Strafrecht

Datenlöschung

Aktenzeichen  M 7 K 19.2118

Datum:
7.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30384
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO§ 113 Abs. 5 S. 1,§ 166
PAG Art. 54, Art. 62 Abs. 2 S. 1
StPO § 153 Abs. 2
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Datenlöschung.
Für eine früher erhobene Klage war der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit rechtskräftigem Beschluss der Kammer vom 20. Dezember 2016 (M 7 K 16.538) abgelehnt worden.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2019 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten – Landeskriminalamt München (im Folgenden: LKA) – erneut die unverzügliche Löschung von „rechtswidrig gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten“.
Mit Bescheid vom … April 2019 erteilte das LKA der Klägerin Auskunft aus dem Kriminalaktennachweis – KAN – und aus der Vorgangsverwaltung der Polizei Bayern (Landes-KAN bzw. INPOL Bayern und IGVP). Der Kriminalaktennachweis enthalte sieben Einträge (zuletzt: 23. August 2012 Betrug – Leistungsbetrug, StGB § 263). Die Prüfung habe ergeben, dass die Speicherung zulässig und zu den genannten Zwecken weiterhin erforderlich sei. Im Integrationsverfahren Polizei – IGVP – lägen 18 Eintragungen vor. Die vorliegenden Unterlagen seien geprüft worden und es werde einer Teillöschung der vorhandenen Unterlagen zugestimmt. Vier der Eintragungen im Kriminalaktennachweis könnten gelöscht werden. Die Löschung sei daher angeordnet worden und erfolge unverzüglich, aus technischen Gründen innerhalb der kommenden zwei Wochen. Eine weitere Löschung werde abgelehnt. Auf die Gründe des Bescheids wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Die Klägerin erhob am 4. Mai 2019 Klage und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Hierzu trug sie im Wesentlichen vor, trotzdem die völlig haltlosen Vorhaltungen, größtenteils bis zu 20 Jahren zurückliegend, mit auffällig angestrengtem Bestreben einer kriminalisierenden Darstellung von ihr bestritten würden und allesamt unbewiesen seien, machten diese Personen vom LKA so weiter und es gefalle ihnen, das möglichst dauerhaft so durchzuziehen. Auffälligerweise würden auf Seite 3 1. „Delikte“ aufgezählt, in der sie Forderungen an diesen Anwalt gehabt hätte, die er erst nach ihrer Strafanzeige gegen ihn gezahlt habe. Trotzdem werde das als kriminalisierender Vorhalt aufgeführt, das Gleiche unter 2. auf Seite 3. Und so gehe es weiter, Vorhaltungen aus 2000 unter 3., man bekomme nicht genug davon. Dass einmal eine Kreditkartenzahlung sich mit einer zeitweiligen Unterdeckung überschneiden könne, solle völlig unsinnig kriminalisierend dargestellt werden. Das könne jedem unverschuldet einmal passieren. Laufenderweise würden erlogene, erfundene und so lügenhaft falsch konstruierte Sachverhalte so dargestellt, dass sie die Klägerin in extrem angestrengter kriminalisierender Manie in der Gesamtdarstellung eben so erscheinen lassen sollten. Der Vorwurf unter 7. sei amtskriminell und von ihr immer bestritten worden. Sie habe niemals einen Diebstahl begangen. Nr. 13 sei ein frei aus der Luft gegriffener Vorhalt aus 2011. Unter 15. gehe es wieder um einen angeblichen „Warenbetrug“. Nicht dabei stehe, dass es um einen Euro gegangen sei. Ihre bereits mehrfach erwiesenen Entgegnungen, wonach es den „Leistungskreditbetrug“ unter 16. von 2008 nie gegeben habe, führten weiter zur falschen Aufzählung komplett unbewiesener Vorhaltungen seitens des LKA. Mit 17. sei es ebenfalls falsch dargestellt, dass es um einen Leistungskreditbetrug gegangen sein solle (eingestellt), es sei letztlich darauf hinausgelaufen, dass der von ihr angezeigte Anwalt seine ihm gestellte Rechnung für ihren Schaden nicht gezahlt habe. Selbst ein ihr vollkommen unbekannter Parkvorhalt 250 finde sich in der skurrilen kriminalisierenden Aufzählung. Sie erhebe dagegen Einspruch, dass ihr Vorhaltungen gemacht würden, die frei erfunden seien. Sie erhebe dagegen Einspruch, dass nicht unverzüglich diese absurden, haltlosen, banalen, zu 100% wenn überhaupt einseitigen angeblichen delikaten Darstellungen gelöscht würden. Der Tatverdacht vom 6. Mai 2000 sei nicht bestätigt. Sie erhebe ausdrücklich Einspruch gegen das illegale angestrengte Bestreben des LKA, sie nachhaltig kriminalisierend darzustellen. Vor allem habe sie keine Straftat begangen und demnach müsse sie sich das nicht rechtswidrig schikanöserweise mit einer Vielzahl von Lügen, wie ausgeführt, unterstellen lassen.