Strafrecht

Freiheitsstrafe, Fluchtgefahr, Ermessensentscheidung, Feststellung, Justizvollzugsanstalt, Ermessen, Rechtswidrigkeit, Anordnung, Resozialisierung, Feststellungsinteresse, Anspruch, Fesselung, Zeitpunkt, Gefangener, Art und Weise, Feststellung der Rechtswidrigkeit, gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  SR StVK 193/20

Datum:
25.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2954
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Art und Weise der Ausführung des Antragsstellers vom 10.03.2020 hinsichtlich des Tragens von Dienstkleidung der Bediensteten und der Fesselung des Antragssteller rechtswidrig war.
II. Es wird festgestellt, dass die mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung des Antragsstellers vor der Ausführung vom 10.03.2020 rechtswidrig war.
III. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragsstellers werden der Staatskasse auferlegt.
IV. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Modalitäten einer ihm gewährten Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit.
Der Antragssteller verbüßt seit dem Jahr 2012 wegen Mordes mit versuchtem Raub mit Todesfolge eine lebenslange Haftstrafe in der JVA ….
Der Antragssteller beantragte am 15.01.2020 erstmalig eine Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit, welche ihm in der Vollzugskonferenz am 23.01.2020 gewährt wurde. Eine Ausführungsverfügung, die die Ausführung für den 10.03.2020 bestimmte und deren wesentliche Modalitäten festlegte, wurde vom stellvertretenden Anstaltsleite … am 11.02.2020 unterzeichnet.
Die Ausführung fand daraufhin am 10.03.2020 von ca. 12.45 Uhr bis ca. 14.10 Uhr statt. Der Antragssteller wurde hierzu zum Donaudamm gebracht, wo ein kurzer Spaziergang erfolgte.
Dabei begleiteten den Antragsteller drei uniformierte Sicherheitsbedienstete sowie ein uniformierter Stationsbeamter.
Für den Zeitraum der Ausführung legte die JVA dem Antragssteller eine Handfessel an, die an einem vom Antragssteller zu tragendem Bauchgurt befestigt war.
Der Antragssteller behauptet, er habe vor dem Verlassen der JVA vor Vollzugsbeamten der JVA seine Unterhose (eine Badehose) ausziehen müssen, welche anschließend kurz abgetastet worden sei. Der Genitalbereich sei nicht untersucht worden.
Er ist der Ansicht, die Anträge seinen zulässig. Ein Rehabilitierungsinteresse bestehe, da er sich durch die erniedrigende Art und Weise der Ausführung diskriminiert fühle.
In … wohne seine Nichte, die er hätte kontaktieren können. Ein Stadtbesuch wäre angemessen gewesen. Denn durchgeführt worden sei, lediglich ein stumpfsinniger Spaziergang im „Nichts“. Sogar während der Hofgangszeit könne er mehr reden. Ohnehin sei es seinerseits notwendig, dass ich in der Stadt unter Menschen bzw. Nicht-Insassen komme, um das wahre Leben wieder kennenzulernen.
Die mit der Entkleidung verbundene Untersuchung sei unverhältnismäßig gewesen. Es sei nicht notwendig nach versteckten Gegenständen in der Unterhose zu suchen, wenn die Art und Weise der Fesselung sowieso keinen Zugriff auf diese erlaube und er darüber hinaus sowieso von vier Vollzugsbeamten begleitet werde, die jegliche Verwendung dort versteckter Gegenstände sowieso sofort unterbinden könnten.
Die Fesselung nach Art. 96, 98 BayStVollzG könne nur bei Ausführungen gemäß Art. 37, 38 BayStVollzG angeordnet werden. Bei der Ausführung nach Art. 13 BayStVollzG, die sowieso bereits tatbestandlich nur bei Fehlen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr möglich sei, sei ein Rückgriff auf diese Befugnisnorm nicht möglich.
Der Antragssteller beantragt damit sinngemäß
Es wird festgestellt, dass die Entkleidung rechtswidrig war.
Es wird festgestellt, dass die Fesselung rechtswidrig war.
Es wird festgestellt, dass Erkennbarkeit und Anzahl der Bediensteten bei der Ausführung, sowie die ausgewählte Örtlichkeit der Ausführung rechtswidrig war.
Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin behauptet, dass der Antragssteller sich vor der Ausführung nur habe umkleiden müssen, wobei er hierbei die Unterhose nicht habe wechseln müssen.
Sie ist der Ansicht, dass die Art und Weise der Ausführung rechtmäßig gewesen sei. Diese werde vom Anstaltsleiter bestimmt. Dass die Ausführung des Antragsstellers drei Bedienstete begleiteten, sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass beim Antragssteller Flucht- und Missbrauchsbefürchtungen bestanden habe.
