Strafrecht

Kennzeichen iSd Vereinsgesetzes

Aktenzeichen  18 Qs 3/18

Datum:
24.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20548
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VereinsG § 9 Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
StGB § 86a Abs. 1

 

Leitsatz

Die Rechtsprechung versteht unter Kennzeichen iSv § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG – ebenso wie iSv § 86a Abs. 1 StGB – generell abstrakt optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen, durch die der Verein auf sich und seine Zwecke hinweist. Intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken. Es reicht dabei nach der Rechtsprechung des BGH aus, dass sich ein Verein ein bestimmtes Symbol – etwa durch formale Widmung oder durch schlichte Übung – derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als sein Kennzeichen erscheint. Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus eine Unverwechselbarkeit des Symbols nicht erforderlich. Allerdings muss ein verbotenes Kennzeichen in seinem auf die verbotene Vereinigung hinweisenden Symbolgehalt im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein (Bestätigung von BGH BeckRS 2015, 17433).  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I vom 18.01.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 09.01.2018, Az. 841 Cs 111 Js 154671/17, mit welchem das Amtsgericht München den Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeschuldigten … in der genannten Strafsache abgelehnt hat, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

Gründe

A.
Der Angeschuldigte stellte nach Aktenlage beginnend ab 09.03.2017 ein Bild der Fahne der Organisation „YPG“ (roter, fünfzackiger Stern mit grüner Umrandung und grüner Schriftzug „YPG“ auf gelbem Dreieck mit grüner Umrandung) vor blauem Himmel für alle Facebook-Nutzer frei zugänglich als Profilbild in seinen Facebook-Account ein. Dieses Bild befand sich nach Aktenlage jedenfalls noch bis 15.05.2017 weiterhin als Titelbild im Account des Angeschuldigten. Im Vordergrund der Fahnenabbildung ist ein Foto, das mutmaßlich den Angeklagten zeigt, eingefügt, auf dem dieser den Mittelfinger der rechten Hand zeigt. Zudem findet sich der Name des Angeschuldigten … auf dem Foto mit der YPG Fahne eingeblendet. Im Account finden sich zudem die Abbildungen weiterer Symbole, die dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind. Insbesondere findet sich die Abbildung einer geballten Faust mit dem Schriftzug „Solidarisch kämpfen“, eine Abbildung eines Gewehres vor rotem, fünfzackigem Stern mit Aufschrift „GDL“ und die Abbildung einer roten Nelke auf schwarzem Grund mit dem Schriftzug „SURUÇ“. Die Staatsanwaltschaft München I beantragte daraufhin am 02.01.2018 beim Amtsgericht München unter Az. 111 Js 154671/17 den Erlass eines Strafbefehls wegen Zuwiderhandlung gegen Verbote gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG. Der dem beantragten Strafbefehl zugrunde liegende Sachverhalt lautet wie folgt:
„Am 09.03.2017 stellten Sie, mutmaßlich von Ihrem Wohnsitz in der … in München aus, auf Ihrem Facebook-Account … als Titelbild eine Fahne der „YPG“ ein. Bei der abgebildeten Fahne handelt es sich, wie sie wussten, um eine in Deutschland verbotene Fahne der Nachfolgeorganisation der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK).
Der Zugriff auf das Foto war nicht begrenzt. Dadurch hatten – wie Sie wussten – alle Facebook-Mitglieder weltweit die Möglichkeit, die Abbildung der „YPG“-Fahne auf Ihrem Facebook-Profil einzusehen.
Die „PKK“ unterliegt dem vereinsrechtlichen Verbot des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 (BAnz 1993, 10313). Das vereinsrechtliche Verbot gegen die „PKK“ erstreckt sich auch auf die „YPG“ und ihre Symbole.
Diese Umstände, insbesondere das in Deutschland geltende vereinsrechtliche Verbot der Organisation „PKK“ und ihrer Symbole, war Ihnen bekannt.”
