationskonstellation vorliegend nicht bejaht werden; zumal im Vorfeld des 09.04.2019 keine größeren Auseinandersetzungen zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten berichtet werden.
Soweit die Geschädigte am 29.05.2019 bei der KPI erschien und ihre Aussage zurückziehen wollte, weil, so die Geschädigte damals, ihre Erstaussage (in welcher sie den Angeklagten erstmals belastete) gelogen sei, so kann dies zwar grundsätzlich für eine intentionale Falschaussage sprechen. Jedoch sei darauf zu verweisen, so die Sachverständige, dass Aussagerücknahmen gerade in Inzestfällen keine Seltenheit seien. Für einen solchen falschen Aussagewiderruf spreche, dass die Familie durch die Inhaftierung des Angeklagten sowohl materielle als auch immaterielle Nachteile erlitten habe, zum einen durch den Verdienstausfall, zum anderen dadurch, dass die Mutter der Geschädigten nunmehr auf sich gestellt war, was die Betreuung der Kinder angeht. Aus psychologischer Sicht sei es durchaus nachvollziehbar, dass die Geschädigte daraufhin in einen Konflikt geriet, ihre Aussage zurückzunehmen, nachdem das Thema in den Verwandtenkreis bereits diskutiert wurde und sie in der Familie Ausgrenzung erfuhr. Betreffend der Ausgrenzung habe die Geschädigte angegeben, die Mutter habe nicht mehr mit ihr gesprochen – vielmehr sei sie von der Mutter in Küche zitiert und angeschrien worden. Auch ihre Tanten hätten sich ganz offen mit der Mutter solidarisiert und der Geschädigten Vorwürfe gemacht, weil es der Mutter schlecht gehe. Am 29.05.2019, dem Tag der Anzeigerücknahme, habe zudem die Beschlagnahme der PCs in der Wohnung durch die Polizei stattgefunden, was die Geschädigte zwar offenbar nicht direkt mitbekommen, jedoch die Familie in helle Aufregung versetzt und die Mutter in einen weiteren schlechten Zustand versetzt habe. Die Angaben der Geschädigten dahingehend, dass die Rücknahme der Aussage nicht der Wahrheit entsprach, sind insoweit nachvollziehbar und als schlüssig zu betrachten.
Insbesondere falle auf, dass die Geschädigte keinerlei Belastungseifer gegenüber der Mutter und ihren Tanten an den Tag legte und etwa behauptete, von diesen zur Rücknahme der Anzeigen gezwungen worden zu sein.
dd) Zur Aussagequalität
Zur Aussagequalität könne ausgeführt werden, dass die Mindestanforderungen bzgl. der Qualität, die an eine zu beurteilende Aussage zu stellen sind, bei den Angaben der Geschädigten H1. B. sowohl bzgl. den Aussagen bei der Sachverständigen als auch bei der Polizei erfüllt seien, bei dem Ermittlungsrichter oder in der Hauptverhandlung waren die Aussagen etwas knapp, hierbei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Befragungssituation insofern entscheidend sei. In der Gesamtbetrachtung erwiesen sie sich die Angaben der Zeugin in allen Vernehmungen als logisch und konsistent. Dies bedeute, dass insgesamt keine aussageimmanenten Widersprüche oder logische Unstimmigkeiten auftraten, die die Mindestanforderung einer insgesamt nachvollziehbaren, in sich widerspruchsfreien Aussage verletzen könnten. Darüber hinaus stelle die Konstanz der Angaben über die Zeit betreffend die genannten zentralen Inhaltsbereiche (Angaben zu den in Frage stehenden Kernhandlungen, den beteiligten Personen, den Körperpositionen, den Tatörtlichkeiten, den Lichtverhältnissen, der Rollenverteilung) eine weitere Mindestanforderung dar. Betrachtet man die von der Geschädigten in den verschiedenen Befragungen geschilderten Kernhandlungen so blieben diese über die Zeit in den Kernbereichen konstant (Zungenkuss im Wohnzimmer und Oralverkehr in ihrem Zimmer, Handverkehr beim Beschuldigten, Manipulation bei ihr am Genitalbereich). Auch die fraglichen Tatörtlichkeiten wurden von der Geschädigten konstant benannt (Kinderzimmer, Wohnzimmer und Schlafzimmer in der Wohnung in Großostheim). Ebenso benannte die Geschädigte die fraglichen Körperpositionen konstant (der Angeklagte sei beim Oralverkehr in ihrem Zimmer gestanden, sie sei gesessen oder gelegen, bzw. halb gesessen, halb gelegen). Wie auch die eigene Rolle (sie habe das inkriminierte Geschehen nicht gewollt, habe auch versucht sich zu wehren).
Bei der Aussage der Geschädigten gegenüber der Sachverständigen zum Tatgeschehen habe sich eine aus gedächtnispsychologischer Sicht typische Struktur der Aussage dahingehend gezeigt, dass die Geschädigte bestimmte Anteile der Aussage – und zwar diejenigen Vorfälle, die sich nach ihren Angaben häufiger auf die gleiche Weise wiederholt hätten (Handverkehr) und die zeitlich auch länger zurückliegen würden – in eher schematisierter Form schilderte, während der letzte fragliche Vorfall des Oralverkehrs in ihrem Zimmer als abgegrenzte Einzelsituation deutlich ausführlicher berichtet wurde. Diese Erzählweise entspreche den auf wissenschaftlicher Grundlage zur erwartenden gedächtnispsychologischen Gesetzmäßigkeiten. Im Falle einer Falschaussage müsste die Zeugin hingegen in der Lage sein, ihre Aussage entsprechend so zu konstruieren, dass bestimmte Anteile als schematisiert und andere als konkret repräsentiert berichtet werden, was vor dem Hintergrund der kognitiven Kompetenz der Zeugin, so die Sachverständige in der Hauptverhandlung, ausgeschlossen werden könne.