Es sei rechtmäßig, dass die ausführenden Bediensteten die übliche Dienst- und Arbeitskleidung getragen haben. Denn im Falle eines außerordentlichen Vorkommnisses haben die Bediensteten als solche für die Bevölkerung und ggf. auch für Polizeibeamte erkennbar zu sein.
Eine Ausführung an einen naturbelassenen Ort sei notwendig gewesen, um sicherzustellen, dass beim Antragssteller aufgrund der bereits langen Haftzeit keine Reizüberflutung eintrete.
Der Antragssteller verkenne das Wesen der Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit. Hierbei handele es sich gerade um keine Lockerung des Vollzugs im eigentlichen Sinne, mithin um keine resozialisierende Maßnahme im Sinne von Wiedereingliederungsmaßnahmen, sondern sie diene ausschließlich der Vermeidung von Hospitalisierungsschäden.
Die Fesselung sei schon deshalb rechtmäßig, weil die Entscheidung auf einen nicht zu relativierenden Fluchtanreiz im Hinblick auf die Persönlichkeit des Antragsstellers und die Umstände der vollstreckungsgegenständlichen Tat gründe und die Reaktion des Antragsstellers bei dem erstmaligen Kontakt mit der Öffentlichkeit außerhalb des Justizvollzugs (mit der Gefahr entsprechender Überforderungssituation) nicht eingeschätzt werden kann.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch das in der Anhörung vom 16.09.2020 erstattete mündliche Gutachten des Sachverständigen …. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Anhörung vom 16.09.2020 verwiesen (Bl. 57 ff. d.Akt.). Daneben hat das Gericht die Zeugen … vernommen (Auf die Protokolle 24.2.22 und 10.2.22 sowie den Telefonvermerk vom 22.2.22 wird verwiesen).
Ergänzend wird hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes auf die wechselseitigen Stellungnahmen der Beteiligten sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Kammer kann ohne erneute Stellungnahmemöglichkeit für die JVA entscheiden.
Der JVA waren die Zugangsdaten für die Videokonferenz am 24.2.22 bekannt. Ein Vertreter hat nicht teilgenommen. Für die notwendige Gewährung rechtlichen Gehörs genügt es, dass die Möglichkeit zur Teilnahme besteht, es besteht keine Verpflichtung der Kammer dies zu kompensiernen. Es hat sich auch aus der Anhörung nichts ergeben, was zwingend eine erneute Beteiligung der JVA erfordern würde. Vielmehr hat sich, zu erwarten ergeben, dass die Details nicht erinnerlich waren.
Auch mit der Verfügung vom 22.2.22 in der eine Stellungnahmefrist zum Telefonvermerk vom gleichen Tag bis zur/in der Anhörung durch die Kammer gewährt wurde beiden Beteiligten, hat die Kammer zu erkennen gegeben, dass sie anschließend entscheiden will.
Die Anträge sind zulässig und unbegründet.
1. Das sowohl für den Fortsetzungsfeststellungsantrag als auch den allgemeinen Feststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse liegt vor. Ein solches ist auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe anzunehmen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich wie im vorliegenden Fall nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann.
Die geltend gemachte rechtswidrige Ausgestaltung der Ausführung stellen einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Resozialisierung gem. Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG dar (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2011, Az.: III-1 Vollz (Ws) 216/11, NStZ-RR 2011,291). Sie begründen auf Grund ihres diskriminierenden Charakters daher regelmäßig ein besonderes Feststellungsinteresse i.S. von § 115 III StVollzG.
2. Prüfungsgegenstand ist die als Einheit zu bewertende Ausgestaltung der Ausführung des Strafgefangenen. Die in diesem Rahmen gerügten einzelnen Umstände stellen dabei nur unselbstständige Begründungen im Hinblick auf die Rechtsmäßigkeit der Ausführung dar (BayObL Beschluss vom 19.01.2022, Az. 203 StObWs 569/21).
3. Der Antrag ist begründet. Die vom Antragssteller geltend gemachte Art und Weise der Ausführung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Art. 13 I Nr. 2 BayStVollzG regelt die Gewährung einer Ausführung. Diese kann dabei von der Anstalt genehmigt werden, wenn weder eine Flucht des Gefangenen noch ein Missbrauch des Ausgangs zur Begehung von Straftaten zu befürchten ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt aber aus dem Resozialisierungsgebot, dass aber bei langjährigen Gefangenen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen die Gewährung von Ausführungen geboten ist (BVerfG BeckRS 2018, 10433). Insoweit besteht ein Anspruch des Gefangenen auf Durchführung einer Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit.
