Aktenzeichen 4 Qs 16/17
Leitsatz
Verfahrensgang
ER III Gs 3971/17 2017-04-18 Bes AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschuldigten R… gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.04.2017 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Beschwerdeführer führt die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.
Im Rahmen dieses Verfahrens erließ der Ermittlungsrichter beim Amtsgerichts München auf Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers am 18. April 2017 einen Beschluss (ER III Gs 3971/17), mit dem die Durchsuchung der Person des Beschwerdeführers, von dessen Wohn- und Geschäftsräumen sowie von dessen Fahrzeugen angeordnet wurde, wobei die Durchsuchung der Auffindung der in nachfolgender Weise umschriebenen Beweismittel dienen sollte:
-Unterlagen die Aufschluss darüber geben, welche Personen, in welchem Umfang und über welche Firmen vom Beschuldigten direkt oder unter dessen Mitwirkung in Deutschland eingesetzt wurden
-Diesbezüglich vorhandene rechnungsbegründende Unterlagen, Stundenaufzeichnungen, Abrechnungen mit Auftraggebern usw.
-Buchführungsunterlagen
-Vermerke, handschriftliche Aufzeichnungen, Kalender u.ä.
-Bankunterlagen, Steuererklärungen und -bescheide, Bilanzen
-Speichermedien
für den Zeitraum 2011 bis zur Vollziehung des Beschlusses.
Der Beschluss führt hinsichtlich dieser Gegenstände schließlich auch aus, „deren Beschlagnahme und die Durchsicht der Papiere [werde] nach §§ 94, 98 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden“.
Der Beschluss wurde am 28. September 2017 durch Beamte des Hauptzollamts Rosenheim in den Wohnräumen des Beschwerdeführers in der … in S… vollzogen. Dabei wurden insgesamt fünf Speichermedien (vier USB-Sticks und eine Daten-CD) sowie drei Umschläge mit losen Blattsammlungen und Kalenderbüchem durch die Durchsuchungsbeamten gesichert. Die Durchsicht der mitgenommenen Papiere und Speichermedien auf deren Beweisrelevanz ist – soweit ersichtlich – derzeit nicht abgeschlossen.
Mit am selben Tage beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 29. September 2017 ließ der Beschwerdeführer Beschwerde „gegen die Anordnung der Durchsuchung, der Beschlagnahme und der Durchsicht der Papiere gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.04.2017“ einlegen mit den Anträgen „festzustellen, dass die Anordnung der Durchsuchung der Person, der Wohn- und Geschäftsräume, sowie der Fahrzeuge des Beschuldigten rechtswidrig war“ und die „beschlagnahmten Gegenstände“ an den Beschwerdeführer herauszugeben; die Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 näher begründet.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Schriftsätze der Verteidigung vom 25. und 26. Januar 2018 lagen der Kammer bei der Entscheidung vor.
II.
A. a) Die Beschwerde ist zulässig erhoben (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO), soweit sie sich gegen die Durchsuchungsanordnung gemäß § 102 StPO in dem Beschluss vom 18. April 2017 wendet.
Insbesondere ist der Beschwerdeführer durch die Durchsuchungsanordnung auch (weiterhin) unmittelbar beschwert, ohne dass es insoweit darauf ankäme, dass einen Wohnungsdurchsuchung einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, so dass der Betroffene auch nach Abschluss der Maßnahme die Beschwerde noch mit dem Ziel erheben könnte, deren Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen (vgl. dazu nur Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Vor § 296 Rn. 18a mwN). Denn vorliegend ist – soweit ersichtlich – die Durchsicht der mitgenommen Unterlagen nach § 110 StPO zum Zweck der Prüfung, ob sie als Beweismittel in Betracht kommen, noch nicht abgeschlossen. Sie gehört aber noch zur Durchsuchung; solange sie nicht beendet ist, dauern auch die Belastungen durch die Durchsuchungsmaßnahme an (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.12.2007 – StB 12/07, 13/07, 47/07, insoweit in NStZ 2008, 146, nicht abgedruckt).
b) Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen die „Beschlagnahme […] gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.04.2017“ wendet, fehlt es dagegen an einer beschwerdefähigen Entscheidung des Amtsgerichts hierzu. Dabei ist schon nicht ersichtlich, dass hinsichtlich wenigstens einzelner der zu diesem Zweck mitgenommen Unterlagen die – von der Sicherstellung oder Beschlagnahme als Beweismittel zu unterscheidende – Durchsicht nach § 110 StPO bereits beendet ist. Jedenfalls aber sind in dem angefochtenen Beschluss – trotzdem dieser auch deren Beschlagnahme „anordnet“ – diejenigen Beweismittel, zu deren Auffindung die Maßnahme dienen sollte, lediglich ihrer Gattung nach im Sinne allein einer Richtlinie für die Durchsuchungsbeamten bezeichnet; eine wirksame Beschlagnahmeanordnung liegt hierin noch nicht (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 14.06.2006 – 2 BvR 1117/06; und vom 20.01.2002 – 2 BvR 720/01; BeckOK-StPO/Gerhold, 28. Edition, § 98 Rn. 9; KK-StPO/Greven, 7. Aufl., § 98 Rn. 2).
c) Soweit der Beschwerdeschriftsatz auch die „Durchsicht der Papiere gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.04.2017“ erwähnt, ist ein über das bereits mit der Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung gerügte angebliche (anfängliche) Fehlen der Durchsuchungsvoraussetzungen hinausgehendes Anfechtungsziel nicht ersichtlich. Darüber hinausgehende Einwände wären ohnehin in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO geltend zu machen, so dass insoweit eine Zuständigkeit der Kammer derzeit nicht begründet wäre.
A. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts der Sach- und Rechtslage entspricht.
a) Insbesondere fehlte es – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – nicht an einem Anfangsverdacht der in dem angefochtenen Beschluss dargestellten Straftaten. Der im angefochtenen Beschluss hinreichend konkret dargestellte Verdacht von Straftaten wird durch die dort gleichfalls zutreffend und vom Ermittlungsergebnis (bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses) getragenen Tatsachen und Schlussfolgerungen begründet. Das Beschwerdevorbringen wendet sich insoweit auch nicht gegen die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen sondern deren rechtliche Beurteilung. Die Kammer hat hierzu in ihrem – dem Beschwerdeführer bekannten – Beschluss in selber Sache vom 3. Januar 2018 (4 Qs 15/17) bereits ausführlich Stellung genommen; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen. Das weitere, die Argumentation im Wesentlichen vertiefende Vorbringen der Verteidigung im Schriftsatz vom 25. Januar 2018 ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung durch die Kammer zu begründen. Insbesondere ist die Kammer unverändert der Ansicht, dass eine rückwirkende Aufhebung der Entsendebescheinigungen auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen vermag.
b) Das Amtsgericht ist auch nicht etwa über das durch die Verdachtslage Begründete hinausgegangen, indem es den Durchsuchungszweck – aus den Beschlussgründen ersichtlich – auch auf Unterlagen erstreckte, die andere angeblich die eingesetzten Arbeitnehmer entsendende Gesellschaften als die D…. betreffen. Denn in Zusammenschau der zur D…. gewonnen Erkenntnisse, der im angefochtenen Beschluss dargestellten Feststellungen zu weiteren ausländischen Gesellschaften und namentlich auch der Angaben der Zeugin T…, wonach einzelne Arbeitnehmer (nominell) jedenfalls auch für sowohl die D…. und die S… arbeiteten, war auch insoweit ein Anfangsverdacht begründet.
c) Die Anordnung der Durchsuchung war schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere bestand eine hinreichende Aussicht, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der D… GmbH über Unterlagen der im angefochtenen Beschluss bezeichneten Art tatsächlich verfügt. Es bestanden auch – entgegen der Ansicht der Verteidigung – keine milderen Mittel um den Sachverhalt in dem für seine strafrechtliche Beurteilung erforderlichen Umfang aufzuklären; insbesondere sind die von der Verteidigung erwähnten Auskünfte durch Behörden hierzu ersichtlich nicht ebenso geeignet.
B. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.