Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund regelmäßiger Einnahme von Cannabis

Aktenzeichen  AN 10 S 19.01073

Datum:
24.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21169
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
VwGO 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Bei konsumnaher Blutentnahme lässt ein THC-COOH-Wert oberhalb von 100 ng/ml einen sicheren Rückschluss auf gelegentlichen Cannabiskonsum zu, ab einem Wert von 150 ng/ml für THC-COOH ist von einem regelmäßigen Konsum auszugehen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausnahmen von den Regelvermutungen der Anlage 4 zur FeV sind nur im Einzelfall anzuerkennen. Es obliegt dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2008, 27844). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 29. April 2019 wird aufgehoben.
2. Im Übrigen wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller ¾, die Antragsgegnerin ¼.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B (mit Einschlussklassen).
Die Antragsgegnerin erhielt durch Mitteilung der Polizeiinspektion … vom 13. März 2019 Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 8. Februar 2019 gegen 13:00 Uhr einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Dabei wurden drogentypische Auffälligkeiten, glasige Augen und leicht verengte Pupillen, festgestellt. Der Antragsteller gab an, am Abend des 1. Februar 2019 einen Joint geraucht zu haben. Der freiwillig durchgeführte Drogenschnelltest verlief positiv auf THC. Die um 13:35 Uhr entnommene Blutprobe und anschließend durchgeführte Blutuntersuchung ergab laut Gutachten des Labors …aus … einen THC-Wert von 15 ng/ml, einen 11-Hydroxy-THC-Wert von 5,5 ng/ml sowie einen THC-Carbonsäure-Wert von 334 ng/ml.
Mit Schreiben vom 26. März 2019 erhielt der Antragsteller Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern.
Daraufhin zeigte sich mit Schreiben vom 3. April 2019 der Bevollmächtigte des Antragstellers an. Der Bevollmächtigte teilte nach Akteneinsicht mit Schreiben vom 26. April 2019 mit, dass der Antragsteller nur Cannabis konsumiert habe, da er an starken Depressionen gelitten habe. Er habe starke und kontinuierlich andauernde Rückenschmerzen. Er habe die Drogen nur eingenommen, um eine Schmerzlinderung herbeizuführen. Der Antragsteller habe etwa drei bis vier Stunden vor der Verkehrskontrolle zuletzt Cannabis konsumiert. Während der Fahrt habe der Antragsteller nichts von der Droge gespürt. Nach der Verkehrskontrolle habe der Antragsteller den Konsum von Cannabis sofort eingestellt. Er habe sein Verhalten umgestellt und pflege keinen Kontakt mehr zu anderen Drogenkonsumenten. Aufgrund des Umdenkens des Antragstellers könne keine Gefährdung des Straßenverkehrs durch eine Ungeeignetheit festgestellt werden. Es sei daher vom Regelfall, der Entziehung der Fahrerlaubnis, abzuweichen und eine mildere Maßnahme anzuordnen. Es sei eine fachärztliche oder medizinisch-psychologische Untersuchung notwendig.
Am 29. April 2019 erließ die Antragsgegnerin den am 3. Mai 2019 zugestellten streitgegenständlichen Bescheid, mit dem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klasse B entzogen wurde (Ziffer 1), er verpflichtet wurde, seinen Führerschein unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von drei Tagen nach Zustellung dieses Bescheides abzugeben (Ziffer 2), andernfalls ihm unmittelbarer Zwang angedroht wurde (Ziffer 4). Weiterhin wurde Ziffern 1 und 2 des Bescheides für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3). Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei einem THC-Carbonsäure-Wert von 150 ng/ml und mehr ein regelmäßiger Konsum von Cannabis angenommen werden könne. Stehe die Nichteignung des Betroffenen fest, unterbleibe die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Aufgrund der Nichteignung sei die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.
Der Antragsteller gab seinen Führerschein am 10. Mai 2019 ab.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 erhob der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 29. April 2019 wiederherzustellen und die Vollziehung der Abgabe des Führerscheins durch Herausgabe des Führerscheins an den Antragsteller aufzuheben.