Mit Beschluss vom 09.01.2018 lehnte die zuständige Richterin am Amtsgericht den beantragten Strafbefehl unter Az. 841 Cs 111 Js 154671/17 sus tatsächlichen Gründen ab, weil sie den Angeschuldigten nicht für hinreichend verdächtigt hielt, eine Straftat nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG begangen zu haben. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, das Bundesministerium des Innern (im Folgenden „BMI“) habe erst durch Rundschreiben an die Länder vom 02.03.2017 bekannt gegeben, dass die Fahne der YPG der verbotenen PKK zuzuordnen sei. Ein Nachweis, dass der Angeschuldigte bereits am 09.03.2017 von diesem Rundschreiben Kenntnis gehabt habe, sei nicht mit der zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts erforderlichen Sicherheit geführt. Daneben fehle es auch an einem Nachweis, dass der Angeschuldigte die Flagge in der Form verwendet habe, in der sie verboten sei. Der Verein „YPG“ sei gerade nicht verboten. Es fehle darüber hinaus der Nachweis, dass der Angeschuldigte gewusst habe, dass er sich ausdrücklich und unmissverständlich von der PKK distanzieren oder klarstellen hätte müssen, dass sich das auf seinem Account gezeigte Symbol auf die „syrische YPG“ beziehen solle. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte die Flagge in seinen Facebook-Account eingestellt habe und es allen Facebook-Mitgliedern möglich gewesen sei, die Abbildung einzusehen, lasse sich nicht hinreichend darauf schließen, dass der Angeschuldigte erkannt habe, dass er durch die kommentarlose Veröffentlichung gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG verstoße und dies auch gewollt habe. Für weitere Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 09.01.2018, Bl. 230/233 d.A. verwiesen. Der Beschluss ging der Staatsanwaltschaft München I am 12.01.2018 zu.
Am 18.01.2018 legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 12.01.2018 ein. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, das Schreiben des BMI vom 02.03.2017, in welchem die Fahne der YPG als von der PKK und ihren Nachfolgeorganisationen verwendetes Symbol benannt werde, stelle kein neues Vereinsverbot dar, sondern nehme lediglich eine konkrete Zuordnung bestimmter Symbole zum bereits geltenden Kennzeichnungsverbot vor, die sich an den aktuellen Gesamtumständen orientiere. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Verwendung dieser Symbole vor dem 02.03.2017 – unter Berücksichtigung der konkreten Verwendung im Einzelfall – nicht verboten gewesen sei. Daher komme es auch auf die Kenntnis des Angeschuldigten vom Schreiben vom 02.03.2017 nicht an. Auch die Art der Verwendung der Flagge sei strafbar. Bei der Flagge der YPG handle es sich um ein in Deutschland verbotenes Symbol einer Unterorganisation der PKK. Derartige Organisationen seien abhängig von den Vorgaben der Gesamtorganisation der PKK. Die PKK bediene sich derer immer dort, wo sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unter originären Bezeichnungen nicht auftreten könne oder wolle. Aufgrund des genannten Kontextes und der Zuordnung der YPG-Fahne in der Anlage zum Schreiben des BMI vom 02.03.2017 käme eine straffreie Verwendung des YPG-Symbols nur bei einer vom PKK-Kontext losgelösten Verwendung in Betracht. Der Angeschuldigte distanziere sich in seinem Beitrag aber gerade nicht ausdrücklich und unmissverständlich von der PKK. Für den objektiven Betrachter sei es gerade nicht ausdrücklich und unmissverständlich erkennbar, dass hier eine Flagge der syrischen YPG zu sehen sein solle, welche möglicherweise isoliert vom PKK-Kontext zu sehen wäre. Dass der Angeschuldigte nicht gewusst habe, dass er ein verbotenes Symbol verwende, lege die Akte zudem nicht nahe. Selbst wenn dem so gewesen sein sollte, läge ein vermeidbarer Verbotsirrtum vor. Für weitere Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 09.01.2018, Bl 237/238 d.A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 27.02.2018 verwies der Angeschuldigte über seinen Verteidiger darauf, dass das Rundschreiben des BMI vom 02.03.2017 schon deshalb nicht maßgeblich sein könne, da es sich um ein internes Schreiben handle. Zudem sei die Verbotspraxis in Bezug auf YPG-Symbole regional völlig unterschiedlich. Die Auffassung, das Zeigen einer YPG-Fahne sei strafbar, sofern sich der Verwender dabei nicht ausdrücklich von der PKK distanzieren würde, verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG. Strafbarkeit könne vielmehr nur dann vorliegen, wenn ein eindeutiger Bezug zur PKK hergestellt werde. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Verteidigung vom 27.02.2018, Bl. 256/282 d.A. verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 27.02.2018 führte der Angeschuldigte über seinen Verteidiger ergänzend aus, das BMI bezeichne die YPG in seinem Schreiben vom 02.03.2017 gerade nicht als Unterorganisation der PKK. Die YPG werde in Deutschland von offizieller Seite gerade nicht als terroristische Vereinigung angesehen, vielmehr habe die der YPG nahestehende PYD sogar einen Vertreter in Berlin. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Verteidigung vom 27.02.2018, Bl. 283/284 wird verwiesen.
Bereits in seiner Beschwerde vom 01.09.2017 gegen die beim Angeschuldigten am 19.06.2017 durchgeführten Hausdurchsuchung hatte der Angeschuldigte zudem über seinen Verteidiger ausgeführt, dass der Gesamtzusammenhang, in dem die YPG-Fahne als Profilbild in den Facebook-Account des Angeschuldigten eingestellt sei, eindeutig zeige, dass es hierbei um die YPG und nicht um die verbotene PKK gehe. Dies sei an der im Hintergrund abgebildete Hügelkette zu erkennen, die das Sinjar-Gebirge in Syrien zeige und somit die Flagge klar in den Kontext des Kampfes der YPG gegen den Islamischen Staat in Syrien stelle und nicht in den Kontext der Tätigkeiten der PKK. Für Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 01.09.2017, Bl. 104/106 d.A. verwiesen.
