Strafrecht

Ausweisung, Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 6 bzw. 8 Jahre, ARB-berechtigter türkischer Staatsangehöriger, 37 Jahre im Bundesgebiet, Niederlassungserlaubnis, Drogenabhängigkeit, Drogenkriminalität, Anlassverurteilung 2 Jahre und 6 Monate, Freiheitsstrafe, Faktischer Inländer, Geschieden, erwachsene Kinder, Eheschließung geplant

Aktenzeichen  M 24 K 21.130

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45953
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53
AufenthG § 54
AufenthG § 55
ARB 1/80 Art. 7
EMRK Art. 8 Abs. 1
AufenthG § 11

 

Leitsatz

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2020. Die Klage ist im Hauptantrag als Anfechtungsklage gegen die in diesem Bescheid verfügte Ausweisung, im Hilfsantrag als Verpflichtungsklage auf Herabsetzung der von der Beklagten verfügten Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 AufenthG) statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Klagefrist eingehalten.
2. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 14. Dezember 2020 erweist sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 12) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verkürzung der Frist des gegen ihn verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots oder auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 VwGO, § 114 Satz 1 VwGO).
2.1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt München war für den Erlass des Bescheides nach § 71 Abs. 1 AufenthG, § 1 Nr. 1, § 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 (Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht – ZustVAuslR – vom 27. August 2018 (GVBl. S. 714, 738, BayRS 26-1-1-I), die zuletzt durch Verordnung vom 2. November 2020 (GVBl. S. 625) geändert worden ist, sachlich und örtlich zuständig. Die Haft bzw. Unterbringung des Klägers ändert nichts an der örtlichen Zuständigkeit (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 ZustVAuslR). Dem Kläger wurde vor Erlass des Bescheides Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).
2.2. Die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Das Gesetz sieht die Ausweisung ausnahmslos als gebundene Entscheidung vor, bei der die Behörde keine Ermessenserwägungen treffen darf und die daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BeckOK AuslR/Tanneberger/Fleuß, 25. Ed. 1.11.2019, AufenthG § 53 Rn. 20 m.w.N.).
Das Gericht folgt der ausführlichen und zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. Dezember 2020 und sieht – abgesehen von den folgenden ergänzenden und zusammenfassenden Ausführungen – von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2.2.1. Die Ausweisung findet vorliegend ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht – was vorliegend unstreitig ist – dem Ausländer wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen ein Recht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation – ARB 1/80 – zu, vorliegend abgeleitet gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 von seinem Vater als dem regulären Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland angehörig gewesenem Arbeitnehmer sowie auch gemäß Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 aufgrund der im Bundesgebiet abgeschlossenen Berufsausbildung, so sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen. Denn ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 28; B.v. 13.5.2016 – 10 ZB 15.492 – juris Rn. 14; B.v. 11.7.2016 – 10 ZB 15.837 – Rn. 11 jeweils m.w.N.). Der Maßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG gibt exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, „Ziebel“ – juris Rn. 82ff.; U.v. 29.3.2012 – C-7/10,C-9/10, „Kahveci„und „Inan“ – Rn. 40) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen gemäß Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein mussten (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 9-11 m.w.N.). Im Fall der Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen nach §§ 53 Abs. 1, 54, 55 AufenthG; ihnen kommt auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit dem jeweiligen Gewicht zu (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 9-11).
Da der Ausweisungsschutz aus Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen nicht weiter reicht als der aus ARB 1/80, ergibt sich aus jener Norm kein anderer Maßstab für die rechtliche Überprüfung der Ausweisung des Klägers (vgl. BVerwG, U.v. 2.9.2009 – 1 C 2/09 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 9-11). Auch aus Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12.1.1927 (BGBl II 1952, 608) ergeben sich keine höheren Anforderungen als bereits die §§ 53 ff. AufenthG vorsehen.
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung verhältnismäßig und für die Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.
