Strafrecht

Beschwerde, Fahrerlaubnis, Gutachten, Staatsanwaltschaft, Zwangsgeld, Konsum, Revision

Aktenzeichen  Au 7 K 19.1964

Datum:
22.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22624
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwKostG § 14 Abs. 2
FeV § 13 Nr. 2b, § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 59 Abs. 1 Nr. 7 b
GebOSt § 1, § 2
StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 6a Abs. 2, Abs. 3 S. 1, § 24a, § 29 Abs. 4 Nr. 3
ZPO § 129a, § 708 Nr. 11, § 711
StPO § 170 Abs. 2
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
GKG § 52 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständliche Kostenerhebung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Verwaltungsgebühr für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist dabei von der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung abhängig. Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) werden Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen einschließlich Verwarnungen nach diesem Gesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften erhoben. § 6a Abs. 2 StVG ermächtigt dazu, die gebührenpflichtigen Amtshandlungen sowie die Gebührensätze für die einzelnen Amtshandlungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG findet im Übrigen das Verwaltungskostengesetz in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung (VwKostG a.F.) Anwendung.
Die Rechtswidrigkeit der vom Kläger angegriffenen Auferlegung von Kosten ergibt sich nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG a.F. Bei der gerichtlichen Überprüfung eines auf die genannten Rechtsgrundlagen gestützten Verwaltungsgebührenbescheids hat über die gebührenrechtliche Kontrolle im engeren Sinn hinaus auch eine Inzidentkontrolle der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Amtshandlung zu erfolgen (vgl. VGH BW, U.v. 12.12.2016 – 10 S 2406/14 – juris; BVerwG, U.v. 27.9.2012 – 3 C 33.11 – NJW 2013, 552, U.v. 9.1.2007 – 10 S 1874/06 – VBlBW 2007, 479). Denn nach § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG dürfen Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben werden. Eine Gebühr darf also nur erhoben werden, wenn die Amtshandlung rechtmäßig war.
Dies ist vorliegend der Fall. Die Kostentragungspflicht bezüglich der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 16. Oktober 2019 des Klägers ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Gutachtensanordnung begegnet weder formellen noch materiellen Bedenken.
1. Gegen die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen keine Bedenken in formeller Hinsicht.
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980) muss die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens festlegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat vorliegend die von ihr als maßgeblich angesehenen Tatsachen im Anforderungsschreiben in einem solchen Umfang wiedergegeben, dass sich der Antragsteller auf Grund dieser Angaben in der Lage sehen konnte, sich eine Meinung über die Berechtigung der geäußerten Eignungszweifel zu bilden und gegebenenfalls sein Verhalten im Verwaltungsverfahren hierauf einzurichten. Die gewählte Fragestellung lässt den Gegenstand und Zweck der geforderten Begutachtung hinreichend klarwerden.
2. Die Gutachtensanordnung erfüllt auch die materiellen Voraussetzungen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV), d.h. die Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten kann nach diesen Bestimmungen angeordnet werden.
a) Die Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV ist tatbestandlich erfüllt. Mit der Benachrichtigung über die zweite „Drogenfahrt“ vom 27. Oktober 2016 ist dem Beklagten eine (neue) Tatsache bekannt geworden i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV, die Eignungszweifel begründet und ihrerseits nach der Rücknahme der zunächst erfolgten Entziehung gemäß Rücknahmebescheid vom 18. September 2019 noch keine Maßnahme nach sich gezogen hat.
Zwar trifft es zu, dass die beiden „Drogenfahrten“ aus den Jahren 2015 und 2016 ohne einen zwischenzeitlich neuen Anlass seitens des Klägers nunmehr erstmals für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung verwendet werden. Allerdings kann die Kammer anders als der Klägerbevollmächtigte in der von der Fahrerlaubnisbehörde vorgenommenen Rücknahme der Entziehung gemäß Rücknahmebescheid vom 18. September 2019 und stattdessen erfolgter Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung keine „Verböserung“ erkennen.
Mit dem Wortlaut „werden Tatsachen bekannt“ i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV sind i.d.R. zwar neu auftretende Tatsachen gemeint, vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass die bisher bekannten Tatsachen der erfolgten zwei „Drogenfahrten“ noch nicht abschließend verwertet wurden, da die zunächst verfügte Entziehung vom Beklagten zurückgenommen wurde.