Denn die Ausführung dient dem Zweck, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten und den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken. Derartige Maßnahmen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2015 – 2 BvR 1753/14). Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar (BVerfG 17, 459 ). Dabei greift das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten, nicht erst dann ein, wenn er bereits Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist (BVerfG 19, 157 ). Ferner hat das Interesse des Gefangenen, vor den schädlichen Folgen aus der langjährigen Inhaftierung bewahrt zu werden und seine Lebenstüchtigkeit im Falle der Entlassung aus der Haft zu behalten, um so höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert (vgl. BVerfGE 64, 261 ; 70, 297 ).
Die Gewährung einer Ausführung dient daher nicht lediglich dazu, dem Inhaftierten eine Abwechslung in seiner Alltagsroutine zu verschaffen, sondern gezielt dazu vom Gefangenen Haftschäden abzuwenden und somit dessen Lebenstüchtigkeit zu erhalten.
An diesen von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gemachten Vorgaben hat sich dabei auch die Art und Weise der Ausführung zu orientieren. Bei der Ausgestaltung der konkreten Modalitäten der Ausführung, hat daher immer eine Abwägung zwischen dem Sicherheitsinteresse der JVA und dem Interesse des Gefangenen an der effektiven Verfolgung des mit der Ausführung verbundenen Zwecks zu erfolgen.
Dem Resozialisierungsgebot ist dabei nicht in rechtmäßiger Weise genüge getan, wenn durch die JVA nur derartige Ausführungen genehmigt und durchgeführt werden, die im Hinblick auf die Vermeidung von Haftschäden völlig ungeeignet sind.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Festlegung der Art und Weise der Ausführung im Ermessen der Anstaltsleitung steht (Arloth/Kräh, 2021, § 11 Rn. 7). Die gerichtliche Überprüfbarkeit ist insoweit daher nach § 115 V StVollzG auf das Vorliegen von Ermessensfehler beschränkt.
Die Unverhältnismäßigkeit und damit die Rechtswidrigkeit einer durchgeführten Ausführung kann daher durch das Gericht nur dann angenommen werden, wenn einseitig die (Sicherheits-)Belange der JVA unter Außerachtlassung der gerechtfertigten Belange des Gefangenen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf eine vom Gericht zu bestimmende den Interessen des Gefangenen optimal gerecht werdende Ausführung besteht nicht. Das Gericht darf ihr eigenes nicht an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen.
Dabei ist jedoch wiederum zu beachten, dass der JVA sowohl bei der Bestimmung der Anforderungen an die Sicherheitsinteressen als auch bezüglich der zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit geeignetsten Maßnahme eine gewisse Einschätzungsprärogative zuzustehen ist. Ein Fehlgebrauch des behördlichen Ermessens kann insbesondere daher nur angenommen werden, wenn die JVA von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, relevante Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat, relevante Aspekte fehlgewichtet hat oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
Nach dem damit zugrunde zulegenden Maßstab begegnen einzelne vom Antragssteller näher geltend gemachte Umstände der Art und Weise der Ausführung rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen hier in unverhältnismäßiger Art und Weise ausgeübt.
b) Die Anordnung der Bewachung des Antragsstellers mittels vierer Vollzugsbeamter kann jedoch als solches nicht als ermessensfehlerhaft und damit als rechtswidrig angesehen werden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Bewachung der Ausführung zur Verhinderung einer Flucht oder des Missbrauchs ist der JVA in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BayObLG der JVA ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die JVA selbst am besten einschätzen kann, welche Maßnahmen bei einem bestimmten Gefangenen erforderlich sind. Das Ziel einer Ausführung wird dabei durch die Anzahl der begleitenden Bediensteten auch nur gering berührt. Es gilt immer zu beachten, dass auch eine Ausführung zum Erhalt der Lebenserhaltung nur durchgeführt werden kann, wenn eine (hier rechtliche) Möglichkeit zur effektiven Verhinderung einer Flucht sowie des Missbrauchs besteht.
Die Bewachung eines Gefangenen mit vier Vollzugsbeamten während einer Ausführung wird daher in der Regel nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können. Dies gilt insbesondere hier, da der Antragssteller aufgrund der seiner Haftstrafe zugrundeliegenden Tat und der im Haftverlauf gesammelten Erfahrungen seitens der JVA als besonders sicherheitsbedürftig eingeschätzt wurde.
Auch wird hier in besonderer Weise zu berücksichtigen sein, dass es sich hierbei um die erste Ausführung des Antragsstellers handelte und damit der JVA keine Erfahrung darüber hatte, wie dieser auf die gewährte Lockerung reagiert.
c) Auch die von der Anstaltsleitung für die Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit gewählte Örtlichkeit genügt den rechtlichen Anforderungen an eine solche Ermessensentscheidung.