2.2.2. Das persönliche Verhalten des Klägers stellt gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
2.2.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – juris Rn. 18f. unter Verweis auf EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, „Ziebel“, demzufolge der Gedanke der Resozialisierung im Aufnahmemitgliedstaat keinen Vorrang bei der Abwägung hat). Bei der vom Gericht zur angefochtenen Ausweisungsverfügung zu treffenden eigenständigen Prognose zur Sicherheitsgefahr bzw. schwerwiegenden Gefahr i.S.v. § 53 Abs. 3 AufenthG, ergeben sich die heranzuziehenden Indizien nicht nur aus dem Verhalten im Strafvollzug (oder Maßregelvollzug) und danach. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 9-11; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Bei der Ermittlung der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist der Rang des bedrohten Rechtsguts zu berücksichtigen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 16).
Der Maßstab einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft verweist – anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Polizeirecht – nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz (Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, ARB 1/80 Art. 14 Rn. 43). Die Qualität der Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft kann dabei nicht durch die Quantität der Anzahl von Straftaten aufgewogen werden. Die Tatbestandsvoraussetzung schließt in erster Linie eine Ausweisung wegen Fällen von Klein- oder Bagatellkriminalität aus. Wann umgekehrt eine schwerwiegende, ein Grundinteresse der Gesellschaft tangierende Gefahr vorliegt, lässt sich nicht losgelöst vom Einzelfall abstrakt bestimmen. Als allgemeine Leitlinie kann gelten, dass jedenfalls bei Drogen- und Gewaltkriminalität ein Grundinteresse der Gesellschaft betroffen ist (BeckOK AuslR/Kurzidem, 25. Ed. 1.3.2020, EWG-Türkei Art. 14 Rn. 15).
2.2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass vom Kläger eine die Ausweisung tragende erhebliche Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (Wiederholungsgefahr) ausgeht und sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 14. Dezember 2020 konnte sich im Ausgangspunkt auf das Urteil des Amtsgerichts … vom … Juli 2020 stützen, mit dem der Kläger wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt wurde. Damit hat der Kläger das typisierte besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verwirklicht. Dieses greift, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde. Der Kläger hat zuvor bereits zahlreiche Straftaten aus verschiedenen Bereichen begangen, vor allem im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Letztlich blickt er auf eine etwa 15 Jahre währende kriminelle Karriere als Drogenhändler zurück. Trotz einschlägiger Vorstrafen und teilweise unter offener Bewährung ist der Kläger mehrfach erneut straffällig geworden. Auch in der Vergangenheit durchgeführte Therapien und Entgiftungen konnten ihn dabei nicht für einen längeren Zeitraum von weiteren Straftaten abhalten, obwohl die Gerichte und Behörden ihm immer wieder neue Chancen auf Bewährung gegeben haben. Hintergrund seiner Straffälligkeit ist seine eigene Drogensucht, zu deren Finanzierung er zahlreiche der Taten beging und von der er sich trotz zahlreicher, langjähriger therapeutischer Versuche nie vollständig lossagen konnte. Vielmehr kam es immer wieder zu Rückfällen, was im Übrigen die Gefährlichkeit der auch vom Kläger vertriebenen Drogen nachdrücklich vor Augen führt, selbst wenn im Zeitraum zwischen 2014 und 2019 keine Drogenrückfälle oder Verurteilungen bekannt sind. Auch von einer ausländerrechtlichen Verwarnung hat sich der Kläger unbeeindruckt gezeigt. Eine Verhaltensänderung konnte sie nicht erzielen. All dies spricht zur Überzeugung des Gerichts bereits für eine besonders hohe Wiederholungsgefahr der Begehung weiterer einschlägiger Delikte aus dem Bereich der Betäubungsmittelstraftaten.
Der Kläger ist überdies im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf seine Drogensucht nach wie vor nicht abschließend therapiert. Die am 23. November 2020 begonnene Unterbringung nach § 64 StGB ist noch nicht abgeschlossen, wenngleich die Therapie nach dem aktuellen Bericht des Bezirksklinikums … vom 6. Oktober 2021 auf einem guten Weg scheint. Der Kläger konnte am 5. August 2021 auf eine weiterführende Station aufgenommen werden. Derzeit ist er seit 16. August 2021 in der Lockerungsstufe C. Ein erfolgreicher Abschluss der Therapie ist damit aber noch ebenso wenig vorbestimmt, wie eine anschließende dauerhafte Abstinenz von Betäubungsmitteln.