Die Aussage der Zeugin weise insgesamt einen ausreichend hohen Detaillierungsgrad auf, der allerdings bzgl. der einzelnen Handlungskomplexe schwanke, was aber auf oben genannte Schematisierung zurückzuführen sei.
Auffallend sei, dass die Aussage der Zeugin konsistent aber auch zugleich unstrukturiert vorgetragen werde; eine solche unstrukturierte Vortragsweise werde als Merkmal für eine erlebnisbasierte Aussage herangezogen und sei in der Praxis kaum simulierbar. Die Geschädigte berichtete insgesamt ungesteuert, assoziativ und sprunghaft, ohne eine nachvollziehbare Handlungschronologie einzuhalten. Auch lasse sich in einer Gesamtbetrachtung sagen, dass die Geschädigte in der gesamten Aussage eine erinnerungskritische Haltung einnahm, Wissenslücken und Erinnerungsunsicherheiten einräumte und nicht versuchte, den Eindruck zu erwecken, als habe sie auf alle Fragen eine kompetente Antwort.
Zu den Einzelfallschilderungen:
(1) Bezogen auf die letzte fragliche Situation im Wohnzimmer und Kinderzimmer sei, so die Sachverständige, der hohe Detaillierungsgrad unter Wahrung der logischen Konsistenz und die unstrukturierte Vortragsweise hervorzuheben. Die Geschädigte habe in dieser Einzelfallschilderung zunächst nebensächliche Inhalte, die mit dem inkriminierten Geschehen in keinem sachlogischen Zusammenhang stehen (die Mutter sei in der Arbeit gewesen sei und sie hätten Pizza gegessen hätten, die sie ja hätten holen müssen) berichtet. Die Geschädigte berichtete in wörtlicher Rede und schilderte Interaktionen mit dem Angeklagten dahingehend, dass sie hätte ins Bett gehen wollen, er aber gesagt habe, sie solle wach bleiben, weil Wochenende sei, was sie jedoch nicht gewollt habe. Sie habe in ihr Zimmer gewollt und er habe gesagt, sie müsse im Wohnzimmer bleiben. Dies sei aus Sicht der Sachverständigen als ein ungewöhnliches, schemainkonsistentes Detail zu werten, da Diskussionen zwischen Eltern und Kindern über Bettgehzeiten üblicherweise entgegengesetzt verlaufen, sprich, dass Kinder sich eher weigern, zu einer bestimmten Zeit ins Bett zu gehen. Darüber hinaus schildere die Geschädigte mit einer räumlichzeitlichen Einbettung dahingehend, da sie angab, dass sie nahe der Wand gelegen habe, die Mutter weg gewesen sei, der Angeklagte sich neben sie gelegt hätte und die Geschwister, als nebensächliches Detail, den Film Spiderman geschaut hätten und von dem ganzen Vorgehen nichts mitbekommen hätten. Der Angeklagte habe ihr Bein gestreichelt und ihr dann einen Zungenkuss gegeben, in dem er ihre Backen zusammengedrückt habe. Auch diese Schilderungen seien aus Sicht der Sachverständigen als originelle, schemainkonsistente Details zu werten, da laienhafte Vorstellungen von sexuellem Missbrauch eher davon ausgehen, dass die Beteiligten sich alleine an einem Ort aufhalten müssten. Tatsächlich finden sexuelle Übergriffe jedoch nicht selten im Beisein anderer Personen statt, sowohl in familiären Umfeld oder auch an öffentlichen Orten wie z.B. Schwimmbädern. Unter dem Aspekt der logischen Konsistenz sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich hier nach Schilderung der Geschädigten auch nicht um eine normale „Fernsehsituation“ gehandelt habe, sondern, dass die Familie eine Heimkinoanlage mit Leinwand besitze, wobei der Film im Dunkeln angeschaut worden sei. Insofern seien ihre Angaben, die Geschwister hätten zumindest aus ihrer subjektiven Sicht nichts mitbekommen, nachvollziehbar und verletzen die logische Konsistenz nicht.
Die Geschädigte schildert zudem weitere Interaktionen mit dem Angeklagten dahingehend, dass sie in ihr Zimmer gegangen sei, er ihr hinterher sei und sich neben sie gelegt habe. Er habe sie dann aufgefordert seine Hose aufzumachen, was sie gemacht habe. Hierbei berichtet die Geschädigte erneut ungewöhnliche Einzelheiten und fremdpsychische Details des Angeklagten dahingehend, dass sie schildert, dass es eigentlich immer länger gedauert habe, bis das Sperma gekommen sei, hier es aber sofort gekommen sei, als sie die Penisspitze in den Mund genommen habe und sie es dann ausgespuckt habe. Aus Sicht der Sachverständigen seien diese Angaben als hochqualifizierte Schilderung zu werten, denn es erscheine aus Sicht der Sachverständigen ausgeschlossen, dass die Geschädigte dieses Geschehen aus anderen Quellen hergeleitet oder sich selbst ausgedacht haben könnte, zumal in Fremdquellen – etwa die im Internet verfügbare Pornografie – regelmäßig ein so früher Samenerguss nicht dargestellt wird und sich der Oralverkehr regelmäßig nicht nur auf die Penisspitze beschränkt. Bezüglich des Endes der geschilderten Situation habe die Geschädigte auch Erinnerungsunsicherheiten eingeräumt bzw. Einwände gegen die Richtigkeit der eigenen Angaben vorgebracht, indem sie angab, sie glaube, dass der Angeklagte – nachdem er das Sperma mit Feuchttüchern oder Handtüchern beseitigt hatte – noch mal mit ihr geredet habe, sie habe sich dann selbst unterbrochen und gemeint, dass sie meine, dass sie sich das nur einbilde, denn der Angeklagte hätte in anderen Situationen öfters so mit ihr gesprochen, als ob nichts passiert wäre. Ob das im hiesigen Fall so war, wisse sie nicht mehr.