Nach Einschätzung des in der mündlichen Anhörung dargelegten Gutachtens des Sachverständigen … der sich die Kammer sich im Wesentlichen anschließt, treten Haftschäden, wenn dann hauptsächlich im Hinblick auf die Entfremdung vom öffentlichen Leben, also insbesondere in Bezug auf die dort geläufigen Kultur- und sozialen Techniken auf. Eine effektive Prävention der Prisonisierung erfordert daher durchaus den Kontakt zur Gesellschaft insbesondere zu Personen außerhalb der JVA. Jedoch wird auch hier die genaue Verfassung des einzelnen Gefangenen jeweils speziell zu berücksichtigten und nach einer geeigneten Örtlichkeit für die Ausführung zu suchen sein.
Auch wenn ausweislich des Vortrags des Antragsstellers dieser wohl vor allem das Bedürfnis zur Einübung des sozialen Kontakts zu Menschen außerhalb des Gefängnisses verspürte und im Hinblick auf seine Resozialisierung für notwendig erachtete, war die JVA hier bei der Ausübung ihres Ermessens nicht daran gebunden den Antragsteller nur an einen belebten Ort auszuführen.
Denn die JVA durfte die Durchführung der ersten Ausführung in eine naturbelassene Gegend, in der erstmals nur sporadischer Kontakt zu Zivilisten besteht durchaus auch im Sinne der Resozialisierung für geeignet halten.
Ein erstmaliger Kontakt mit der Öffentlichkeit konnte beim Antragssteller auch durch die Ausführung zu den Donauauen erreicht werden.
Die JVA hat dabei bei dieser Entscheidung ermessensfehlerfrei berücksichtigt, dass es sich hierbei um die erste Ausführung des Antragsstellers seit dieser 2012 in Haft gekommen war, handelte. In diesem Fall durfte die JVA einen abgelegeneren Ort für die Ausführung wählen, um eine Reizüberflutung des Antragsstellers zu vermeiden.
Auch besteht so die Möglichkeit einer Überprüfung und Evaluierung des Verhaltens und der Reaktion des Antragssteller sowie dessen eigener Einschätzung in Bezug auf die gewährte Ausführung, um im nächsten Schritt im Rahmen weiterer Ausführungen eventuell einen intensiveren gesellschaftlichen Kontakt zu ermöglichen. Denn es gilt auch hier zu berücksichtigen, dass beim einzelnen Gefangenen ein Ausgang unter Blicken der Öffentlichkeit auch zu weiterer Ausgrenzung und Stigmatisierung führen kann und daher eine solche sich nicht in jedem Fall immer nur positiv auf die Resozialisierung auswirkt.
Ein derartiges Risiko kann auch beim Antragssteller nicht ausgeschlossen werden, wenn dieser nach eigener Aussage, so wie sie die Kammer auffasst, sich schämte in Begleitung von Justizbeamten ausgeführt und dabei von Zivilisten beobachtet zu werden und zwar auch dann, wenn er rechtmäßig ohne Fesselung und ohne Dienstkleidung der Bediensteten ausgeführt wird.
c) Jedoch war die Ausgestaltung der Ausführung dahingehend rechtswidrig, dass die ausführenden Beamten während dieser Dienstkleidung getragen hatten.
Das Tragen der Dienstuniform liegt grundsätzlich im Ermessen der JVA. Eine Ermessensüberschreitung ist aber anzunehmen, wenn die Maßnahme gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in Art. 96 Abs. 5 BayStVollzG i.V.m. Art. 87 Abs. 2 BayStVollzG Ausdruck gefunden hat, verstoßen hat.
Ein besonderes Interesse des Antragsstellers während der Ausführung nicht als Gefangener erkannt zu werden, ist im Hinblick auf das Resozialisierungsgebot anzuerkennen. Denn allein auf diese Weise wird ein unvoreingenommener Kontakt zu Zivilisten möglich sein und eine Stigmatisierung des Gefangenen vermieden. Die Ausführung hat dem verfassungsrechtlich geprägten Sinn und Zweck von Vollzugslockerungen, namentlich der Freiheitsorientierung, Rechnung zu tragen, wobei dieser Grundsatz auch bei der Ausgestaltung einer Ausführung Berücksichtigung zu finden hat; die Unbefangenheit von Gefangenen in der Öffentlichkeit darf nicht beeinträchtigt werden (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2013, Az.: 3 Vollz (Ws) 29/13, NStZ 2014, 231; BayOblG 203 StObWS 569/21 vom 9.6.21).
Unter hinreichender Berücksichtigung dieser Belange durfte die JVA im Hinblick auf die somit vorzunehmende Abwägung dieser mit den Sicherheitsbelangen, hier nicht fehlerfrei von der Notwendigkeit zum Tragen von Dienstkleidung ausgehen.