Zur Begründung wiederholte der Bevollmächtigte des Antragstellers die bereits im Verwaltungsverfahren erfolgte Einlassung des Antragstellers. Zudem trug der Bevollmächtigte vor, dass das Bundesverwaltungsgericht am 11. April 2019 entschieden habe, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen dürfe. Die Behörde habe zunächst über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden. Bei dem Antragsteller liege ein gelegentlicher Cannabiskonsum vor. Des Weiteren liege beim Antragsteller eine komplette Verhaltensumstellung vor, eine weitere Einnahme von Cannabis drohe nicht. Daher sei ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt gegeben, so dass nicht darauf geschlossen werden könne, dass eine weitere Einnahme von Cannabis stattfinde und dadurch eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr gegeben sei. Aufgrund des Umdenkens des Antragstellers sei keine Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben. Es sei vom Regelfall abzuweichen und eine mildere Maßnahme anzuordnen. Das private Interesse des Antragstellers überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Als Auflage stellte der Bevollmächtigte eine monatliche Urinprobe als Abstinenznachweis in den Raum.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2019 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht einschlägig sei. Die Behauptung des Antragstellers, er habe bei der Fahrt nach dem Cannabiskonsum nichts von der Droge gespürt und sich fit gefühlt, lasse den Schluss zu, dass dieser nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig Cannabis konsumiert habe. Angesichts des Carbonsäuregehalts von mehr als 150 ng/ml sei zu Recht von der Ungeeignetheit des Antragstellers zur Führung von Kraftfahrzeugen ausgegangen worden. Die Erteilung von Auflagen sei nicht ausreichend. Der vorherigen Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens habe es nicht bedurft. Zudem lasse sich die Behauptung des Antragstellers, er habe sein Konsumverhalten auf komplette Abstinenz umgestellt, nicht nachprüfen. Das angekündigte Ergebnis eines Drogenscreenings sei nicht vorgelegt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gerichtssowie die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablieferungspflicht seines Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO verbunden mit der Anordnung der Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung der verfügten Ablieferungspflicht des Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar zulässig, aber nur zu einem Teil begründet.
1. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. April 2019 den Sofortvollzug hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids nicht im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Die Begründung von Ziffer 3 des Bescheids betrifft ausschließlich den Entzug der Fahrerlaubnis, nicht aber die Ablieferungspflicht des Führerscheins. Die Verpflichtung, den Führerschein unverzüglich abzugeben, wird nicht erwähnt. Deshalb fehlt es insoweit an den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Zwar ist es in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht vorgesehen, dass eine Sofortvollzugsanordnung aufgrund formeller Fehler aufgehoben werden kann, doch entspricht eine solche Vorgehensweise nicht nur der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2018 – 11 CS 18.300, juris m.w.N.), sondern ist auch insoweit zielführend, um der Behörde eine Heilungsmöglichkeit von formellen Mängeln zu ermöglichen. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 3 des Bescheids vom 29. April 2019 war deshalb insoweit aufzuheben, als die Verpflichtung des Antragstellers betroffen ist, seinen Führerschein gemäß Ziffer 2 des Bescheids abzuliefern.
Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. April 2019 entspricht aber hinsichtlich Ziffer 1 den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in ausreichender Form begründet wurde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin ausführt, dass der Schutz von Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer verlange, dass Personen, die zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind, unverzüglich von der aktiven motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Es könne nicht zugelassen werden, dass Fahrer von Kraftfahrzeugen, die durch die Nichteignung eine erhebliche Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer darstellen, bis zur Unanfechtbarkeit des Entziehungsbescheids im Besitz der Fahrerlaubnis bleiben, da Leben und Gesundheit so hochwertige Rechtsgüter seien, dass auch die Möglichkeit einer Gefährdung oder Schädigung ausgeschlossen werden müsse. Daher ist das öffentliche Interesse daran, dass die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung eingezogen wird, so gewichtig, dass demgegenüber die Privatinteressen am Erhalt der Fahrerlaubnis zurücktreten müssen. Da es sich beim Fahrerlaubnisrecht um einen besonderen Teil des Sicherheitsrechts handelt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass es für die Anordnungsbehörde ausreicht, die typische Interessenlage dieser Fallgruppe aufzuzeigen und auszuführen, dass im Falle möglicherweise ungeeigneter Fahrzeugführer ein Ausschluss an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr wegen der davon ausgehenden akuten Gefahr schnellstmöglich anzuordnen ist.