Insgesamt sprechen in diesen Angaben der Geschädigten die Aussagemerkmale deutlich für die Erlebnisfundierung der Angaben.
(2) Hinsichtlich der Vorfälle im Schlafzimmer (Handverkehr) fielen die Schilderungen der Geschädigten eher schematisiert und weniger detailliert aus. Das Merkmal der gut strukturierten Darstellungsweise sei dennoch vorhanden, ebenso die logische Konsistenz der Angaben. Die Geschädigte gab zu den Situationen an, sie habe es immer machen müssen, wenn sie ins Zimmer gemusst habe, um etwas zu fragen, ob sie mit einer Freundin hinaus dürfe. Der Angeklagte habe dann im Schlafzimmer gelegen oder geschlafen und die Geschädigte berichtete hier auch einzelne Dialoge in wörtlicher Rede: „Ich musste also, ich war halt in der Tür und habe gefragt und dann hat, und dann hat er gesagt, ich soll rein kommen, habe ich gesagt, nein, dann hat er gesagt, wenn ich nicht komme, dann kriege ich irgendwie Ärger oder so“.
Der Angeklagte habe dabei auf dem Bett gelegen und sie habe am Bettrand gesessen und habe ihm dann bis zum Samenerguss „einen runterholen“ müssen. Hierzu berichtete die Geschädigte allerdings keine weiteren qualifizierten Details, jedoch wurden die Angaben über die Zeit konstant vorgetragen. In der Hauptverhandlung schilderte die Geschädigte zudem, dass der Angeklagte im Schlafzimmer beim Samenerguss sich ein „Tuch vorgehalten“ habe und insoweit das Sperma aufgefangen habe. Auch berichtete die Geschädigte, dass sie bei diesen Situationen auch geweint habe und der Angeklagte hierauf gesagt habe, sie solle nicht weinen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Geschädigte diese Vorgänge auch mit dem zuletzt genannten Vorfall im Kinderzimmer der Geschädigten dahingehend verglich, dass das Sperma des Angeklagten in den Handverkehrsfällen zu einem viel späteren Zeitpunkt kam.
Insgesamt enthielten die Angaben zu den Vorfällen (Handverkehr) Qualitätsmerkmale, die vor dem Hintergrund der kognitiven Kompetenz der Geschädigten für die Erlebnisfundierung sprechen, sodass aus Sicht der Sachverständigen im Hinblick auf die Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung, in welcher weitere Details zum Vorschein kamen und weiterhin konstante konsistente Angaben gemacht wurden, auch hier von einer Erlebnisfundierung auszugehen sei.
e) Zur Verwerfung der Hypothesen einer nicht erlebnisbasierten Aussage Insgesamt könne die Sachverständige aufgrund der durchgeführten Begutachtung die Arbeitshypothese, dass die Angaben der Geschädigten keine Erlebnisfundierung aufweisen, verwerfen. Im Einzelnen sprechen gegen die eingangs formulierten Hypothesen:
Hypothese 01 (die Angaben sind frei erfunden): Die Hypothese könne aufgrund des Gesamtergebnisses der Begutachtung (adäquate Aussagequalität bei kaum vorhandener Täuschungskompetenz und Absenz von Fremdeinflüssen) verworfen werden.
Hypothesen 02 und 03 (Autosuggestion sowie die Möglichkeit fremdsuggestiver Einflüsse): Diese Hypothesen können im Hinblick auf die Feststellung zur Aussagegenese und zum bereichsspezifischen Wissen der Geschädigten zurückgewiesen werden.
Hypothese 04 (Übernahme aus Fremdquellen): Auch diese Hypothese könne verworfen werden, zum einen infolge der guten kontextuellen Einbettung, der Individualverflechtung des inkriminierten Geschehens mit den individuellen Lebensumständen der Zeugin und den situativen Rahmenbedingungen, der schemainkonsistenten Details und der Komplikationen im Handlungsablauf.