Die Justizvollzugsanstalt hat hier aber weder nachvollziehbar begründet noch ist sonst ersichtlich, warum nicht allein durch die Begleitung mit insgesamt vier Justizvollzugsbeamten, selbst wenn diese keine Dienstkleidung tragen, an einem nur selten frequentierten Ausführungsort, wie die Donauauen, ein Fluchtversuch des Gefangenen nicht sofort wirksam hätte unterbunden werden können.
Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass im Falle eines Fluchtversuches die Erkennbarkeit der Justizbeamten als solche dessen effektiver Verhinderung dient, kann kaum überzeugen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass allein aufgrund der Anzahl der begleitenden Vollzugsbeamten jeder Fluchtversuch bereits im Keim effektiv unterbunden werden kann. Das Tragen der Dienstuniform gewährleistet, wenn überhaupt, nur zu einem geringen Vorteil zur Reduktion der Fluchtgefahr, während es das Sozialisierungsgrundrecht des Antragsstellers in erheblicher Weise beeinträchtigt.
d) Ebenfalls muss die Anordnung der Fesselung des Antragsstellers während der Ausführung als rechtswidrig angesehen werden.
(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 96 I, II Nr. 6, IV BayStVollzG für eine Fesselung lagen bereits nicht vor. Das entspricht der Rechtsprechung des BayObLG (203 StObWS 569/21).
Für den vorliegenden Fall der Ausführung und des Transports von Strafgefangenen ist nach Art. 96 IV BayStVollzG die Fesselung nur dann zulässig, wenn eine „erhöhte Fluchtgefahr“ besteht. Bei dieser Feststellung steht der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, da es sich um eine Prognoseentscheidung handelt (Arloth, § 88 Rn. 1; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 88 Rn. 2). Die Prognoseentscheidung ist in entsprechender Anwendung des § 115 V StVollzG nur darauf zu überprüfen, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden oder vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist und ihrer Entscheidung den richtigen Begriff der Eingriffsvoraussetzung zu Grunde gelegt und die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten hat (vgl. OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2002, 155; Arloth, § 115 Rn. 16 m.w.N.).
Eine Fluchtgefahr „in erhöhtem Maße“ bedeutet dabei eine an konkreten Anhaltspunkten belegte und individuell zu beurteilende Fluchtgefahr, die über die allgemeine bei Gefangenen naheliegende Fluchtvermutung hinausgeht und größer ist als die Gefahr, die für die Versagung von Vollzugslockerungen und Urlaub ausreicht. (OLG Nürnberg NStZ 1982, 438).
Damit reichen im Rahmen des Art. 96 Abs. 4 BayStVollzG, der ausdrücklich eine erhöhte Fluchtgefahr verlangt, grundsätzlich allein die bei der Ausführung abstrakt erhöhten Fluchtmöglichkeiten nicht aus.
Die Rechtmäßigkeit der Fesselung bei einer Ausführung wird zum Beispiel dann angenommen, wenn der Anstaltsleiter seine Entscheidung auf einen nicht zu relativierenden Fluchtanreiz im Hinblick auf die Persönlichkeit des Gefangenen gründet, der wegen eines schweren Gewaltdelikts zu einer hohen Strafe verurteilt worden ist, dessen Verhalten im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen erst noch vorsichtig beobachtet werden muss, und letztlich auf die Höhe der noch zu verbüßenden Strafe; unter solchen Umständen sind zusätzliche konkrete Anzeichen für einen Missbrauch der Ausführung durch einen Gefangenen nicht notwendig (OLG Hamm, Beschluss vom 01.06.1994, Az.: 1 Vollz (Ws) 114/97, Arloth/Kräh, StVollzG § 88 Rn. 11). Die Schwere des vom Gefangenen verübten Gewaltdelikts und die Höhe der Restfreiheitsstrafe sind dabei zwar zu berücksichtigende gewichtige Umstände (vgl. zu letzterem OLG München, Beschluss vom 24.11.2008, Az.: 4 Ws 149/08). Im gleichen Maße ist der Gefangene aber auch daraufhin zu beurteilen, wie sich seine Persönlichkeit derzeit konkret darstellt und welchen Einfluss diese auf eine etwaige Fluchtgefahr hat („im Hinblick auf die Persönlichkeit zu relativierender Fluchtanreiz“).
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der erhöhten Fluchtgefahr ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. Es muss sich also um eine in diesem Zeitpunkt nach dem möglichen Stand der Ermittlungen erkennbare, substantiierte und mit konkreten Anhaltspunkten belegbare Gefahr handeln, die aus dem Verhalten des Gefangenen zu entnehmen ist (OLG Koblenz, NStZ 2000, 467; OLG Karlsruhe, MDR 1993, 1114). Im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Gründe sind daher grundsätzlich unbeachtlich (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2014, 31; Arloth/Krä a.a.O., § 115 StVollzG Rn. 5 m.w.N.).