Auch ein Wohlverhalten in Haft, Maßregelvollzug oder hier dem geschützten Rahmen der Therapie in der Fachklinik lässt überdies nach ständiger Rechtsprechung noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würden (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; B.v. 29.8.2017 – 10 C 17.1298 – juris Rn. 3; B.v. 19.5.2015 – 10 ZB 15.331 – juris Rn. 7). Dass es bislang trotz mehrerer, auch stationärer und langandauernder Versuche in der Vergangenheit noch nicht zu einer dauerhaft erfolgreichen Therapie gekommen ist, ist in der Sphäre des Klägers zu verorten.
Das Verhalten des Klägers, das sich in den von ihm begangenen Straftaten manifestiert, stellt dabei einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass dar, der über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung deutlich hinausgeht und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es handelt sich bei den vom Kläger begangenen Straftaten nicht um Klein- oder Bagatellkriminalität, sondern um den Handel mit harten, besonders gefährlichen Drogen – Kokain und Heroin – in großen Mengen. Solche Betäubungsmitteldelikte gehören zu den schweren, die Grundinteressen der Gesellschaft berührenden und schwer zu bekämpfenden Straftaten (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV). Die Folgen insbesondere für junge Menschen können äußerst gravierend sein. In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13.12 – juris Rn. 12 mit Nachweisen zur Rechtsprechung von EuGH und EGMR; BayVGH, B.v. 7.3.2019 – 10 ZB 18.2272 – juris Rn. 7). Die von unerlaubten Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Werteordnung der Grundrechte einen sehr hohen Rang einnehmen. Rauschgift bedroht diese Schutzgüter in hohem Maße und trägt dazu bei, dass soziale Beziehungen zerbrechen und die Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird. Die mit dem Drogenkonsum häufig einhergehende Beschaffungskriminalität schädigt zudem die Allgemeinheit, welche ferner auch für die medizinischen Folgekosten aufkommen muss (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 19 ZB 17.1535 – juris Rn. 9-11; B.v. 14.3.2013 – 19 ZB 12.1877; B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 8).
Gerade auch der vorliegende Fall des Klägers, der selbst seit Jahren mit Rückfällen hinsichtlich des Konsums von Kokain zu kämpfen hat und so immer wieder auch mit der Betäubungsmittelszene in Kontakt kommt, zeigt einmal mehr, welche Gefahren von Betäubungsmitteldelikten ausgehen, die mit erheblichen persönlichen Folgen auch für die Konsumenten verbunden sind. Der Kläger ist insgesamt aufgrund seiner Straftaten allein zu Freiheitsstrafen von ca. siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Auch dies zeigt nachdrücklich, dass seine Straffälligkeit ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
2.2.3. Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch unerlässlich ist für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft.
Dabei ist im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 44 m.w.N.). Auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG ist unter Berücksichtigung des besonderen Gefährdungsmaßstabs für die darin bezeichneten Gruppen von Ausländern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2) AufenthG durchzuführen (vgl. dazu die Gesetzesbegründung zu § 53 Abs. 3, BT-Drs. 18/4097 S. 50; BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 44; U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 37). 
Dem bereits skizzierten, in der Person des Klägers bestehenden und in seiner massiven Straffälligkeit begründeten besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG steht vorliegend ein ebenfalls besonders schwerwiegendes typisiertes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, denn der Kläger war bis zur hier streitgegenständlichen Ausweisung in Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die unter Einstellung sämtlicher berührter Belange vorzunehmende Gesamtabwägung ergibt jedoch, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.
Das Vorliegen eines in § 54 AufenthG normierten Ausweisungsinteresses, dem ein Bleibeinteresse gegenübersteht, führt nicht ohne Weiteres zur Ausweisung des Betroffenen. § 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Erforderlich ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.; HessVGH, B.v. 5.2.2016 – 9 B 16/16 – juris Rn. 5), darunter der Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Aufnahmestaat, sein Alter, die Folgen der Ausweisung für die betroffene Person und ihre Familienangehörigen, ebenso die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, sowie den – persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen – Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Staat der Staatsangehörigkeit (vgl. § 53 Abs. 2 AufenthG). Anhand dieser Umstände muss festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung letztlich überwiegt und die Ausweisung im Sinne von § 53 Abs. 3 AufenthG unerlässlich ist.
