Strafrecht

Justizvollzugsanstalt, Bescheid, Ermessen, Strafvollzug, Haftraum, Sicherheit, Erfolgsaussichten, Auslagen, Besitz, Gefahr, Ordnung, Rechtsprechung, Verhalten, Gegenstand, Sicherheit und Ordnung, Kosten des Verfahrens, gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  203 StObWs 459/21

Datum:
29.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45024
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayStVollzG Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Der Besitz einer Kochplatte im Haftraum gefährdet abstrakt die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt, ohne dass es auf das Verhalten des einzelnen Gefangenen ankommt.

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10.04.2021 erledigt hat.
II. Der Verurteilte hat die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 50,00 Euro festgesetzt (§§ 60, 52 GKG).
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen, da die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 Abs. 1 ZPO).

Gründe

I.
Der Verurteilte hat mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10.04.2021 den Besitz einer Kochplatte in seinem Haftraum begehrt.
II.
Der Verurteilte ist inzwischen aus dem Strafvollzug entlassen. Damit hat sich sein an die Justizvollzugsanstalt K gerichtetes Begehren erledigt. Die Erledigung hat der Senat von Amts wegen festzustellen (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 115 Rn. 1, 9, § 121 Rn. 3).
III.
Der Verurteilte hat die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.
1. Der Senat hat gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StVollzG nurmehr nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des ehemaligen Strafgefangenen zu entscheiden. Dabei sind der bisherige Sach- und Streitstand, insbesondere die Erfolgsaussichten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O., § 121 Rn. 4).
2. Danach trifft die Kostenlast den ehemaligen Strafgefangenen. In Übereinstimmung mit dem ablehnenden Bescheid der Justizvollzugsanstalt K vom 01.03.2021 hat sein Antrag in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Justizvollzugsanstalt K führt in ihrem ablehnenden Bescheid vom 01.03.2021 aus, dass es sich bei der Justizvollzugsanstalt K um eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe handelt, bei der hinsichtlich der Ausstattung gerade mit elektrischen Geräten strenge Maßstäbe angelegt werden müssen. Als Grund für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gibt sie u.a. an, dass die elektrischen Komponenten und Heizelemente ausgebaut und zu anderen verbotenen oder gefährlichen Zwecken mißbraucht werden können.
b) Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG dürfen Gefangene ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Nach Art. 21 Abs. 2 BayStVollzG gilt dies aber nicht für Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden.
c) Für die Besitzversagung reicht grundsätzlich eine dem Gegenstand innewohnende abstrakte – vom Verhalten des einzelnen Gefangenen unabhängig zu beurteilende – Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt aus (h.M.; vgl. – jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur – Arloth/Krä, a.a.O., § 70 StVollzG Rn. 5; BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss, 20. Ed. 01.08.2021, § 70 StVollzG Rn. 22; Laubenthal in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. G Rn. 34; Goldberg in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 5. Kap. Abschn. D Rn. 15). Das billigt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, sofern eine bestehende abstrakte Gefährlichkeit nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 27.03.2019, Az.: 2 BvR 2268/18, NStZ-RR 2019, 191, juris Rn. 4; Beschluss vom 14.08.1996, Az.: 2 BvR 801/96, NStZ-RR 1997, 24, juris Rn. 7; Beschluss vom 28.02.1994, Az.: 2 BvR 2731/93, NStZ 1994, 453, juris Rn. 10 f.).
d) Unter diesen Vorgaben steht einem Strafgefangenen kein Recht auf den Besitz einer Kochplatte in seinem Haftraum zu.
Wie die Justizvollzugsanstalt zutreffend ausführt, können ausgebaute Heizelemente zu gefährlichen Zwecken eingesetzt werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie erhitzt und gegen den Körper einer anderen Person eingesetzt werden und bei dieser Verbrennungen hervorrufen – eine Gefahr, die auch von einer nicht zerlegten erhitzten Kochplatte ausgehen kann, die als ganzes leicht bewegt werden und einer anderen Person durch Berührung mit deren Körper erhebliche Brandverletzungen zufügen kann.
Eine solch spontaner Einsatz gefährlicher Gegenstände kann durch vorgängige Kontrollen nicht verhindert werden.
Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit mit den Heizspiralen eines Tauchsieders, dessen Gebrauch ebenfalls abstrakt geeignet ist, zu einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu führen (dazu s. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 01.07.2021, BayStVollzG Art. 21 Rn. 9; BeckOK Strafvollzug Bund/Setton, 20. Ed. 01.08.2021, StVollzG § 19 Rn. 16). So hat bereits das Oberlandesgericht München entschieden (Beschluss vom 25.06.1980, Az.: 1 Ws 520/80, bei Franke NStZ 1981, 214; ebenso OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 05.12.1978, Az.: 3 Ws 716/78 (StVollz), ZfStRVo 1979, 186), dass die Vorenthaltung des mit erheblichen Mißbrauchsgefahren (Brand, Verbrennung) belasteten Besitzes eines eigenen Tauchsieders jedenfalls in einer Anstalt hohen Sicherheitsgrades keiner Abwägung gegen individuelle Bedürfnisse des Strafgefangenen bedarf, da die Sicherheitsanforderungen regelmäßig bei weitem überwiegen. So liegt der Fall auch hier.


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