„Die rechtliche Beurteilung hängt deshalb maßgeblich davon ab, ob ohne Rückgriff auf das im gerichtlichen Verfahren gemachte Vorbringen der Antragsgegnerin trotz fehlender Begründung der beanstandeten Verfügung davon ausgegangen werden kann, dass die Antragsgegnerin von dem ihr eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielraum fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Aus- und Vorführungen eine im Vollzugsalltag vielfach praktizierte Routine sind, bei der die Justizvollzugsanstalt im Allgemeinen keinen Anlass hat, die für einen Gefangenen allgemein angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme der Fesselung bei jeder anstehenden Aus- oder Vorführung und bei jedem Transport erneut auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen, wenn sich nicht aufgrund besonderer Umstände aufdrängt, dass die Fesselung im Einzelfall entbehrlich ist. Einer näheren Begründung bedarf es aber nur dann nicht, wenn die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung auf der Hand liegen und der Gefangene keine substanziierten Einwände gegen seine Fesselung erhoben hat“ (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.3.2021 – 2 Ws 322/20; OLG Stuttgart Beschl. v. 17.8.2016 – 4 Ws 180/16 (V), juris).
Nach diesem Maßstab durfte die JVA nicht rechtmäßig von einer erhöhten Fluchtgefahr des Antragsstellers im Sinne des Art. 96 IV BayStVollzG ausgehen. Sie hat die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums nicht eingehalten.
Die JVA hat die genauen Gründe, die sie ihrer Entscheidung über die Fesselung zugrunde gelegt hatte, nicht schriftlich festgehalten. Offensichtlich lagen die Voraussetzungen einer erhöhten Fluchtgefahr aber nicht vor.
Selbst wenn man jedoch im Sinne der JVA unterstellt, dass sie ausweislich ihres Vortrags im gerichtlichen Verfahren ihre Entscheidung auf einen im Hinblick auf die Persönlichkeit des Gefangenen, der wegen eines schweren Gewaltverbrechens zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, besonderen Fluchtanreiz gründet und aus diesem Grund dessen Verhalten im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen erst noch vorsichtig beobachtet werden müsse, stellt dies für sich allein keine tragfähige Begründung für eine erhöhte Fluchtgefahr.
Denn jedenfalls die insoweit noch erforderlichen weitergehenden Gründe, insbesondere im Hinblick auf die Verlässlichkeit des Antragsstellers, sind hier nicht offensichtlich erkennbar und von der JVA auch im Verfahren nicht geltend gemacht worden.
Eine fehlerfreie Beurteilung der erhöhten Fluchtgefahr beim Antragssteller lag somit nicht vor.
(2) Schließlich war die bei der Ausführung erfolgte Fesselung auch unverhältnismäßig im Sinne des Art. 96 Abs. 5 BayStVollzG. Eine Fesselung darf nur dann angeordnet werden, wenn weniger einschneidende oder weniger diskriminierende Maßnahmen nicht ausreichen. Sie kommt damit ausnahmsweise nur in Betracht, wenn auch die Aufsicht durch Bedienstete -als eine weniger einschneidende Maßnahme- nicht ausreicht, um der konkreten Fluchtgefahr zu begegnen.
Auch insoweit ist aber nicht ersichtlich, dass neben der Begleitung des Gefangenen mit vier Bediensteten, davon drei Beamten aus dem Sicherheitsdienst eine Fesselung des Antragsstellers notwendig war, um diesen während der Ausführung effektiv an einer Flucht zu hindern.
Insbesondere hätte es hierfür keiner Fesselung der Hände in Verbindung mit einem Bauchgurt bedurft, das gegenüber der bloßen Armfesselung eine eingriffsintensivere Maßnahme darstellt.
II. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der behaupteten mit einer Entkleidung verbundenen Untersuchung ist begründet.
Vorliegend wurde beim Antragssteller eine den strengen Voraussetzungen des Art. 91 III BayStVollzG unterliegende mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Untersuchung durchgeführt. Eine hierfür grundsätzlich erforderliche Anordnung im Einzelfall im Sinne des Art. 91 Abs. 2 S. 1 BayStVollzG bestand hierfür jedoch nicht, weshalb diese Maßnahme als rechtswidrig einzustufen war.