Prinzipiell erfassen die Bleibeinteressenstatbestände die Grundrechtspositionen und tragen den Wertentscheidungen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in grundsätzlich ausreichender Weise Rechnung (vgl. BVerfG, B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03 – juris Rn. 21). Ungeachtet dessen sind die Bleibeinteressen des Klägers, die sich auf Grundrechtspositionen und auf Wertentscheidungen der EMRK stützen lassen, bei der vorzunehmenden Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteresse ihrer Wertigkeit entsprechend in die Abwägung einzustellen und zu gewichten. Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebungszielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebungszielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U.v. 12.1.2010 – 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U.v. 22.3.2012, – 18 A 951/09 – juris).
Zugunsten der klägerischen Bleibeinteressen ist dabei zunächst in den Blick zu nehmen, dass der Kläger seit 1984, also inzwischen seit gut 37 Jahren, in Deutschland lebt. Seine Bindungen zum Bundesgebiet hat er in der mündlichen Verhandlung nochmals verdeutlicht. Auch lebt seine engere Familie, bestehend aus Eltern, Bruder und seinen erwachsenen Kindern im Bundesgebiet. Der Kläger ist „faktischer Inländer“. Diese Stellung als „faktischer Inländer“ verhindert die Ausweisung jedoch nicht von vornherein, sondern erfordert lediglich eine Abwägung der besonderen Umstände des Betroffenen und des Allgemeininteresses im jeweiligen Einzelfall (vgl. EGMR, U.v. 13.10.2011 – Nr. 41548/06, Trabelsi – juris Rn. 53; BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16; B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03; BayVGH, B.v. 26.1.2015 – 10 ZB 13.808 – juris Rn. 37). Die Stellung als faktischer Inländer wird vorliegend durch die Umstände des Aufenthalts des Klägers erheblich relativiert. Der volljährige Kläger ist geschieden und hat keine minderjährigen Kinder mehr. Seine Verlobte hat er noch nicht geheiratet, so dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine Bindungen bestehen, die in besonderem Maße unter verfassungsmäßigem Schutz (Art. 6 GG) stünden. Wenngleich er fast sein gesamtes Leben in der Bundesrepublik verbrachte und hier eine Kernfamilie gründete, ist zu sehen, dass er über einen jahrzehntelangen Zeitraum, beginnend ab dem Jahr 2006, trotz zahlreicher Chancen seine Drogensucht und damit auch den dadurch motivierten Drogenhandel mit Kokain und Heroin als maßgebliche Finanzquelle für seine Drogensucht und seine Lebenshaltung zu beenden, nicht rechtstreu in der Bundesrepublik lebte. Seine soziale und berufliche/wirtschaftliche Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse wird durch die tatsächliche Entwicklung seit 2004 erheblich in Frage gestellt und relativiert. Er hat in Deutschland zwar eine Ausbildung abgeschlossen und in seinem Beruf bis 2004 etwa acht Jahre gearbeitet. Ab diesem Zeitpunkt hatte er aber nur noch kurzzeitige oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Zuletzt war er bis zum Beginn der aktuellen Unterbringung seit mindestens 2013 arbeitslos. Seinen Lebensunterhalt hat er somit über lange Jahre nur über Sozialleistungen und/oder Drogenhandel finanziert.
Die Bleibeinteressen vermögen sich bei der Gesamtabwägung nicht über die erheblichen staatlichen Ausweisungsinteressen durchzusetzen. Der Kläger hat über die Jahre eine Vielzahl an Straftaten begangen, die mit mehr als siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe und weiteren Geldstrafen von 445 Tagessätzen (entspricht etwa 15 Monaten Freiheitsstrafe) insgesamt geahndet wurden. Über seine Verurteilung hinaus wurden zudem weitere strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt, die später wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen eingestellt wurden, u.a. zweimal wegen Körperverletzung. Seine Straftaten beging der Kläger trotz aufenthaltsrechtlicher Verwarnungen und einschlägiger Vorstrafen, trotz des hohen staatlichen und privaten Aufwands auch hinsichtlich der ihm angebotenen Therapiemöglichkeiten und trotz laufender Bewährungen. Die Rückfallgeschwindigkeit hinsichtlich weiteren Drogenkonsums war, mit Ausnahme der Zeit zwischen 2014 und 2019, in denen der Kläger vorübergehend drogenfrei war, stets sehr hoch. Die Rückfallgeschwindigkeit hinsichtlich der Begehung von Straftaten war immens. Die Wiederholungsgefahr für weitere Straftaten aus dem Bereich der Drogenkriminalität ist beim Kläger als besonders hoch einzustufen.
Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass das mehrfach abgeurteilte unerlaubte Handeltreiben mit den besonders gefährlichen harten Drogen Heroin und Kokain erfolgte und dass der Kläger mit enormen Mengen dieser Drogen umzugehen pflegte. Eine typische Dosis Heroin etwa hat 100 mg bei „Straßenreinheit“ (vgl. https://www.emcdda.europa.eu/publications/drug-profiles/heroin_de, abgerufen am 29. Oktober 2021), bei Kokain von 100-200mg (https://www.emcdda.europa.eu/publications/drug-profiles/cocaine_de, abgerufen am 29. Oktober 2021). Berücksichtigt man zugunsten des Klägers, dass die Drogen, die der Kläger bei seiner letzten abgeurteilten Straftat bei sich aufbewahrte, (nur) von dieser Straßenqualität gewesen sind, ist daher davon auszugehen, dass er bei 4g Heroingemisch jedenfalls 40 Straßendosen hiervon und bei 165g Kokaingemisch zumindest ca. 800 Straßendosen Kokain bei sich zu Hause aufbewahrte. Dass der Kläger zudem wie bereits früher in der Lage ist, derartige Drogenmengen zu beschaffen und ausgehändigt zu bekommen, spricht zur Überzeugung des Gerichts dafür, dass er in der Drogenszene gut vernetzt ist. Nicht zuletzt dies macht deutlich, dass ein massives staatliches Interesse an der Unterbindung weiterer derartiger vom Kläger ausgehender Straftaten besteht. Die Bekämpfung der mit dem illegalen Handel von Betäubungsmitteln verbundenen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die oftmals mit besonderen kriminellen auch organisierten Strukturen einhergehen, ist von besonders hoher Bedeutung. Bei den Drogen und ihren Folgen handelt es sich um eine Problematik, die mit allen staatlichen Mitteln, einschließlich des Aufenthaltsrechts bekämpft werden muss, was nicht zuletzt der Fall des Klägers auch geradezu exemplarisch zeigt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in Bezug auf die Beurteilung der Schwere begangener Straftaten betont, dass es sich bei dem Drogenhandel in Anbetracht der verheerenden Auswirkungen von Drogen auf die Bevölkerung um eine „Geißel der Menschheit“ handele (vgl. EGMR, U.v. 19.2.1998 – 154/1996/773/974 (Dalia), Rn. 54; U.v. 30.11.1999 – 34374/97 (Baghli), NVwZ 2000, 1401 ). Von der Sucht gehen schwerwiegende Gefahren für die Allgemeinheit aus (vgl. BVerfG, B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 26). Drogenkriminalität indiziert neben der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe die Schwere der Straftat (vgl. BVerfG, B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852 m.w.N.; zu einem einmaligen Delikt: BVerfG, B.v. 1.3.2000 – 2 BvR 2120/99 – NVwZ 2001, 67 ). Gemäß Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV ist der illegale Drogenhandel als ein Bereich besonders schwerer Kriminalität zu werten (vgl. hierzu auch VG München, U.v. 7.6.2018 – M 27 K 16.2297 -, juris Rn 55).