2. Der streitgegenständliche Bescheid ist im Übrigen inhaltlich nicht zu beanstanden und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
Nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziff. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV vor, so dass Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 29. April 2019 zu Recht ergangen ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Der Entzug der Fahrerlaubnis ist nach derzeitigem Kenntnisstand rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV ist eine Fahrerlaubnis dann zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein Ermessensspielraum kommt der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist insbesondere von einer Nichteignung auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. In Rede steht hier Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV, wonach eine Fahreignung bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis ungeachtet der Frage des Trennungsvermögens zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs zu verneinen ist.
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, § 46 Abs. 3 FeV. Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
Im vorliegenden Fall sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 7 FeV erfüllt und weitere Aufklärungsmaßnahmen durch die Antragsgegnerin waren nicht veranlasst.
Nach Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ist derjenige ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, der regelmäßig Cannabis zu sich nimmt. Ein regelmäßiger Konsum im Rechtssinn liegt nur bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme vor. Nur bei einer solchen Konsumintensität treten Langzeit- und Gewöhnungseffekte ein, die sich so negativ auf fahrleistungsrelevante Eigenschaften auswirken, dass dadurch die Fahreignung durch den Konsum als solchen ausgeschlossen ist. Nach Auffassung der Rechtsprechung lässt bei konsumnaher Blutentnahme ein THC-COOH-Wert oberhalb von 100 ng/ml einen sicheren Rückschluss auf gelegentlichen Cannabiskonsum zu, ab einem Wert von 150 ng/ml für THC-COOH ist von einem regelmäßigen Konsum auszugehen (zuletzt BayVGH, B.v. 24.4.2019 – 11 CS 18.2605; so bereits BayVGH, B.v. 14.10.2003 – 11 CS 03.2433, juris mit Hinweis auf Daldrup/Käferstein/Köhler/Maier/Muss-hoff, Blutalkohol Vol. 37/2000, S. 39/44; so auch HessVGH, B.v. 15.9.2016 – 2 B 2335/16, juris; OVG NRW, B.v. 5.2.2015 – 16 B 8/15, juris, m.w.N.; OVG Lüneburg, B.v. 11.7.2003 – 12 ME 287/03, juris; vgl. auch MüKoStVR/Hahn/Kalus, 1. Aufl. 2016, FeV § 14 Rn. 27). Diese Erkenntnis beruht auf toxikologischen Studien. Die Abbausubstanz Tetrahydrocannabiol(THC)-Carbonsäure (kurz: THC-COOH) lässt sich nur bei häufiger Einnahme des Wirkstoffs THC in einer bestimmten Konzentration nachweisen. Die Studien gehen davon aus, dass bei einem Wert für THC-COOH ab 75 ng/ml von einem regelmäßigen Konsum auszugehen sei. Dieser Wert beruht aber auf der Voraussetzung, dass zwischen der Ankündigung und der Blutentnahme bis zu acht Tage liegen. Das bedeutet, dass sich durch Abstinenz in dieser Zeit der Wert abbauen kann, da der Proband mit der Blutentnahme rechnen muss. Wird eine Blutentnahme zur Bestimmung von Betäubungsmittelkonsum unmittelbar nach einer Verkehrskontrolle genommen, so ist es sachgerecht, wegen der Halbwertszeit von ca. sechs Tagen für die Substanz THC-COOH den Wert für die Annahme regelmäßigen Konsums zu verdoppeln (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.1.2006 – Au 3 K 05.1913, juris). Dies entspricht auch den Erkenntnissen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München, das erst THC-COOH-Konzentrationen, die über 100 ng/ml liegen als Hinweis und bei Überschreitung von 150 ng/ml als Beweis für einen häufigeren Konsum von Cannabis ansehen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2006 – 11 CS 05.1559, juris mit Hinweis auf die Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 23.8.2005; ebenso BayVGH, B.v. 16.8.2006 – 11 CS 05.3394, juris). Diese Aussage bezieht sich auf Blutentnahmen, die anlassbezogen durchgeführt wurden und bei denen zwischen dem Vorfall (d.h. der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss) und der Blutentnahme Zeiträume verstrichen sind, die in der Regel zwischen einer halben und zwei Stunden liegen.