Mit weiterer Stellungnahme vom 20.03.2018 verwies die Staatsanwaltschaft München I erneut, wie bereits in ihrer vorangegangenen Stellungnahme, maßgeblich darauf, dass die YPG Flagge ein Kennzeichen eines in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins sei und es daher, entsprechend der Rechtsprechung des BGH in seiner „Bandidos-Entscheidung“ vom 09.07.2016 (BGH, NJW 2015, 3590) gerade darauf ankomme, dass sich der Angeschuldigte bei der Verwendung der YPG-Flagge als Profilbild in seinem Facebook-Account nicht ausdrücklich von der PKK distanziert habe. Das Verhalten des Angeschuldigten sei daher strafbar. Für Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 20.03.2018, Bl. 296/299 d.A. verwiesen.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 09.01.2018 ist zulässig. Das Rechtsmittel ist insbesondere statthaft. Die Entscheidung des Amtsgerichts, den von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl nicht zu erlassen, steht einem Nichteröffnungsbeschluss gleich, § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO. Hiergegen obliegt der Staatsanwaltschaft das Rechtmittel der sofortigen Beschwerde, § 210 Abs. 2 StPO. Die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO ist gewahrt.
II.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Beschluss vom 09.01.2018 war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht München zurückzuverweisen. Es liegt im Ermessen der zuständigen Richterin am Amtsgericht München, nunmehr den beantragten Strafbefehl zu erlassen, oder einen Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen (vgl. Maur, Karlsruher Kommentar zur StPO, § 408, 7. Auflage 2013, Rn. 14).
Nach Auffassung der Beschwerdekammer liegen die Voraussetzungen einer Eröffnung des Hauptverfahrens, bzw. alternativ des Erlasses eines Strafbefehls gem. § 203 StPO bzw. § 407 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 203 StPO vor, da der Angeschuldigte einer Straftat nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG hinreichend verdächtig ist.
Hinreichend ist ein Verdacht regelmäßig dann, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (BGH, NJW 1970, 1543). Hierbei wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 StPO oder § 126 a Abs. 1 StPO der Fall ist (ständige höchstrichterliche Rspr., siehe u.a. BGH, Beschluss vom 22.04.2003, NStZ-RR 2004, 227 (in Auszügen)). Diese Voraussetzungen sind vorliegend dann erfüllt, wenn aus ex-ante Sicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Rahmen einer Hauptverhandlung nachgewiesen werden wird, dass der Angeschuldigte durch das eingangs beschriebene Einstellen der YPG-Fahne in seinen Facebook-Account ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins bzw. ein Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots willentlich und wissentlich öffentlich verwendete und dadurch den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG verwirklichte. Dies wäre zum einen dann der Fall (1. Alternative), wenn sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nachweisen lassen würde, dass die YPG selbst am 09.03.2017 mit einem Vereins- bzw. Betätigungsverbot i.S.d. § 9 VereinsG in der bis 15.03.2017 gültigen Fassung belegt war und der Angeschuldigte dies wusste oder vorwerfbar wissen hätte müssen. Zum anderen wäre dies aber auch dann der Fall (2. Alternative), wenn sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen ließe, dass ein mit einem entsprechenden Verbot belegter Verein (hier die PKK) die Flagge der YPG zum Tatzeitpunkt als eigenes Kennzeichen usurpiert hatte, der Angeschuldigte dies wusste, bzw. vorwerfbar wissen hätte müssen und sich der Angeschuldigte nicht gleichzeitig mit dem Zeigen des Kennzeichens von dem verbotenen Verein, der das Kennzeichen usurpierte, erkennbar distanzierte.
1. Im Ergebnis kommt der Erlass eines Strafbefehls, bzw. die Eröffnung der Hauptverhandlung aufgrund der als 1. Alternative beschriebenen Fallgestaltung nicht in Betracht, denn selbst wenn sich im Rahmen einer Hauptverhandlung nachweisen lassen sollte, dass es sich bei der YPG objektiv um einen (mit-)verbotenen Verein, bzw. um einen von einem Betätigungsverbot (mit-)umfassten Verein handelt, könnte nach Aktenlage jedenfalls nicht mit der für § 203 StPO erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass der Angeschuldigte hiervon am 09.03.2017 (und bis zum heutigen Tag) wusste, bzw. sein Nichtwissen lediglich auf einem vermeidbaren Verbotsirrtum beruhte.