Die Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV wäre dann nicht eröffnet, wenn alle Tatsachen, die die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Eignungszweifel heranzieht, bereits zur Anordnung zur Beibringung von einer medizinisch-psychologischen oder einer fachärztlichen Begutachtung verwendet wurden. In diesem Fall wären solche Tatsachen zum Zeitpunkt der erneuten Gutachtensanordnung gerade nicht bekannt geworden, sondern der Fahrerlaubnisbehörde bereits zuvor längst bekannt und die entsprechenden Maßnahmen bereits zu einem Zeitpunkt ergriffen worden, als die Tatsachen erstmals bekannt wurden (VG Augsburg, B.v. 4.7.2018, Au 7 S 18.936). Die Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass angesichts des eindeutigen Wortlautes „werden … bekannt“ i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV nicht darauf abgestellt werden darf, dass solche Tatsachen nur (nach wie vor) vorliegen müssen (Anm.: Hervorhebung jeweils durch den Verfasser). Eine solche Auslegung würde im Ergebnis dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde bestimmte Tatsachen für die Überprüfung der Fahreignung mehrmals und so oft verwenden könnte, wie es ihr beliebt.
Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Die Fahrerlaubnisbehörde geht nunmehr zu Recht gerade nicht mehr von einer feststehenden, sondern erst zu überprüfenden Ungeeignetheit im Hinblick auf die beiden Verkehrszuwiderhandlungen aus. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die beiden Verstöße gerade nicht zweimal zur Anordnung eines fachärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachtens verwertet, sondern nur ihre frühere Praxis, nach einmaliger Cannabisfahrt die Fahrerlaubnis sofort zu entziehen, entsprechend der neueren Rechtsprechung korrigiert bzw. angepasst. Der Kläger hat die Zweifel an seiner Fahreignung, die sich aus den jeweiligen Zuwiderhandlungen ergaben, (bislang) gerade nicht durch die Vorlage eines positiven Gutachtens bereits ausgeräumt. Vielmehr hat der Kläger nach der ersten „Drogenfahrt“ lediglich eine Haarprobe aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 11. April 2016 beigebracht und nach der zweiten „Drogenfahrt“ noch keinerlei Nachweis über das (Fort-)Bestehen seiner Fahreignung, geschweige denn durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten erbracht. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die Fahrerlaubnisbehörde hier lediglich „alte“ bereits bekannte Tatsachen neu kombiniert.
Der Anwendungsbereich der §§ 11 bis 14 FeV ist somit gemäß § 46 Abs. 3 FeV eröffnet.
b) Der Beklagte hat vorliegend die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu Recht auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. § 24a StVG gestützt, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für die Zwecke des § 14 Abs. 1 FeV, d.h. zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen bzw. gemäß der hier vorliegenden Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV bleibt unberührt.
Nach § 24a Abs. 2 Sätze 1 bis 3 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt (Satz 1). Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird (Satz 2). Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (Satz 3).
Hier liegen aufgrund der zwei Fahrten unter Cannabis-Einfluss vom 19. Mai 2015 sowie vom 27. Oktober 2016 zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a Abs. 2 Sätze 1 und 2 i.V.m. der Anlage zu § 24a StVG, in welcher Cannabis als berauschendes Mittel aufgeführt ist, wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV vor. Das Tatbestandsmerkmal der „Wiederholung“ ist durch das Hinzutreten der zweiten „Drogenfahrt“ nach Erledigung des ersten Rechtsstreits erfüllt, wobei es sich hierbei wie oben aufgezeigt um eine neu bekannt gewordene Tatsache handelt.
Nach dem Wortlaut der amtlichen Überschrift des § 14 FeV begründen die dort genannten Umstände Eignungszweifel, bei denen die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind. § 14 FeV betrifft damit zwar keine Sachverhalte, bei denen ohne weiteres von Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen werden kann (BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – juris). Die Fahrerlaubnisbehörde ging hier zuletzt aber gerade nicht mehr von einer feststehenden, sondern zu überprüfenden Ungeeignetheit im Hinblick auf die beiden Verkehrszuwiderhandlungen des Klägers aus.
Der Vortrag der laut Klägerseite zwischenzeitlich nachweislich abgeschlossenen Drogenproblematik vermag daher nichts zu ändern, da § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV auch und selbst dann anwendbar bleibt. Der sinngemäß geäußerte Einwand, dass die Frage zur Fahreignung bezüglich des Themenkomplexes „Drogen“ aufgrund eines jedenfalls aktuell nicht mehr gelegentlichen Konsums nicht mehr zu stellen sei, geht vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV fehl. Dass eine aktuelle Drogenproblematik noch im Raum steht, ist i.R.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV – anders als i.R.d § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FeV – gerade nicht erforderlich. Maßgeblich ist allein der wiederholte Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG.