Die berufliche Situation und die wirtschaftlichen Integrationsvoraussetzungen des Klägers sind in der Türkei und in Deutschland als gleich gut oder gleich schlecht einzustufen. Zwar verfügt der Kläger nach Aktenlage und nach seinem eigenen Vortrag nur über geringe Bindungen zur Türkei, er hat aber zum einen nach seinen ersten acht Lebensjahren in der Türkei in Deutschland für vier Jahre eine deutsch-türkische Grundschule besucht. Zum anderen geht das Gericht mangels anderweitiger Hinweise davon aus, dass innerhalb der Familie, in der der Kläger aufgewachsen und sozialisiert wurde, wie üblich überwiegend die türkische Sprache gesprochen wurde, so dass es dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts möglich und im Übrigen in jeder Hinsicht zumutbar ist, gegebenenfalls seine Sprachkenntnisse so zu ertüchtigen, dass er sich auch in der Türkei eine Existenz aufbauen und zumindest für den Zeitraum des Einreise- und Aufenthaltsverbots ein Auskommen finden kann. Dabei werden ihm gegebenenfalls auch seine Deutschkenntnisse und seine in Deutschland abgeschlossene Fachausbildung von Nutzen sein. Das Gericht weist insoweit nochmals darauf hin, dass der Kläger nach den aufenthaltsrechtlichen Warnungen der Ausländerbehörde in der Vergangenheit und infolge der zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen damit rechnen musste, dass aufenthaltsrechtliche Maßnahmen mit der Folge auch einer Ausreisepflicht in die Türkei ergriffen werden können. Dennoch hat er sich zu keinem Zeitpunkt von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen.
Die Ausweisung steht schließlich auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung erweist sich als geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig und zur Wahrung des mit ihr verfolgten Interesses unerlässlich.
2.3. Auch das von der Beklagten in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot für sechs Jahre bei Straf- und Drogenfreiheit und acht Jahre ohne diese Bedingung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Herabsetzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung, noch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Gericht verweist auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im ausführlich begründeten Bescheid und sieht – abgesehen von den nachfolgenden Ausführungen – von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2.3.1. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer nach Satz 2 der Vorschrift weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist nach Satz 4 der Vorschrift mit der Ausreise beginnt. Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden; sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt als Ermessensentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle in den Grenzen von § 114 Satz 1 VwGO. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, welches seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die insoweit ermittelte Frist ist in einem zweiten Schritt an höherrangigem Verfassungsrecht sowie an unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben zu messen und gegebenenfalls zu relativieren. Insoweit bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einer umfassenden Abwägung aller im Einzelfall betroffenen Belange. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die mündliche Verhandlung, so dass auf die zu diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27.16 -, InfAuslR 2017, 336).
2.3.2. Die von der Beklagten unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens verfügte Sperrfrist begegnet unter Berücksichtigung des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabs (§ 114 Satz 1 VwGO) keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte ist zurecht von dem Maßstab des § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 AufenthG ausgegangen, wonach die Höchstfrist des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung zehn Jahre nicht überschreiten soll. Die im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzte zeitliche Befristung hält sich mithin in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Angesichts der Anlassverurteilung, der früheren strafrechtlichen Verurteilungen, der bereits beschriebenen Gefährlichkeit des Betäubungsmittelhandels und des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter, sowie schließlich angesichts der im vorliegenden Fall als hoch einzustufende Wiederholungsgefahr vermag das Gericht mit Blick auf die Festsetzung der zeitlichen Befristung auch unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts keinen Ermessensfehler zu erkennen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot konnte vor dem bisherigen strafrechtlichen und suchtbezogenen Hintergrund des Klägers zudem ermessensgerecht mit der Bedingung der nachgewiesenen Straf- und Drogenfreiheit versehen werden (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Auch hinsichtlich der in diesem Fall ebenfalls festzusetzenden längeren Frist bei nicht nachgewiesener Erfüllung der Bedingung sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die von der Beklagten verfügten Fristen sind insgesamt erforderlich und angemessen, um der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen.
2.4. Die von der Beklagten unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Regelungen (Anordnung der Abschiebung aus der Haft bzw. dem Maßregelvollzug, Androhung der Abschiebung nach Entlassung) entsprechen den rechtlichen Vorgaben und sind nicht zu beanstanden (§ 58 Abs. 3 Nr. 1, § 59 Abs. 5 AufenthG bzw. § 58 Abs. 1, Abs. 2, § 59 Abs. 1 AufenthG).
3. Die Klage war demzufolge mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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