III. Insgesamt können daher, so die Sachverständige, alle Hypothesen verworfen und die Gegenannahme einer Erlebnisfundierung bejaht werden; die Angaben der Geschädigten, sexuelle Übergriffe in der geschilderten Form (Hand- und Oralverkehr beim Angeklagten im Zimmer der Geschädigten sowie Handverkehr in weiteren Fällen) könnten aus Sicht der Sachverständigen mit der erforderlichen Sicherheit als erlebnisgestützt bewertet werden. Zur Überzeugungsbildung der Kammer Die Kammer ist zur Überzeugung gelangt, dass der unter B. dargestellte Sachverhalt sich tatsächlich so ereignet hat. Die Kammer stützt sich hierbei auf die glaubhaften Angaben der Zeugin H1. B., welche das festgestellte Geschehen nach B.Ziff.1. angegeben hat sowie auf den Umstand, dass an den Stellen, welche die Geschädigte als Ort beschrieb, wo das Sperma des Angeklagten gelandet sein soll, tatsächlich Ejakulat festgestellt wurde und die im Rahmen einer DNA-Analyse festgestellten Merkmale mit den Merkmalen des Angeklagten übereinstimmen. Weitere – wenn auch nur indizielle Bedeutung – entfaltet der Umstand, dass auch die Zeugin L. B. angegeben hat, der Angeklagte habe die Geschädigte manchmal „gezwungen“, sich neben ihn zu legen und er habe von ihr verlangt, dass sie ihm „freiwillig“ mal ein „Küsschen“ gibt, was die Geschädigte jedoch nicht gewollt habe. Weitere indizielle Bedeutung entfaltet der Umstand, dass auf dem Computer des Angeklagten – wie der Sachverständige G. überzeugend darlegte – Kinderpornographie festgestellt wurde (B.Ziff.2.) und somit eine zumindest fehlende Distanzierung des Angeklagten zu Kinderpornographie vorliegt.
Im Einzelnen:
1. Zur Würdigung der Aussage der Geschädigten H1. B.
Die Kammer ist bei Würdigung der Aussage der Geschädigten H1. B. davon überzeugt, dass die Schilderungen hinsichtlich des festgestellten Tatgeschehens – sowohl bezüglich des von der Geschädigten angegebenen Handverkehrs (B.Ziff.1.a.) als auch des Oralverkehrs (B.Ziff.2.b.) – erlebnisbasiert sind.
Das bei der Würdigung einer Aussage anzuwendende methodische Grundprinzip besteht darin, bezüglich eines zu überprüfenden Sachverhalt, den die Zeugin schildert davon auszugehen, dass die Aussage nicht einem tatsächlichen Geschehensablauf entspreche (sogenannte Nullhypothese). Bei der Prüfung dieser Annahme sind weitere Unterhypothesen zu bilden, aus welchem Grund die auf nicht erlebten Tatsachen beruhende Aussage erfolgt sein könnte. Ergibt diese Prüfstrategie, dass eine Hypothese mit den erhobenen Fakten nicht in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre – also auf einem tatsächlich erlebten Geschehen beruhende – Aussage handelt (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.1999 – 1 StR 680 / 98, NJW 1999, 2746, Rn. 12).
Die Prüfungsstrategie liegt vorliegend darin, zunächst die Aussage der Zeugin H1. B. auf Aussagequalität und Konstanz hin zu analysieren. Im Wege der Kompetenzanalyse ist zu prüfen, ob eine gefundene Aussagequalität insbesondere durch eine reine Erfindung erklärbar sein könnte. Das erzielte Ergebnis ist sodann anhand einer Gesamtschau der Aussageentstehung und -entwicklung auf Fehlerquellen zu analysieren. Hierbei ist insbesondere zu überprüfen, ob vorliegend eine Suggestion in Form einer Fremd- oder Eigensuggestion in Betracht kommt; hierbei sind insbesondere auch Belastungsmotive von Beteiligten oder Dritten abzuklären. Schließlich ist im Rahmen der Fehlerquellenanalyse auch eine Prüfung auf Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefehler vorzunehmen.
a) Zur Qualität der Aussage der Zeugin H1. B.
Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität gibt es Merkmale, denen indizielle Bedeutung für die Entscheidung zukommen kann, ob die Angaben der untersuchten Person auf tatsächlichem Erleben beruhen. Es handelt sich um aussageimmanente Qualitätsmerkmale, deren Auftreten in einer Aussage als Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Angaben gilt. Hierzu zählen die Schilderung von Handlungskomplikationen, von überflüssigen oder ungewöhnlichen Details, Querverbindungen zu ähnlichen Vorgängen, räumlichzeitliche Einbettung der Aussage, Wiedergabe von Gesprächen oder unverstandenen Handlungen, Schilderung von deliktspezifischen Merkmalen und eigen- oder fremdpsychische Vorgänge, eine Inschutznahme des Täters, eine Selbstbelastung des Zeugen, spontane Selbstverbesserungen durch den Zeugen, das Zugeben von Erinnerungslücken oder von Unsicherheiten und eine ungeordnete und widerspruchsfreie Erzählweise.
Solche Realkennzeichen (oder auch Glaubhaftigkeitsmerkmale) können als grundsätzlich empirisch überprüft angesehen werden. Zwar handelt es sich um Indikatoren mit jeweils für sich genommen nur geringer Validität, d.h. mit durchschnittlich nur wenig über dem Zufallsniveau liegender Bedeutung. Eine Schlussfolgerung kann aber eine beträchtlich höhere Aussagekraft und damit Indizwert für die Glaubhaftigkeit zu beurteilender Angaben erlangen, wenn sie aus der Gesamtheit aller Indikatoren abgeleitet wird. Denn durch das Zusammenwirken der Indikatoren werden deren Fehleranteile insgesamt gesenkt. Unabhängig davon dürfen die Realkennzeichen jedenfalls nicht schematisch angewandt werden: Nur im Einzelfall können auch einzelne Realkennzeichen ausreichen, um den Erlebnisbezug einer Aussage anzunehmen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30.07.1999, a.a.O., Rn. 21 ff. m.w.N.).