Der Anordnung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV liegt allein die wiederholte Begehung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr wegen Drogen und damit die fortgesetzte Missachtung der verkehrsrechtlichen Vorschriften wegen eines allgemeinen Nachgebens gegenüber diesen Substanzen zugrunde. Dies verkennt der Klägerbevollmächtigte, wenn er ausführt, dass es sich aufgrund des Zeitablauf bereits nicht mehr um gelegentlichen Konsum von Cannabis handle, sodass die Gutachtensanordnung nicht mehr auf diesen Konsum gestützt werden dürfe. Dieser Einwand geht daher ins Leere. Dass der Gutachtensanordnung keine aktuellen Vorgänge, sondern die beiden Fahrten unter Cannabis-Einfluss aus den Jahren 2015 und 2016 zugrunde liegen, und der Kläger seit diesen beiden Fahrten nicht mehr drogenauffällig geworden ist, ist schlicht irrelevant, da es vorliegend auf die Frage eines gelegentlichen Konsums nicht ankommt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich der vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene lange Zeitablauf nicht aus einem bloßen Zuwarten oder einer schlichten Untätigkeit der Fahrerlaubnisbehörde, sondern aus dem gesamten Verfahrensverlauf ergeben hat, insbesondere auch aus dem von den Beteiligten übereinstimmend beantragten Ruhen des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund eines erwarteten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 3 C 13.17).
c) Dem Antragsteller können grundsätzlich seine damaligen „Drogenfahrten“ noch so lange vorgehalten werden, wie diese Vorfälle im Fahreignungsregister (FAER), ehemals bis zum 30. April 2014 Verkehrszentralregister (VZR) genannt, eingetragen und – wie vorliegend – noch nicht tilgungsreif sind. Eine etwaige anderweitige Zäsurwirkung oder ein zeitlich vorzuziehender Zeitpunkt je nach Einzelfall ist dem System des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht inhärent.
Zutreffend hat der Antragsgegner die beiden damaligen „Drogenfahrten“ zueinander in Beziehung gesetzt und seine Gutachtensanforderung insoweit zutreffend auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV gestützt (vgl. VG München, B.v. 2.12.2009 – M 6a S 09.4811 – juris Rn. 59).
Die Tilgungsfrist beträgt vorliegend für beide Taten aufgrund ihrer Einstufung als mit zwei Punkten bewertete, besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit fünf Jahre gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s Dppelbuchst. bb Dreifachbuchst. aaa StVG, § 59 Abs. 1 Nr. 7 b FeV i.V.m. Nr. 2.2.2. der Anlage 13 zur FeV. Tilgungsfristbeginn ist gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen der Tag der Rechtskraft d.h. für die erste „Drogenfahrt“ der 6. November 2015 und für die zweite „Drogenfahrt“ der 12. April 2017. Dementsprechend war die Tilgungsfrist auch für die erste, länger zurückliegende Tat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung noch nicht abgelaufen. Eine bloße zeitliche Nähe zum Tilgungsfristende ist unbeachtlich. Der Einwand eines abgeschlossenen Fehlverhaltens hinsichtlich der früheren Drogenproblematik kann im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen, einzig maßgeblichen Berechnung der Tilgungsfristen nicht berücksichtigt werden. Insofern ergibt sich hier aus gesetzlichen Vorschriften kein Verwertungsverbot.
Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Klägerbevollmächtigten zitierten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – juris), wonach die Anordnung, zur Klärung der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i.V.m § 46 FeV wegen nachgewiesenen Drogenkonsums ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nicht an die Einhaltung einer festen Frist nach dem letzten erwiesenen Betäubungsmittelmissbrauch gebunden ist. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Drogenkonsums, noch hinreichende Anhaltspunkte zur Begründung eines Gefahrenverdachts bestehen (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – juris). Eben solche Anhaltspunkte aber lägen – so der Klägerbevollmächtigte – hier nicht mehr vor. Dieser Rechtsauffassung folgt die Kammer nicht.