1. Nach der auf Art. 91 BayStVollzG übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 84 StVollzG sind für das Vorliegen einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung folgende Kriterien entscheidend:
„Gesetzeswortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der differenzierten Regelung sprechen dafür, dass maßgebendes Kriterium für das Vorliegen einer Durchsuchung nach § 84 II StVollzG die Entkleidung unter visueller Bewachung durch das Vollzugspersonal ist. Dafür spricht insbesondere § 84 I 2 StVollzG, der die Durchführung einer Durchsuchung ausschließlich in Gegenwart von Bediensteten des gleichen Geschlechts gestattet (vgl. BVerfGK 8, 363 [367] = BeckRS 2015, 20014). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass – wenngleich jegliche Entkleidung in Anwesenheit von Justizbediensteten das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gefangenen berührt – die Norm des § 84 II StVollzG dem Wortlaut nach ausschließlich die körperliche Durchsuchung, die mit einer Entkleidung verbunden ist, umfasst, während die Regelung in § 84 I StVollzG für die einfache Durchsuchung der Gefangenen, ihrer Sachen und der Hafträume einschlägig ist. Sowohl bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der körperlichen Durchsuchung als auch bei der Bestimmung des Entkleidungsgrades, der zu einer Anwendbarkeit des § 84 II StVollzG führt, ist dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Intimsphäre der Gefangenen in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob bereits die Entkleidung bei bloßer Anwesenheit eines Justizbediensteten und die nachfolgende Durchsuchung der Sachen eines Gefangenen ohne explizite Inspektion seines nackten Körpers unter § 84 II StVollzG fallen (so Feest/Köhne in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl. 2012, § 84 Rn. 5; aA Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 84 Rn. 4) oder es in einem solchen Fall gerade an dem Merkmal der „körperlichen Durchsuchung“ fehlt. Jedenfalls die explizite visuelle Kontrolle des Körpers des Gefangenen muss jedoch für die Bejahung einer „körperlichen Durchsuchung“ iSd § 84 II StVollzG ausreichen“ (BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 5.3.2015 – 2 BvR 746/13).
Dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend, ist eine körperliche Durchsuchung im Sinne der Befugnisnorm auch dann bei einer bloßen Umkleidung des Gefangenen anzunehmen, wenn den Vollzugsbeamten die freie Sicht auf die Genitalien des Gefangenen möglich ist und diese hierbei ihren Blick vom nackten Körper des Gefangenen nicht abwenden (vgl. Beschluss des Senats vom 26. August 2013 – 3 VollzWs 17/13 zu den insoweit identischen §§ 65 HmbSWollzG, 70 HmbStVollzG m.w.N.). Denn in diesem Fall muss das Schamgefühl des Gefangenen als in besonderer Weise beeinträchtigt angesehen werden, da ihm keine Möglichkeit zur Verfügung steht seine Nacktheit und damit den Eingriff in die Intimsphäre zu verbergen. Eine darüberhinausgehende explizite Durchsuchung von Körperöffnungen ist für das Vorliegen einer „körperlichen Durchsuchung“ nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere, da das vorzunehmend Umkleiden gerade als Ersatz einer ansonsten umfassend vorzunehmenden Untersuchung dient.
Nach Ansicht der Kammer steht aufgrund der ermittelten Tatsachen fest, dass eine derartige Form der Umkleidung beim Antragsteller durchgeführt wurde.
Der Antragssteller konnte glaubhaft schildern, dass er im Rahmen der Umkleidung auch gezwungen worden sei, die von ihm getragene Badehose auszuziehen, wobei er seine der Genitalien dem freien Blick der Bediensteten habe entblößen müssen. Außerdem habe ein Bediensteter, nachdem er nackt gewesen sei, seine Badehose mit dessen behandschuhten Händen zusammengedrückt und abgetastet.
Dieser Tatsachenverlauf entspricht den Angaben des Zeugen … in dessen schriftlicher Stellungnahme vom 31.3.2020 (Bl. 79 d.A.), in der er konkret angab, dass beim Antragsteller eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vor der Ausführung stattgefunden habe. Auch wenn dieser bei der hier in Frage stehenden Umkleidung nicht anwesend war, so hat er angeben in seiner Zeugenaussage mit einem befassten Kollegen, den er nicht mehr erinnern könne, darüber gesprochen zu haben.
Die Behauptung des Antragssteller stützt aus Sicht der Kammer die in der Gefangenenpersonalakte gefundene Verfügung der JVA vom 14.03.2020. In dieser wird ab dem 16.03.2020 in Kraft tretend die allgemeine Anordnung der Anstalt bei Gefangenen vor einer Ausführung eine mit einer körperlichen Entkleidung verbundene Durchsuchung vorzunehmen aufgehoben. Dies zeigt aus Sicht des Gerichts deutlich, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, dem 10.03.2020, seitens der JVA zumindest vor einer Ausführung die Durchführung einer mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung, allgemein angeordnet war und daher auch durchgeführt wurde.
Ein anderes Beweisergebnis ergibt sich aus Sicht der Kammer auch nicht aufgrund der Zeugenaussagen der vom Gericht hierzu vernommenen Vollzugsbeamten, welche die Umkleidung des Antragssteller durchgeführt hatten oder zumindest im Zimmer anwesend waren.