Hierzu im Einzelnen:
Mit Verfügung des BMI vom 22.11.1993, Gs. IS 1 – 619 314/27 stellte das BMI fest, dass die Tätigkeit der „Arbeiterpartei Kurdistan“ (PKK) einschließlich ihrer Teilorganisation „Nationale Befreiungsfront Kurdistans“ (ERNK) gegen Strafgesetze verstoße, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, sowie die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Mit gleicher Verfügung wurde daher der „Arbeiterpartei Kurdistan“ (PKK) einschließlich ihrer Teilorganisation „Nationale Befreiungsfront Kurdistans“ (ERNK) verboten, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes zu betätigen. Das Betätigungsverbot ist vollziehbar, (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG) und seit 26.03.1994 unanfechtbar (Eintragung nach § 7 Abs. 1 VereinsG im Bundesanzeiger unter BAnz 1993, 10313).
Gem. §§ 3 Abs. 3 i.V.m. 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG ist durch die Verfügung vom 22.11.1993 automatisch die Betätigung aller Teilorganisationen der PKK im Geltungsbereich des Vereinsgesetz mitverboten, soweit es sich um Teilorganisationen i.S.d. § 3 Abs. 3 Abs. 1 VereinsG handelt, also um solche Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung des Vereins erscheinen (vgl. generell zur Erstreckung der Verbotsverfügung vom 22.11.1993 auf Teilorganisationen der PKK: BVerwG, NVwZ 1995, 590). Im Gegensatz zu nicht-gebietlichen Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG und Ersatzorganisationen i.S.d. § 8 Abs. 1 VereinsG sind Teilorganisationen i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG von einem Betätigungsverbot der Gesamtorganisation grundsätzlich automatisch mitumfasst, ohne dass es ihre explizite Nennung in der Verbotsverfügung bzw. ihrer vollziehbaren Feststellung als Ersatzorganisation (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG) bedarf (zu Einzelheiten vgl. Groh, VereinsG, 1. Auflage 2012, § 3, Rn. 35 sowie Erbs/Kolhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 217. EL 2017, § 3 Rn. 23–26 und § 8 Rn. 8).
Sollte die YPG eine solche Teilorganisation der PKK i.S.e Unterorganisation der PKK sein, wäre ihre Betätigung im Bundesgebiet grundsätzlich gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG von dem am 22.11.1993 verfügten Betätigungsverbot mitumfasst und die Verwendung ihrer Kennzeichen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG strafbar.
Aus dem der Ermittlungsakte beigefügte Rundschreiben des BMI an die Länder mit Betreff: „Vollzug des Verbots der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK); hier: Bezeichnung der aktuell verwendeten Organisationsbezeichnungen und der hieraus folgenden Kennzeichen der PKK“ vom 02.03.2017 (im Folgenden „Rundschreiben vom 02.03.2017“) ergeben sich keine näheren Hinweise darauf, dass es sich bei der YPG um eine Teilorganisation der PKK i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG handelt. Das Schreiben führt die YPG und ihre Flagge lediglich in der Anlage zum Rundschreiben unter der Überschrift „Übersicht über Symbole/Fahnen im PKK-Kontext“ und der Unterüberschrift „PKK-Ablegerparteien“ auf, ohne dass sich im Schreiben selbst ein Hinweis darauf fände, dass die YPG selbst ein integraler Bestandteil der PKK, bzw. ihrer vom Verbot vom 22.11.1993 ebenfalls umfassten, mit der PKK identischen, Nachfolgeorganisationen wäre. Öffentlich zugängliche Quellen (wie etwa Wikipedia zum Suchbegriff „YPG“) verweisen allerdings auf eine Gründung der YPG durch Mitglieder der PKK in Syrien zum Kampf für kurdische Belange in Syrien, sowie auf eine Verquickung der Belange der (zumindest) PPK-nahen PYD mit der YPG und zitieren Quellen, die die YPG als bewaffneten Arm der PKK in Syrien bzw. integralen Bestandteil der PKK, bzw. deren Nachfolgeorganisation KCK auf syrischem Territorium bezeichnen. Auch andere öffentlich zugängliche Quellen, wie Artikel von Spiegel-Online und Zeit-Online, weisen ebenfalls in diese Richtung. Dies sind jedoch nur vage, unverbindliche Hinweise aus den Medien, die nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine de facto Eingliederung der YPG in die PKK schließen lassen. Diesbezüglich existiert derzeit augenscheinlich keine verbindliche Einschätzung von staatlicher Seite. Selbst der 10. Senat des Bayerische Verwaltungsgerichtshofs führte in seiner kürzlich erlassenen Eilentscheidung 10 CS 18.405 vom 16.02.2018 (BeckRS 2018, 5688) zur Frage, ob das Zeigen von YPG-Flaggen auf öffentlichen Demonstrationen verboten sei, hierzu aus:
„Dagegen kann nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht hinreichend sicher abgeschätzt werden, ob die Verwendung der Kundgebungsmittel unter Nr. 6.3.2 des Bescheids (bzgl. der drei in Syrien tätigen Organisationen (Anmerkung der Beschwerdekammer: gemeint sind Flaggen/Fahnen u.ä., die die Symbolen von YPG, YPJ und YPD zeigen)) unter den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG fällt. Dies wäre dann zu bejahen, wenn sie entsprechend der Einstufung durch die Antragsgegnerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht trotz formell bestehender Unabhängigkeit praktisch eine Unterorganisation („Ableger“) der PKK bilden würden. Eine sichere Beurteilung dieser Frage würde wegen der dafür erforderlichen Auswertung der verfügbaren Erkenntnisquellen den Rahmen dieses Eilverfahrens sprengen, zumal zu dieser Frage – soweit ersichtlich – auch noch keine Rechtsprechung vorliegt. In diese Richtung zielt auch die in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft München I erfolgte Stellungnahme des Polizeipräsidiums München vom 9. Februar 2018, wonach alleine die Verwendung von Fahnen einer der drei genannten Organisationen ohne gleichzeitige aktive Sympathieäußerung zur PKK oder dessen Vorsitzenden für eine Strafbarkeit wohl nicht ausreiche und eine abschließende Beurteilung dieser Frage über eine „oberinstanzielle“ Entscheidung erreicht werden solle. Auch der Senat hält es nicht für völlig fernliegend, dass der genannte Straftatbestand des Vereinsgesetzes durch ein bloßes Vorzeigen von Fahnen der drei syrischen Organisationen noch nicht erfüllt ist. Damit wären aber auch die Voraussetzungen für eine versammlungsbehördliche Beschränkung insoweit nicht gegeben.”
In einer Situation, in der auch das oberste Bayerische Verwaltungsgericht zumindest im Rahmen eines Eilverfahrens ad hoc nicht in der Lage ist, anzugeben, ob es sich bei der YPG um eine Unterorganisation der PKK, zumal gerade um eine solche im Sinne einer Teilorganisation gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG handelt, oder gegebenenfalls lediglich um eine von der Verbotsverfügung nicht automatisch mitumfasste Neben- oder Hilfsorganisation oder um eine ausdrücklich zu benennende nicht-gebietliche Teilorganisation mit eigener Rechtspersönlichkeit oder um eine Ersatzorganisation, kann das Wissen um eine solch komplexe Frage auch dem Angeschuldigten nicht abverlangt werden. Hierzu bedarf es einer genauen Abgrenzung anhand umfangreicher Feststellungen (vgl. entsprechend in Bezug auf die DHKP-C: BGH, NStZ 1998, 304). Dass dem Angeschuldigten der subjektive Tatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG im vorliegenden Fall insoweit nachweisbar sein wird, ist daher nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Insoweit scheidet, jedenfalls bis zur eindeutigen, verbindlichen Klärung dieser Frage eine Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG aus.
Lediglich ergänzend sei insoweit angemerkt, dass eine für den subjektiven Tatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG relevante Klärung zukünftig möglicherweise im Rahmen eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens in der bisher nur im Eilverfahren entschiedenen, bereits zitierten, vor dem BayVGH anhängigen Rechtssache 10 Cs 18.405 und einer anschließenden Veröffentlichung einer entsprechenden Entscheidung erfolgen könnte. Der BGH nahm in seinem Urteil vom 09.04.1997 in der Rechtssache 3 StR 387/96 (BGH, NJW 1997, 2248), das eine Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot der PKK durch Betätigung für ihre militante Teilorganisation ARGK betraf, jedoch sogar an, dass aus Gründen des Bestimmtheitsgebotes, trotz § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG, jedenfalls für eine Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG erforderlich sein, dass die von einem Betätigungsverbot mitumfasste Teilorganisation in der Verbotsverfügung selbst ausdrücklich benannt wurde. Da zudem die Antwort der Bundesregierung vom 21.04.2017 auf die kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter der Fraktion „Die Linke“ zum Thema „Ausweitung des Betätigungsverbots der Arbeiterpartei Kurdistans PKK auf weitere Organisationssymbole“ (BT-Drucksache 18/11839) darauf verweist, dass der Bundesregierung keine Aktivitäten der YPG im Bundesgebiet bekannt sind, ist darüber hinaus zusätzlich zumindest fraglich, ob das allein im Anwendungsbereich des VereinsG gültige Betätigungsverbot der PKK die rein hypothetische Tätigkeit der im Bundesgebiet real gar nicht aktiven YPG überhaupt mit umfassen und auf diese Weise zu einem Kennzeichenverbot nach § 9 VereinsG und in der Folge zu einer Strafbarkeit des Verwendens der YPG Flagge nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 führen kann (siehe hierzu ebenfalls BGH, NJW 1997, 2248).