Resultieren Fahreignungszweifel aus Sachverhalten, die in das Verkehrszentralregister einzutragen waren bzw. in das Fahreignungsregister aufzunehmen sind (hier die Teilnahme am Straßenverkehr unter Wirkung eines berauschenden Mittels, § 24a Abs. 2 StVG), beantwortet sich die Frage, wie lange der jeweilige Sachverhalt die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens rechtfertigen kann, grundsätzlich nach den für diese Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsvorschriften. Ist die Zweifel begründende Zuwiderhandlung danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung dahingehend, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen, in aller Regel kein Raum mehr. Mit der Schaffung eines ausdifferenzierten Systems von Tilgungs- und Verwertungsfristen hat der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung darüber getroffen, in welchem zeitlichen Rahmen Umständen, die eine Eintragung in das Verkehrszentralregister bzw. in das Fahreignungsregister nach sich gezogen haben, Aussagekraft für die Kraftfahreignung des Betroffenen zukommen soll. Diese Fristen können daher nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseitegeschoben oder relativiert werden (vgl. zuletzt OVG NRW, B.v. 11.4.2017 – 16 E 132/16 – juris Rn. 8 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39).
Ist der anlassgebende Sachverhalt danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung im Sinne der oben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen“, im Regelfall kein Raum mehr. Denn durch eine solche „Doppelprüfung“, in deren Rahmen im Anschluss an die Feststellung, dass der anlassgebende Sachverhalt nach § 29 StVG noch verwertbar ist, zusätzlich „eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände“ im Sinne der letztgenannten Entscheidung durchgeführt würde, würde der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Grundsatz unterlaufen, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Fristen „nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseite geschoben oder relativiert werden“ können (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – juris). Vielmehr hat der Gesetzgeber, der seinerseits unmittelbar an den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist, mit der Festsetzung von Tilgungs- und (davon zum Teil abweichenden) Verwertungsfristen selbst die Verantwortung dafür übernommen, dass diese Fristen nicht unverhältnismäßig sind. Diese Entscheidung darf der zur Rechtsanwendung im Einzelfall berufene Amtsträger in der Verwaltung und in der Gerichtsbarkeit nicht dadurch unterlaufen, dass er seine individuelle Gefahrenprognose und seine persönliche Einschätzung darüber, was im konkreten Fall verhältnismäßig ist, an die Stelle der Wertungen des Gesetzgebers setzt, wie sie in den Tilgungs- und Verwertungsfristen zum Ausdruck kommen.
Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der sich aus § 29 StVG ergebenden Fristen bestehen umso weniger, als diesen Bestimmungen ein ausdifferenziertes System zugrunde liegt, das die Länge der Tilgungs- bzw. Verwertungsfristen nach der Schwere des anlassgebenden Umstandes und seiner daraus typischerweise resultierenden Aussagekraft für die etwaige Fahrungeeignetheit des Betroffenen abstuft. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trägt es auch Rechnung, dass eine Eintragung nur dann über die reguläre Tilgungsfrist hinaus im Register aufscheint, wenn der Betroffene wiederum auffällig geworden ist und es deswegen zu erneuten Eintragungen gekommen ist. Sollte in Grenzfällen gleichwohl eine Fallgestaltung vorstellbar sein, in der eine Person begründeterweise geltend machen kann, das FAER enthalte noch eine sie betreffende Eintragung, die zum Anknüpfungspunkt für die Forderung nach Beibringung eines Fahreignungsgutachtens gemacht werden kann, obwohl auf der Hand liegt, dass von ihr nicht einmal mehr die Möglichkeit einer Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgehen kann, so eröffnen die Tilgungsmöglichkeiten nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 StVG i.V.m. § 49 BZRG und nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 StVG sowie die Befugnis, die den obersten Landesbehörden nach § 74 Abs. 1 FeV zusteht, ausreichende Optionen, um ggf. nicht mehr verfassungskonforme Ergebnisse zu vermeiden.
Nur dann, wenn sich die Zweifel an der Fahreignung einer Person aus länger zurückliegenden Umständen herleiten, die keine Eintragung im FAER nach sich ziehen, muss unter Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in der oben zitierten Entscheidung (a.a.O.) aufgestellt hat, einzelfallbezogen und unter Einbeziehung aller relevanten Umstände geprüft werden, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen relevanten Gefahrenverdacht begründen“. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich in den Fällen, in denen der zu Fahreignungszweifeln Anlass gebende Umstand weder in das Fahreignungs- noch in das Bundeszentralregister eingetragen wurde, bereits aus der Tatsache, dass es unter dieser Voraussetzung an einer normativen Aussage darüber fehlt, wie lange ein solcher Sachverhalt berücksichtigungsfähig ist (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39 ff.).