Die Kammer hat im vorliegenden Fall eine erhebliche Anzahl solcher Realkennzeichen in den Angaben der Zeugin in der mündlichen Hauptverhandlung, aber auch in bereits früheren Angaben, die in die Hauptverhandlung über mehrere Zeugen eingeführt wurden, festgestellt. Hervorzuheben sind insoweit nicht nur unstrukturierte Darstellungsweisen oder die Schilderung von Interaktionen oder vermeintlicher Nebensächlichkeiten, die Schilderung von fremdpsychischen Erlebens, sondern vor allem auch die Darstellung von schemainkonsistenten und ungewöhnlichen Details.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Vorliegen von Realkennzeichen bezüglich der Angaben zum Handverkehr (B.Ziff.1.a.) bzw. Oralverkehr (B.Ziff.1.b.) wird insoweit auf die überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen Dr. L. verwiesen, welchen sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung anschließt (vgl. insbes. C.II.4.d.dd.).
b) Zur Konstanz der Aussage der Zeugin H1. B.
Bei der Konstanzanalyse handelt es sich um ein wesentliches methodisches Element der Aussageanalyse, bei der aussageübergreifende Qualitätsmerkmale, die sich aus dem Vergleich von Angaben über denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergeben, überprüft werden. Es ist insoweit ein Aussagevergleich im Hinblick auf Übereinstimmungen, Widersprüche, Ergänzungen und Auslassungen vorzunehmen. Dabei stellt allerdings nicht jede Inkonstanz einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar. Vielmehr können vor allem Gedächtnisunsicherheiten eine hinreichende Erklärung für festgestellte Abweichungen darstellen (BGH, Urteil vom 30.07.1999, a.a.O., Rn. 26).
Die Kammer übersieht nicht, dass die bisherigen Aussagen der Geschädigten H1. B. bei der Polizei, beim Ermittlungsrichter, bei der Sachverständigen, und die in der Hauptverhandlung nicht völlig identisch sind. Dies ist aber aus Sicht der Kammer bei Angaben über einen längeren Zeitraum nicht ungewöhnlich und hängt – gerade bei minderjährigen Zeugen – regelmäßig von der Befragungssituation, der Person des Befragenden und vor allem davon ab, wie intensiv die befragende Person ins Detail geht. Allerdings ist hervorzuheben, dass eine Konstanz der Angaben über die Zeit betreffend die genannten zentralen Inhaltsbereiche durchaus vorliegt (Zungenkuss im Wohnzimmer und Oralverkehr im Kinderzimmer, Handverkehr beim Beschuldigten im Kinderzimmer, Manipulation bei ihr am Genitalbereich). Auch die fraglichen Tatörtlichkeiten wurden von der Geschädigten konstant benannt (Kinderzimmer, Wohnzimmer und Schlafzimmer in der Wohnung in Großostheim). Ebenso benannte die Geschädigte die fraglichen Körperpositionen konstant (der Angeklagte sei beim Oralverkehr in ihrem Zimmer gestanden, sie sei gesessen oder gelegen, bzw. halb gesessen, halb gelegen). Wie auch die eigene Rolle (sie habe das inkriminierte Geschehen nicht gewollt, habe auch versucht sich zu wehren).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Vorliegen einer Konstanz wird insoweit auf die überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen Dr. L. verwiesen, welchen sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung anschließt (vgl. insbes. C.II.4.d.dd.).
c) Zum Niveau der kognitiven Fähigkeiten der Zeugin H1. B.
Während im Falle einer wahren Aussage ein Bericht aus dem Gedächtnis rekonstruiert wird, konstruiert andererseits eine bewusst lügende Person ihre Aussage aus ihrem gespeicherten Allgemeinwissen. Es stellt daher eine schwierige Aufgabe mit hohen Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit dar, eine Aussage über ein (komplexes) Geschehen ohne eigene Wahrnehmungsgrundlage zu erfinden und zudem über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.1999, a.a.O., Rn. 20).
Die Kammer ist angesichts der im unteren Durchschnittsbereich anzusiedelnden Intelligenz der Geschädigten H1. B. und auch der aus ihren Zeugnissen ersichtlichen Beurteilungen, insbesondere der herabgesetzten Leistungsfähigkeit der Geschädigten im Bereich des logischschlussfolgernden Denkens, der Überzeugung, dass die Geschädigte nicht in der Lage war, die hier gewürdigte Zeugenaussagen ohne Erlebnisfundierung vorzutragen. Die hierzu erforderlichen Anforderungen für die Konstruktion einer komplexen, stimmigen, detailreichen Handlung und Fähigkeit, auf Nachfragen stimmige Ergänzungen vorzunehmen und über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, kann die Geschädigte schlicht nicht erbringen. Soweit hat die Zeugin K., Mutter der Geschädigten, die H. B. als „sehr klug“ bezeichnet hat, folgt die Kammer dieser Einschätzung nicht, weil dem zum einen der von der Zeugin in der Hauptverhandlung gewonnene persönliche Eindruck und zum anderen vor allem die von der Sachverständigen Dr. L. durchgeführten kognitiven Tests, die mit den damaligen schulischen Leistungen korrespondieren, entgegenstehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu den kognitiven Fähigkeiten der Geschädigten wird insoweit auf die überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen Dr. L. verwiesen, welchen sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung anschließt (vgl. insbes. C.II.4.b., d.aa.,dd.).