Die vernommenen Zeugen konnten sich hierbei übereinstimmend nicht mehr an Einzelheiten des konkreten Vorgangs erinnern. Sie gaben zwar allgemein an, dass vor einer Ausführung grundsätzlich keine vollständige Entkleidung der Gefangenen durchgeführt werde und worden sei. Dies gelte auch für den Zeitraum vor der Verfügung vom 14.03.2020. Vielmehr sei gegebenenfalls nur die Anstaltskleidung ohne die Unterhose gewechselt worden, damit die Gefangenen in der Öffentlichkeit ordentlich mit sauberer Kleidung auftreten konnten. Übereinstimmend gaben die Zeugen hierbei an sich nicht daran erinnern zu können, ob von dieser generellen Vorgehensweise jemals abgewichen worden sei. Insbesondere die Kammerbediensteten gaben dazu an, dass eine solche Enkleidung möglicherweise durch die Sicherungsgruppe erfolgt wäre.
Diese mit Unsicherheiten behafteten Zeugenaussagen können nach Überzeugung der Kammer nicht glaubhaft die detaillierten Schilderungen des Antragsstellers widerlegen insbesondere wegen des Vermerks des Herrn Schutt und der Verfügung des Anstaltsleiters.
2. Die damit tatsächlich durchgeführte mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung genügte nicht den tatbestandlichen Anforderungen des Art. 91 II BayStVollzG. Denn für den vorliegenden Fall lag weder Gefahr im Verzug noch eine Anordnung des Anstaltsleiters oder der Anstaltsleiterin im Einzelfall vor.
a) Tatsachen, die das Vorliegen von Gefahr im Verzug begründen könnten, sind dem Gericht weder ersichtlich noch wurden solche von der Antragsgegnerin vorgetragen. Damit kann eine solche vorliegend nicht angenommen werden.
b) Daneben liegt hier auch keine wirksame Anordnung des Anstaltsleiters oder einer ansonsten im Zuge einer zulässigen Delegation berechtigten Person im Einzelfall vor.
Für das Vorliegen einer Einzelfallanordnung in diesem Sinne genügt es, wenn durch sie Ort, Zeit, Art und Umfang der vollzuglichen Maßnahmen sowie der Kreis, der von ihr Betroffenen so bestimmt abgegrenzt wird, dass dadurch für den denkbaren Einzelfall erkennbar ist, worin die Maßnahme im Einzelnen besteht und welcher Gefangene ihr unterworfen sein soll.
Nicht zulässig ist es nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung jedoch eine Anordnung derart auszugestalten, dass dies zu einer Durchsuchungspraxis führt, die das Strafvollzugsgesetz aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich nur in den Konstellationen des Art. 91 III BayStVollzG erlaubt. Denn damit würde die in Art. 91 BayStVollzG vorgesehene Abstufung der Anordnungsbefugnisse überspielt werden (BVerfG; Beschluss vom 5.11.2016 – 2 BvR 6/16 im Anschluss an BVerfGK 2, 102 = NJW 2004, 1728 zu § 84 StVollzG).
Diesen Anforderungen genügt eine Anordnung, die eine derartige Durchsuchung jedes Gefangenen vor einer Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit vorsieht, nicht. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine nur in den Fällen des Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG zulässige allgemein Anordnung, da sie gerade nicht auf den konkreten Einzelfall abstellt. Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG erlaubt aber im Umkehrschluss zu Art. 91 Abs. 2 BayStVollzG eine allgemeine Anordnung von mit Entkleidungen verbundenen körperlichen Durchsuchungen nur nach jeder Abwesenheit des Gefangenen aus der Anstalt. Vor etwaigen Außenkontakten des Gefangenen, geht das Gesetz dagegen nicht generell von einer nach jedem Außenaufenthalt vergleichbaren abstrakten Gefährdungslage aus, weshalb hier aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Anordnung im Einzelfall vorausgesetzt wird.
Da somit eine derartige Anordnung im Einzelfall vorliegend nicht bestand, muss die durchgeführte mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung des Antragsstellers schon aus diesem Grund als rechtswidrig angesehen werden.
3. Darüber hinaus verstieß diese konkrete Art der Durchsuchung im vorliegenden Fall auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Angesichts der strengen Überwachung, sowie der hier tatsächlich erfolgten Fesselung des Antragsstellers während der Ausführung, ist für die Kammer kein Grund ersichtlich, der eine derartigen Eingriff in die Intimsphäre des Antragsstellers als erforderlich erscheinen lässt. Den Sicherheitsbedenken konnte hier bereits mit diesen Mitteln Rechnung getragen werden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.


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