2. Allerdings wäre nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend der oben als 2. Alternative geschilderten Fallgestaltung das willentliche und wissentliche Verwenden der YPG-Fahne auch dann nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG strafbar, wenn es sich bei der Fahne der YPG um ein von der PKK verwendetes Kennzeichen handeln sollte, die PKK also das Kennzeichen der YPG als eigenes usurpiert hätte. Die Flagge der YPG müsste mithin zumindest auch als Kennzeichen der mit einem Betätigungsverbot belegten PKK anzusehen sein.
a. Was als Kennzeichen i.S.d. Vereinsgesetzes zu verstehen ist, listet § 9 Abs. 2 Satz 1 in der am 09.03.2017 gültigen Fassung lediglich beispielhaft auf. Danach sind Kennzeichen i.S.d. Vereinsgesetzes insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformeln. Mit umfasst sind seit der Gesetzesänderung vom 01.01.2012 auch solche Kennzeichen, die den Kennzeichen verbotener Vereine, bzw. Vereinen, die einem Betätigungsverbot unterliegen, zum Verwechseln ähnlich sehen. Die Rechtsprechung versteht unter Kennzeichen i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG – ebenso wie i.S.v. § 86 a Abs. 1 StGB – generell abstrakt optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen, durch die der Verein auf sich und seine Zwecke hinweist. Intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken. Es reicht dabei nach der Rechtsprechung des BGH aus, dass sich ein Verein ein bestimmtes Symbol – etwa durch formale Widmung oder durch schlichte Übung – derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als sein Kennzeichen erscheint. Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus eine Unverwechselbarkeit des Symbols nicht erforderlich. Dass das Kennzeichen auch unverfängliche Verwendung in anderem Zusammenhang findet und von der Organisation lediglich übernommen wurde, ist für den Kennzeichenbegriff nicht von Bedeutung. Von solchen außerhalb des Symbols liegenden tatsächlichen Umständen kann die Feststellung, ob es sich bei ihm um das Kennzeichen einer verbotenen Organisation handelt, ohne nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit und Bestimmtheit des Tatbestands nicht abhängig gemacht werden. Vielmehr muss ein verbotenes Kennzeichen in seinem auf die verbotene Vereinigung hinweisenden Symbolgehalt im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. ((vgl. BGH, NJW 1999, 435 (im Folgenden „Wiking-Jugend-Entscheidung“), sowie fortführend BGH, NJW 2009, 928 (im Folgenden „Keltenkreuz-Entscheidung“) und BGH, NJW 2015, 3590 (im Folgenden „Bandidos-Entscheidung“)).
Der Hinweis der Verteidigung auf die Rechtsprechung des BGH in der zitierten „Wiking-Jugend-Entscheidung“ dafür, dass die YPG-Fahne im vorliegenden Fall, ebenso wie das Tragen des betreffenden Rangabzeichens der Bundeswehr in der genannten Entscheidung erlaubt sei, ist insoweit verfehlt. Der BGH hat in dieser Entscheidung gerade die oben genannten Grundsätze mit aufgestellt, aber über die entscheidende Frage, ob der verbotene Verein „Wiking-Jugend e.V.“ im konkreten Fall tatsächlich ein Rangabzeichen der Bundeswehr als eigenes Kennzeichen usurpiert hatte, gerade nicht entschieden, weil das vorinstanzliche Landgericht ausweislich der Ausführungen des BGH hierzu keine Feststellungen getroffen hatte.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung und entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung ist, wie die drei zitierten Urteile des BGH zeigen, zudem auch der konkrete Kontext, in dem gerade der Angeschuldigte die YPG-Flagge in seinen Account eingestellt hat, für die Frage der Kennzeicheneigenschaft der Flagge als Kennzeichen der PKK völlig irrelevant. Insoweit vermischt auch die Entscheidung des Landgerichts Aachens, Az. 66 Qs 73/17 vom 13.02.2018 (BeckRS 2018, 5195), die im Ergebnis das Einstellen einer YPG Flagge als Profilbild in einen Facebook-Account nicht als Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG wertet, nach Auffassung der Kammer zu Unrecht die für die Bewertung der Kennzeicheneigenschaft eines bestimmten Symbols für einen bestimmte Verein irrelevante Frage, in welchem konkreten Kontext gerade der konkrete Verwender (der dem Verein gar nicht angehören muss) dieses Zeichen stellt, mit der für die Bestimmung des Kennzeichenwertes für einen Verein entscheidenden Frage, welche kontextualen Indizien dafür sprechen, dass der betreffende verbotene Verein und seine Anhänger in ihrer Gesamtheit gerade dieses Symbol wie ihr eigenes verwenden.