d) Zur Möglichkeit des Bestehens von Fehlerquellen Nach Durchführung der Prüfung der Qualität der Aussage, der Konstanz und der Kompetenz der Zeugin ist zudem die Hypothese, dass die für sich glaubhafte Aussage der Zeugin auf Fehlerquellen beruht, zu prüfen (BGH, Urteil vom 30.07.1999, a.a.O., Rn. 27 ff.). Hintergrund ist, dass die vorangegangene Prüfung nur die Hypothese widerlegt hat, dass die Zeugin bewusst gelogen hat. Die vorangegangene inhaltsorientierte Glaubhaftigkeitsanalyse ist dagegen für die Fehler der Suggestion oder des Irrtums „blind“, d.h. ein suggestiv hinreichend beeinflusster Zeuge oder ein Zeuge, der einen Vorgang fehlerhaft wahrgenommen hat, ist durchaus in der Lage, einen objektiv nicht wahren Sachverhalt aus seiner subjektiv wahr erlebten Sicht so darzustellen, dass die Prüfung auf Qualität, Konstanz und Kompetenz die Aussage auch als objektiv wahr erscheinen lässt.
Allerdings vermag die Kammer – wie auch die Sachverständige Dr. L. – keine stichhaltigen Hinweise für Fremdquellen finden, aus denen die Geschädigte bereichsspezifisches Wissen entlehnt und unabsichtlich oder gezielt auf den Angeklagten übertragen haben könnte. Soweit in der Schule ein Sexualunterricht stattfand, die Geschädigte sich im Internet mal pornographische Videos anschaute, sie einen Freund (ohne weiteren sexuellen Kontakt) hatte, Folgen der Sendung „Hilf mir!“, „Auf Streife“ oder sonstige Gerichtssendungen sah oder im Ansatz mit Personen über das Geschehen sprach, sind diese Inhalte nicht geeignet, die hier von der Geschädigten geschilderte Kontexteinbettung, Deliktsspezifik, das eigenpsychische Erleben oder Komplikationsschilderungen zu erklären.
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass die Geschädigte dazu neigt, Vorgänge falsch wahrzunehmen, sich falsch zu erinnern oder erlebte Vorgänge falsch wiederzugeben. Insoweit bestand für die Kammer kein Anlass, die Möglichkeit eines Irrtums der Zeugin zu bejahen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu der Möglichkeit von Fehlerquellen wird insoweit auf die überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen Dr. L. verwiesen, welchen sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung anschließt (vgl. insbes. C.II.4.b., d.bb.).
Hinsichtlich der Häufigkeit des Handverkehrs (B.Ziff.1.a.) – hier gab die Geschädigte als Häufigkeit etwa alle zwei bis drei Wochen an – ist die Kammer zugunsten des Angeklagten für das Jahr 2018 von zwölf Vorfällen ausgegangen.
2. Zur weiteren Würdigung der Beweismittel zu B.Ziff.1.b.
Diese erlebnisbasierten Angaben der Geschädigten H1. B. zum dem Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalt nach B.Ziff.1.b. werden zudem durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. M. bestätigt: Exakt die Stellen, wo laut der Zeugin H1. B. bei dem Oralverkehr das Sperma des Angeklagten gelandet sein soll (auf Bett bzw. Boden vor dem Bett), wurden spurentechnisch gesichert.
(Männliches) Ejakulat habe nach Durchführung eines PSA-Tests an den Spuren 1.3 (Abrieb Laminatboden), Spur 1.8 Fleck 1 (Kopfkissenbezug grünweiß) und 1.12 (Spannbettbezug dunkelblau) nachgewiesen werden können. Die weitere DNAtechnische Untersuchung habe zudem ergeben, dass insbesondere an der bereits als Ejakulat identifizierten Spur 1.8. Fleck 1 (Kopfkissenbezug grünweiß) DNA-Muster, die sich auf eine einzige Person zurückführen lassen und vollständig mit den Merkmalen der Vergleichsperson B.1986.Christian, dem Angeklagten, übereinstimmen, festgestellt wurden. Hierbei handele es sich um sog. Einzeltreffer ohne forensische Besonderheiten; eine Mischspur lag insoweit nicht vor. Die Hypothese, dass der Angeklagte Verursacher der Spuren ist, hat der Sachverständige als 9,2 x 1025 mal wahrscheinlicher erachtet als die Hypothese, dass eine mit dem Angeklagten unverwandte Person der Verursacher ist, weshalb die Vergleichsperson G.1986.Christian – der Angeklagte – aus Sicht des Sachverständigen ohne vernünftige Zweifel als Verursacher der anhaftenden Zellmaterialien anzusehen sei.
Den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer an. Abgesehen davon, dass die Spur 1.8. Fleck 1 (Kopfkissenbezug grünweiß) als Ejakulat mit den DNA-Merkmalen des Angeklagten übereinstimmt, besteht nach Überzeugung der Kammer auch kein Zweifel, dass auch das an Spur 1.3 (Abrieb Laminatboden) und Spur 1.12 (Spannbettbezug dunkelblau) nachgewiesene Ejakulat vom Angeklagten stammt, auch wenn insoweit ein DNA-Treffer nicht vorliegt, was nach den Ausführungen des Sachverständigen daran liegen kann, dass die sichergestellte Menge nicht mehr für eine DNA-Analyse ausreichte. Weitere geschlechtsreife männliche Personen, die das Kinderzimmer der Geschädigten betreten und dort Ejakulat hinterlassen haben könnten, sind nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass der im Zeitpunkt der DNA-Entnahme neunjährige Bruder der Geschädigten E2. B. oder der erste Freund der Geschädigten – den diese mal in den Ferien hatte und mit dem nach den Angaben der Geschädigten und der Zeugin K. kein Geschlechtsverkehr stattfand – Verursacher der weiteren Spuren sein könnte, liegen nicht vor.
