Strafrecht

Fahrerlaubnis, Bescheid, Fahrerlaubnisentziehung, Cannabis, Cannabiskonsum, Amphetamin, Anfechtungsklage, Entziehung, Konsum, Kraftfahreignung, Anordnung, Akteneinsicht, Zuziehung, Ermessen, Entziehung der Fahrerlaubnis, Einholung eines Gutachtens, Kosten des Verfahrens

Aktenzeichen  AN 10 K 19.02065

Datum:
26.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42279
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
Der Kläger begehrt nach Auslegung (§ 88 VwGO) die Aufhebung des Fahrerlaubnisentzugs in Ziffer 1 und der Ablieferungsverpflichtung des Führerscheins in Ziffer 2 des Bescheides vom 23. September 2019. Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht auf die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, da der Kläger seinen Führerschein bereits abgegeben hat und die Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheides insoweit schon erfüllt ist.
Die so verstandene zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV liegen vor.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV ist eine Fahrerlaubnis dann zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein Ermessensspielraum kommt der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist insbesondere von einer Nichteignung auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen.
Ergänzend sind hier die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: 31. Dezember 2019) heranzuziehen, denen verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die deshalb nach der ständigen Rechtsprechung zur Würdigung des Sachverhalts und zur Beurteilung der Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen mit heranzuziehen sind.
Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und Ziffer 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) konsumiert. Das vom Kläger konsumierte Amphetamin fällt unstreitig darunter (vgl. Anlagen zu § 1 Abs. 1 BtMG). Gleiches gilt für das im Blut des Klägers festgestellte MDA und MDMA.
Die Fahreignung entfällt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Amphetamin oder Methamphetamin konsumiert hat (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 11; B.v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Maßgaben ist der Kläger ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Der Kläger hat, was vorliegend unstreitig ist, am 27. April 2019 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln, nämlich von Amphetaminen, MDA und MDMA geführt. Dies bestätigte das Gutachten des MVZ Labor … GbR, welches aufgrund der Analyse des Blutes des Klägers einen Amphetaminwert von 128 µg/l, einen MDA-Wert von 21 µg/l und einen MDMAWert von 591 µg/l im Blut des Klägers festgestellt hat. Damit sind, wie dargelegt, die Voraussetzungen nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV gegeben. Für den Kläger besteht daher keine Eignung mehr. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entziehen hatte, ohne dass ihr hierzu noch ein Ermessen zukommen würde.
Bei feststehender Ungeeignetheit kommt die vom Klägerbevollmächtigten geforderte Einholung eines Gutachtens im Rahmen des Entziehungsverfahrens nicht in Betracht. Die Beklagte musste auch nicht aufgrund des Ablaufs der von der Rechtsprechung entwickelten sog. „Verfahrensfrist“ ein Gutachten anordnen. Nach Ablauf einer einjährigen Frist ab dem behaupteten Beginn einer Abstinenz ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (z.B. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris) die Fahrerlaubnisbehörde gehindert, die Fahrerlaubnis unmittelbar zu entziehen. Vielmehr hat sie in einem solchen Fall die dann bestehenden Eignungszweifel durch geeignete Maßnahmen aufzuklären bzw. den Betroffenen aufzufordern, die zur Abklärung der Zweifel notwendigen Gutachten beizubringen. Unabhängig davon, dass der Kläger vorliegend nicht behauptet hat, keine berauschenden Substanzen mehr zu sich genommen zu haben, ist die Einhaltung eines einjährigen Abstinenzzeitraumes bereits aus zeitlicher Sicht nicht möglich, so dass der Kläger die Fahreignung noch nicht wiedererlangt haben kann. Nach dem feststehenden Drogenkonsum des Klägers am 27. April 2019 erfolgte die Entziehung der Fahrerlaubnis am 23. September 2019, mithin vor Ablauf eines Jahres.
Soweit sich der Klägerbevollmächtigte auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des gelegentlichen Cannabiskonsums bei erstmaligem Verstoß gegen das Trennungsvermögen bezieht und deshalb die Einholung eines medizinischpsychologischen Gutachtens fordert, kann er nicht durchdringen. Denn vorliegend steht der Betäubungsmittelkonsum harter Drogen (u.a. Amphetamin) des Klägers aufgrund der durchgeführten Blutuntersuchung fest. Es liegt gerade kein Konsum von Cannabis vor. Die Frage des Trennungsvermögens spielt daher keine Rolle.
Aufgrund der festgestellten Nichteignung war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zur Entziehung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Der Fahrerlaubnisbehörde war für diese Entscheidung keinerlei Ermessen eingeräumt. Billigkeitserwägungen wie das Angewiesensein auf den Führerschein – auch zur Berufsausübung – können nicht entgegengebracht werden. Steht die Nichteignung fest, so ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers im streitgegenständlichen Bescheid vom 23. September 2019 ist damit rechtmäßig.
Da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig erfolgte, hat dies zur Folge, dass auch die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ablieferungsverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV ebenfalls rechtmäßig ist. Mit Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis und der Führerschein ist abzuliefern.
Nachdem ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat, besteht für eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO keine Notwendigkeit (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 12).
Zudem besteht für die vom Klägerbevollmächtigten beantragte Freistellung des Klägers von den Kosten der Anwaltskanzlei für das vorgerichtliche Tätigwerden kein Anlass.
Nach alledem ist die Klage vollumfänglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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