Entsprechend der oben zitierten Rechtsprechung des BGH, die der Ausgestaltung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG als abstraktes Gefährdungsdelikt Rechnung trägt, fällt vielmehr zunächst jeder, der ein nach den oben genannten Kriterien bestimmtes Kennzeichen öffentlich benutzt in den Normbereich des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG. Eine Begrenzung des Straftatbestands erfolgt erst über das Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“. Ein Kennzeichen i.S.d. § 9 VereinsG wird nach der Rechtsprechung des BGH dann nicht i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG verwendet, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Benutzung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass die Nutzung des Kennzeichens dem Schutzzweck der Norm nicht zuwiderläuft. Sind die äußeren Umstände dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt (vgl. „Keltenkreuz-Entscheidung“ BGH a.a.O. und „Bandidos-Entscheidung“, BGH a.a.O.). Es ist denkbar, dass, etwa bei öffentlichen Demonstrationen, ein solch eindeutiger Gesamtzusammenhang, der die YPG-Fahne gerade als Symbol der YPG und nicht (auch) der PKK erscheinen lässt, durch den jeweiligen, öffentlich benannten Versammlungszweck und durch das gleichzeitige Unterlassen der Verwendung genuiner PKK-Symbole und Parolen hergestellt werden kann. In diesem Sinne sind offenbar auch die betreffenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen des VG Gelsenkirchen vom 19.02.2018 (BeckRS 2018, 1813, des VG Darmstadt vom 02.03.2018 (BeckRS 2018, 5477), und die bereits zitierte Eilentscheidung des BayVGH vom 16.02.2018 (BayVGH a.a.O.) zu verstehen.
(I.)
Dafür, dass die PKK die Flagge der YPG tatsächlich als eigenes Kennzeichen usurpiert hat, liegen nach Aktenlage ausreichend Anhaltspunkte vor, um insoweit hinsichtlich des objektiven Tatbestandes des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG einen hinreichenden Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO zu begründen.
Hierfür spricht bereits als erhebliches Indiz die Aufnahme der YPG-Fahne in den Katalog der „Symbole/Fahnen im PKK-Kontext“ durch das BMI im Anhang des bereits genannten Rundschreibens des BMI an die für den Vollzug des Vereinsverbots zuständigen Länder vom 02.03.2017.
Ferner sprechen hierfür Motiv und Farbgebung der Flagge selbst. Ebenso wie die meisten anderen von der PKK und ihren (mit ihr identischen) Nachfolgeorganisationen verwendeten Fahnen und Symbolen, zeigt die YPG Flagge die Farben rot, gelb und grün, sowie das Motiv des fünfzackigen sozialistischen Sterns.
Darüber hinaus führt die Bundesregierung in ihrer bereits zitierten Antwort vom 21.04.2017 auf die kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter der Fraktion „Die Linke“ zum Thema „Ausweitung des Betätigungsverbots der Arbeiterpartei Kurdistans PKK auf weitere Organisationssymbole“ (BT-Drucksache 18/11839) aus, die vom BMI im Anhang zum Rundschrieben vom 02.03.2017 zusammengestellte Liste von Symbolen fasse „sowohl die Eigensymbolik der PKK wie auch jene Symbolik zusammen, deren sich die Organisation ersatzweise bedient, weil deren organisatorischer Bezug zu ihr aus Sicht ihrer Anhänger offenkundig und damit geeignet ist, den Zusammenhalt der PKK zu fördern“. Die genannten Kennzeichen bestimmten „seit Jahren des öffentliche Versammlungsgeschehen mit PKK-Bezug“ (vgl. Seite 4 der genannten BT-Drucksache).
Auch die Tatsache, dass die Sachverhalte der bereits zitierten erstinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Darmstadt und Gelsenkirchen zur Frage der Zulässigkeit des Zeigens von YPG-Fahnen auf öffentlichen Demonstrationen stets Fallkonstellationen betreffen, bei denen neben YPG-Fahnen auch PKK-Symbole wie etwa das Öcalan-Bildnis mit Parolen wie „Freiheit für Öcalan!“ gezeigt werden bzw. werden sollen, oder Parolen wie „Weg mit dem PKK-Verbot!“ gerufen werden oder werden sollen (vgl. u.a. VG Darmstadt a.a.O.; VG Gelsenkirchen a.a.O.; ebenso VG München, BeckRS 2018, 2380), deutet darauf hin, dass die YPG-Fahne von der PKK und ihren Anhängern ersatzweise als eigenes Symbol verwendet wird und in der Öffentlichkeit grundsätzlich gerade nicht nur für die YPG selbst sondern zumindest auch für die PKK steht. Für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts i.S.d. § 203 StPO, der, wie bereits eingangs erläutern, noch unterhalb der Schwelle des dringenden Tatverdachts anzusiedeln ist, sind diese Anhaltspunkte jedenfalls ausreichend, auch wenn es sicherlich wünschenswert gewesen wäre, dass die Staatsanwaltschaft hierzu bereits im Vorfeld auch eine gutachterliche Stellungnahme eines entsprechend sachkundigen Sachverständigen eingeholt hätte und den Sachverständigen als Beweismittel benannt hätte.