Der bloße Zeitablauf steht – wie oben ausgeführt – einer Heranziehung länger zurückliegender Tatsachen nach der Rechtsprechung folglich nicht entgegen, denn der Zeitpunkt, zu welchem die Fahrten unter Cannabis-Einfluss letztmalig herangezogen werden dürfen, ist nach alledem noch nicht verstrichen. Ausgehend von der Rechtskraft des ersten Bußgeldbescheids war somit noch keine Tilgung eingetreten, sodass der Vorgang noch verwertbar ist und die Tat dem Antragsteller noch entgegengehalten werden kann.
d) Diese Ausführungen zu den Tilgungsfristen widerlegen auch den weiteren Einwand der Klägerseite, schon zwischen den beiden „Drogenfahrten“ habe kein hinreichender zeitlicher Zusammenhang bestanden, da zwischen ihnen ein Zeitraum von ca. eineinhalb Jahre gelegen hätte. Auf die Prüfung eines gelegentlichen Konsums, in die auch zeitliche Umstände einzubeziehen sind, kommt es wie oben bereits aufgezeigt i.R.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht an. Rein ergänzend sei hierzu angemerkt, dass insofern auch unabhängig von den maßgeblichen Tilgungsfristen keinesfalls die Rede von einem langen Zeitraum sein kann, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gerichtsverfahren wegen der ersten „Drogenfahrt“ erst mit dem Erlass des Aufhebungsbescheids vom 8. Juli 2016 für den Kläger faktisch „erledigt“ war, die zweite „Drogenfahrt“ indes bereits am 27. Oktober 2016 d.h. nur ca. 3 Monate später erfolgte. Der Kläger hat sich durch das erste Gerichtsverfahren offensichtlich nicht beeindrucken lassen.
e) Der Beklagte hat in der maßgeblichen Änderungsanordnung auch zutreffend zugrunde gelegt, dass § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV eine gebundene Entscheidung darstellt und die zuvor in der ersten Anordnung angestellten Ermessenerwägungen daher zu Recht entfernt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung sind wie aufgezeigt gegeben, sodass die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund des Charakters des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV als gebundene Entscheidung („ist … anzuordnen“) zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen musste. Die Prüfung von Ermessensfehlern kommt daher nicht in Betracht.
Insbesondere lässt sich auch der Einwand des Klägers, er könne die Kosten für das geforderte Gutachten nicht aufbringen, der Gutachtensanordnung nicht mit Erfolg entgegenhalten. Für die Frage der Zulässigkeit der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, dessen Kosten der Betroffene nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu tragen hat, kommt es auf dessen wirtschaftliche Verhältnisse ebenso wenig an wie bei anderen Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde, die im Interesse der Verkehrssicherheit erforderlich sind. Das Gesetz mutet dem Betroffenen diese Kosten ebenso zu, wie es ihm zumutet, die zum verkehrssicheren Führen eines Kraftfahrzeugs notwendigen Kosten zu tragen. Demjenigen, der ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr führt und sich dadurch von vornherein den Pflichten und Kosten dieser Verkehrsart unterwirft, könnte allenfalls unter ganz besonderen Umständen zugebilligt werden, der Aufforderung entgegenzuhalten, ihm sei es unzumutbar, die von ihm zu tragenden Kosten der Untersuchung aus eigenen Mitteln oder mit fremder Hilfe aufzubringen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26/83 – juris Rn. 18). Derartige Umstände sind vorliegend in jedem Fall nicht ersichtlich.
3. Die Kostenerhebung ist auch hinsichtlich der Höhe nicht zu beanstanden. Nach § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der u. a. auf § 6a Abs. 2 und 3 StVG gestützten Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) werden Gebühren nach dieser Verordnung erhoben und ergeben sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze aus dem der Gebührenordnung als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die hier geforderte Gebühr von 25,60 EUR bewegt sich innerhalb des von Nummer 208 des Gebührentarifs für die Anordnung von Maßnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgegebenen Rahmens.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner darüber hinaus die durch die Entgelte für Zustellungen durch die Post mit Postzustellungsurkunde (hier 2,76 EUR) entstehenden Auslagen zu tragen.
II.
Der Kläger als unterliegende Partei trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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