Die Kammer ist daher in der Gesamtschau davon überzeugt, dass der Angeklagte sein Sperma auf dem Boden und im Bett der H. B. hinterlassen hat. Anhaltspunkte dafür, dass Ejakulat durch einen Geschlechtsverkehr des Angeklagten mit seiner Lebensgefährtin im Kinderzimmer der Geschädigten dort gelandet ist, liegen nicht vor: Die Mutter der Geschädigten, die Zeugin K., hatte zunächst bei der Polizei angegeben, dass ein Geschlechtsverkehr im Kinderzimmer nie stattgefunden habe. In der Hauptverhandlung hat sie dies dahingehend relativiert, dass der Angeklagte nicht zum Samenerguss gekommen sei. Insoweit geht die Kammer nach ihrer Überzeugung mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, die vernünftigen Schweigen gebietet, davon aus, dass die Existenz des Ejakulats des Angeklagten nur auf die von der Geschädigten H1. B. zurückzuführende Handlungsweise zurückzuführen ist.
3. Zu dem Besitz von Kinderpornographie
Schließlich hat die Kammer im Hinblick auf die Angaben des Sachverständigen G., der den PC des Angeklagten überprüft hat und mehrere Videos mit sexuellen Kontext festgestellt hat, keine Zweifel daran, dass der Angeklagte im Besitz kinderpornographischer Inhalte war. Dass Zeugin K. die Besitzerin der Inhalte war, hat diese für die Kammer glaubhaft von sich gewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Geschädigte, die Zeugin L. B. oder der Zeuge E2. B. Inhaber dieser Schriften waren, bestehen nicht und selbiges schließt die Kammer aus.
D.
Abgesehen davon, dass der Dateinamen der vier Videos („[p…] …i“, „y…i“, „P…i“ und „j…i“) teilweise bereits darauf hindeutet, dass die darauf abgebildeten Minderjährige unter 14 Jahre alt sind, ist die Kammer auch aufgrund des Aussehens der „Darstellerinnen“, insbesondere deren körperlichen Entwicklung (Entwicklung des Busens, Schambehaarung, Körpergröße und sonstigem kindlichen Aussehen) dieser Überzeugung. Zur rechtlichen Würdigung Aufgrund der getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte C2. B. sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in Tatmehrheit mit Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften schuldig gemacht gemäß §§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1, 184b Abs. 3, Abs. 6, 52, 53 StGB.
Im Einzelnen:
Hinsichtlich der zwölf im Jahr 2018 stattgefundenen Fälle (B.Ziff.1.a.), in welchen die Geschädigte H1. B. den Angeklagten mit der Hand bis zum Samenerguss befriedigen musste, hat der Angeklagte sich jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen strafbar gemacht (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Die Geschädigte H1. B. war bei Begehung der Taten im Jahr 2018 elf bzw. zwölf Jahre alt und Abkömmling der Zeugin S3. K., mit welcher der Angeklagte in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte.
Hinsichtlich des im April 2019 stattgefundenen Vorfalls (B.Ziff.2.b.), bei dem die Geschädigte der Angeklagten mittels Zusammendrücken der Wangen einen Zungenkuss aufgezwungen und unmittelbar im Anschluss dieser in das Kinderzimmer folgte, sich zu ihr ins Bett legte und schließlich die Geschädigte den Angeklagten mit der Hand am Penis und dann mit dem Mund an der Penisspitze befriedigen musste, bis dieser zum Samenerguss kam und hierbei der Geschädigten auch in den Mund ejakulierte, hat er sich wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen strafbar gemacht. Die Kammer hat diesen Vorgang als eine prozessuale Tat erachtet. Neben der Anwendung von Gewalt im Rahmen des sexuellen Übergriffes i.S.d. § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB durch Zusammendrücken der Wangen ist insbesondere ein schwerer sexueller Missbrauch von Kindern und eine Vergewaltigung darin zu sehen, dass der Angeklagte bei der im April 2019 13-jährigen Geschädigten mit der Penisspitze in den Mund eindrang und in selbigen auch ejakulierte. Ein „Eindringen“ i.S.d. § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB bzw. des § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB liegt auch dann vor, wenn nicht nur der Penis ganz oder zum Teil in eine Körperöffnung i.S.e. Penetration erfolgt (was hier mit der Penisspitze bereits der Fall war), sondern auch, wenn Ejakulat des Täters in das Opfer gelangt; weder die Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine Einschränkung des Wortlauts auf eine Penetration mit Körperteilen oder festen Gegenständen (vgl. BGH, Beschluss v. 19.12.2008 – 2 StR 383/08, NStZ 2009, 262 m.w.N.). Dass während des gesamten Tatgeschehens ein entgegenstehender Wille der Geschädigten für den Angeklagten klar erkennbar war, unterliegt keinem Zweifel.
E. Indem der Angeklagte vier Videos besaß, die ein tatsächliches als Kinderpornographie einzuordnendes Geschehen wiedergeben (B.Ziff.2.), hat er sich nach § 184b Abs. 3 StGB schuldig gemacht. Zur Strafzumessung
I. Zur Strafzumessung hinsichtlich der Taten nach B.Ziff.1.a. der Feststellungen Hinsichtlich der zwölf im Jahr 2018 stattgefundenen Fälle des Handverkehrs (B.Ziff.1.a.) ist die Kammer vom Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausgegangen, welcher eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines besonders schweren Falles i.S.d. § 176 Abs. 3 StGB liegen nicht vor.