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 legte das LKA die Behördenakte vor und beantragte, die Klage abzuweisen. Hierzu wurde ausgeführt, der Bescheid vom … April 2019 sei in Teilen aufzuheben. Es würden weitere Eintragungen aus dem Kriminalaktennachweis und aus der bayerischen Vorgangsverwaltung gelöscht. Bei einer erneuten Prüfung seien zusätzlich Eintragungen wegen des Verdachts des Betrugs aus den Jahren 2000 und 2001 aus dem Kriminalaktennachweis gelöscht worden. Zur Klägerin finde sich gegenwärtig noch eine Eintragung im Kriminalaktennachweis im Bereich des Polizeipräsidiums München wegen des Verdachts des Betrugs aus dem Jahr 2012 (eingestellt gemäß § 153 Abs. 2 StPO, Az.: … … … … …*). Eine Löschung dieser Eintragung werde weiterhin aufgrund des polizeilichen Restverdachts abgelehnt. Dieser gründe auf der Aussage des beauftragten Rechtsanwalts sowie auf der vorliegenden Mandats- und Vergütungsvereinbarung. In der erneuten Prüfung der vorhandenen Speicherungen in der Vorgangsverwaltung seien weitere Eintragungen, insbesondere diejenigen, welche ehemals korrespondierende Eintragungen im Kriminalaktennachweis gehabt hätten, gelöscht worden. Bei den noch verbleibenden Eintragungen seien die Speicherfristen hinsichtlich der Minimalspeicherfrist geprüft worden. Eine Verpflichtung zur Löschung ergebe sich hieraus jedoch nicht, da das Interesse der Polizei an der Dokumentation der polizeilichen Arbeit und der stattgefundenen Ereignisse dem Interesse der Klägerin an der Vermeidung von Speicherung ihrer personenbezogenen Daten vorgehe. Der Klägerin sei zum aktuellen Stand der Speicherungen ein Bescheid des LKA (vom 3. Juli 2019) übermittelt worden. Für den Fall, dass die Klägerin mit dem vorliegenden Bescheid einer Einstellung des aktuellen Verwaltungsverfahrens durch Erledigung zustimme, werde auch seitens des LKA der Erledigung zugstimmt.
Die Klägerin führte hierzu mit Schreiben vom 7. August 2019 aus, die im Bescheid vom … April 2019 vom LKA selbst stattgegebenen Löschungen seien immer noch nicht erfolgt und nur über die Löschung von Teilbereichen in demselben Schriftsatz zu sprechen und den Antrag im Übrigen abzulehnen sei rechts- und datenschutzwidrig. Insbesondere werde angeblich gegenwärtig die Löschung wieder eines „Kriminalaktennachweises“ aus einem Verfahren mit einem betrügerischen Anwalt verweigert. Das sei einmal mehr Ausdruck jener kriminellen Energie, die da seitens dieser Verantwortlichen ihr angelastet werden solle. Nicht nur, dass dieser betrügerische Anwalt bei Gericht keinen Erfolg gehabt habe, habe er ihrer Aufforderung zur Zahlung des erlittenen Schadens durch seine dilettantische Vorgangsweise noch immer keine Folge geleistet. Und dafür solle sie noch weiterhin kriminalisiert werden, obwohl er mit seiner angeblichen Mandatsvereinbarung bzw. Forderung abgewiesen worden sei. Sie stimme dem nicht zu, dass u.a. sie für diese erfolgreiche Verwehr gegen einen Betrugsanwalt weiterhin auch noch in einer Kriminalakte geführt werden sollte. Insbesondere beantrage sie die Wiederaufnahme der „justizkriminellen“ Unterstellung, dass sie jemals einen Diebstahl begangen hätte. Dazu sei sie nie gehört worden. Das sei eine einzige unwahre Unterstellung, gegen die sie sich mit allem Nachdruck verwehre. Sie beantrage, dass die in jeder Hinsicht illegale Kriminalisierung seitens eines LKA beendet werde.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2020 teilte das LKA weiter mit, dass die Eintragungen … (Warenbetrug) und … (Verkehrsordnungswidrigkeit) in der bayerischen Vorgangsverwaltung zwischenzeitlich im automatisierten Verfahren gelöscht worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte, die beigezogene Gerichtsakte im Verfahren M 7 K 16.538 sowie die beigezogene Strafakte Az.: … … … Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO – erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die auf die hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist nur eine summarische Prüfung. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern, das den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 35). Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso ungewiss ist wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 166 Rn. 26).
Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- und Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme oder Abgabe einer Stellungnahme ein (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 10 C 16.312 – juris Rn. 7 m.w.N.). Demnach ist davon auszugehen, dass Entscheidungsreife im Zeitpunkt der schriftlichen Äußerung des Beklagten vom 10. Juli 2019 eingetreten ist.
Die Klägerin dürfte in Bezug auf die weiterhin zu speichernden Daten keinen Anspruch auf Löschung haben, so dass der Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen ist.
Soweit die weiterhin gespeicherten Eintragungen im Integrationsverfahren Polizei Vorgänge betreffen, bei denen die Klägerin selbst Anzeigeerstatterin bzw. Geschädigte war (vgl. hierzu das Schreiben des LKA an die Klägerin vom 3. Juli 2019 unter Nr. 2 – dort fortlaufende Nrn. 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10), ist ein Löschungsanspruch schon deshalb abzulehnen, weil die Klägerin in diesem Fall nicht die Tatverdächtige gewesen ist, und sich die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen gegen Dritte gerichtet haben. Insofern ist eine Aufbewahrung der Anzeige und der Akten bis zum Zeitpunkt der regelmäßigen Aussonderung grundsätzlich angezeigt (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2010 – 10 C 09.3111 – juris Rn. 13). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, welchen diskriminierenden Inhalt diese Eintragungen haben sollten. In Bezug auf die Eintragung unter Nr. 3 wurde von Seiten des LKA bereits im Schreiben vom 3. Juli 2019 an die Klägerin mitgeteilt, dass der Vorgang zur Löschung in den kommenden Tagen vorgemerkt sei, nachdem der ehemals vorhandene korrespondierende Eintrag aus dem Kriminalaktennachweis entfernt worden sei. Zwischenzeitlich wurden (nach Eintritt der Bewilligungsreife) zudem noch zwei weitere Eintragungen im automatisierten Verfahren gelöscht, so dass sich das Verfahren auch insoweit erledigt hat.
Demzufolge verbleibt als weiterer Klagegegenstand nur noch die (nunmehr einzige) Eintragung im Kriminalaktennachweis – 23.08.2012 Betrug – Leistungskreditbetrug (StGB § 263) – mit der damit korrespondierenden Eintragung in der Vorgangsverwaltung (IGVP) unter Nr. 12.
Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Löschung dieser Einträge aus dem bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) sowie aus der Vorgangsverwaltung (IGVP) hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Speicherung von personenbezogenen Daten im KAN, welche die Polizei – wie hier – im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, richtet sich nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG i.V.m. § 484 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Nach Art. 54 Abs. 1 PAG kann die Polizei zudem – beispielsweise im IGVP – solche Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist.
Ein Anspruch auf unverzügliche Löschung der im KAN gespeicherten personenbezogenen Daten besteht, wenn der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht gegen den Betroffenen entfallen ist (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG; bisher Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F.). Daneben besteht – insbesondere für die Eintragung im IGVP – ein alle Daten in polizeilichen Sammlungen betreffender allgemeiner Löschungsanspruch aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG (bisher Art. 45 Abs. 2 PAG a.F.), wenn ihre Erhebung oder weitere Verarbeitung unzulässig war (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG Nr. 1), sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen (Nr. 2) oder bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (Nr. 3).
Es dürfte hinsichtlich der verbleibenden Eintragungen ein Löschungsanspruch gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG nicht bestehen.