Die Staatsanwaltschaft hat allerdings den Unterzeichner des Rundschreibens des BMI vom 02.03.2017, Herrn …, als sachverständigen Zeugen benannt und damit ein geeignetes Beweismittel für die Frage der Usurpierung der YPG-Flagge durch die PKK angeboten, was nach Auffassung der Kammer letztlich für die Bejahung der Frage, ob die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist, ausreicht. Sollte das Amtsgericht darüber hinaus für eine genaue Sachaufklärung die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten, kann dies im Rahmen der Hauptverhandlung durch Einvernahme beispielsweise eines sachkundigen Vertreters der Bundeszentrale für politische Bildung oder ähnlicher Organisationen als Sachverständigen geklärt werden.
(II.)
Dafür dass der Angeschuldigte im konkreten Fall die Fahne der YPG gerade nicht in einem dem Schutzzweck des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zuwiderlaufenden Weise verwendet hätte, liegen nach Aktenlage keine Hinweise vor. Dass, wie die Verteidigung meint, die (zudem auf dem Titelbild, vgl. Bl. 7 d.A., gar nicht zu erkennende) im Hintergrund der YPG-Flagge abgebildete „Hügelkette“ (vgl. Abbildung Bl. 8 d.A.) keinen eindeutigen und ausschließlichen Bezug zum Kampf der YPG in Syrien herstellt und damit eine eindeutige Distanzierung von der Tätigkeit der PKK darstellt, bedarf keiner weiterer Erläuterung. Dass die Hügelkette erkennbar gerade eine syrische Landschaft darstellen soll, ist hierfür zum einen unerheblich und überfordert zudem, angesichts des lediglich als Strich in der Landschaft zu erkennenden Hügelkette im Bildhintergrund die Ortskenntnis der Kammer.
b. Sollte es sich bei der YPG-Fahne objektiv um ein von der PKK usurpiertes Kennzeichen handeln, so lägen nach Aktenlage auch ausreichend Anhaltspunkte vor, um auch in subjektiver Hinsicht einen hinreichenden Tatverdacht bzgl. des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu rechtfertigen.
Die ergibt sich bereits aus dem Kontext, in den der Angeschuldigte die YPG-Fahne in seinen Facebook-Account eingestellt hat. Der Angeschuldigte hatte, wie bereits geschildert, jedenfalls am 09.03.2017 neben der YPG-Fahne weite Symbole in seinen Facebook-Account eingestellt. Darunter findet sich insbesondere ein Symbol einer roten Nelke auf schwarzem Hintergrund mit dem Schriftzug „SURUÇ“. Das Einstellen dieses Symboles deutet darauf hin, dass sich der Angeschuldigte mit den Belangen und Tätigkeiten der PKK und PKK-naher Organisationen auseinandersetzt und dadurch auch über Wissen darüber verfügt, welche Kennzeichen die PKK für sich verwendet. Suruç ist, wie öffentlich zugänglichen Quellen im Internet, wie Wikipedia zu entnehmen ist, eine mehrheitlich von türkischen Kurden bewohnten Stadt in der Ost-Türkei an der Grenze zu Syrien, in der es 2015 zu einem mutmaßlich dem Islamischen Staat zuzuordnenden Selbstmordanschlag und in der Folge zu mutmaßlich der PKK zuzuordnenden „Strafaktionen“ gegen Soldaten der türkischen Armee kam, welcher seitens PKK und YPG vorgeworfen wurde, in den Islamischen Staat investiert zu haben. Die Stadt Suruç steht mithin augenscheinlich, zumal in Kombination mit einer Nelke als sozialistischem Symbol, für die Erinnerung an die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen PKK, türkischem Militär und Islamischem Staat in den Kurdengebieten der Ost-Türkei, an denen auch die YPG maßgeblich beteiligt ist. Ob darüber hinaus weitere Symbole, wie etwa das am 09.03.2018 in den Facebook-Account eingestellte Symbol mit der geballten Hand und der Aufschrift „Solidarisch Kämpfen“ oder das Symbol mit dem fünfzackigen, sozialistischen Stern, auf dem eine Waffe und der Schriftzug „GDL“ abgebildet ist, weiteren Aufschluss über den Wissenstand des Angeschuldigten über PKK und YPG ergeben, kann, falls vom Amtsgericht für erforderlich gehalten, im Rahmen einer etwaigen Hauptverhandlung geklärt werden. Die derzeit nach Aktenlage vorliegenden Hinweise auf den Nachweis auch des subjektiven Tatbestandes des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG reichen für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts i.S.d. § 203 StPO jedenfalls aus.


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