Bei der Bemessung der zwölf Einzelstrafen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten jeweils berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist. Strafschärfend hat die Kammer dagegen berücksichtigt, dass der Angeklagte neben dem sexuellen Missbrauch von Kindern tateinheitlich auch einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen begangen hat und bei den Taten stets ein Samenerguss erfolgte.
Insgesamt erachtet die Kammer für jede der zwölf Fälle des Handverkehrs (B.Ziff.1.a.) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
1 Jahr und 3 Monaten für tat- und schuldangemessen.
II. Zur Strafzumessung hinsichtlich der Tat nach B.Ziff.1.b. der Feststellungen
1. Zu den Strafrahmen
Hinsichtlich der im April 2019 stattgefundenen Tat (B.Ziff.1.b.) sieht der Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu 15 Jahren, in minder schweren Fällen (Abs. 4) eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Der tateinheitlich verwirkte Straftatbestand der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1, Abs. 6 StGB) sieht als besonders schwerer Fall als Strafrahmen ebenfalls eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu 15 Jahren vor, im Falle des Entfallen der Regelwirkung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor (§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB).
2. Zum Nichtentfallen der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB bzw. Nichtvorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB Die Kammer hatte zu berücksichtigen, ob in den vorliegenden Fällen bezüglich der Vergewaltigungen ausnahmsweise die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB entfällt oder bezüglich des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 StGB in Betracht kommt.
Für die Entscheidung, ob die Regelwirkung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 StGB ausnahmsweise wegen gewichtiger Milderungsgründe entfällt, ist – ähnlich wie bei der Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 176a Abs. 4 StGB – auf das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit abzustellen und zu prüfen, ob sich angesichts deutlich überwiegender Milderungsgründe die Bewertung der Tat als besonders schwerer Fall als unangemessen erweisen würde (BGH, Beschluss vom 01.08.2017, 2 StR 185/17).
Bei der Entscheidung über die Anwendung eines geänderten Strafrahmens hat die Kammer im Rahmen der durchzuführenden Gesamtabwägung bezüglich des Entfallens der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB bzw. des Vorliegens eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB folgendes berücksichtigt:
Die Kammer hat zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist. Zu Lasten hat die Kammer dagegen berücksichtigt, dass der Angeklagte tateinheitlich mehrere Straftatbestände (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie Vergewaltigung) erfüllt hat.
Vorliegend begründet der aufgeführte strafmildernde Gesichtspunkt nach Auffassung der Kammer kein so erhebliches Abweichen der Straftat von dem Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Vergewaltigung bzw. des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, dass eine Ausnahme von der Anwendung des Strafrahmens besonders schweren Fall i.S.d. § 177 Abs. 6 StGB oder die Annahme eines minder schweren Falles i.S.d. § 176a Abs. 4 StGB geboten wäre. Es verbleibt daher beim Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu 15 Jahren.
3. Zur Strafzumessung i.e.S. zu B.Ziff.1.b.
Ausgehend von den gefundenen Strafrahmen hat die Kammer bei der Strafzumessung im engeren Sinne als bestimmende Strafzumessungsgesichtspunkte bezüglich der Tat jeweils die oben genannten strafmildernden und straferschwerenden Umstände berücksichtigt und die Verhängung einer Freiheitsstrafe von
3 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
III. Zur Strafzumessung hinsichtlich der Taten nach B.Ziff. 2. der Feststellungen Hinsichtlich des Besitzes kinderpornographischer Schriften (B.Ziff.2.) sieht § 184b Abs. 3 als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.
Die Kammer hat hierbei strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und es sich bei den aufgefundenen und als Kinderpornographie zu wertende Videos nur um vier Stück handelt, was im Vergleich zu sonstigen Fällen des § 184b Abs. 3 StGB als relativ wenig anzusehen ist. Auch handelt es sich bei den Videos, wie der Sachverständige ausführte, lediglich um „Standardvideos“, die immer wieder im Netz kursieren.
Insgesamt sieht die Kammer insoweit die Verhängung einer Geldstrafe von
120 Tagessätzen als ausreichend an, wobei die Kammer unter Ansatz des letzten Nettomonatsgehalts des Angeklagten von 1.400,– EUR und vorgenommener Abzug für den Unterhalt seiner Familie von einer Tagessatzhöhe von 30,– EUR ausgegangen ist.
IV. Zur Gesamtfreiheitsstrafenbildung
Gemäß den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 StGB ist aus diesen verhängten Einzelstrafen durch Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer zusätzlich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die einzelnen Straftaten sich insgesamt über einen längeren Zeitraum erstreckten, sie jedoch örtlich und inhaltlich als relativ gleichgelagert einzuordnen sind.
Nach nochmaliger Abwägung aller oben dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, auf die verwiesen wird, hielt die Kammer unter Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
6 Jahren
für tat- und schuldangemessen und für einen gerechten Schuldausgleich.
F. Zur Einziehungsentscheidung
Die Entscheidung über die Einziehung des sichergestellten PC-Tower STRIX, Nr. …, auf dem sich die vier unter B.Ziff.2. festgestellten kinderpornographischen Filme gespeichert waren, beruht auf § 184b Abs. 6 S. 1 StGB.
G. Zur Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 464, 465 Absatz 1 S. 1 StPO.