Denn nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG sind – der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur insoweit nahezu inhaltsgleichen Regelung des Art. 38 Abs. 2 Satz 2 a.F. folgend – die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zu repressiven Zwecken) gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten erst dann zu löschen, wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht (restlos) entfallen ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.1.2009 – 10 B 07.1382 – juris Rn. 35, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 17 m.w.N.). Der für die weitere Aufbewahrung von Polizeiunterlagen erforderliche Tatverdacht im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. entfällt dabei nicht schon mit der Einstellung der Ermittlungen, sondern erst, wenn der Verdacht einer Straftat oder Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist. Daher kann die Aufbewahrung der polizeilichen Unterlagen selbst im Falle eines rechtskräftigen Freispruchs zulässig bleiben, wenn ein Restverdacht fortbesteht (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 10 C 08.2087 – juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – juris Rn. 10 ff.), etwa, wenn der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18). Im Falle eines Freispruchs oder wie vorliegend einer Verfahrenseinstellung bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 19). Von einem fortbestehenden (Rest-)Tatverdacht kann insbesondere dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht festgestellt wurde, dass der Verdacht danach vollständig entfallen ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 4).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Eintrag „23.08.2012 00:00 Betrug – Leistungskreditbetrug (StGB § 263)“ nicht zu löschen (vgl. auch bereits die hierzu ergangene Entscheidung der Kammer – B.v. 20.12.2016 – M 7 K 16.538 – sowie nachfolgend BayVGH, B.v. 17.5.2017 – 10 C 17.191).
Das diesbezüglich geführte Strafverfahren (Az.: … … … … …*) wurde in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts München am 10. Oktober 2014 mit Zustimmung der Klägerin sowie der Staatsanwaltschaft gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs räumt die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung, sowohl nach §§ 153 ff. StPO als auch nach § 170 Abs. 2 StPO den Straftatverdacht nicht notwendig aus und schließt deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18). Ein Löschungsanspruch scheidet aus, da der Tatverdacht fortbesteht (vgl. bereits VG München, B.v. 20. 12.2016 – M 7 K 16.538). Eine eigenständige Prüfung der Polizei zum Tatverdacht war hier nicht erforderlich, da dies nur in den Fällen notwendig ist, in denen bei einer endgültigen Verfahrenseinstellung, der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch keine Feststellungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zum (Rest-)Verdacht getroffen wurden (BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62- juris Rn. 4 f. und BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn.3.). Bei Verfahrenseinstellungen nach § 153 ff. StPO wird aber teilweise eine Feststellung zum Tatverdacht getroffen oder es besteht der durch die Anklagerhebung bzw. die Eröffnung des Hauptverfahrens von der Staatsanwaltschaft bzw. vom Gericht bejahte Tatverdacht trotz der Einstellungsverfügung fort (BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn. 3). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einem Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage bzw. der Verfolgung einer Straftat nach diesen Bestimmungen der fortbestehende Tatverdacht letztlich vorausgesetzt wird. (BayVGH, B.v.10.6. 2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 5).
Nichts anderes ergibt sich aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG – soweit man diese Rechtsgrundlage vorliegend überhaupt neben Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG für anwendbar hält, da es sich vorliegend bei diesen zur Löschung beantragten Daten ausschließlich um aus einem laufenden Ermittlungsverfahren gewonnene handelt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 23 ff.). Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Daten in unzulässiger Weise erhoben oder verarbeitet wurden (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder sonst eine rechtliche Verpflichtung zur Löschung besteht (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG).
Ferner ist offensichtlich weder die regelmäßige Aufbewahrungsfrist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG) abgelaufen noch dürfte eine verkürzte, bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufene Speicherfrist nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 PAG vorliegen, die wohl auch nicht angezeigt wäre, so dass im Übrigen auch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG nicht einschlägig ist.
Schließlich folgt auch aus dem Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kein weitergehender Löschungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22 m.w.N.). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schützt, ist nicht schrankenlos gewährleistet und findet in den Regelungen der jeweiligen Landespolizeigesetze für den Bereich der Polizeidaten und Kriminaldaten in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG und Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG eine verfassungsmäßige Grenze (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn. 7). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergäbe sich ein Anspruch auf Löschung der über den Betroffenen gespeicherten polizeilichen Daten daher nur, soweit deren Aufbewahrung und Speicherung nicht durch diese gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.


Ähnliche Artikel


Nach oben