Nach diesen Maßgaben ist beim Antragsteller von regelmäßigem Cannabiskonsum auszugehen. Der Antragsteller trägt nichts vor, was diese in medizinischen Studien und Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse in Frage stellt. Im Rahmen der am 8. Februar 2019 entnommenen Blutprobe wurde beim Antragsteller ein Wert des wirkungsfreien Stoffwechselprodukts THC-COOH, das beim Abbau des Cannabis-Wirkstoffs THC entsteht, in einer Konzentration von 334 ng/ml festgestellt. Dies übersteigt die Konzentration von 150 ng/ml deutlich, ab dem von einem regelmäßigen Konsum der Droge Cannabis ausgegangen wird. Es handelt sich hier auch um eine spontan durch die Polizei angeordnete Blutprobe. Der Antragsteller wurde am 8. Februar 2019 gegen 13:00 Uhr kontrolliert, um 13:35 Uhr erfolgte die Blutentnahme.
Aufgrund des Wertes von 334 ng/ml für THC-Carbonsäure steht der regelmäßige Konsum von Cannabis durch den Antragsteller fest. Die Ungeeignetheit folgt damit aus den festgestellten Tatsachen. Eine weitere Sachaufklärung durch die Fahrerlaubnisbehörde war daher nach § 11 Abs. 7 FeV nicht erforderlich.
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die vom Bevollmächtigten des Antragstellers zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. April 2019) nicht an. Die Frage, ob bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgegangen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entzogen werden dürfe, spielt bei dem Antragsteller als regelmäßigen Cannabiskonsumenten keine Rolle. Es bedarf aufgrund der feststehenden Ungeeignetheit keiner weiteren Aufklärungsmaßnahmen, so dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung entbehrlich ist.
Nach Satz 1 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV gelten die Bewertungen für den Regelfall. Dadurch wird dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch den Verordnungsgeber Genüge getan. Ausnahmen von den Regelvermutungen der Anlage 4 zur FeV sind nur im Einzelfall anzuerkennen. Beispielhaft sind in Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen genannt, durch die z. B. eine Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671 – juris). Dies ist hier nicht erfolgt. Zwar wendet der Bevollmächtigte des Antragstellers ein, es liege beim Antragsteller eine komplette Verhaltensumstellung mit nunmehr vollständiger Abstinenz vor und der Antragsteller habe sich einem drogenfreien Bekanntenkreis zugewandt. Allerdings handelt es sich um bloße Behauptungen, die der Antragsteller nicht nachgewiesen hat. Der behauptete Konsumverzicht seit dem Vorfall vom 8. Februar 2019 ist für die Frage, ob ein Regelfall im Sinne von Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, jedenfalls nicht entscheidend, denn die in der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV aufgeführten Beispiele zeigen, dass hier Fälle angesprochen werden, in denen ein Betroffener ausnahmsweise aufgrund besonderer persönlicher Eigenschaften oder Umstände fahrgeeignet ist, obwohl er fortgesetzt Drogen konsumiert. Im Übrigen ist ein vorfallsinduzierter Konsumverzicht auch nur begrenzt aussagekräftig, weil eine strafrechtliche Ahndung bzw. ein auf die Fahrerlaubnisentziehung gerichtetes Behördenverfahren nicht selten den hiervon Betroffenen zumindest vorübergehend zu einem zielgerichteten Wohlverhalten veranlassen. Der Behauptung der Läuterung durch den Vorfall vom 8. Februar 2019 und der Abstinenz seit diesem Zeitpunkt kommt erst bei der noch zu erörternden Frage entscheidende Bedeutung zu, ob der Antragsteller die verlorene Fahreignung inzwischen wieder erlangt hat (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671 – juris Rn 12).
Da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig erfolgte, hat dies zur Folge, dass die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ablieferungsverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV ebenfalls rechtmäßig ist. Mit Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis und der Führerschein ist abzuliefern.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher im Übrigen abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.


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